Altersvorsorge braucht verlässliche Erträge, Immobilienkäufe brauchen transparente Provisionen, Anlegerrechte brauchen klare Haftungsmaßstäbe
Wer eine vermietete Eigentumswohnung als Baustein für die Altersvorsorge erwirbt, verfolgt in der Regel ein langfristiges, sicherheitsorientiertes Ziel: stabile Mieteinnahmen, kalkulierbare Risiken und ein greifbares Vermögensobjekt. Gerade in diesem Setting gewinnen die wirtschaftlichen Eckdaten des Kaufs – Kaufpreis, Finanzierung, erwartete Rendite – eine besondere Bedeutung. Kommen dabei Vertriebsmodelle zum Einsatz, in denen hohe, im Kaufpreis „versteckte“ Innenprovisionen mitlaufen, verschiebt sich das Chancen-Risiko-Profil zu Ungunsten der Erwerber. Je stärker die beratende Seite von diesen Provisionen profitiert, desto größer ist das Interesse, ein Objekt trotz schwacher Substanz oder ungünstiger Prognosen als vermeintlich attraktive Vorsorgeanlage darzustellen. In diesem Spannungsfeld entscheidet sich, ob ein Erwerb sachgerecht aufgeklärt oder als haftungsträchtiges Beratungsgeschäft zu bewerten ist.
Zentral ist dabei die Frage, welche Erwartungen ein verständiger Käufer an die Objektbeschreibung und an die Darstellung der wirtschaftlichen Kennzahlen knüpfen darf. Wer ausdrücklich mit einer „Renditeimmobilie zur Altersvorsorge“ angesprochen wird, darf erwarten, dass tragende Informationen zur Wirtschaftlichkeit vollständig und offen auf den Tisch kommen. Dazu gehören nicht nur Angaben zu Mieteinnahmen, Leerstandsrisiken und Instandhaltungskosten, sondern auch Hinweise auf ungewöhnlich hohe Vertriebsvergütungen, die im Gesamtpaket stecken. Bleiben diese Punkte im Dunkeln, obwohl sie die Kalkulation spürbar beeinflussen, verschiebt sich die Grundlage der Anlageentscheidung. An diesem Punkt beginnt die rechtliche Diskussion darüber, wann ein Informationsdefizit zur Pflichtverletzung und damit zu Schadenersatzansprüchen führt.
Die Bedeutung versteckter Innenprovisionen hängt maßgeblich davon ab, ob sie nach Art und Höhe geeignet sind, die Einschätzung des Käufers über Werthaltigkeit und Angemessenheit des Kaufpreises zu beeinflussen. Je höher der Anteil solcher Vergütungen am Gesamtpreis, desto eher besteht die Gefahr, dass der Erwerber faktisch ein überteuertes Objekt erwirbt, ohne dies zu erkennen. Gerade bei standardisierten Vertriebsstrukturen – etwa über Strukturvertriebe, spezialisierte Vermittlungsgesellschaften oder „Rundum-sorglos-Modelle“ – stehen daher die Transparenz der Provisionsströme und die inhaltliche Neutralität der Beratung im Fokus. Eine Beratung, die mit klaren Renditeversprechen wirbt, aber die eigene Provisionsinteressen nicht offenlegt, riskiert, dass Gerichte im Streitfall von einer fehlerhaften oder unvollständigen Aufklärung ausgehen.
Hinzu kommt, dass die Zwecksetzung „Altersvorsorge“ die Schutzbedürftigkeit vieler Käufer erhöht. Wer nicht als professioneller Anleger auftritt, sondern als privater Vorsorgesparer, trifft Anlageentscheidungen häufig nur selten und vertraut stark auf die Seriosität der ihm präsentierten Unterlagen. Prospekte, Berechnungsbeispiele und Exposés erhalten dadurch ein besonderes Gewicht. Sind darin die Kosten- und Provisionsbestandteile nur verklausuliert oder an entlegener Stelle erwähnt, wird diskutiert, ob dies noch als hinreichende Information durchgehen kann. Je stärker die Präsentation den Eindruck eines sicheren, nahezu risikolosen Vorsorgemodells vermittelt, desto strenger werden Aufklärungspflichten gesehen. Daraus kann folgen, dass fehlende oder geschönte Angaben zu Innenprovisionen nicht nur als bloßes Informationsdefizit, sondern als schadensbegründende Pflichtverletzung gewertet werden.
Schließlich stellt sich im Streitfall die Frage, wie ein etwaiger Schaden zu bemessen ist. Im Raum stehen können der Ausgleich zwischen objektivem Wert und gezahltem Kaufpreis, Verluste aus einer mangelnden Vermietbarkeit, Finanzierungskosten oder zusätzliche Belastungen durch Instandsetzungen, die bei zutreffender Aufklärung abgeschreckt hätten. Gerichte prüfen in solchen Konstellationen, ob der Käufer bei ordnungsgemäßer Information den Vertrag überhaupt abgeschlossen hätte oder nur zu anderen Konditionen bereit gewesen wäre. Damit rücken wirtschaftliche Details wie erzielbare Miete, Zustand des Gebäudes, regionale Marktsituation und Höhe der Innenprovisionen in ein gemeinsames Bewertungsraster. Aus dieser Gesamtbetrachtung entwickelt sich dann die Antwort auf die Kernfrage, ob der Erwerber Ersatz verlangen kann, weil die vermeintlich tragfähige Altersvorsorge tatsächlich auf einer unzureichend aufgeklärten und damit fehlerhaften Basis beruhte.
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