Kaufvertrag präzisieren, Haftung und Daten schützen, Übergabe rechtssicher absichern
Ein Apothekenverkauf ist kein normaler Asset-Deal, sondern ein rechtlich vielschichtiges Vorhaben mit unmittelbaren Konsequenzen für Versorgung, Personal, Haftung und Daten. Wer in diese Transaktion geht, sollte früh die Linien festlegen, die später Ruhe bringen: klare Vorverträge statt undeutbarer Absichtserklärungen, belastbare Vertraulichkeit statt gut gemeinter Mails, definierte Prüf- und Inventurwege statt „Wir sehen am Stichtag“. Bereits die erste Kontaktaufnahme begründet ein vorvertragliches Schuldverhältnis; daraus folgen Schutz- und Aufklärungspflichten, vor allem bei sensiblen Informationen und Geschäftsgeheimnissen. Eine saubere NDA benennt Unterlagen, Zugriffskreise, Laufzeiten, Rückgabepflichten und Vertragsstrafen – so wird Diskretion justiziabel. Parallel lohnt ein Exklusivitätsfenster mit klarer Zeitleiste: Wer prüft bis wann was, zu welchen Bedingungen, mit welchen Abbruchrechten? Je konkreter diese erste Schicht, desto geringer die Reibung im eigentlichen Kaufvertrag.
In der Struktur des Kaufgegenstands braucht es Trennschärfe: Was genau wird übertragen, was ausdrücklich nicht? Materielle Güter (Inventar, Geräte, IT, Kommissionierer, Fahrzeuge) gehören mit Seriennummern, Baujahren, Zustandsangaben in eine Anlage; immaterielle Werte (Goodwill, Name, Ruf, Lagevorteil, digitale Identitäten) brauchen eigenständige Regelung. Domains, Telefonnummern, Social-Accounts, Logos und Gestaltungen sind nicht „Beiwerk“, sondern markenrechtlich relevante Assets – ihre Übertragung muss rechtssicher und fristgerecht organisiert werden. Beim Warenlager entscheidet die Bewertungsmethodik über Frieden nach der Übergabe: Netto-Netto-EK, Umgang mit Ladenhütern, Nahe-Verfall, kühlkettenpflichtige Ware, Sonderposten, Rücknahmen – wer hier in Stichworten bleibt, lädt Streit ein. Ein neutrales Inventurunternehmen wirkt oft wie „Mehrkosten“, spart aber später viel Zeit; wo die Warenwirtschaft sauber gepflegt ist, kann auch eine gemeinsame, protokollierte Eigeninventur tragen.
Der Kaufpreis verdient zwei Schienen: wirtschaftliche Absicherung und steuerliche Aufteilung. Wirtschaftlich schützt eine Bankbürgschaft oder ein Treuhandkonto die Parteien besser als bloße Finanzierungszusagen. Steuerlich ist die Allokation zwischen immateriellen und materiellen Gütern kein Formalismus, sondern gestaltet AfA-Kurven und stille Reserven – und sollte mit Beratern beider Seiten abgestimmt und im Vertrag fest verankert sein. Für das Warenlager bietet sich eine Anzahlung zum Übergabetag mit Endabrechnung nach Inventur an; wichtig ist ein Mechanismus für Abweichungen und eine Frist, nach der Einwände ausgeschlossen sind. Zahlungswege, Fälligkeiten, Verzugszinsen und Aufrechnungsverbote gehören in klare Sätze, damit Vollzug nicht an Interpretationen scheitert.
Arbeitsrechtlich ist jeder Apothekenverkauf ein Betriebsübergang (§ 613a BGB) – mit automatischem Übergang aller Arbeitsverhältnisse, Unzulässigkeit von Übergangskündigungen und Informationspflicht gegenüber dem Personal. Wer hier schlampig informiert, öffnet Widerspruchsfenster, die Monate später Prozesse kippen. Der Käufer braucht früh Transparenz über Verträge, Vergütungen, Zulagen, Arbeitszeiten, Befristungen, Elternzeiten, Schwerbehindertenstatus, laufende Konflikte. Tarifbindungen lassen sich nicht beliebig „wegverhandeln“; Änderungen greifen frühestens nach einem Jahr. Für den Betrieb kritisch sind Schicht- und Notdienstlogik, Vertretungsabsprachen und Qualifikationsnachweise – alles Punkte, die in einer geordneten Personalanlage erfasst sein sollten. Ein angemessenes Wettbewerbsverbot für den Verkäufer (Radius, Dauer, Vertragsstrafe) schützt den Goodwill – überziehen darf es nicht, sonst ist es nichtig.
Datenschutz ist die heikelste Nahtstelle: Kundendaten sind Gesundheitsdaten und damit besonders geschützt. Eine Übertragung ohne Einwilligung scheidet aus; zulässig sind Datensicherungen und Treuhandlösungen bis zum Zeitpunkt, an dem Einwilligungen vorliegen. Der Vertrag sollte festlegen, wie die Einwilligungen eingeholt werden (Formular, Prozess, Fristen), wie Alt-/Neusysteme technisch getrennt bleiben, wie doppelte Datensätze bereinigt und wie Nicht-Einwilligungen respektiert werden. Dokumente zu Beratung, Rezeptur oder Heimbelieferung können Aufbewahrungspflichten unterliegen – die Parteien sollten definieren, wer was wie lange aufbewahrt, wer Zugriffsrechte hat und wie Auskünfte gegenüber Betroffenen organisiert werden. Wer diese Spur sauber zieht, reduziert Risiko in Aufsichtssituationen und schützt den Vertrauensanker der Offizin: Diskretion.
Ohne Betriebserlaubnis kein Vollzug: Der Erwerber muss die Apothekenbetriebserlaubnis rechtzeitig beantragen; der Kaufvertrag gehört aufschiebend bedingt auf deren Erteilung. Analog gilt für Mieträume: Ist die Erlaubnis an die konkreten Räume gebunden, braucht der Käufer entweder Eintritt in den bestehenden Mietvertrag oder einen inhaltlich gleichwertigen Neuvertrag – flankiert von Zustimmungserfordernissen des Vermieters. Wird die Immobilie mitverkauft, greift die notarielle Form; häufig wird der gesamte Asset-Deal notariell beurkundet, um Formrisiken zu neutralisieren. Handelsrechtlich sind Firmenfortführung, Haftungsbeschränkungen (§ 25 Abs. 2 HGB), Handelsregistereintragungen und Übergaben der kaufmännischen Kennzeichen zu adressieren. Dauerverträge mit Lieferanten, Wartung, IT, Entsorgung, Versicherungen gehen nicht „automatisch“ über – eine Liste der zu übernehmenden Verträge mit Zustimmungserfordernissen und Cut-over-Plan vermeidet Leistungslücken.
Ganz praktisch zahlt sich ein dreistufiger Fahrplan aus. Stufe 1: Strukturierte Due Diligence mit Checklisten für Recht, Steuern, Personal, IT/Datenschutz, Verträge, Behördenlage. Stufe 2: Kaufvertragsentwurf mit sauberem Asset-Katalog, Preis-/Zahlungsmechanik, Gewährleistungssystem, Garantien (etwa Revisionsfähigkeit, Kenntnisfreiheit von wertmindernden Entwicklungen, keine anhängigen Verfahren), Wettbewerbsverbot, Datenschutz- und Inventurregelwerk. Stufe 3: Vollzugsplan (Closing Memo) mit Verantwortlichkeiten, Terminen, Checklisten: Wer stellt wann welchen Antrag? Wer informiert Personal, Verbände, Banken, Versicherer? Welche Passwörter, Schlüssel, Zertifikate, Stammdaten, Kassen- und Warenwirtschaftsrechte werden wann übergeben? Je klarer diese Stufen, desto unspektakulärer der Tag X – und genau das ist das Ziel: Rechtssicherheit ohne Drama, Übergabe ohne Bruch, Fortführung ohne Stillstand.
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