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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News von heute
Am 24. Juni 2025 steht mit Nirogacestat ein innovatives Arzneimittel für seltene Desmoidtumoren unmittelbar vor der europäischen Zulassung und öffnet die onkologische Präzisionsmedizin für neue therapeutische Horizonte, während eine gleichzeitige Systemstörung bei SMC-B- und HBA-Karten die technologische Fragilität im Gesundheitswesen entlarvt, indem sie Praxen, Apotheken und Kliniken reihenweise digital lahmlegt und das Vertrauen in die Telematikinfrastruktur erneut erschüttert, während Apotheken inmitten dieser strukturellen Herausforderungen vor der Frage stehen, wie sie sich gegen existenzielle Betriebsrisiken absichern sollen, wenn technische, juristische oder betriebliche Schadensfälle immer häufiger eintreten, ohne dass Standardpolicen greifen, und professionelle Versicherungsberatung deshalb zur betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit wird, die nicht nur Schäden reguliert, sondern Prävention als Teil einer strategischen Resilienz mitdenkt – damit aus innovativer Medizin, sicherer Infrastruktur und robuster Apothekenpraxis kein Flickwerk wird, sondern ein integriertes Gesundheitssystem, das Menschen schützt, Prozesse trägt und Zukunft ermöglicht
Sicherheit braucht Strategie, Vertrauen braucht Prävention, Verantwortung braucht Expertise
Warum professionelle Versicherungsberatung zur Überlebensfrage für Apotheken wird
Wenn Apotheken heute bestehen wollen, reicht es längst nicht mehr, Arzneimittel korrekt abzugeben, wirtschaftlich zu kalkulieren und gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Wer nicht auch strategisch gegen existenzielle Risiken abgesichert ist, begibt sich in eine stille Gefahrenspirale – und bemerkt sie oft erst, wenn es zu spät ist. Genau hier setzt professionelle Versicherungsberatung an, nicht als Versicherungsvertrieb, sondern als partnerschaftliches Risikomanagement im Gesundheitswesen. Denn die Bedrohungslage für Apotheken verändert sich rasant: technische Ausfälle, Cyberangriffe, Rezeptfälschungen, Fehlberatungsrisiken, Gebäude- und Lagerschäden durch Wasser, Feuer oder Stromausfall – all das ist heute keine abstrakte Möglichkeit mehr, sondern realer Betriebsalltag mit wachsender Frequenz. Die Versicherung wird damit vom optionalen Schutzpolster zum betriebswirtschaftlichen Fundament. Doch was nützt eine Police, wenn sie im Ernstfall nicht greift, falsch dimensioniert oder inaktuell ist? Genau hier versagen Standardlösungen – und genau hier zeigt sich die Relevanz professioneller Beratung.
Professionelle Versicherungsberater analysieren nicht nur vorhandene Verträge, sondern durchleuchten die individuelle Risikolandschaft jeder Apotheke systematisch. Sie prüfen Lagerstruktur, Kühlkettenführung, Notdienstbereitschaft, Digitalisierungsgrad, Standortlage, Personalstruktur und Dienstleistungsprofil – nicht schematisch, sondern konkret, betriebsnah und strategisch. Das Ziel: eine passgenaue Risikostruktur, die nicht nur gegen bekannte, sondern auch gegen unerwartete Schäden absichert. Denn während Standardversicherer oft nur klassische Risiken wie Diebstahl oder Feuerschäden absichern, bleiben Betriebsunterbrechung durch Telematikausfälle, Hackerattacken mit Rezeptdatenleak oder Beratungshaftung nach Arzneimittelwechsel unberücksichtigt – mit fatalen Folgen. Dabei ist gerade die Kaskade aus technischen, juristischen und personellen Risiken in der heutigen Apothekenrealität der eigentliche Unsicherheitsfaktor. Hier ist professionelle Beratung keine Servicefrage mehr, sondern das Rückgrat betrieblicher Widerstandskraft.
Eine der zentralen Herausforderungen ist die Flexibilität. Das Apothekenwesen steht unter permanenter Veränderung – sei es durch Gesetzesnovellen, neue pharmazeutische Dienstleistungen, verpflichtende Digitalisierungsschritte wie E-Rezept oder ePA oder durch Verschärfungen bei Datenschutz, Arbeitsschutz und Produkthaftung. Eine Versicherungslösung, die heute passt, kann morgen schon lückenhaft sein. Daher muss die Beratungsbeziehung fortlaufend gepflegt werden – mit regelmäßigen Reviews, Frühwarnsystemen und einer aktiven Informationspolitik. Gute Berater sehen sich nicht als Vertragshändler, sondern als strategische Begleiter, die mitdenken, vorausschauend beraten und im Krisenfall sofort steuernd eingreifen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis professioneller Expertise und Branchenkenntnis.
Auch für die Belegschaft hat eine fundierte Versicherungsstrategie Relevanz. Wer Apothekenbetrieb nicht nur als Verkaufsstelle, sondern als Arbeitgeber mit sozialer Verantwortung begreift, muss Risiken für Mitarbeitende ebenfalls absichern – von Arbeitsunfällen über psychische Belastung bis hin zu Fragen der betrieblichen Altersvorsorge. Eine ganzheitliche Absicherung stärkt nicht nur die Resilienz des Betriebs, sondern auch das Vertrauen des Teams. Und dieses Vertrauen ist ein strategischer Vorteil in Zeiten von Personalmangel und Arbeitskräftemobilität.
Zugleich wird Versicherungsberatung zum politischen Signal. Wer seine Apotheke professionell absichert, sendet auch ein Zeichen in Richtung Politik und Öffentlichkeit: Wir sind vorbereitet, wir übernehmen Verantwortung, wir gestalten aktiv mit. Denn eine Branche, die ständig unter regulatorischem Druck steht, kann nur bestehen, wenn sie auch intern auf Stabilität, Verlässlichkeit und Schutz achtet – und sich nicht auf Zufall oder Kulanz verlässt. Besonders im Zusammenspiel mit steuerlichen, haftungsrechtlichen und versorgungslogistischen Fragen zeigt sich: Ohne eine integrierte Versicherungsstrategie droht das betriebliche Gleichgewicht zu kippen.
Die Gretchenfrage ist deshalb nicht mehr: „Brauchen Apotheken eine Versicherung?“ – sondern: „Können sie es sich leisten, ohne professionelle Beratung zu agieren?“ Die Antwort liegt in der betrieblichen Realität, in Schadensmeldungen, Gerichtsurteilen und Betriebsaufgaben. Wer nicht vorbereitet ist, verliert. Und wer verliert, verliert nicht nur Geld, sondern Vertrauen – und manchmal auch die Betriebserlaubnis. Deshalb ist professionelle Versicherungsberatung nicht die Kür, sondern die Pflicht einer modernen, verantwortungsvollen Apothekenführung. Sie sichert nicht nur Risiken ab, sondern eröffnet Handlungsspielräume. Und sie ist der entscheidende Unterschied zwischen einer Apotheke, die Stürmen standhält – und einer, die beim ersten Unwetter einknickt.
Höhere Beiträge, schwindendes Vertrauen, verhärtete Koalitionslinien
Wie SPD und CDU an der Krankenkassenfinanzierung ringen, das Solidaritätsversprechen unter Druck gerät und politische Machtarithmetik neue Versorgungsblockaden schafft
Die Diskussion um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nimmt in der Berliner Koalition zunehmend Züge einer Grundsatzdebatte über Umverteilung, Verantwortung und ideologischen Grenzverlauf an. Während die SPD in der anhaltenden Finanzkrise der Kassen die Besserverdienenden in die Pflicht nehmen will, blockt die CDU reflexartig – nicht nur aus Koalitionstaktik, sondern aus einem tiefer liegenden politischen Selbstverständnis heraus, das sich an Marktgrenzen orientiert und vor der symbolischen Überschreitung der Beitragsbemessungsgrenze zurückschreckt. Im Zentrum steht ein fundamentaler Konflikt zwischen sozialpolitischer Gestaltungsambition und fiskalischer Besitzstandswahrung. Die Beitragsbemessungsgrenze, derzeit bei monatlich 5.512,50 Euro angesetzt, fungiert hier nicht nur als technische Schwelle, sondern als Marker einer sozialen Grenzlinie: Wer darüber verdient, muss für sein zusätzliches Einkommen keinen einzigen Cent in die solidarisch finanzierte Krankenversicherung einzahlen. Für die SPD ist das angesichts klammer Kassen und wachsender Leistungserwartungen nicht mehr vermittelbar, zumal ein Blick auf die reale Einkommensverteilung die Schieflage illustriert: Der Anteil derjenigen, deren Einkommen über dieser Schwelle liegt, wächst, doch die GKV-Einnahmen stagnieren, da dieser Zuwachs im System unsichtbar bleibt.
Vor diesem Hintergrund hatte der kommissarische SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf eine alte Forderung neu angestoßen: die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze oder sogar deren Abschaffung zugunsten einer einkommensproportionalen Beitragspflicht ohne Deckel. Dass er dies mit dem Hinweis auf seine eigene Zahlungsfähigkeit verband, war mehr als Symbolik – es war die bewusste Entgrenzung eines bislang tabuisierten Arguments: dass Spitzenverdiener nicht nur könnten, sondern müssten. Die Reaktion der CDU fiel erwartungsgemäß ablehnend aus. Generalsekretär Carsten Linnemann betonte, die Forderung sei »nicht gedeckt im Koalitionsvertrag« und stellte klar, dass man sie »nicht teile«. Im Subtext dieser Stellungnahme liegt jedoch mehr als bloßes Koalitionsdisziplin-Management. Es geht um ein systemisches Nein zu Umverteilungsimpulsen, das in der CDU tief verankert ist – auch wenn dieser Kurs zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert, da gleichzeitig Millionen Menschen unter steigenden Beiträgen, schwindender Versorgungssicherheit und wachsender Belastung leiden.
Die politische Frontstellung verschärft eine ohnehin fragile Lage. Die GKV rechnet für die kommenden Jahre mit Defiziten in Milliardenhöhe. Die demografische Entwicklung, medizinischer Fortschritt, steigende Arzneimittelkosten und die Ausweitung von Leistungen belasten die Finanzstatik der Kassen. Reformbedarf ist unbestritten, doch in der Koalition fehlt der Konsens über die Richtung. Während die SPD über höhere Einnahmen für mehr Gerechtigkeit und Versorgungssicherheit spricht, versucht die CDU, die Debatte auf der Ausgabenseite zu verengen – etwa durch Effizienzreserven, Strukturveränderungen oder eine stärker wettbewerbliche Orientierung. Dieses Auseinanderdriften gefährdet nicht nur Reformprojekte, sondern beschädigt auch das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der solidarischen Krankenversicherung. Denn das zentrale Versprechen des Systems – gleiche Leistung für gleichen Beitrag – wird zunehmend durchlöchert, wenn ein wachsender Teil der Hochverdiener faktisch nur für einen begrenzten Teil ihres Einkommens zum Beitrag herangezogen wird, während untere und mittlere Einkommen vollumfänglich belastet werden.
Der Vorschlag der SPD ist deshalb mehr als ein fiskalisches Reparaturinstrument. Er zielt auf eine Neubestimmung des Verhältnisses von Solidarität und Leistungspflicht in der GKV. In einem Land, in dem sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet und in dem eine zunehmende Zahl von Menschen Mühe hat, Beiträge zu stemmen, wirkt die Beitragsgrenze wie ein struktureller Verzicht auf Gerechtigkeit. Auch verfassungsrechtlich ist eine Anhebung oder Abschaffung der Grenze keineswegs ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass der Gesetzgeber die Freiheit hat, die Sozialversicherungssysteme im Lichte der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit weiterzuentwickeln – auch unter Einbeziehung höherer Einkommen. Die politische Frage ist also nicht, ob es ginge, sondern ob es gewollt ist. Und hier zeigt sich eine wachsende Asymmetrie: Während SPD, Grüne, Gewerkschaften und Sozialverbände zunehmend für eine stärkere Inpflichtnahme der Einkommensstarken eintreten, bleibt die CDU in einer Blockadehaltung, die zunehmend rückwärtsgewandt erscheint.
Dass diese Blockade politisch nicht folgenlos bleibt, zeigt sich bereits in ersten Umfragen. Die Zustimmung zur CDU sinkt unter jüngeren Wählern, die soziale Gerechtigkeit stärker gewichten als frühere Generationen. Gleichzeitig wächst der Druck auf die Ampelkoalition, trotz Koalitionsvertrag kreative Wege zu finden, um Einnahmen zu stabilisieren. Die Debatte über eine »Bürgerversicherung light« – also eine moderate Öffnung der GKV für höhere Einkommen – nimmt wieder Fahrt auf. Auch parteiintern formiert sich in der CDU Widerstand gegen die dogmatische Festklammerung an die Beitragsbemessungsgrenze. Erste Landesverbände fordern eine ergebnisoffene Debatte, und auch innerhalb der Union gibt es Stimmen, die sich offen zeigen für Modelle mit stärkerer Beteiligung von Gutverdienern – zumindest in Kombination mit steuerlicher Entlastung an anderer Stelle.
Bemerkenswert ist auch, dass die SPD ihre Forderung nicht als isoliertes Finanzierungsthema behandelt, sondern in den größeren Zusammenhang gesundheitspolitischer Steuerung stellt. So ist geplant, bei der nächsten Reform nicht nur die Einnahmeseite zu stärken, sondern auch die Beitragsverwendung transparenter und zielgerichteter zu machen – etwa durch eine verstärkte Investition in Prävention, Digitalisierung und regionale Versorgungsausgleichsmodelle. Damit würde die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze nicht als bloße Belastung erscheinen, sondern als Baustein einer erneuerten Versorgungslogik, in der Verantwortung und Nutzen neu austariert werden.
Die CDU hingegen bleibt bisher die Antwort schuldig, wie sie die Finanzierungslücke ohne strukturelle Änderungen schließen will. Vorschläge wie die Stärkung privater Vorsorge oder eine Ausweitung der Selbstbeteiligung greifen zu kurz – zumal sie gerade jene Gruppen treffen würden, die ohnehin am stärksten belastet sind. Der politische Preis dieser Unbeweglichkeit könnte hoch sein: ein weiterer Glaubwürdigkeitsverlust der Union in sozialen Fragen, ein wachsender Reformstau im Gesundheitswesen und eine Erosion des Grundvertrauens in die Koalitionsfähigkeit der Regierung. In einer Zeit, in der das Gesundheitssystem vor immensen Herausforderungen steht – vom Fachkräftemangel über die Versorgungssicherheit bis hin zur digitalen Infrastruktur –, wirkt eine Koalition, die sich an Beitragsgrenzen abarbeitet, zunehmend aus der Zeit gefallen.
Ein Paradigmenwechsel wäre möglich, wenn die Debatte nicht länger auf Symbolpolitik verkürzt, sondern als Chance für eine gerechtere und nachhaltigere Ausgestaltung der GKV verstanden würde. Doch dafür müsste die CDU ihren Widerstand gegen die Erkenntnis aufgeben, dass Solidarität kein Almosen ist, sondern ein Systemprinzip. Und die SPD müsste den Mut haben, notfalls auch jenseits des Koalitionsvertrags klare Forderungen in den politischen Diskurs zu tragen – mit dem Risiko, dass es kracht. Denn wer in Krisenzeiten nur verwaltet, aber nicht gestaltet, verliert nicht nur Zustimmung, sondern am Ende auch das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaats.
Kassenlogik braucht Klarheit, Versorgung braucht Prioritäten, Gesundheitspolitik braucht Evidenz
Wie die SPD homöopathische Mittel aus der Erstattung streichen will, welche GKV-Kostenvorschläge den Parteitag dominieren und warum Naloxon, eGK-Daten und Mehrwertsteuerdebatten erneut die Richtung des Systems bestimmen
Die SPD tastet sich erneut an eine Grundsatzfrage heran, die seit Jahren das Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Evidenz und politischer Rücksichtnahme im Gesundheitswesen prägt: Sollen homöopathische Mittel weiterhin von Krankenkassen erstattet werden – oder ist es an der Zeit, ein klares Bekenntnis zu Wirksamkeit und Rationalität in der Versorgung zu formulieren? Im Antragsbuch zum Bundesparteitag finden sich dazu unmissverständliche Formulierungen. Im Zentrum steht die Forderung, homöopathischen Mitteln nicht länger einen gleichberechtigten Status mit evidenzbasierten Arzneien einzuräumen – und genau diese klare Trennung als politische wie regulatorische Konsequenz umzusetzen.
Dabei sticht ein Antrag aus Hamburg besonders hervor. Dort heißt es wörtlich, homöopathische Präparate dürften künftig nicht mehr mit Arzneimitteln gleichgestellt werden, deren Wirkung über den Placeboeffekt hinaus belegt ist. Die Forderung zielt in Richtung einer doppelten Entzauberung: rechtlich wie rhetorisch. Denn der Antrag will den Arzneimittelstatus aberkennen, Werbung verbieten und stattdessen eine Warnkennzeichnung einführen, die auf der Verpackung explizit auf den fehlenden Wirkungsnachweis hinweist. Die vorgeschlagene Formulierung – „Dieses Produkt basiert nicht auf medizinischen Erkenntnissen“ – würde das bisherige Gleichgewicht zwischen patientennaher Kulanzpolitik und therapeutischer Evidenz endgültig verschieben.
Die Position ist nicht neu, aber pointierter denn je. Bereits unter Karl Lauterbach hatte es Versuche gegeben, die Homöopathie aus der Satzungsleistung zu streichen. Im Entwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) war ein entsprechender Passus enthalten – letztlich verschwand er in den späten Runden des Gesetzgebungsverfahrens. Dass sich die SPD-Fraktion damit nicht zufriedengibt, zeigt nun der neue Anlauf mit programmatischer Schärfung. Die gesundheitspolitischen Konsequenzen sind weitreichend. Denn auch wenn Homöopathie ohnehin nicht zur Regelleistung gehört, entscheiden Kassen oft pragmatisch zugunsten einer Satzungsleistung, die Patientenbindung und Zufriedenheit erhöht. Die SPD stellt diesen Automatismus infrage.
Parallel zu dieser ideologisch aufgeladenen Auseinandersetzung schlägt der Parteitag jedoch auch pragmatische Pflöcke ein. Die Entlastung der GKV-Finanzen bleibt ein zentrales Motiv – auch, weil sie mit der allgemeinen Kostenexplosion im Gesundheitssystem korrespondiert. Mehrere Anträge fordern daher, versicherungsfremde Leistungen künftig ganz oder zumindest in stärkerem Umfang aus Steuermitteln zu finanzieren. Das betrifft etwa familienpolitische Ausgleichsleistungen oder integrationspolitische Aufgaben, die derzeit über die Kassenbeiträge laufen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte kürzlich in dieselbe Richtung argumentiert, und auch der vfa – Verband forschender Arzneimittelhersteller – befürwortet eine entsprechende Umverteilung.
Finanzpolitisch noch weiter gehen die Vorschläge zur Mehrwertsteuer. Der Parteitag diskutiert die vollständige Befreiung rezeptpflichtiger Medikamente von der Umsatzsteuer. Auch OTC-Produkte sollen, sofern apothekenpflichtig, nur noch dem ermäßigten Satz unterliegen. Ergänzt wird dies durch die Forderung, Leistungen der GKV und der Pflegeversicherung generell von der Mehrwertsteuer zu befreien. In Summe zeichnet sich hier ein Maßnahmenbündel ab, das auf strukturelle Steuerentlastung im Gesundheitswesen zielt – allerdings nicht ohne fiskalpolitische Gegenrechnung. Denn was dem Beitragszahler nützt, muss anderweitig gegenfinanziert werden.
Zudem gibt der Parteitag auch digitalpolitisch Takt vor. Eine Reform des Notfallsystems soll die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die Patientenakte (ePA) stärker in die Versorgung integrieren. Konkret fordern die Anträge, dass Bürgerinnen und Bürger relevante Notfalldaten auf ihrer eGK oder ePA speichern lassen können – einschließlich chronischer Erkrankungen, Allergien und Medikation. Eine Informationskampagne soll die breite Nutzung vorbereiten. Gleichzeitig plädiert die SPD für einen Ausbau telemedizinischer Strukturen, insbesondere in ländlichen Regionen. Die Stichworte lauten: mobile medizinische Einheiten, digitale Infrastruktur, Niederlassungsanreize für Ärztinnen und Ärzte außerhalb urbaner Räume. Die Grundbotschaft ist eindeutig: Versorgung darf nicht am Breitband scheitern.
In den Details des Parteitagsantragswerks verbirgt sich auch eine bemerkenswerte Forderung zum Umgang mit Opioidnotfällen. Das rezeptfreie Naloxon-Nasenspray, lange diskutiert, soll in Deutschland steuerfinanziert und niedrigschwellig in Apotheken verfügbar werden. Damit nähert sich die SPD einer Versorgungsperspektive an, wie sie in vielen angelsächsischen Ländern bereits Realität ist: zielgerichtete Prävention statt repressiver Symbolpolitik. Mit Blick auf die drogenpolitischen Debatten der vergangenen Jahre, aber auch die steigenden Todesfälle durch synthetische Opioide, wäre dies ein Schritt mit praktischer wie politischer Tragweite.
Ein anderer Aspekt des Gesundheitswesens gerät nur scheinbar ins Hintertreffen, obwohl seine Bedeutung für Teilhabe und Inklusion unbestritten ist: die Barrierefreiheit. Ein früher Antragstext sah vor, dass alle neu zu eröffnenden Arztpraxen und Apotheken verpflichtend barrierefrei zugänglich sein müssten. Doch dieser Passus wurde in späteren Fassungen gestrichen – offenbar aus Sorge vor Umsetzbarkeit und Kosten. Stattdessen rückt der Fokus nun auf größere Strukturen wie medizinische Versorgungszentren und Gemeinschaftspraxen. Ob damit jedoch die Lebensrealität vieler Betroffener adäquat berücksichtigt wird, bleibt zweifelhaft.
Die personelle Verantwortung für diese gesundheitspolitische Agenda tragen auf dem Parteitag unter anderem Tanja Machalet und Dagmar Schmidt. Machalet, neue Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, gilt als entschiedene Befürworterin evidenzbasierter Gesundheitsversorgung und hat sich mehrfach für die Stärkung des Berufsbildes Apothekerin/Apotheker ausgesprochen. Schmidt, eine der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, ist gesundheitspolitisch seit Jahren profilbildend unterwegs. Beide setzen mit ihrer Rolle in der Antragskommission programmatische Impulse – sowohl zur sozialpolitischen Fundierung des Systems als auch zur strukturellen Reform in Richtung Zukunftssicherheit.
Insgesamt offenbart das Antragsbuch eine bemerkenswerte Kohärenz: Die SPD will das Gesundheitswesen nicht über Beliebtheit, sondern über Evidenz steuern. Sie will Kassenbeiträge nicht durch symbolische Aktionen senken, sondern durch Umverteilung von versicherungsfremden Leistungen und gezielte Mehrwertsteuerreformen. Und sie will Versorgung neu denken – digital, präventiv, inklusiv. Der Parteitag könnte damit zu einem gesundheitspolitischen Signalgeber werden, der nicht nur Forderungen platziert, sondern eine neue Richtung formuliert: Weg vom Ritual der Dauererstattung, hin zur Priorisierung des belegbar Wirksamen.
Krankheit trifft auf Krieg, Hilfe braucht Struktur, Versorgung bleibt prekär
Wie Vertriebene in der Ukraine Medikamente erhalten, Apotheken mit Hilfsinitiativen kämpfen und Diabetespatienten besonders gefährdet sind
Die Lage in der Ukraine bleibt auch drei Jahre nach Kriegsbeginn dramatisch – nicht nur militärisch, sondern zunehmend auch gesundheitlich. Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes gehören zu den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen, deren Versorgung durch zerstörte Infrastruktur, unterbrochene Lieferketten und administrative Hürden massiv erschwert wird. Was einst eine staatlich organisierte Routineversorgung über Krankenhäuser und Apotheken war, ist vielerorts einem improvisierten Netz aus Hilfsorganisationen, privaten Initiativen und aufopferungsvoll arbeitenden Fachkräften gewichen. In Odessa ist es unter anderem die Apothekerin Yuliia Haitovska, die sich gemeinsam mit dem Your City International Charity Fund für genau diese Menschen engagiert. Sie verteilt Medikamente kostenlos, organisiert Beratungen und versucht, das Notwendige möglich zu machen – gegen die Realität an. Dass es ihr überhaupt gelingt, in dieser systemisch instabilen Lage eine funktionierende Unterstützungsstruktur aufrechtzuerhalten, ist ein organisatorisches und menschliches Kraftwerk inmitten einer humanitären Zerreißprobe.
Haitovska, selbst aus einem umkämpften Gebiet geflohen, kennt die strukturellen Brüche des ukrainischen Gesundheitssystems aus erster Hand. Was früher ein engmaschiges Netz aus Hausärzten, Endokrinologen und Apotheken bildete, ist nun in Teilen ausgedünnt oder zerstört. Viele Ärzt:innen sind geflohen oder leisten Dienst an der Front, Apotheken wurden geplündert oder mussten aus Sicherheitsgründen schließen. Diejenigen, die geblieben sind, stehen unter dauerhaftem psychischem und logistischem Druck – und müssen täglich improvisieren, wenn es um Versorgungsgarantien geht. Der Zugang zu Insulin ist in weiten Teilen des Landes weder gleichberechtigt noch sicher. Während größere Städte wie Lwiw, Kiew oder Dnipro durch NGO-Verteilzentren eine rudimentäre Stabilität erhalten, bleibt die Lage in den umkämpften oder wirtschaftlich marginalisierten Regionen prekär. Haitovska beschreibt es nüchtern: „Es ist ein täglicher Kampf um jedes Fläschchen.“
Vor allem Menschen mit Typ-1-Diabetes stehen unter besonderem Risiko. Sie benötigen kontinuierlich Insulin, Teststreifen und Zugang zu medizinischer Beratung – Voraussetzungen, die im Kriegsgebiet nicht selbstverständlich sind. Die westliche Öffentlichkeit bekommt davon kaum etwas mit, solange keine Luftangriffe gemeldet werden. Doch die katastrophale Langzeitwirkung schlechter Blutzuckereinstellung durch unterbrochene Therapien wird sich erst in Jahren zeigen. Amputationen, diabetische Retinopathien oder Nierenversagen sind laut Haitovska „ein Schatten, der über uns allen liegt – eine stille zweite Katastrophe“.
Die Pharmahilfen, die über westliche Kanäle organisiert werden, sind zentral für den Erhalt medizinischer Mindeststandards. Doch sie kommen nicht automatisch dort an, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Oft mangelt es an klarer Koordination zwischen internationalen Hilfsprogrammen und lokalen Strukturen. Auch das Vertrauen in staatliche Umverteilungsmechanismen ist in vielen Regionen beschädigt. Haitovska erklärt, wie sie mit anderen Apotheker:innen und engagierten Nichtregierungsorganisationen eigene Verteilungsnetzwerke aufgebaut hat – inoffiziell, schnell, aber hochwirksam. „Wir verlassen uns auf Menschen, nicht auf Systeme“, sagt sie. Diese Mentalität ist nicht nur pragmatisch, sondern notwendig in einer Umgebung, in der staatliches Versagen den Alltag diktiert.
Ergänzend zur Arzneimittelversorgung leistet Haitovska auch psychologische Erstberatung – ein Aspekt, der oft übersehen wird. Denn Diabetesbehandlung ist nicht nur biochemische Regulation, sondern auch Verhaltensmanagement. Und genau hier offenbart sich die zweite Dimension der Krise: Die ständige Bedrohung durch Bomben, der Verlust von Angehörigen und der Kampf ums tägliche Überleben führen bei vielen Patient:innen zu psychischer Erschöpfung, Depression und im schlimmsten Fall zur völligen Therapieaufgabe. Das führt zu Dekompensationen, stationären Aufnahmen und Todesfällen, die vermeidbar wären – in Friedenszeiten.
Dabei sind Apotheken in der Ukraine längst über ihren ursprünglichen Versorgungsauftrag hinausgewachsen. Sie sind zu Anlaufstellen für Trost, Information und Versorgung geworden – teils die einzigen medizinischen Einrichtungen, die noch erreichbar sind. Viele Apotheken agieren längst unter improvisierten Bedingungen, ohne funktionierendes Kassensystem, ohne regelmäßige Belieferung, aber mit maximalem Engagement. Die Apothekenteams organisieren sich über Messenger-Dienste, improvisieren Lagerhaltung und bieten kostenlose Sprechstunden an. Diese Entwicklung ist symptomatisch für eine tiefere Transformation: Die Apotheke als resiliente Basiseinheit in einer systemisch desorganisierten Gesellschaft.
Hinzu kommt der Mangel an qualifiziertem Personal. Zahlreiche PTA und Apotheker:innen haben das Land verlassen, andere sind in andere Regionen evakuiert worden. Die Ausbildungssysteme stehen unter Druck, Fortbildungen sind ausgesetzt, Prüfungen entfallen. Nachwuchs fehlt an allen Ecken. Haitovska sieht darin eine der größten Gefahren für die kommenden Jahre: „Wenn niemand bleibt, der das Wissen weiterträgt, verlieren wir nicht nur Personal, sondern auch die Fähigkeit zur Regeneration.“ Ihre eigene Ausbildung setzt sie in informellen Kursen fort, unterrichtet junge Helfer:innen im sicheren Umgang mit Medikamenten, erklärt Grundlagen der Diabetologie – nicht im Hörsaal, sondern im Schutzkeller.
Zugleich macht sich auch auf internationaler Ebene Frust breit. Die mediale Aufmerksamkeit für die Ukraine nimmt ab, obwohl die Not nicht geringer wird. Viele Hilfsorganisationen kämpfen mit sinkenden Spendenaufkommen. Die Auslieferung von Medikamenten ist aufwändig, teuer und bürokratisch geworden. Der Bedarf hingegen steigt – nicht nur wegen des Krieges, sondern auch wegen einer wachsenden Zahl von Binnenvertriebenen, älteren Menschen und chronisch Kranken, die ihre gewohnte Behandlung nicht mehr erhalten.
Aus Sicht deutscher Apotheken und pharmazeutischer Fachkreise ergibt sich daraus ein klarer Handlungsauftrag. Die Ukraine braucht keine Symbolpolitik, sondern strukturierte, kontinuierliche Hilfe – insbesondere im Bereich chronischer Erkrankungen wie Diabetes. Apotheken können hier als Vermittler zwischen Spendern, Herstellern und ukrainischen Bedarfsträgern wirken. Ob über Arzneimittelspenden, Patenschaften für Apothekenteams oder langfristige Unterstützung bei Fortbildungsprojekten – gefragt ist nicht der schnelle Effekt, sondern die nachhaltige Stärkung eines Systems im Schatten des Krieges.
Der Bericht aus Odessa ist mehr als eine Bestandsaufnahme. Er ist ein Weckruf. Die Lage von Diabetespatient:innen in der Ukraine zeigt mit entwaffnender Klarheit, wie fragil die Versorgung unter Extrembedingungen ist – und wie viel in der Apotheke als Ort, Struktur und Mensch möglich wird, wenn alle Systeme versagen. Yuliia Haitovska steht exemplarisch für eine neue Rolle pharmazeutischer Fachkräfte: nicht nur als Versorger, sondern als Stabilitätsanker. Die Frage ist nicht mehr, ob Apotheken helfen können. Sondern, wie lange noch – wenn sie es nicht gemeinsam tun.
Krisenvorsorge braucht Struktur, Versorgung braucht Planung, Apotheken brauchen Netzwerke
Wie Diabetespatienten in Notlagen überleben, welche Rolle Apotheken im Ausnahmezustand einnehmen und was aus der Ukraine gelernt werden muss
Mehr als 500 Millionen Menschen weltweit leben mit Diabetes – viele von ihnen relativ stabil, solange die medizinische Versorgung funktioniert, Medikamente verfügbar sind und die Infrastruktur intakt bleibt. Doch dieser Status ist keineswegs selbstverständlich. Krisensituationen wie Kriege, Naturkatastrophen oder Systemausfälle stellen Menschen mit chronischen Erkrankungen vor zusätzliche, teils existenzielle Risiken. Besonders gefährdet sind Menschen mit insulinpflichtigem Diabetes: Ihre tägliche Stabilität hängt von funktionierenden Lieferketten, Kühlketten und einer funktionierenden Notfallversorgung ab. Was diese Abhängigkeit in der Realität bedeutet, zeigt sich drastisch im Ukrainekrieg. Dort ist Diabetesversorgung nicht nur eine Frage medizinischer Verantwortung, sondern eine humanitäre Überlebensfrage. In der Anfangsphase des Konflikts kam es zu akuten Stoffwechselkrisen, manche endeten tödlich. Ausgerechnet dort, wo Medikamente über Grenzen geschmuggelt, in Kühltaschen versteckt und über Telegram koordiniert werden müssen, offenbart sich der Ernst der Lage: Chronisch Kranke brauchen Vorbereitung – und ein Gesundheitssystem, das auf Katastrophen nicht nur reagiert, sondern vorausschauend plant.
Diabetes ist planbar – aber nur in stabilen Verhältnissen. Was passiert, wenn diese Stabilität bricht, wird erst sichtbar, wenn die reguläre Versorgung ausfällt. Eine fehlende Insulinlieferung, ein Stromausfall ohne Kühlalternative oder ein verschollener Medikationsplan – in solchen Momenten kippt ein beherrschbarer Zustand in ein akutes Notfallgeschehen. Besonders dramatisch zeigt sich das bei Typ-1-Diabetes, wo ohne Insulin eine Ketoazidose innerhalb von Stunden eintreten kann. Die medizinische Notfalllage verwandelt sich in eine systemische Katastrophe, wenn keine Struktur für den Zugriff auf lebenswichtige Präparate vorhanden ist. Die EU hat diesen Schwachpunkt erkannt: Im März 2025 brachte die Kommission den Critical Medicines Act auf den Weg – eine Verordnung zur Versorgungssicherung bei kritischen Arzneimitteln, darunter auch verschiedene Insuline. Doch Papier schützt nicht vor Blackout. Es sind konkrete Maßnahmen gefragt – und hier stehen Apotheken im Zentrum der operativen Verantwortung.
In der Ukraine haben Apotheken ihre Rolle im Katastrophenfall neu definiert. Sie wurden zu Notfallzentren, zu Koordinationsstellen für Medikamentenlieferungen, zu Vermittlern zwischen ärztlicher Versorgung, Hilfsorganisationen und Betroffenen. Die Apothekerin Mariia Zavaliei, die für die Hilfsorganisation Intersos arbeitet, beschreibt Apotheken als »Lebensadern« der Diabetesversorgung. Ihre Aussage hat Gewicht: In einem weitgehend zerstörten Gesundheitssystem übernahmen sie Aufgaben, die weit über die Ausgabe von Arzneimitteln hinausgingen – inklusive psychologischer Stabilisierung, Aufklärung und logistischer Koordination. Die Zusammenarbeit zwischen Apotheken, Kliniken und humanitärer Hilfe war kein Luxus, sondern Überlebensnotwendigkeit. Doch nicht nur die Infrastruktur, auch die Kommunikation wurde zur Lebenslinie: Über soziale Netzwerke wie Telegram oder WhatsApp entstanden Selbsthilfegruppen, digitale Rettungslinien, in denen sich Betroffene mit Helfern austauschen, Versorgungsmöglichkeiten teilen und in Echtzeit koordinieren konnten, wo Medikamente noch verfügbar sind. Ohne diese Kanäle wären viele Menschen im Dunkeln geblieben – im wahrsten Sinne des Wortes.
Digitale Kommunikation ersetzt jedoch keine funktionierende Notfallvorbereitung auf individueller Ebene. Menschen mit Diabetes müssen lernen, ihre Krankheit krisensicher zu managen – mit Vorrat, Notfallset und digitalen Sicherungskopien. Was trivial klingt, ist in der Praxis hochkomplex: Wie lange reicht der Insulinvorrat? Welche Kühlmöglichkeiten bestehen im Blackout? Wo sind die Rezepte, wenn das Smartphone verloren geht? Und welche Symptome deuten auf eine Dekompensation hin, wenn kein Arzt erreichbar ist? Die American Association of Clinical Endocrinology gibt hier konkrete Empfehlungen – vom mitgeführten Glucagon über internationale Diabetesausweise bis zur Cloud-Sicherung medizinischer Unterlagen. Auch diabetologische Praxen sind gefragt: Sie müssen ihre Patienten nicht nur medizinisch betreuen, sondern sie systematisch auf Krisenszenarien vorbereiten – inklusive Plänen zur Selbstregulation, wenn Betreuung temporär ausfällt. Ein Thema, das in deutschen Arztpraxen bislang kaum vorkommt – aber zunehmend überlebenswichtig wird.
Apotheken sind prädestiniert dafür, diese Lücke zu schließen – durch niedrigschwellige Beratung, Verteilung von Aufklärungsmaterial und Schulungen zum Selbstmanagement. Sie haben direkten Kontakt zu den Betroffenen, kennen deren Bedarf und können schnell reagieren, wenn eine Krisensituation eintritt. Im Fall der Ukraine war dieser niederschwellige Zugang entscheidend: Die Koordination erfolgte oft lokal, spontan, improvisiert – aber wirksam. Lieferungen wurden über Hilfsorganisationen wie Action Medeor oder Your City International Charity Fund organisiert, teilweise mit Unterstützung aus Nachbarländern. Apotheken und ehrenamtliche Helfer bildeten ad hoc ein logistisches Rückgrat, das der staatlichen Versorgung weit überlegen war. Diese Erfahrung ist nicht nur lehrreich – sie ist handlungsleitend für andere Regionen. Denn Naturkatastrophen, Kriege oder Infrastrukturausfälle sind keine Ausnahmen mehr, sondern zunehmend realistische Szenarien auch für europäische Staaten.
Ein Beispiel dafür ist die Notwendigkeit sogenannter »grüner Korridore« – sichere humanitäre Wege, durch die Medikamente in gefährdete Regionen gelangen können. Der Fachartikel im Lancet vom Frühjahr 2022 betonte, wie wichtig solche Routen für Menschen mit Diabetes sind. Doch es braucht mehr als logistische Durchlässigkeit – es braucht strategische Vorbereitung. Dazu gehören dezentrale Lagerhaltung, redundante Kühlketten, digitale Erreichbarkeit, Schulungen für Betroffene und eine präventive Rolle der Apotheken. Diese Punkte müssen Bestandteil jeder nationalen Katastrophenschutzstrategie sein. Die Lektionen aus der Ukraine sind schmerzhaft, aber eindeutig: Wer chronisch krank ist, darf nicht dem Zufall ausgeliefert sein – weder organisatorisch noch politisch. Verantwortung beginnt vor dem Ernstfall.
Der Schutz chronisch kranker Menschen in Ausnahmesituationen ist kein Nebenschauplatz, sondern ein zentrales Element moderner Gesundheitsversorgung. Die Kombination aus medizinischer Abhängigkeit, instabiler Versorgung und emotionaler Belastung schafft eine Hochrisikosituation, die politisch und praktisch beantwortet werden muss. Im Zentrum steht die Frage: Wie resilient ist ein Gesundheitssystem – und wie krisenfest sind seine chronisch Kranken? Die Antwort beginnt bei der Ausbildung, führt über die Notfallplanung bis hin zur Alltagsverantwortung der Apotheken. Was heute als Ausnahme erscheint, könnte morgen zum Standardfall werden. Die Systeme, die darauf vorbereitet sind, sichern nicht nur Leben – sie sichern Vertrauen.
Karten fallen aus, Versorgung wird fragil, Vertrauen muss halten
Wie eine SMC-B-Störung Apotheken, Arztpraxen und Kliniken lahmlegt, warum der Kartentausch unter Druck gerät und welche Sicherheitsfragen die TI erneut aufwirft
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen lebt von der Erwartung, dass sie Abläufe vereinfacht, Kommunikation beschleunigt und Prozesse absichert. Doch genau dieses Versprechen wird aktuell unterminiert – durch eine Störung, die zentrale Identitätsnachweise lahmlegt und zeigt, wie brüchig die Infrastruktur noch immer ist. Betroffen sind die SMC-B-Karten und elektronischen Heilberufsausweise (eHBA) zweier Anbieter, SHC Stolle und Eviden. In Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäusern melden sich Systeme ab, eGK-Daten lassen sich nicht mehr zuverlässig einlesen, E-Rezepte können nicht signiert, KIM-Nachrichten nicht verschickt und ePA-Dokumente nicht eingesehen werden. Der Schaden ist systemisch, die Unsicherheit groß, die Ursachenanalyse läuft noch. Die Gematik spricht von einer „Einschränkung“, die Wirkung aber ist gravierender: Wer Karten nutzt, die zur Authentifizierung in der Telematikinfrastruktur notwendig sind, steht derzeit oft vor verschlossenen digitalen Türen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt ein anderer Prozess an Brisanz: Der ohnehin geplante Massentausch der Karten, deren Zertifikate sukzessive auslaufen. Medisign hatte diesen Austausch bereits für den Sommer angekündigt – abgestimmt mit der Gematik. Auch D-Trust steht in den Startlöchern. Aber nun, da bei einem Drittanbieter Karten flächendeckend versagen, zeigt sich, wie sensibel dieser Austauschprozess werden kann, wenn er nicht nur Routineakt ist, sondern plötzlich eine akute Systemlücke verdeckt. Die Apotheken, ohnehin belastet durch E-Rezept-Ausfälle, KIM-Aussetzer und ePA-Komplikationen, erleben ein Déjà-vu: Nicht der Fortschritt schafft Sicherheit, sondern das Versagen einzelner Komponenten bringt ganze Ketten zum Erliegen. Und das in einem System, das sich auf digitale Sicherheit und Authentifizierbarkeit verlässt, um Medikamente korrekt abzugeben, Diagnosen abzusichern, elektronische Bescheinigungen zu übermitteln.
Die Brisanz liegt nicht nur in der Störung selbst, sondern auch in der Transparenz ihrer Kommunikation. Die Gematik äußert sich zurückhaltend – man arbeite an der Fehlerursache, heißt es. Doch die Betroffenen – Apothekenteams, Ärztinnen, Klinik-ITs – stehen derweil vor Alltagsproblemen, die sich nicht mit Techniksprache lösen lassen: Patienten stehen an der Offizintür und wollen ihre Rezepte einlösen, Datenübertragungen funktionieren nicht, Rezeptsignaturen brechen ab. Jede dieser Hürden kostet Zeit, Vertrauen und Nerven. Vor allem aber verdeutlicht sie erneut die Fragilität der zentralen Authentifizierungsstruktur. Wenn ein Ausweis nicht funktioniert, bricht mehr zusammen als eine Verbindung – es bricht der digitale Nachweis, dass die Apotheke überhaupt berechtigt ist, Leistungen zu erbringen. Ohne funktionierende Karte, kein Zugriff auf Versorgungsinformationen, keine Rezeptübermittlung, keine Verfügbarkeit.
Die Tiefe des Problems liegt in seiner Architektur: Die SMC-B-Karte identifiziert die Institution, der eHBA die einzelne Fachperson – beide gemeinsam sichern die Integrität des Handelns im digitalen Raum. Fällt eine davon aus, fällt ein Schutzschild – und die Praxis steht plötzlich nackt da, ohne digitale Identität. Der Ausfall betrifft deshalb nicht nur Technik, sondern auch Haftungsfragen, Dokumentationspflichten und datenschutzrechtliche Standards. Wer etwa ein E-Rezept nicht signieren kann, muss es nacherfassen. Wer eine ePA nicht lesen kann, verliert womöglich entscheidende Informationen. Wer eine eGK nicht einlesen kann, riskiert fehlerhafte Abrechnungen. Jeder Fehler hier ist potenziell nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich relevant.
Diese Störung kommt zur Unzeit – nicht nur wegen der aktuellen Versorgungslage, sondern auch, weil der Druck auf alle Beteiligten steigt, die Telematikinfrastruktur endlich als zuverlässig, stabil und alltagstauglich zu etablieren. Das BMG fordert digitale Fortschritte, die Gematik rollt Anwendungen wie eRezept und eAU bundesweit aus, doch die Basis wackelt. Und mit ihr das Vertrauen derer, die im Alltag auf diese Technik angewiesen sind. Dass nun Karten reihenweise ersetzt werden müssen, verschärft die Situation. Denn auch der Austauschprozess ist keine Kleinigkeit: Neue Karten müssen beantragt, bezahlt, identifiziert, aktiviert, installiert werden. Dabei braucht es Support, Geduld und Koordination – in einem System, das vielerorts personell bereits am Limit ist.
Besonders Apotheken trifft diese Konvergenz aus Störung und Austausch hart. Sie müssen parallel laufende Karten- und Systemumstellungen stemmen, ohne dass es den Kunden auffällt. Die Kommunikation mit Ärzten via KIM, der Zugriff auf die Versichertenstammdaten und die Teilnahme an eRezept-Prozessen sind essenzielle Bestandteile ihres Betriebs. Wenn diese Instrumente nicht verlässlich laufen, geraten Betriebsabläufe ins Stocken, Honorare sind gefährdet, Patientenversorgung wackelt. Die Frage, wie viele solcher Störungen ein System noch verkraftet, bevor sich die Bereitschaft zur Digitalisierung in Misstrauen wandelt, stellt sich täglich dringlicher.
Nicht zuletzt rückt die Rolle der Anbieter in den Fokus. Warum sind nur bestimmte Karten betroffen? Welche technischen Unterschiede bestehen zwischen den Herstellern? Wie lässt sich Qualitätssicherung betreiben, wenn die Infrastruktur zwar zentral geplant, aber dezentral verteilt umgesetzt wird? Diese Fragen berühren das Grunddesign der TI – und damit auch die politische Verantwortung für ihre Stabilität. Eine Störung wie diese darf kein Randphänomen sein, das nur intern betrachtet wird – sie betrifft die Versorgungssicherheit in der Fläche, die Rechtsverbindlichkeit ärztlicher Handlungen, die Wirtschaftlichkeit von Apothekenbetrieben. Und sie fordert eine klare Antwort: Wer haftet, wenn Technik versagt?
Die Erfahrung zeigt: Es sind nicht nur Hacker, politische Gegner oder Stromausfälle, die die digitale Gesundheit gefährden. Es sind auch strukturelle Inkonsistenzen, mangelnde Redundanzen, lückenhafte Kommunikation und fehlendes operatives Krisenmanagement. All das offenbart sich gerade im Mikrokosmos dieser Kartenstörung. Und je länger sie dauert, desto größer wird der Vertrauensschaden. Es geht nicht um eine technische Kleinigkeit, sondern um ein zentrales Element digitaler Versorgungssouveränität. Ohne sichere Authentifizierung kein sicherer Gesundheitsdatenaustausch – und damit auch keine sichere Medizin im digitalen Raum.
Denn wenn die Institutionenkarten versagen, versagt das System. Die Gematik, Anbieter wie SHC oder Eviden und das BMG stehen in der Pflicht, nicht nur Ursachen zu finden, sondern auch Konsequenzen zu ziehen. Es braucht ein resilienteres Design, klare Verantwortungsstrukturen und ein Echtzeit-Monitoring kritischer Komponenten. Nur so kann das Versprechen der TI eingelöst werden: Ein System, das im Dienst der Versorgung steht – nicht ein System, das sie unvorhersehbar gefährdet. Solange jedoch Authentifizierung und Zugriff punktuell kollabieren, ist jedes technische Fortschrittsversprechen ein Risiko. Und jedes Versorgungsversprechen eine Wette auf das Funktionieren von Karten, die plötzlich nichts mehr tun.
Versorgung braucht Strategie, Industrie braucht Planung, Umweltpolitik braucht Maß
Wie Warken beim EU-Ministerrat für Arzneimittelsicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und ausgewogene Regulierung streitet
Die Diskussion um Europas pharmazeutische Versorgungssicherheit ist keine Debatte mehr über technische Detailfragen, sondern längst ein Kampf um strukturelle Glaubwürdigkeit, wirtschaftliche Stärke und gesundheitspolitische Handlungsfähigkeit. Wenn Gesundheitsministerin Nina Warken auf EU-Ebene für ein entschlossenes Vorgehen beim »Critical Medicines Act« plädiert, dann geschieht dies vor einem komplexen Hintergrund aus Versorgungslücken, geopolitischen Abhängigkeiten und regulatorischen Zielkonflikten. Die Gesundheitsministerinnen und -minister der EU kamen in Luxemburg zusammen, um nicht weniger als eine politische Leitlinie für Europas Arzneimittelsouveränität zu verhandeln – mit dem CMA als zentralem Hebel, aber flankiert von Fragen der Pharmaförderung, der Finanzierung von Produktionskapazitäten, der EU-Pharmarechtsreform und der neu in Kraft getretenen Kommunalabwasserrichtlinie. Warken stellt dabei nicht nur Forderungen zur Versorgungssicherheit auf, sondern bringt auch zentrale Einwände gegen Überregulierung, Doppelstrukturen und bürokratische Aufblähung ein. Dass sie zugleich die Industrieplanung stärken, rechtssichere Grundlagen fordern und die Finanzierung im EU-Haushalt verankern will, ist kein Spagat, sondern ein politisches Navigieren entlang echter Prioritäten.
Denn die Grundlage aller Debatten ist klar: Ohne Arzneimittelproduktion im eigenen Wirtschaftsraum bleibt Europa verwundbar – nicht nur im Krisenfall, sondern auch in geopolitischen Verwerfungen. Der »Critical Medicines Act« verspricht eine gezielte Steuerung der Produktionsrückverlagerung, die Schaffung strategischer Reserven und ein auf Freiwilligkeit basierendes System gemeinsamer Beschaffung. Warken unterstützt diese Eckpfeiler, warnt aber zugleich vor dem Aufbau gleich dreier paralleler Beschaffungsverfahren auf EU-Ebene. Für sie zählen Kohärenz und Wirksamkeit mehr als Aktionismus. Besonders scharf kritisiert sie die unklare Definition strategisch relevanter Arzneimittel im Verordnungstext, die weder der praktischen Notwendigkeit der Mitgliedstaaten noch der realen Struktur des Marktes gerecht werde. Dass viele dieser Präparate – darunter Generika – bislang nicht explizit berücksichtigt werden, hält sie für einen grundlegenden strategischen Fehler.
Doch das Problem ist nicht auf die Definitionen im Gesetz beschränkt. Mehrere Staaten mahnen die fehlende Finanzierungsperspektive an. Zwar fordert Warken – wie viele andere Minister – eine Nutzung vorhandener EU-Mittel im mehrjährigen Finanzrahmen, doch bleibt offen, wie hoch der Aufwand realistisch sein wird. Kleine Mitgliedstaaten wie Malta und Luxemburg betonen ihre besondere Vulnerabilität und sehen in der mangelnden Diversifizierung ein strukturelles Risiko. Auch Österreich bringt sich offensiv in die Debatte ein – mit klarer Forderung nach gezielten Förderprogrammen für bestehende Produktionsstandorte. Dass die Tiroler Penicillin-Herstellung ohne staatliche Unterstützung nicht überlebensfähig ist, bleibt ein mahnendes Beispiel, auch wenn der Name Sandoz nicht fällt. Die Debatte zeigt deutlich: Die europäische Produktionsbasis ist brüchiger, als es die politische Rhetorik manchmal vermuten lässt. Warken nutzt diese Brüche, um für ein abgestimmtes und realitätsnahes Modell zu werben. Dass sie dabei die Balance zwischen Entschlossenheit und Regulierungskritik sucht, entspricht nicht nur dem CDU-geprägten Politikstil, sondern auch der realpolitischen Verantwortung eines Landes, das als logistischer Ankerpunkt Europas pharmazeutisch mitgestaltet, aber auch von Engpässen hart getroffen werden kann.
Zusätzliche Brisanz erhält die Diskussion durch die parallel behandelte EU-Pharmarechtsreform. Warken nennt diese eine »zentrale Voraussetzung« für Versorgungssicherheit und Innovationskraft. Ihre Hauptforderung: Der Rechtsrahmen müsse ausgereift, kohärent und zugleich innovationsfreundlich sein. Das bedeutet nicht nur klare Regeln für Zulassungen und Produktionsgenehmigungen, sondern auch planbare Anreize für Forschung und Entwicklung. In einem geopolitischen Umfeld, in dem US-amerikanische Pharmafirmen mit Rückverlagerung drohen, sobald Zölle debattiert werden, ist die Planbarkeit regulatorischer Rahmenbedingungen nicht optional, sondern systemrelevant. Dass Warken sich dabei klar für die Beibehaltung des Patentschutzes als Innovationsgarantie ausspricht, ist Ausdruck einer langfristig marktwirtschaftlich orientierten Strategie, die auch kleineren EU-Staaten wie Slowenien mit ihrer Sorge vor Preisinstabilitäten entgegenkommt.
Die technische Tiefe dieser Verhandlungen zeigt sich exemplarisch bei der Bolar-Ausnahme – einer Klausel, die es Herstellern erlaubt, bereits während der Patentlaufzeit Generika oder Biosimilars zur Marktreife zu bringen. Warken mahnt hier eine »rechtssichere, ausbalancierte Ausgestaltung« an. Es ist kein Nebenkriegsschauplatz, sondern ein Kristallisationspunkt für die Frage, wie sehr Europa in seiner Wettbewerbsfähigkeit pharmazeutischer Forschung künftig bereit ist, regulatorisches Risiko zu minimieren oder Investitionen abzusichern.
Dass schließlich auch die Kommunalabwasserrichtlinie auf dem Tisch liegt, ist kein Zufall – und schon gar kein Nebenthema. Die neue EU-Verordnung verpflichtet Hersteller pharmazeutischer und kosmetischer Produkte zur anteiligen Kostenübernahme beim Ausbau kommunaler Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe. Warken begrüßt zwar grundsätzlich das Ziel der Gewässerschutzverbesserung, warnt aber nachdrücklich vor den Nebenwirkungen für die Arzneimittelversorgung – insbesondere bei Generika. Denn viele Hersteller kalkulieren extrem knapp. Zusätzliche Kosten könnten zur Aufgabe von Standorten führen – mit direkten Folgen für die Lieferketten. Auch hier betont Warken: Die Industrie braucht Planungssicherheit. Ihre Forderung nach einer aktualisierten Kostenfolgenstudie der EU-Kommission ist daher kein taktischer Zug, sondern Ausdruck struktureller Verantwortung. Denn wer Politik gegen die Logik der Industrie macht, verliert am Ende sowohl Versorgungssicherheit als auch Umweltschutz.
Polen, Litauen, Tschechien und Luxemburg unterstützen diese Perspektive weitgehend – mit unterschiedlichen Akzenten. Polen bringt eine kritische Gesamtsicht auf die ausufernden Kosten in die Debatte ein. Tschechien hält die Richtlinie für widersprüchlich, weil sie die Zielkonflikte zwischen Umweltpolitik und Patientenschutz nicht auflöst. Luxemburg plädiert für eine strategische Neuausrichtung der Vergabekriterien – weg vom bloßen Preis hin zur Lieferkettendiversifizierung. Litauen wiederum mahnt an, dass Arzneimittelpreise und Verfügbarkeit europaweit unter Druck geraten könnten. Gemeinsam entsteht so ein europäisches Stimmungsbild, das zwar grundsätzlich zum Umweltschutz steht, aber dessen politische Umsetzung an einem zentralen Kriterium misst: Ob sie kompatibel bleibt mit der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.
Warken ist in diesem Konzert keine isolierte Solistin, sondern eine strukturpolitisch denkende Akteurin. Ihr Appell, Diskussionen zum CMA zu beschleunigen und in den EU-Gremien voranzubringen, ist nicht nur Ausdruck politischer Ungeduld, sondern strategischer Klarheit: Wenn Europa seine Arzneimittelsouveränität verteidigen will, muss es schneller und entschlossener handeln – aber auch klüger, präziser und auf die realen Bedarfe der Mitgliedstaaten abgestimmt. Dabei hilft kein regulatorisches Muskelspiel, sondern ein belastbares, finanzierbares und industriekompatibles Steuerungsmodell. Für Warken ist das keine abstrakte Maxime, sondern praktisches Regierungshandeln. Denn wer Europa resilienter machen will, muss den politischen Willen in eine nachvollziehbare Struktur überführen – mit klaren Zielen, begrenzter Bürokratie und echter Umsetzbarkeit. Dass dieser Weg steinig bleibt, ist absehbar. Doch mit Ministerinnen wie Warken, die zwischen Markt, Politik und Versorgung navigieren, ist er nicht aussichtslos.
Vorbereitung stärkt, Innovation belebt, Vernetzung fördert Fortschritt
Wie INTERPHARM in Stuttgart Fachwissen bündelt, Digitalisierung vorantreibt und die Branche verbindet
INTERPHARM verwandelt die Messehalle in Stuttgart in einen lebendigen Treffpunkt für fachlichen Austausch und Weiterbildung, wo die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen, um am Dienstag den Start für Fachleute aus ganz Deutschland zu ermöglichen, die sich über neueste Entwicklungen, innovative Produkte und praxisnahe Lösungen austauschen wollen.
Das engagierte Team aus Messebauern, Ausstellern und Organisation arbeitet Hand in Hand, um jeden Stand, jede Präsentation und jeden Workshop mit höchster Präzision vorzubereiten und damit die Bedeutung der kontinuierlichen Fortbildung in der Apothekenbranche unter Beweis zu stellen, die essenziell für die Qualität der Arzneimittelversorgung auch in Zukunft ist.
Die thematische Bandbreite reicht von pharmazeutischen Innovationen über Digitalisierungstrends bis hin zu kundenorientierten Beratungsangeboten und zeigt die Vielfalt und Dynamik des Events, während die Impressionen des Aufbaus die Leidenschaft und den Zusammenhalt der Branche offenbaren, die das Fortbildungsfest prägen und frische Impulse für den Berufsalltag setzen.
Zahlreiche Aussteller präsentieren ihre neuesten Entwicklungen, darunter modernste Technologien für die Apothekenlogistik, innovative Softwarelösungen für das Arzneimittelmanagement und digitale Beratungsplattformen, die das Kundenerlebnis erheblich verbessern sollen. Besonders im Fokus stehen Anwendungen zur Verbesserung der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit, die angesichts zunehmender Komplexität im Gesundheitswesen an Bedeutung gewinnen.
Darüber hinaus bieten spezialisierte Workshops und Vorträge fundiertes Wissen zu aktuellen gesetzlichen Änderungen, branchenspezifischen Herausforderungen und zukünftigen Trends. Die Veranstaltung fördert aktiv den Austausch zwischen jungen Nachwuchskräften und erfahrenen Experten, wodurch nicht nur fachliche Qualifikationen erweitert, sondern auch nachhaltige Netzwerke geschaffen werden.
Die Digitalisierung spielt eine zentrale Rolle: Von der Einführung elektronischer Rezepte über telepharmazeutische Dienstleistungen bis hin zu KI-gestützten Analysetools zeigt INTERPHARM praxisnahe Lösungen, die Apotheken zukunftsfähig machen. Die Messe dient dabei als Plattform, um Hemmnisse abzubauen und die Akzeptanz digitaler Innovationen zu fördern, die den Alltag in Apotheken deutlich erleichtern können.
Nicht zuletzt unterstreicht die Veranstaltung die wachsende Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Ärzten, Krankenkassen und Herstellern. Gemeinsame Initiativen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei Patienten werden hier konkret diskutiert und weiterentwickelt.
Alle Beteiligten blicken zuversichtlich auf den ersten Messetag, an dem sich die intensive Vorbereitung in lebendige Gespräche, nachhaltige Vernetzung und wertvolle Lernerfahrungen verwandelt und INTERPHARM so zu einem unverzichtbaren Motor für Fortschritt in der Gesundheitsversorgung wird, dessen Wirkung weit über Stuttgart hinausstrahlt.
Damit setzt die INTERPHARM nicht nur Maßstäbe für professionelle Weiterbildung, sondern trägt maßgeblich zur Stärkung und Modernisierung der Apothekenlandschaft in Deutschland bei – ein Gewinn für Patienten, Gesundheitsdienstleister und die gesamte Branche.
Gewalt verhindern, Versorgung ermöglichen, Autonomie sichern
Wie die DGPPN gefährdungsbezogene Psychiatrie neu denkt, Prävention konkretisiert und Sicherheit nicht gegen Vertrauen ausspielen will
Was lange in politischen Debatten an der Oberfläche blieb, hat nun die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit klinischer Klarheit und ethischer Schärfe aufgearbeitet: Die Gewaltprävention bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen braucht neue Werkzeuge, bessere Versorgung – und vor allem einen Richtungswechsel. Denn der Reflex, Sicherheit allein über polizeiliche Überwachung oder Registerlösungen zu denken, greift nicht nur fachlich zu kurz, sondern zerstört das entscheidende Behandlungsfundament: Vertrauen. In einem aktuellen Positionspapier stellt die DGPPN nun konkrete Forderungen – von verpflichtender Nachsorge über neue Einweisungslogiken bis zu Präventionsambulanzen. Im Zentrum steht ein Satz, der für Klarheit sorgt, aber auch Verpflichtung erzeugt: »Das beste Mittel der Gewaltprävention ist Therapie.« Damit ist nicht einfach irgendeine Psychotherapie gemeint, sondern ein strukturiertes, multidisziplinäres Konzept, das Versorgungsrealität, Patientenbedürfnisse und rechtliche Möglichkeiten konsequent zusammenführt. Doch der Anspruch kollidiert derzeit mit strukturellen Engpässen, ambulanter Unterversorgung und einer gesetzlichen Kultur, die nach Einschätzung der Fachgesellschaft in den letzten Jahren zu einseitig auf Autonomie gesetzt habe – auf Kosten der Sicherheitsabwägung.
Dass nicht jede psychische Erkrankung mit erhöhter Gewaltneigung einhergeht, betont die DGPPN ausdrücklich. Die überwältigende Mehrheit aller psychisch Erkrankten sei nicht gewalttätig. Dennoch gebe es laut Studienlage bei bestimmten Diagnosen – etwa bei Schizophrenien, substanzgebundenen Störungen und schweren Persönlichkeitsstörungen – ein signifikant erhöhtes Risiko. Allerdings ist auch hier der Übergang von potenzieller Gefährdung zu tatsächlicher Gewalt nicht eindeutig vorhersehbar. Deshalb, so DGPPN-Präsidentin Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, dürfe Gewaltprävention nicht auf Kontrolle und Alarmismus verengt werden, sondern müsse differenziert, wissenschaftlich fundiert und therapeutisch gestützt sein. Die Gefahr bestehe derzeit nicht nur im Wiederaufflammen psychiatrischer Erkrankungen nach zu früher Entlassung, sondern in einer systemischen Unterschätzung langfristiger Verläufe. So werden – teils aus gesetzlicher Unsicherheit – Patienten entlassen, deren Zustand sich noch nicht stabilisiert hat, und die anschließend unbetreut erneut in akute Krisen geraten. Das Problem dabei: Es existieren kaum durchsetzbare Strukturen, um Anschlussbehandlungen verbindlich zu sichern oder Sanktionen bei Therapieabbruch wirksam umzusetzen.
Eine der zentralen Forderungen des neuen Positionspapiers lautet daher: Die rechtlichen Instrumente zur Einweisung oder Verweildauer in der Psychiatrie bei deutlich erkennbarem Gewaltpotenzial sollen konsequenter und risikoadäquater genutzt werden. Dabei spricht sich die DGPPN nicht für pauschale Zwangsmaßnahmen aus – im Gegenteil. Aber sie betont, dass in bestimmten Fällen eine Einweisung gegen den Willen des Patienten nicht nur rechtlich möglich, sondern medizinisch geboten ist, wenn Gefährdungen absehbar sind. Ebenso fordert die Fachgesellschaft die stärkere Nutzung von Entlassungen unter Auflagen. Diese könnten – etwa bei mehrfach aggressiv auffälligen Patienten – Abstinenznachweise, Therapieauflagen oder regelmäßige Behandlungskontakte beinhalten. Auch hier zeigt sich eine bisher kaum genutzte Handlungsoption: Die Möglichkeit zur Wiedereinweisung bei Verstoß gegen Auflagen ist rechtlich vorhanden, wird jedoch selten ausgeschöpft. Die DGPPN plädiert dafür, diese Option in gefährdungsgeneigten Fällen systematisch zu prüfen und verbindlicher einzusetzen.
Dabei ist allen Beteiligten bewusst, dass rechtliche Maßnahmen allein keine nachhaltige Lösung sind – im Gegenteil. Im Zentrum steht die Versorgungslücke bei besonders schweren Verläufen, insbesondere im ambulanten Bereich. Gerade jene Patienten, die nicht durch wöchentliche Therapiesitzungen erreicht werden können, fallen oft durch das Raster der Regelversorgung. Dabei wäre laut Gouzoulis-Mayfrank eine intensive, multiprofessionelle Betreuung notwendig, die Psychotherapie, medikamentöse Behandlung, sozialpsychiatrische Unterstützung, Krisenintervention und milieutherapeutische Begleitung integriert. Doch die aktuellen Finanzierungsmodelle lassen solche komplexen Behandlungssettings kaum zu. Klinikstrukturen sind oft starr, ambulante Versorgungsstrukturen unterfinanziert, und der Aufbau von sektorenübergreifenden Versorgungsketten stockt. Die DGPPN fordert daher neue Abrechnungsmodelle, die flexible Behandlungsformen ermöglichen – etwa über Home-Treatment, kooperative Netzwerke zwischen Klinik, Sozialarbeit und ambulanter Psychiatrie oder langfristig angelegte Präventionsstrukturen.
Ein zentrales Beispiel liefert Bayern: Dort gibt es bereits sogenannte Präventionsambulanzen, die sich speziell an Menschen mit erhöhter Aggressionsneigung richten. Hier wird nicht nur psychiatrisch behandelt, sondern auch wohnraumbezogen, sozialarbeiterisch, familiär, lebenspraktisch begleitet – mit dem Ziel, ein Rückfallrisiko durch umfassende Stabilisierung des sozialen Umfelds zu senken. Die DGPPN fordert nun, dieses Modell bundesweit auszuweiten. Auch dies ist Ausdruck einer zentralen Leitlinie der Positionierung: Gewaltprävention gelingt nur, wenn Krankheit und Kontext zugleich adressiert werden. Ein Patient, der aus einer Krise entlassen wird, aber in Obdachlosigkeit, Suchtumfeld oder sozialer Vereinsamung zurückkehrt, trägt ein potenziell erhöhtes Rückfallrisiko – das sich nicht durch Aktennotizen oder Verwaltungsprotokolle minimieren lässt. Prävention heißt hier: ansprechbar bleiben, Betreuung halten, Verantwortung teilen.
Deutlich lehnt die DGPPN allerdings sicherheitspolitische Vorschläge ab, die auf Überwachung oder ein Gefährderregister für psychisch Kranke zielen. Auch die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht – etwa zur Vorab-Meldung potenziell gefährlicher Patienten – sei kontraproduktiv. Sie untergrabe das notwendige Vertrauensverhältnis und führe dazu, dass Patienten sich aus Angst vor Konsequenzen gar nicht mehr behandeln ließen. In der Konsequenz, so Gouzoulis-Mayfrank, würde das Risiko eher steigen als sinken. Ein polizeilich überwachter Mensch sei nicht automatisch stabiler – aber ein therapeutisch betreuter, vertrauensvoll eingebundener Patient sei es sehr wohl. Die Fachgesellschaft mahnt daher eine klare Trennlinie an: Staatliche Sicherheitsinteressen dürfen nicht zum Maßstab klinischer Beurteilung werden. Therapie braucht Offenheit, nicht Verdachtslogik.
Gleichwohl verlangt die DGPPN nach politischer Konsequenz – vor allem bei der strukturellen Stärkung psychiatrischer Versorgungsangebote. Die Realität vieler Behandlungsverläufe – das betont das Papier mehrfach – sei von Unterversorgung, Wartezeiten und mangelnden Schnittstellen geprägt. Die Rede ist von »Drehtürpatienten«, die immer wieder stationär aufgenommen und nach kurzfristiger Stabilisierung erneut entlassen werden – ohne verlässliche Langzeitstruktur. Dies sei kein Versorgungsmodell, sondern Ausdruck eines kaputtgesparten Systems. Die Lösung könne daher nicht in mehr Kontrolle, sondern nur in besserer Versorgung liegen – in der Klinik wie im Alltag. Gerade für Menschen mit erhöhtem Gewaltpotenzial seien verlässliche Beziehungsangebote, strukturierte Alltagsunterstützung und flexible Therapieformate entscheidend. Alles andere sei Symptombehandlung ohne Nachhaltigkeit.
Im Kern stellt die DGPPN damit eine doppelte Systemkritik: Einerseits an einer Gesundheitspolitik, die seit Jahren nicht in der Lage ist, die psychiatrische Versorgung bedarfsgerecht zu finanzieren – andererseits an einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung, die Gewaltschutz mit Kontrollfantasien verwechselt. Der Weg aus diesem Dilemma führt nur über eine neue Verantwortungsteilung: zwischen Gesetzgebern, Einrichtungen, Kostenträgern, aber auch Öffentlichkeit. Die Fachgesellschaft zeigt sich entschlossen, diesen Weg aktiv mitzugestalten – und spricht mit ihrer Positionierung nicht nur über Gefährdungspotenziale, sondern auch über Versorgungslücken, Versorgungspflichten und Versorgungsversagen. Was sie damit schafft, ist mehr als ein Forderungskatalog: Es ist ein Angebot zur Rückbesinnung auf das, was medizinisch, ethisch und gesellschaftlich trägt – auch in schwierigen Fällen. Wer Therapie will, muss sie ermöglichen. Wer Sicherheit verlangt, muss sie professionell gestalten. Und wer Autonomie schützt, darf Verantwortung nicht delegieren.
Zulassungsfortschritt für Ogsiveo, Targetinnovation mit γ-Sekretase, Therapiewandel bei Desmoidtumoren
Wie Nirogacestat die EMA überzeugt, SpringWorks auf den europäischen Markt drängt und ein seltenes Weichteilsarkom neue Aufmerksamkeit erhält
Die Zulassungsempfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für Nirogacestat markiert einen strategisch bedeutsamen Fortschritt in der EU-Therapielandschaft seltener Weichteiltumoren und rückt zugleich ein bislang wenig beachtetes Target in das Zentrum translationaler Onkologie. Als oraler Hemmstoff der γ-Sekretase blockiert Nirogacestat einen zentralen Prozess im Notch-Signalweg, der in der Pathophysiologie des Desmoidtumors eine entscheidende Rolle spielt. Der Humanarzneimittelausschuss (CHMP) der EMA spricht sich nun ausdrücklich für die Zulassung bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit fortschreitender Erkrankung aus – vorausgesetzt, es besteht ein systemischer Therapiebedarf. Die anstehende Entscheidung der Europäischen Kommission gilt als Formalität, da sie in der Regel den Empfehlungen des CHMP folgt. Damit dürfte der Weg frei sein für den Markteintritt des Präparats Ogsiveo®, das in drei Wirkstärken auf den Markt kommen soll: 50 mg, 100 mg und 150 mg Filmtabletten. SpringWorks Therapeutics Ireland Limited, eine Tochter des US-Unternehmens SpringWorks, zeigt sich nach dem FDA-Entscheid aus dem Herbst 2023 gut positioniert für die EU-Einführung und nimmt explizit seltene Tumorentitäten ins Visier – ein Segment, das regulatorisch zunehmend Aufmerksamkeit erfährt und hohe Markteintrittshürden mit gezielten Anreizstrukturen kombiniert.
Während der Desmoidtumor als benigne Entität gilt, ist er klinisch hochrelevant: Er entsteht aus Myofibroblasten, wächst infiltrativ, ist lokal aggressiv und häufig rezidivierend. Die Erkrankung trifft oft junge Erwachsene, darunter insbesondere Frauen im gebärfähigen Alter, und kann je nach Lokalisation erhebliche funktionelle und psychische Belastungen erzeugen. Bislang war das therapeutische Vorgehen uneinheitlich: Von aktiver Überwachung über chirurgische Exzision, Radiotherapie bis hin zu systemischer Medikation mit Tyrosinkinaseinhibitoren oder hormonellen Interventionen. Doch eine zielgerichtete Option mit klarer molekularer Angriffsfläche fehlte. Genau hier setzt Nirogacestat an – durch selektive Blockade der γ-Sekretase-Aktivität wird die proteolytische Spaltung der Notch-Rezeptoren unterbunden, was auf die intrazelluläre Signaltransduktion einwirkt und proliferative wie invasive Tumoreigenschaften hemmt. Die Phase-III-Studie DeFi konnte zeigen, dass mit Ogsiveo das progressionsfreie Überleben signifikant verlängert werden konnte. Bei einem medianen PFS von 15 Monaten unter Placebo zeigte sich unter Verum ein nicht erreichtes Median-PFS, was auf eine klare therapeutische Relevanz verweist.
Gleichzeitig verdient die Nebenwirkungsprofilierung des Präparats erhöhte Aufmerksamkeit. Zwar blieb die Rate schwerer unerwünschter Ereignisse überschaubar, doch insbesondere gastrointestinale Beschwerden (Durchfall, Übelkeit), Hautreaktionen sowie ovarielle Toxizitäten bei Frauen im gebärfähigen Alter rufen nach einer engmaschigen Pharmakovigilanz. Letztere ist besonders kritisch zu bewerten, da die Erkrankung häufig in einem Lebensabschnitt auftritt, in dem Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist. Das stellt behandelnde Ärztinnen und Ärzte vor schwierige Abwägungen zwischen therapeutischem Nutzen, Lebensqualität und reproduktiver Langzeitprognose. Die EMA hebt in ihrer Empfehlung ausdrücklich hervor, dass eine Kontrazeptionspflicht für betroffene Frauen vorgesehen ist und Fruchtbarkeitserhalt im Beratungsgespräch adressiert werden sollte. Auch die Hypophosphatämie, die unter dem Wirkstoff auftreten kann, erfordert laborkontrollierte Begleitstrategien.
Dass SpringWorks mit Nirogacestat eine der seltenen, hochspezifischen Targetstrategien für Weichteiltumoren zur Marktreife bringt, spricht nicht nur für einen erfolgreichen Brückenschlag zwischen onkologischer Grundlagenforschung und klinischer Translation, sondern auch für eine zunehmende Differenzierung im regulatorischen Umfeld seltener Erkrankungen. Die EMA hatte dem Produkt bereits zuvor den Orphan-Drug-Status zuerkannt, wodurch eine zehnjährige Marktexklusivität sowie regulatorische Unterstützung gewährt werden. In Kombination mit beschleunigten Prüfverfahren und adaptiven Zulassungswegen gewinnen kleinere, spezialisierte Pharmaunternehmen damit realistische Chancen auf einen Marktzugang, der bis vor wenigen Jahren Großanbietern vorbehalten war. Dass dieser Weg sich auch ökonomisch rechnet, zeigt die Parallelentwicklung in den USA: Die Zulassung der FDA führte dort zu einem steilen Kursanstieg bei SpringWorks, das sich strategisch sowohl als Orphan-Drug-Spezialist als auch als Targetentwickler mit Fokus auf Notch-Signaltransduktion und verwandte molekulare Pfade positioniert.
Im europäischen Kontext fällt die Empfehlung für Nirogacestat in eine Phase, in der die Arzneimittelregulierung auf EU-Ebene neu justiert wird. Der Critical Medicines Act, das EU-Pharmapaket und die Diskussionen um Produktionsverlagerungen, Targetförderung und Versorgungssicherheit greifen ineinander – und betonen zugleich die Rolle innovativer Substanzen, die nicht nur die therapeutische Palette erweitern, sondern auch industriepolitisch zur Profilbildung Europas beitragen sollen. Nirogacestat steht damit exemplarisch für eine neue Generation therapeutischer Innovationen, die auf präziser Pathomechanismus-Analyse fußen und auf seltene, aber schwer behandelbare Indikationen abzielen. In Zeiten, in denen onkologische Standardpfade zunehmend ausgereizt erscheinen, könnte der Fokus auf strukturell seltene, molekular klar umrissene Zielstrukturen nicht nur medizinisch, sondern auch strategisch zukunftsweisend sein.
Das macht die bevorstehende Kommissionsentscheidung nicht nur zur formal abschließenden Instanz, sondern auch zum Symbol eines regulatorischen Wandels: weg von breiten Labels und generischer Onkologie, hin zu spezifischen Lösungen mit Fokus auf funktioneller Pathologie. Der Fall Nirogacestat zeigt: Der Aufwand der Entwicklung zahlt sich aus, wenn das Target stimmt, die Studienlage robust ist und die Markteintrittsstrategie konsequent auf präzise Patientenkollektive setzt. Die EU könnte mit der nun erwarteten Zulassung ein starkes Signal senden – für Therapeutik, für Investoren, und für eine Pharmapolitik, die die Versorgung seltener Patientengruppen nicht länger dem Zufall überlässt.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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