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  • 25.11.2025 – Apothekenauftrag im Rückzug, ordnungspolitische Brüche im System, Finanzierung als letzter Prüfstein
    25.11.2025 – Apothekenauftrag im Rückzug, ordnungspolitische Brüche im System, Finanzierung als letzter Prüfstein
    APOTHEKE | Systemblick |  Der Beitrag analysiert Peter Stahls Rede zu Staatsauftrag, Rx-Versand, PTA-Vertretung und Sockelbetrag, zeigt die ordnungspolitischen Brüche auf u...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Apothekenauftrag im Rückzug, ordnungspolitische Brüche im System, Finanzierung als letzter Prüfstein

 

Ausgabe Nr. 60 | Kommentar zu Staatsauftrag, ordnungspolitischen Sündenfällen und Sockelbetrag

Stand: Dienstag, 25. November 2025, um 07:01 Uhr

Apotheken-News: Kommentar von heute

Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über die Rede von Kammerpräsident Peter Stahl, die geplante PTA-Vertretung und die Finanzierung der Arzneimittelversorgung.

Wenn Peter Stahl den § 1 Apothekengesetz an den Anfang seiner Rede stellt, erinnert er an etwas, das in vielen Reformpapieren nur noch als Hintergrundrauschen vorkommt: Die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung ist originär eine Staatsaufgabe, die auf Apotheken übertragen wurde. Aus diesem Blickwinkel sind Apotheken nicht beliebige Marktteilnehmer, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Vorwurf, der in seiner Analyse mitschwingt, ist hart: Der Staat hat diesen Auftrag gerne angenommen, solange das System stabil lief und die Finanzierung halbwegs funktionierte. In Zeiten gespannter Haushalte und wachsender Ansprüche zieht er sich Schritt für Schritt aus der Verantwortung zurück, ohne die Grundarchitektur offen zur Disposition zu stellen.

Der erste ordnungspolitische Sündenfall in dieser Erzählung ist der Rx-Versand. Nicht als isolierte Marktöffnung, sondern als politisches Signal: Versorgung als flaches Wettbewerbsfeld, in dem Apotheken neben Versandplattformen stehen wie Filialen in einem Handelskonzern. Aus dieser Entscheidung folgen Pick-up-Stellen, Grenzfälle wie Hüffenhardt und ein Werbedruck, der das Bild der Arzneimittelversorgung verschoben hat. Die Botschaft an die öffentliche Wahrnehmung lautet: Arzneimittel sind Ware mit Servicekomponente, keine kritische Infrastruktur mit stabilen Schutzplanken. Für Apotheken bedeutet das eine schleichende Entkopplung von Auftrag und Rahmenbedingungen, die den Frust über aktuelle Reformvorschläge erklärbar macht.

Die nun geplante PTA-Vertretung markiert in Stahls Argumentation den zweiten Sündenfall. Nicht, weil PTA fachlich schwach wären, sondern weil die Substitution der Inhaberpräsenz an der falschen Stelle ansetzt. Wenn Leitungspflichten, Haftung und Letztverantwortung weiterhin am Approbierten hängen, während Präsenzregeln formal aufgeweicht werden, entsteht ein ordnungspolitischer Riss. Die Botschaft könnte lauten: Der Staat akzeptiert, dass Apotheken an der Kante arbeiten, und sucht Entlastung über Stellvertreterkonstruktionen, ohne die Vergütungslogik, den Personalmangel oder die Bürokratielast systematisch zu bearbeiten. Im Alltag bedeutet dies, dass aus kurzfristigen Überbrückungslösungen schnell eine dauerhafte Schieflage werden kann, in der alle mehr Verantwortung tragen, ohne dass Ressourcen und Strukturen mithalten.

Stahl legt zusätzlich den Finger auf die ökonomische Wunde. Eine PTA, die regelmäßig in die Rolle der Vertretung rückt, wird sich auf Dauer nicht mit dem bisherigen Gehalt zufriedengeben. Höhere Anforderungen ziehen höhere Erwartungen nach sich, sowohl finanziell als auch hinsichtlich der Entwicklungsperspektiven. Die Rechnung, über PTA-Vertretung Entlastung in der Fläche zu erzeugen, ohne zusätzliche Mittel bereitzustellen, geht auf dieser Linie nicht auf. Apotheken, die ohnehin mit Fixkosten, Engpassmanagement, Digitalisierungspflichten und Personalsuche ringen, müssten eine neue Vergütungsebene intern erwirtschaften, während der staatliche Beitrag stabil bleibt. Die Kluft zwischen politischem Entlastungsversprechen und betriebswirtschaftlicher Realität würde damit eher größer als kleiner.

Entscheidend ist Stahls Verschiebung des Blicks auf die Finanzierungsfrage: Wenn der Staat Apotheken in den Staatsauftrag hineingestellt hat, kann er sich bei der Honorardiskussion nicht dauerhaft hinter der GKV verstecken. Der vorgeschlagene staatliche Sockelbetrag wäre in dieser Logik kein Bonus, sondern die Einlösung eines bestehenden Versprechens: Finanzierung der Grundversorgung aus Steuermitteln, Ergänzung durch Kassenhonorierung für die laufende Versorgung. Damit bekäme die Diskussion um das Fixum eine andere Kontur. Nicht nur die Frage nach der Höhe stünde im Raum, sondern die Herkunft der Mittel und die Klarheit, wer für welchen Teil der Daseinsvorsorge rechenschaftspflichtig ist.

Die schärfste Passage der Rede ist die Forderung nach Ehrlichkeit. Wenn Politik trotz aller Warnungen keinen Sockelbetrag einführt, Rx-Versand und PTA-Vertretung vorantreibt und die Apothekenvergütung strukturell nicht anfasst, dann ist das eine Entscheidung. Stahl verlangt, dass diese Entscheidung nicht als Sachzwang oder technische Reform verpackt wird, sondern als Prioritätensetzung benannt wird: Andere Projekte sind wichtiger als eine stabil finanzierte, flächendeckende Arzneimittelversorgung. Im Alltag bedeutet dies, dass Apotheken mit dieser Priorisierung leben müssen – mit weniger Spielraum in der Fläche, mehr Schließungsrisiken und wachsendem Druck, kritische Versorgungslücken ad hoc zu schließen. Die eigentliche Sprengkraft liegt darin, dass die Rede den politischen Raum zwingt, diese Priorisierung nicht länger hinter Paragrafen, Verordnungen und Einzelmaßnahmen zu verstecken.

Zwischen Staatsauftrag, Rx-Versand, PTA-Vertretung und Sockelbetrag spannt sich eine Linie, die tief in das Selbstverständnis der Apotheken eingreift. Wenn aus einer klar definierten Rolle in der Daseinsvorsorge ein hybrides Modell aus Marktlogik, Notlösungen und punktuellen Kompetenzerweiterungen wird, verschieben sich Verantwortung und Erwartung gleichzeitig. Die Rede von Peter Stahl bündelt diese Bewegungen zu einer ordnungspolitischen Erzählung, in der Sündenfälle nicht nur historische Einschnitte sind, sondern Wegmarken einer schleichenden Entkopplung von Auftrag und Finanzierung. Im Alltag bedeutet das, dass Apotheken sich immer häufiger zwischen normativer Rolle und ökonomischen Grenzen einrichten müssen, während die politische Kommunikation Stabilität verspricht.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Die Frage, ob der Staat seinen Apothekenauftrag ernst nimmt, entscheidet sich nicht an einzelnen Reformparagrafen, sondern an der Bereitschaft, Verantwortung und Finanzierung offen zusammenzudenken. Ein staatlicher Sockelbetrag wäre ein klares Bekenntnis zur öffentlichen Aufgabe, während die aktuelle Mischung aus Versandöffnung, Stellvertretermodellen und begrenzten Honorarimpulsen den Eindruck von Zersplitterung erzeugt. Im Alltag bedeutet dies, dass Apotheken nur dann verlässlich planen können, wenn der politische Rahmen langfristig trägt und nicht ständig über Ausnahmeregeln stabilisiert werden muss. Bleibt dieses Bekenntnis aus, wird Ehrlichkeit zur letzten Sicherung: Die Gesellschaft muss wissen, ob ihre Arzneimittelversorgung als Kern der Daseinsvorsorge gilt oder als Bereich, in dem Sparlogik und Marktkräfte den Takt vorgeben.

 

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

Tagesthemenüberblick: https://aporisk.de/aktuell

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