BGH fokussiert Länderliste, Fotobelege sollen Präsenz klären, Beteiligte widersprechen
Der Streit um die sogenannte Länderliste erhält neue Dynamik, weil höchstrichterlich präzisiert werden soll, welche Nachweise als Beleg für das Kriterium einer „Präsenzapotheke“ genügen. Im Zentrum stehen Foto- und Dokumentationsreihen, mit denen unterschiedliche Akteure zeigen wollen, ob an niederländischen Standorten tatsächlich eine öffentlich zugängliche Präsenz existiert oder nicht. Bereits vor Jahren waren im Umfeld früherer Verfahren Bildserien zu Gebäuden, Zufahrten und Beschilderungen gesammelt worden; aktuell werden diese Sammlungen erweitert und in neue Verfahren eingeführt. Parallel weisen die betroffenen Unternehmen die Vorwürfe zurück und verweisen auf Genehmigungen, Betriebsmodelle und Sicherheitsprozesse, die aus ihrer Sicht den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Prozessual geht es weniger um einzelne Schnappschüsse als um die Frage, welche Art von Beweisführung und welche Mindestkriterien künftig als Standard gelten. Das Ergebnis ist für Marktteilnehmer deshalb bedeutsam, weil es die Prüfpraxis und die Nachweisführung bundesweit strukturiert.
Die Länderliste soll sicherstellen, dass ausländische Anbieter nur dann am Markt teilnehmen, wenn sie in ihrem Sitzland Anforderungen erfüllen, die denen hierzulande vergleichbar sind; der Begriff der „Präsenz“ ist dabei ein Kernbaustein. Juristisch stellt sich die Frage, ob und wie Fotos, Videos oder Ortsbegehungen die geforderte Erreichbarkeit und Betriebsform hinreichend abbilden. Bildmaterial kann den äußeren Eindruck dokumentieren, sagt aber allein wenig über organisatorische Kennziffern wie Öffnungszeiten, Personalpräsenz, Abgabeprozesse oder Aufsichtsstrukturen. Hinzu kommt, dass standortbezogene Situationen zeitabhängig sind: Baustellen, Umzüge oder Zugangsregelungen können den sichtbaren Zustand verändern, ohne dass sich die rechtliche Bewertung automatisch mitändert. Deshalb rückt neben der Optik die Konsistenz mit Behördenangaben, Registereinträgen und Genehmigungen in den Fokus. Ein klarer Prüfmaßstab würde festlegen, welche Dokumente und Beobachtungen in welcher Kombination als ausreichend gelten.
Die Positionen liegen entsprechend auseinander: Befürworter der strengen Auslegung sehen in Bildreihen einen niedrighängigen, anschaulichen Beleg dafür, ob eine Präsenz tatsächlich gelebt wird. Kritiker dieser Linie wenden ein, dass Einzelbilder leicht fehlinterpretiert werden können, wenn Kontext und Zeitbezug fehlen oder Sonderlagen vorliegen. Die betroffenen Unternehmen betonen, es gebe klare Betriebsmodelle, interne Kontrollen und externe Überwachung, die den rechtlichen Anforderungen Rechnung tragen; die sichtbare Anmutung eines Industrie- oder Logistikstandorts sage darüber wenig aus. Auf der Gegenseite wird argumentiert, dass Öffentlichkeit und Erreichbarkeit notwendigerweise auch äußerlich erkennbar sein müssten, weil sie gerade den Schutzadressaten sichtbare Orientierung geben sollen. Zwischen diesen Polen liegt der Bedarf an belastbaren, wiederholbaren Prüfverfahren, die mehr sind als Momentaufnahmen. Ein Höchstgericht kann hier Leitplanken setzen, ohne Einzelfeststellungen zu ersetzen.
Die möglichen Folgen einer Klärung reichen von der Beweislast- und Nachweispflicht bis zu praktischen Anforderungen an Standortkommunikation. Sollte ein enger Präsenzbegriff bestätigt werden, wären präzisere Informationspflichten zu Zugang, Personalverfügbarkeit und Abläufen naheliegend; ein weiter Begriff würde stärker auf behördliche Zulassungen und auditierbare Prozesse abstellen. Für die Praxis entscheidend ist, wie künftige Prüfungen operationalisiert werden: standardisierte Checklisten, definierte Zeitfenster für Ortsbegehungen, Verknüpfung mit Registerdaten und die Möglichkeit, Änderungen am Standort zeitnah zu dokumentieren. Ebenso relevant ist die Transparenz gegenüber dem Publikum: Klare, öffentlich zugängliche Angaben zu Adresse, Erreichbarkeit und Leistungsangebot erleichtern die Beurteilung und reduzieren Interpretationsspielräume. In jedem Fall wird die Entscheidung die Art und Tiefe der Begründungspflicht prägen, wenn Marktteilnehmer ihre Konformität darlegen. Damit verschiebt sich die Auseinandersetzung von Bildern hin zu verfahrensfesten Kriterien.
Für den weiteren Verlauf ist mit einer Kombination aus prozessualen Hinweisen und materiellen Leitplanken zu rechnen, die in nachgeordneten Instanzen und bei Aufsichtsstellen konkretisiert werden. Kurzfristig werden die Parteien voraussichtlich ergänzendes Material zu Betriebszuständen, Öffnungszeiten und Personalpräsenz liefern, um ein schlüssiges Gesamtbild zu erzeugen. Mittel- bis langfristig dürfte sich ein Prüfkanon etablieren, der technische und organisatorische Nachweise bündelt und visuelle Dokumentation als Baustein, nicht als Alleinbeweis versteht. Das reduziert die Anfälligkeit für Fehldeutungen und schafft Vergleichbarkeit zwischen Fällen, die sich äußerlich ähnlich sehen, rechtlich aber unterscheiden. Wo Anforderungen und Nachweise klar definiert sind, wird Rechtsklarheit greifbar; entscheidend bleibt, dass Kriterien und Prüfwege für alle Beteiligten transparent und überprüfbar sind. Konsistente Maßstäbe senken Streitkosten und beschleunigen Entscheidungen, weil sie Erwartung und Beweisführung in dieselbe Richtung lenken.