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  • 28.07.2025 – Führung braucht Haltung, Vertrauen braucht Zeit, Versorgung braucht Mut
    28.07.2025 – Führung braucht Haltung, Vertrauen braucht Zeit, Versorgung braucht Mut
    APOTHEKE | Systemblick |  Ein Kommentar zur aktuellen Nachrichtenlage: Teilzeitrecht, Außendienstdruck, KI-Vertrauenskrise, internationale Substitutionsdebatte und Schild...

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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:

ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Führung braucht Haltung, Vertrauen braucht Zeit, Versorgung braucht Mut

 

Ausgabe Nr. 27 | Teilzeitrecht, Außendienststrategie, KI-Vertrauen, Substitution, Schilddrüsenkarzinom

Apotheken-News: Kommentar von heute

Kommentar von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-Nachrichten über das Teilzeitrecht im Apothekenbetrieb, die strategischen Außendienstaktivitäten großer Hersteller, das sinkende Patientenvertrauen durch KI-Einsatz, die Forderung nach pharmazeutischer Substitution in Deutschland und die neue S3-Leitlinie zum Schilddrüsenkarzinom.

In den Apotheken-Nachrichten der letzten Wochen verdichtet sich eine Gemengelage, die nicht mehr mit einzelnen Stellschrauben zu justieren ist. Vielmehr offenbaren die aktuellen Entwicklungen eine systemische Herausforderung für Apothekenleitungen, die sich nicht mehr auf Erfahrungswerte oder gewohnte Abläufe verlassen können. Die juristisch scheinbar klar geregelte Teilzeitfrage ist längst zu einer Projektionsfläche struktureller Überforderung geworden. Die gesetzliche Norm – ein einklagbares Recht auf Arbeitszeitreduktion, sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen – trifft in der Praxis auf ein organisatorisches Vakuum. Wer in Apothekenleitung Verantwortung trägt, weiß, dass die Grenze zwischen zumutbar und unzumutbar nicht im Gesetzbuch gezogen wird, sondern in den personellen Ressourcen, im Teamklima, in der Bereitschaft zur Kompromissbildung. Teilzeit ist kein Verwaltungsakt – sie ist eine Führungsentscheidung mit Langzeitwirkung. Wenn Mitarbeiter Teilzeit beantragen, fragen sie nicht nur nach Stunden – sie testen, ob Vertrauen möglich ist. Wer das nicht erkennt, reduziert das Gespräch auf eine Excel-Tabelle. Doch damit beginnt bereits der kulturelle Schaden.

Was als zunehmender Druck durch Herstellerkommunikation beschrieben wird, trifft genau in dieses Vakuum: Vertriebsinitiativen wie jene von Beiersdorf versuchen, Nähe herzustellen, wo Orientierung fehlt. Doch diese Nähe ist doppeldeutig. Sie kann Bindung stärken – oder Abhängigkeit erzeugen. Außendienst als strategisches Instrument funktioniert nur dann, wenn er auf ein Gegenüber trifft, das sich nicht nur als Empfänger von Informationen versteht, sondern als aktiver Marktgestalter. In Apotheken bedeutet das, sich nicht passiv durch Produktkataloge zu klicken, sondern eigene Akzente zu setzen: im Sortiment, in der Kundenansprache, in der fachlichen Beratung. Die Rückkehr des Außendienstes ist kein nostalgisches Revival, sondern eine Reaktion auf die Anonymität digitaler Plattformen. Wo Algorithmen keinen Unterschied mehr machen zwischen Versand und Vor-Ort, versuchen Markenhersteller wieder, Bedeutung durch Beziehung zu erzeugen. Das gelingt nur, wenn Apotheken ihrerseits bereit sind, Beziehung nicht als Belastung, sondern als strategisches Kapital zu verstehen. Kooperation ist kein Besuch, sondern ein Prozess. Wer sich darauf nicht vorbereitet, wird im neuen Vertriebsgeflecht nicht geführt, sondern umgangen.

Gleichzeitig melden sich Stimmen, die eine Verschiebung im Verhältnis zwischen Technologie und Vertrauen konstatieren. Künstliche Intelligenz wird zunehmend als Störfaktor wahrgenommen – nicht, weil sie schlecht funktioniert, sondern weil sie als menschlich nicht lesbar gilt. Patientinnen und Patienten, die hören, dass KI eine Rolle spielt, verlieren das Gefühl, wirklich gesehen zu werden. Dabei geht es nicht um die Technik an sich, sondern um die Art, wie sie eingebettet wird. In Apotheken entsteht so ein gefährlicher Zwiespalt: Je mehr Prozesse automatisiert werden – etwa Rezeptprüfung, Interaktionsanalyse oder Lagersteuerung –, desto größer die Gefahr, dass die Beziehungsebene leidet. Und genau diese ist die einzige Währung, mit der Vor-Ort-Apotheken gegen den digitalen Markt bestehen können. Der Widerspruch ist offenkundig: Wer auf Effizienz setzt, riskiert Entfremdung. Wer auf Nähe setzt, muss Ineffizienz in Kauf nehmen. Doch die Wahrheit liegt nicht im Entweder-oder. Sie liegt im verantwortlichen Sowohl-als-auch. Technik muss entlasten – aber sie darf nicht entmündigen. Und sie darf schon gar nicht entkoppeln. Apotheken, die KI nutzen, müssen zugleich mehr als je zuvor sichtbar menschlich handeln.

Internationale Entwicklungen wie jene aus Queensland zeigen, wie stark Deutschland im Rückstand ist. Dass Apotheker dort ohne ärztliche Anordnung substituieren dürfen, wird in Deutschland immer noch diskutiert, als sei es ein Angriff auf die ärztliche Autorität. Dabei ist es eine Einladung zur funktionalen Differenzierung – genau das, was ein modernes Gesundheitssystem braucht. In einer Realität voller Engpässe, Multimorbidität und Informationsüberflutung ist es schlicht fahrlässig, pharmazeutisches Wissen nicht autonom wirksam werden zu lassen. Die Angst vor Standesgrenzen lähmt nicht nur die Debatte – sie gefährdet die Versorgung. Apotheken wollen keine Diagnose stellen – sie wollen im Rahmen ihrer Kompetenz handeln dürfen. Die Nachrichtenlage zeigt deutlich: Wo das erlaubt wird, funktioniert es. Wo es verboten bleibt, entstehen Rückstände – nicht nur organisatorisch, sondern auch moralisch. Vertrauen entsteht nicht durch Hierarchie, sondern durch Verantwortungsübernahme. Wenn das System den Apotheker zur Passivität zwingt, zerstört es nicht nur Kompetenz, sondern auch Motivation.

Leitlinien wie jene zum Schilddrüsenkarzinom wirken als Leuchtturm medizinischer Rationalität – und zugleich als Spiegel systemischer Ambivalenz. Was als Fortschritt gefeiert wird, erfordert auf Apothekenseite eine immense Transformationsleistung. Denn standardisierte Evidenz muss in alltagspraktische Beratung übersetzt werden – nicht abstrakt, sondern konkret, patientennah, sprachlich verständlich. Leitlinien liefern Wissen – aber keine Beziehung. Genau hier beginnt die Verantwortung der Apotheken: zu interpretieren, einzuordnen, zu begleiten. Das verlangt Wissen, Kommunikation, Haltung. Und genau diese drei Komponenten sind es, die in der gegenwärtigen Systemdebatte nicht ausreichend geschützt werden. Die Apotheke der Zukunft ist kein Terminal. Sie ist kein Lager. Sie ist kein digitales Interface. Sie ist eine integrative Organisationseinheit, die juristisch sicher, kommunikativ verlässlich und menschlich berührbar sein muss. In dieser Funktion ist sie nicht nur nützlich – sie ist notwendig. Der Kommentar endet nicht mit einer Forderung, sondern mit einer Beschreibung: Wer die aktuellen Apotheken-Nachrichten richtig liest, erkennt, dass es nicht um Einzelmaßnahmen geht. Es geht um das Ganze. Und das Ganze braucht Apotheken, die sich nicht verwalten lassen – sondern sich selbst führen.

Was all diese Entwicklungen verbindet – von juristisch überfrachteten Arbeitszeitfragen über strategische Außendienstimpulse bis hin zu internationalem Substitutionsrecht – ist ein tiefer Wandel in der Selbstwahrnehmung von Apotheken. Sie sind längst keine Dienstleister zweiter Ordnung mehr, sondern Mittelpunkte eines Systems, das zwischen Regulierung und Verantwortung balanciert. Doch diese Rolle muss eingenommen werden – sie wird nicht verliehen. Es reicht nicht, fachlich kompetent zu sein. Entscheidend ist die Fähigkeit, diese Kompetenz in politische, betriebliche und soziale Wirkung zu überführen. Wer das Teilzeitgespräch nur formal führt, verschenkt Vertrauen. Wer dem Außendienst nur zuhört, verliert Kontrolle. Wer KI nutzt, aber nicht erklärt, verspielt Beziehung. Wer Substitution fordert, aber nicht vorbereitet, riskiert Irritation. Und wer Leitlinien kennt, aber nicht vermittelt, unterbricht Versorgung.

Die Zukunft der Apotheken entscheidet sich nicht im Gesetzbuch, sondern in der Haltung ihrer Leitung. Die Apothekenleitung von morgen ist nicht Verwalterin – sie ist Interpretin eines komplexen Systems, das nur dann funktioniert, wenn es auch menschlich trägt. Jede Entscheidung ist Teil einer Kette – aber ob sie Verbindung oder Belastung wird, liegt an der Führung. Und genau darin liegt der Wendepunkt: Führung heißt nicht, alles zu wissen – sondern die Bereitschaft, Verantwortung auszuhalten. Wer das begreift, erkennt in den heutigen Herausforderungen keinen Ausnahmezustand, sondern das neue Normal. Und in diesem Normal sind Apotheken keine Reaktionseinheit – sondern ein kulturelles Rückgrat.

 

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

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