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  • 16.01.2024 – Steuergesetze können Rückwirkung entfalten
    16.01.2024 – Steuergesetze können Rückwirkung entfalten
    LEGISLATIVE | Steuer & Recht | In einem wegweisenden Urteil hat das Hessische Finanzgericht am 21. November 2023 über die Rückwirkung von Steuergesetzen und die Besteuerung von ...

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ApoRisk® Nachrichten - Legislative:


Steuer & Recht |

Steuergesetze können Rückwirkung entfalten

 

In einem wegweisenden Urteil hat das Hessische Finanzgericht am 21. November 2023 über die Rückwirkung von Steuergesetzen und die Besteuerung von Abfindungszahlungen entschieden. Die Richter entschieden, dass Deutschland auch dann das Besteuerungsrecht für nachträglich ausgezahlte Abfindungen hat, wenn der Wohnsitz des Empfängers ins EU-Ausland verlagert wurde. Diese Regelung, gemäß § 50d Abs. 12 Satz 1 EStG, gilt seit 2017 und ermöglicht es dem deutschen Fiskus, Abfindungen zu besteuern, selbst wenn die Abfindungsvereinbarung vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung abgeschlossen wurde.


Der Fall, der vor Gericht verhandelt wurde, betrifft eine Arbeitnehmerin, die ihr Arbeitsverhältnis im Jahr 2016 einvernehmlich mit ihrem Arbeitgeber beendete und als Ausgleich eine Abfindung vereinbarte. Obwohl die Zahlung erst im Folgejahr erfolgte, war die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits nach Malta umgezogen. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für 2017 unter Berücksichtigung des geänderten Wohnsitzes und der gezahlten Abfindung fest. Die Klägerin argumentierte, dass eine Besteuerung in Deutschland unzulässig sei, da die Gesetzesänderung zum Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung und ihres Umzugs nach Malta weder existierte noch absehbar war.

Das Gericht wies die Klage ab, indem es feststellte, dass im Steuerrecht eine verbotene Rückwirkung im Grundsatz nur vorliegt, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Änderungen von Gesetzen, die erst in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum gelten, seien hingegen regelmäßig zulässig. Im Einkommensteuerrecht finden Rechtsänderungen typischerweise veranlagungszeitraumbezogen statt, wodurch Steuerpflichtige im Regelfall keinen Vertrauensschutz in die Weitergeltung einer alten Regelung haben.

Das Gericht betonte auch, dass die Klägerin es versäumt hatte, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Auszahlung im Jahr 2016 vorzubehalten, was potenziell noch steuerfrei gewesen wäre. Bei der Abwägung des Vertrauens der Klägerin auf Fortgeltung der alten Rechtslage mit dem durch die Gesetzesänderung verfolgten Interesse der Allgemeinheit an der Sicherung des Steueraufkommens überwiege das legitime Allgemeininteresse.

Gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof (Az. VI R 3/24) eingelegt.

Hintergrundinformation: Bis 2016 konnte eine anlassbezogene Abfindung in Deutschland vollständig steuerfrei sein, wenn der Zahlungsempfänger bei Zufluss seinen Wohnsitz in einem Land hatte, welches nach einem Doppelbesteuerungsabkommen vorrangig das Besteuerungsrecht hatte. Mit der Einführung des § 50d Abs. 12 EStG ab dem 01.01.2017 unterliegt die anlassbezogene Abfindung in Deutschland der Einkommensteuer, indem die Abfindung als nachträglicher Arbeitslohn fingiert wird.

 
Kommentar:

Das Urteil des Hessischen Finanzgerichts markiert eine bedeutende Entscheidung im Spannungsfeld zwischen individuellen Steuerinteressen und dem legitimen Allgemeininteresse an der Sicherung des Steueraufkommens. Die Richter haben klargestellt, dass im deutschen Steuerrecht eine Rückwirkung im Grundsatz nur dann als unzulässig betrachtet wird, wenn eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abgeändert wird. Dieses Grundsatzurteil dürfte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle haben und klärt die rechtliche Situation für Steuerpflichtige, die mit dem Gedanken spielen, ihren Wohnsitz ins Ausland zu verlagern.

Die Argumentation des Gerichts, dass Rechtsänderungen im Einkommensteuerrecht typischerweise veranlagungszeitraumbezogen erfolgen und daher im Regelfall keinen Vertrauensschutz für Steuerpflichtige bedeuten, ist bemerkenswert. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass sie es versäumt hatte, sich eine Auszahlung im Jahr 2016 vorzubehalten, was potenziell steuerfrei gewesen wäre. Dieser Aspekt betont die Bedeutung einer proaktiven Gestaltung der steuerlichen Situation.

Das Urteil könnte auch eine gewisse Unsicherheit bezüglich der steuerlichen Planung für Abfindungen beseitigen, da es nun klare Leitlinien für die Besteuerung von nachträglich ausgezahlten Abfindungen trotz eines Wohnsitzwechsels ins Ausland gibt. Die eingereichte Revision beim Bundesfinanzhof wird zeigen, ob dieses wegweisende Urteil Bestand haben wird oder ob noch weitere Klärungen auf höherer Ebene erforderlich sind.

Insgesamt verdeutlicht das Urteil, dass Steuerpflichtige bei der Planung von Abfindungen und einem möglichen Wohnsitzwechsel ins Ausland sorgfältig die geltenden Steuergesetze berücksichtigen sollten, um unangenehme steuerliche Überraschungen zu vermeiden.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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