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APOTHEKE | Wochenspiegel & Presse |
Apotheken-News: Themen der Woche
Apotheken geraten derzeit von allen Seiten unter Druck: Digitale Systeme wie das E-Rezept brechen regelmäßig zusammen, Patienten verlieren Vertrauen, und die öffentliche Diskussion dreht sich um technische Defizite statt um Lösungen. Gleichzeitig verschieben internationale Investoren und Konzerne wie Walgreens Boots Alliance oder Novo Nordisk die Kräfteverhältnisse auf den Märkten – während Versender mit prominenter Werbung und hohen Budgets massiv Marktanteile gewinnen. Die Politik wiederum blockiert dringend nötige Soforthilfen wie Fixumerhöhung oder Skontifreigabe und schiebt Entscheidungen in ein entferntes Reformpaket, während Krankenkassen jede Honoraranpassung mit dem Argument verweigern, es gebe „keinen Mehrwert“. In dieser Gemengelage wächst der Druck auf die Vor-Ort-Apotheken, die weiterhin Verantwortung tragen: Sie beraten Patienten, sie schließen Versorgungslücken, sie stemmen die Folgen von Unterfinanzierung und Sanierungsstau wie beim Pharmazieinstitut Jena. Acht Schlaglichter dieser Woche zeigen, wie groß der Handlungsbedarf ist – und wie wenig Zeit bleibt, um die Strukturen zu stabilisieren.
Das E-Rezept sollte den Aufbruch markieren, doch es ist zum Symbol für ein System geworden, das auf halbem Wege stehen bleibt. Apotheken erleben Tag für Tag, wie instabile Server, Ausfälle der Telematikinfrastruktur und Fehler bei der Datenübertragung dazu führen, dass Patientinnen und Patienten mit ihren digitalen Rezepten ratlos in der Offizin stehen. Statt Entlastung bringt die Digitalisierung in dieser Form Mehrarbeit, Erklärungsnot und Frustration. Der Rat des Abda-Präsidenten Thomas Preis, sich vorsorglich einen Papierausdruck des Tokens geben zu lassen, wirkt wie ein Eingeständnis, dass das System nicht verlässlich ist. Für eine digitale Zukunft ist das ein Rückschritt, für die Apotheken ein zusätzlicher Kraftakt.
Die technische Architektur ist nicht das einzige Problem. Politisch wurde das E-Rezept als fertiges Produkt verkauft, obwohl es nur Stückwerk war. Einzelne Komponenten laufen, aber sie greifen nicht ineinander. Ein kleiner Ausfall genügt, und die Versorgung steht still. Besonders in Notfallsituationen zeigt sich die Absurdität: Wer dringend ein Medikament benötigt, darf nicht davon abhängig sein, ob ein Server antwortet oder nicht. Hier entsteht nicht nur ein organisatorisches, sondern ein ethisches Problem. Denn das Vertrauen, das Patientinnen und Patienten in das Versorgungssystem haben sollen, erodiert mit jedem Ausfall ein Stück mehr.
Für die Apotheken ist diese Lage doppelt bitter. Sie stehen am Ende der Kette, haben keine Einflussmöglichkeiten auf die technischen Ursachen, sind aber diejenigen, die den Ärger abbekommen und Lösungen finden müssen. Sie drucken Tokens nach, telefonieren mit Praxen, erklären Abläufe – und verlieren im schlimmsten Fall Umsätze, wenn Rezepte nicht eingelöst werden können. Dass die Abda diesen Umsatzverlust bislang nicht aktiv politisch aufgreift, ist ein schweres Versäumnis. Denn ohne Ausgleich für die realen Schäden wächst die Kluft zwischen dem politischen Versprechen einer modernen Versorgung und der ökonomischen Realität in den Offizinen.
Währenddessen verschiebt sich das Kräfteverhältnis im Markt. EU-Versender profitieren indirekt von der Schwäche des Systems. Für Patientinnen und Patienten, die ohnehin zur Online-Bestellung neigen, sind technische Probleme bei der Einlösung in der Vor-Ort-Apotheke ein zusätzlicher Anreiz, sich an digitale Versender zu binden. Dort mögen die Abläufe zwar nicht fehlerfrei sein, doch das Bild ist: modern, unkompliziert, verlässlich. Genau dieses Bild steht im Kontrast zu den Schlagzeilen, die das E-Rezept in Deutschland prägen.
Für Apotheken bedeutet das eine gefährliche Gemengelage. Sie tragen die Verantwortung für die Versorgung, aber ihnen fehlen die Werkzeuge, um zuverlässig zu arbeiten. Solange die Politik nicht bereit ist, die Schwächen anzuerkennen und gezielt nachzubessern, bleibt das E-Rezept ein Symbol für Ankündigungen ohne Substanz. Es reicht nicht, über Serverkapazitäten zu diskutieren oder neue Pilotprojekte anzukündigen – gebraucht wird ein System, das den Alltag trägt und auf das sich Patientinnen und Patienten verlassen können. Bis dahin aber gilt: Vertrauen geht schneller verloren, als es aufgebaut werden kann, und Apotheken zahlen den Preis für ein digitales Experiment, das nicht zu Ende gedacht wurde.
Die Übernahme von Walgreens Boots Alliance durch den Finanzinvestor Sycamore und den italienischen Milliardär Stefano Pessina ist mehr als ein bloßer Eigentümerwechsel. Sie steht sinnbildlich für die Dynamik, die im internationalen Apotheken- und Großhandelsgeschäft herrscht. Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Gehe, seit Jahrzehnten zentrale Akteure im deutschen Markt, werden nun unter dem Dach der neu gegründeten Boots Group zusammengeführt. Was auf den ersten Blick nach einer Bündelung von Kräften aussieht, ist bei genauerem Hinsehen vor allem Ausdruck einer strategischen Neuausrichtung, die sich nicht an regionalen Bedürfnissen, sondern an globalen Renditeerwartungen orientiert.
In den offiziellen Mitteilungen heißt es, dass man mit der neuen Struktur mehr Ruhe und Stabilität schaffen wolle. Doch die Erfahrung lehrt: Sobald Finanzinvestoren dominieren, steht Wachstum über allem – und Ruhe gilt als Stagnation. Für die deutschen Tochtergesellschaften bedeutet das eine ungewisse Zukunft. Werden sie weiter ausgebaut oder im Zweifel zur Disposition gestellt, wenn Renditeziele nicht erreicht werden? Gerade im pharmazeutischen Großhandel, der ohnehin unter Preisdruck und Regulierungszwängen leidet, sind solche Fragen mehr als theoretisch.
Die Rolle von Apotheken in dieser Gleichung ist ambivalent. Einerseits sind sie auf die Lieferfähigkeit der Großhändler angewiesen, andererseits sehen sie, dass Entscheidungen zunehmend fernab ihrer Realität getroffen werden. Wenn ein US-Investor zusammen mit einer europäischen Unternehmerfamilie Milliarden bewegt, dann zählt die Offizin in Reppenstedt oder Regensburg nicht mehr als eine abstrakte Kennziffer im Jahresbericht. Diese Entkopplung zwischen globaler Kapitaldynamik und lokaler Versorgungsrealität verstärkt das Gefühl vieler Apothekerinnen und Apotheker, dass ihre Interessen nur noch am Rand vorkommen.
Die neue Boots Group soll das internationale Handelsgeschäft bündeln, doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob dieser Schritt eine langfristige Perspektive schafft. Kritiker sehen darin eher eine Zwischenstation: eine Übergangsgesellschaft, die flexibel zerschlagen oder verkauft werden kann, wenn sich Marktchancen anderswo eröffnen. Für die Beschäftigten bei AHD und Gehe bedeutet das Unsicherheit, für die Apotheken Abhängigkeit. Denn im Ernstfall entscheidet nicht die Frage nach Versorgungssicherheit, sondern die nach Rendite und Kursentwicklung.
Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus eine ernüchternde Erkenntnis: Sie stehen in einem Versorgungssystem, das zunehmend von Finanzinvestoren geprägt wird. Was früher im Kontext regionaler Verbundenheit und langfristiger Partnerschaften gedacht war, ist heute ein Spiel globaler Finanzströme. Apotheken spüren die Unruhe direkt, wenn Lieferketten stocken, wenn Preise nach oben gezogen werden oder wenn Serviceleistungen reduziert werden. Und solange die Politik keine Regulierung findet, die Versorgungssicherheit stärker gewichtet als Renditeziele, bleibt jede Übernahme im Großhandel ein Risiko für die Stabilität der Offizin.
Novo Nordisk war zeitweise das wertvollste Unternehmen Europas, getragen von der Euphorie um die Abnehmspritzen Ozempic und Wegovy. Semaglutid schien ein Wundermittel zu sein, das Diabetes- und Adipositastherapie revolutioniert und dem Konzern einen nahezu unerschöpflichen Markt eröffnet. Doch aus dem kometenhaften Aufstieg ist binnen weniger Monate ein Stresstest geworden. Konkurrenzprodukte drängen auf den Markt, Preissenkungen in den USA setzen das Geschäftsmodell unter Druck, und eine Klagewelle überschattet die Erfolgsgeschichte. Mehr als 1.800 Sammelverfahren sind anhängig, die Novo Nordisk wegen angeblicher Nebenwirkungen der Semaglutid-Präparate belasten.
Viele Klagen betreffen Patientinnen und Patienten, die die Präparate off-label genutzt haben – etwa zur schnellen Gewichtsabnahme ohne medizinische Indikation. Doch in den Schlagzeilen wird diese Differenzierung kaum beachtet. Im öffentlichen Diskurs bleibt hängen: Die „Wunderspritze“ hat Risiken, von schweren Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu möglichen Langzeitschäden. Für ein börsennotiertes Unternehmen ist schon die Andeutung solcher Gefahren brandgefährlich. Anleger reagieren sensibel, und jeder Bericht über neue Klagen lässt den Aktienkurs taumeln. Der Nimbus der Unangreifbarkeit ist dahin.
Man könnte festhalten, dass hier zwei Ebenen ineinandergreifen: die medizinische und die ökonomische. Auf der einen Seite gibt es Patientinnen und Patienten, die von Semaglutid nachweislich profitieren, weil sie Gewicht verlieren oder ihre Diabeteswerte stabilisieren. Auf der anderen Seite steht die Frage, wie sehr ein Unternehmen den Spagat aushalten kann, zugleich Wunderwaffe und Risikoproduzent zu sein. Je mehr Verfahren in den USA auflaufen, desto stärker wächst der Druck, Vergleichszahlungen zu leisten – ein Szenario, das schon andere Pharmakonzerne in die Knie gezwungen hat.
Für Apotheken ergibt sich aus dieser Gemengelage ein ambivalentes Bild. In der Offizin stellen sich jetzt Fragen, wie sie Patienten beraten sollen, die vom Hype um die Abnehmspritze erfasst wurden. Einerseits gibt es klare Leitlinien für die Anwendung bei Diabetes, andererseits erreichen die Gerüchte um Nebenwirkungen die Kundschaft schneller, als Studien ausgewertet sind. Apotheken sind damit einmal mehr Übersetzer zwischen wissenschaftlicher Evidenz, medialer Zuspitzung und individuellen Ängsten.
Gleichzeitig zeigt die Entwicklung, wie fragil selbst die strahlendsten Geschäftsmodelle sein können. Ein Wirkstoff, der Milliardenumsätze verspricht, kann binnen kurzer Zeit zum Risikofaktor werden, wenn Regulierung, Politik oder Gerichte eingreifen. Für die Branche ist das ein Lehrstück: Innovation allein genügt nicht, wenn das Vertrauen fehlt oder die rechtlichen Risiken zu groß werden. Novo Nordisk steht damit an einem Scheideweg, und das Bild vom „Abnehmspritzen-König“ droht sich in eine Geschichte vom Angeklagten zu verwandeln.
Wenn Günther Jauch zur besten Sendezeit für Redcare Pharmacy wirbt, dann ist das mehr als ein netter Fernsehspot. Es ist ein Signal, dass die Vor-Ort-Apotheken ihre Stammkundschaft in einem Alter verlieren, in dem Vertrauen und Gewohnheit eigentlich die stärksten Bindungen sein sollten. Dass ausgerechnet die Generation 50+ von einem prominenten Gesicht animiert wird, das Rezeptgeschäft ins Internet zu verlagern, zeigt die Wucht der Kampagne. Für Apotheken in den Städten wie auf dem Land ist das ein Verlust, der sich in sinkenden Umsätzen, schwindender Beratung und weniger Frequenz bemerkbar macht.
Die jüngsten Geschäftszahlen der Versender unterstreichen diesen Trend. DocMorris steigerte sein Rx-Geschäft in Deutschland im ersten Halbjahr um über 40 Prozent, Redcare legte sogar fast 50 Prozent zu. Dahinter stehen nicht nur neue Kundinnen und Kunden, sondern auch eine strategische Verschiebung: Versandapotheken nutzen die Schwächen des E-Rezepts und die politische Zurückhaltung in Berlin, um Marktanteile zu gewinnen. Während sich die Ministerien mit Grundsatzfragen aufhalten, liefern die Versender einfache Botschaften: bequem, schnell, günstig. Das verfängt – und die Zahlen sind der Beweis.
Pointiert formuliert bedeutet das: Die Grenze zwischen legitimer Werbung und systemischem Schaden ist längst überschritten. Apotheken vor Ort haben keine Chance, mit Promi-Gesichtern zu konkurrieren, die über Millionen-Budgets und Werbeplätze in den Hauptprogrammen verfügen. Wenn Kundinnen und Kunden ihre Rezepte online einlösen, fehlt den Offizinen nicht nur Umsatz. Es fehlt auch der Kontakt, die Beratung, das Vertrauen, das sich über Jahre aufgebaut hat. Ausgerechnet das Fundament, das die Versorgung trägt, wird damit erodiert.
Für Apotheken ist das ein doppelter Schlag. In der Offizin zeigt sich jetzt, dass selbst treue Stammkundschaft dem Sog der Online-Angebote erliegt. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeutet das weniger Gespräche, weniger Bindung, weniger Möglichkeiten, pharmazeutisches Wissen einzubringen. Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus eine betriebswirtschaftliche Zwickmühle: Fixkosten bleiben, Einnahmen sinken. Und wenn dann noch gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Skontoverbot oder das stagnierende Fixum hinzukommen, entsteht ein gefährlicher Cocktail, der die Existenz vieler Betriebe bedroht.
Was Jauch für Redcare erreicht, ist ein Paradebeispiel für die Macht der Markenbildung. Doch es ist auch ein Menetekel: Wenn Politik und Standesvertretung nicht gegensteuern, wird die öffentliche Wahrnehmung zementiert, dass moderne Versorgung gleich Versand bedeutet und Apotheken vor Ort ein Relikt vergangener Tage seien. Diese Wahrnehmung ist gefährlicher als jede Rabattaktion, weil sie Strukturen verschiebt. Für die Zukunft der Apotheken braucht es deshalb mehr als Appelle. Es braucht eine klare Antwort auf die Frage, wie viel Marktanteil der Versandhandel bekommen darf – und wie viel Versorgungssicherheit die Gesellschaft zu verlieren bereit ist.
Bundesdrogenbeauftragter Hendrik Streeck hat die Debatte um Medizinalcannabis auf den Punkt gebracht: Die Verordnung von Blüten müsse enden, zumindest dürfe sie nicht mehr online ohne Arzt-Patienten-Kontakt erfolgen. Seine Argumente sind klar: Blüten werden überwiegend geraucht, belasten die Lunge, erhöhen das Krebsrisiko und schwanken im THC-Gehalt. Für ein Arzneimittel, das Sicherheit und Standardisierung erfordert, ist das ein unhaltbarer Zustand. Die Politik reagiert: Künftig sollen Cannabisblüten nur noch im direkten Arztgespräch verordnet und in der Vor-Ort-Apotheke abgegeben werden.
Dieser Schritt ist mehr als eine kleine Korrektur. Er zeigt, wie stark die Spannungen im Cannabis-Markt gewachsen sind. Online-Plattformen hatten die Grauzonen des Systems genutzt, Rezepte auszustellen, ohne dass ein Arzt jemals einen Patienten gesehen hat. Für viele Konsumenten war das ein Türöffner, Cannabisblüten nicht als Therapie, sondern als Freizeitdroge zu beziehen. Damit ist nicht nur die Arzneimittelsicherheit infrage gestellt, sondern auch das Vertrauen in die ärztliche Verordnung beschädigt. Streeck zieht die Notbremse – und stößt damit auf heftigen Widerstand von Patientenverbänden, die sich in ihrer Versorgung eingeschränkt sehen.
Zuspitzend betrachtet zeigt sich hier das klassische Spannungsfeld: Medizinische Standards gegen subjektive Bedürfnisse. Patientenverbände verweisen auf bessere Lebensqualität und weniger Therapieabbrüche, wenn Blüten verfügbar bleiben. Fachgesellschaften und Pharmakologen kontern mit der Forderung nach zugelassenen Fertigarzneimitteln, die klare Wirkstoffgehalte und kontrollierte Applikationsformen bieten. Zwischen diesen Polen muss die Politik navigieren, und Apotheken stehen mittendrin.
In der Offizin zeigt sich jetzt die praktische Dimension: Apothekenteams werden mit Rezepten konfrontiert, deren Legitimität und Indikation schwer einzuschätzen sind. Sie müssen beraten, Risiken erklären und im Zweifel Grenzen ziehen. Mit der geplanten Gesetzesänderung entsteht für Apotheken zwar mehr Klarheit, aber auch mehr Verantwortung. Denn sie werden stärker in die Rolle des Gatekeepers gedrängt, die richtige Versorgung sicherzustellen, ohne zum Spielball von Drucksituationen oder falschen Erwartungen zu werden.
Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus ein doppelter Auftrag: Sie müssen die rechtlichen Vorgaben strikt einhalten und zugleich das Gespräch mit den Patienten führen, die sich durch die neuen Grenzen eingeschränkt fühlen. Das verlangt Fingerspitzengefühl, Wissen und eine klare Linie. Und es verdeutlicht, dass die Apotheke vor Ort nicht nur logistische Versorgungsstation ist, sondern ein Knotenpunkt, an dem ethische, medizinische und rechtliche Fragen unmittelbar aufeinandertreffen. Die Cannabisdebatte ist damit mehr als eine Diskussion über Blüten – sie ist ein Prüfstein für die Fähigkeit des Gesundheitssystems, Regulierung und Versorgung in Einklang zu bringen.
Die Forderung nach einer sofortigen Erhöhung des Apothekenfixums und nach der Wiederzulassung von Skonti ist nicht neu, doch sie gewinnt an Schärfe. Vertreter der Landesapothekerverbände wie Berend Groeneveld in Niedersachsen oder Holger Seyfarth in Hessen haben die Geduld verloren. Nach mehr als hundert Tagen der neuen Bundesregierung sehen sie nicht einmal einen Ansatz von Bewegung. Stattdessen hält das Gesundheitsministerium an der Idee fest, alles in eine große Reform zu packen – und blockiert damit die dringendsten Maßnahmen, die ohne Gesetzesänderung längst hätten umgesetzt werden können.
Die Kritik ist eindeutig: Eine Honorarerhöhung könnte per Verordnung beschlossen werden, das Skontoverbot könnte korrigiert werden, ohne die politischen Hürden eines Gesamtpakets zu überwinden. Doch genau das passiert nicht. Stattdessen schiebt man in Berlin die Verantwortung vor sich her. Für die Apotheken ist das keine Petitesse, sondern eine existenzielle Frage. Monat für Monat müssen sie steigende Personalkosten, Energiepreise und Investitionen stemmen, während die Einnahmen stagnieren. Die Schere öffnet sich weiter, und immer mehr Betriebe rutschen ins Minus.
Wer es kritisch zuspitzt, erkennt: Diese Hinhaltetaktik ist nicht Ausdruck von Pragmatismus, sondern von politischem Kalkül. Die Bundesregierung möchte offenbar Zeit gewinnen, wohlwissend, dass ein umfassendes Reformpaket leichter zu verzögern ist als einzelne, sofort wirksame Schritte. Die Leidtragenden sind die Apotheken und damit auch die Patientinnen und Patienten, deren wohnortnahe Versorgung zunehmend ins Wanken gerät. Denn jeder Betrieb, der schließt, hinterlässt eine Lücke, die nicht ohne weiteres gefüllt werden kann.
In der Offizin spiegelt sich diese Unsicherheit unmittelbar wider. Betreiberinnen und Betreiber wissen nicht, ob sie Investitionen wagen können, ob sie Personal halten oder neue Stellen schaffen sollen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fragen, wie es weitergeht, ob ihre Arbeitsplätze sicher sind. Die Kunden bemerken es, wenn die Stimmung angespannt ist, wenn Wartezeiten länger werden, wenn Leistungen eingeschränkt sind. Es ist eine Kettenreaktion, die nicht erst in Jahren, sondern schon heute sichtbar ist.
Für die Politik ist das ein Spiel mit dem Feuer. Denn je länger die Soforthilfe verweigert wird, desto lauter werden die Drohungen mit Protesten. Schon jetzt mehren sich die Stimmen, die auf Demonstrationen oder gar auf Schließungstage drängen. Apothekerinnen und Apotheker sind nicht bekannt für schnelle Protestbereitschaft, doch wenn die wirtschaftliche Basis zerfällt, wird auch diese Barriere fallen. Und dann wird die Bundesregierung feststellen müssen, dass es sich nicht lohnt, Vertrauen aufs Spiel zu setzen, nur um kurzfristig Kassen zu schonen.
Noch bevor die Bundesregierung überhaupt ein konkretes Reformpapier vorgelegt hat, meldet sich der IKK-Verband zu Wort – mit einer klaren Ablehnung der geplanten Honorarerhöhung für Apotheken. Die Begründung klingt technokratisch: Zusätzliche Ausgaben müssten kritisch geprüft werden, und wenn sie keinen „nachweisbaren Mehrwert für die Versorgung“ bringen, seien sie abzulehnen. Damit stellen die Innungskrankenkassen die gesamte Rolle der Apotheken in Frage – und blenden dabei aus, dass deren Leistungen weit über das reine Abgeben von Arzneimitteln hinausgehen.
Für die Apothekerschaft ist diese Haltung nicht nur eine Provokation, sondern ein Schlag ins Gesicht. Seit Jahren wird auf den massiven Rückgang der Betriebe hingewiesen, seit Jahren fehlt eine Anpassung des Fixums, das längst von Inflation und steigenden Kosten aufgefressen wurde. Wenn heute noch rund 17.000 Apotheken in Deutschland arbeiten, dann nicht, weil die Rahmenbedingungen passen, sondern weil viele Inhaberinnen und Inhaber ihre persönliche Belastungsgrenze überschreiten. Dass Krankenkassen diesen Einsatz ignorieren, ist symptomatisch für eine Kostenlogik, die die Versorgungssicherheit zweitrangig behandelt.
Im Ergebnis zeigt sich deutlich: Während Politik und Öffentlichkeit über digitale Rezepte, über neue Dienstleistungen und über die Zukunft der Arzneimittelversorgung diskutieren, geht es den Krankenkassen vor allem darum, Ausgaben zu drücken. Was aber übersehen wird: Jeder Apothekenverlust bedeutet längere Wege für Patientinnen und Patienten, weniger Beratung, weniger niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Ein Mehrwert, der nicht in Euro und Cent gemessen werden kann, aber für Millionen Menschen jeden Tag konkret ist.
In der Offizin wird diese Entwicklung spürbar. Apothekerinnen und Apotheker erleben, wie Patientinnen die Schließung der Nachbarapotheke beklagen, wie ältere Menschen fragen, ob ihre Wege künftig noch zu schaffen sind, wie Familien verunsichert sind, weil vertraute Ansprechpartner verschwinden. Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus die Frage, wie lange sie gegen ein System arbeiten können, das ihnen jede Perspektive nimmt.
Die Reaktion von Abda-Präsident Thomas Preis fiel entsprechend deutlich aus. Er erinnerte daran, dass die Apothekerschaft in den letzten zehn Jahren fast 20 Prozent ihrer Betriebe verloren hat – und dass die Leidtragenden nicht die Kassen sind, sondern die Patientinnen und Patienten. Wer also davon spricht, eine Honoraranpassung bringe „keinen Mehrwert“, der hat den Kern der Versorgung nicht verstanden. Für die Apotheken bleibt die Hoffnung, dass Politik und Öffentlichkeit diese Blockadehaltung durchschauen – und erkennen, dass Gerechtigkeit in der Versorgung mehr bedeutet als eine Sparzahl im Haushaltsplan.
Das Institut für Pharmazie in Jena steht sinnbildlich für den Sanierungsstau im deutschen Hochschulwesen – und für die Halbherzigkeit der Politik, wenn es um die Zukunft eines ganzen Berufsstands geht. Seit Jahren ist bekannt, dass das Gebäude marode ist, seit Jahren gibt es mündliche Versprechen für Umbau oder Neubau, und doch geschieht nichts. Selbst Ministerpräsident Mario Voigt hat Unterstützung zugesagt, aber ein verbindlicher Plan fehlt. Für die Studierenden bedeutet das, dass sie unter Bedingungen lernen, die einem modernen pharmazeutischen Studium kaum gerecht werden. Für das Land Thüringen, in dem Jena der einzige Standort für die Pharmazie ist, bedeutet es ein wachsendes Risiko für die Versorgung der Zukunft.
Der ursprüngliche Plan war ambitioniert: Auf dem Gelände einer ehemaligen Frauenklinik sollte ein neuer Wissenschaftscampus entstehen, der Kapazitäten bündelt und die Pharmazie auf ein zeitgemäßes Niveau hebt. Doch von dieser Vision ist man längst abgerückt. Statt Neubauten soll es nun Sanierungen geben – kleiner, billiger, langsamer. Das klingt pragmatisch, ist aber in Wahrheit ein Symbol für das politische Lavieren, das die Apothekerschaft so oft erlebt: große Worte, kleine Schritte, keine Verbindlichkeit.
Wer es kritisch zuspitzt, erkennt: Hier geht es nicht nur um ein Gebäude, sondern um die Glaubwürdigkeit der Politik. Wenn Studierende im Labor mit Schimmel an den Wänden und veralteter Technik arbeiten, ist das nicht nur eine Zumutung, sondern auch ein Signal an alle, die sich für oder gegen ein Pharmaziestudium entscheiden. Nachwuchskräfte fehlen schon heute, und wenn sich herumspricht, dass in Thüringen keine modernen Bedingungen herrschen, wird sich die Situation weiter verschärfen. Das ist kein Randthema, sondern betrifft die Versorgungssicherheit in einem ganzen Bundesland.
In der Offizin zeigt sich schon jetzt, was es bedeutet, wenn zu wenige junge Menschen nachkommen. Viele Apotheken kämpfen mit Personalmangel, Stellen bleiben unbesetzt, Betriebsübergaben scheitern, weil es keine Nachfolger gibt. Ein funktionierendes Pharmazieinstitut ist damit nicht nur eine akademische Frage, sondern eine Frage des Überlebens für die Offizin vor Ort.
Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus eine klare Erkenntnis: Wenn Politik nicht investiert, verlieren alle – Studierende, Hochschulen, Apotheken und letztlich die Patientinnen und Patienten. Der Appell aus der Apothekerschaft ist eindeutig: Es braucht jetzt einen verbindlichen Fahrplan, ein klares Budget und ein sichtbares Bekenntnis. Alles andere ist ein Spiel auf Zeit, das am Ende niemandem nützt.
Die acht Themen dieser Woche zeichnen ein Bild von fundamentaler Unruhe in der Arzneimittelversorgung: Digitale Systeme wie das E-Rezept brechen zusammen, internationale Konzerne wie Boots oder Novo Nordisk verschieben Märkte, während Versender mit prominenter Werbung Marktanteile gewinnen. Politisch zeigt sich ein Muster aus Zögern und Blockieren, von der Cannabisdebatte bis zur Soforthilfe für Apotheken. Krankenkassen treten auf die Bremse, Hochschulstandorte wie Jena verfallen, und die Offizinen vor Ort tragen die Folgen. Dieses Panorama macht deutlich: Wer die Zukunft der Versorgung sichern will, braucht entschlossene Reformen, die den Apotheken Rückhalt geben – und nicht nur Schlagzeilen.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Und sie bleibt, weil die digitale Instabilität längst das Vertrauen in die Versorgung untergräbt, weil internationale Investoren Strukturen verschieben und weil politische Hinhaltetaktik die Apotheken zermürbt. Für Betreiberinnen und Betreiber folgt daraus: Wer bestehen will, muss eigene Wege der Stabilität finden, jenseits politischer Versprechen. So entsteht eine Schärfe, die zum Prüfstein für die gesamte Branche wird – und die Frage offenlässt, ob Politik, Kassen und Gesellschaft bereit sind, die Versorgung wirklich zu tragen.
Tagesthemenüberblick: https://aporisk.de/aktuell
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