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  • 25.07.2025 – Pflicht ohne Schutz, Digitalisierung ohne Rückhalt, Apotheken unter strukturellem Vorbehalt
    25.07.2025 – Pflicht ohne Schutz, Digitalisierung ohne Rückhalt, Apotheken unter strukturellem Vorbehalt
    APOTHEKE | Systemblick |  Der Kommentar beleuchtet die schleichende Destabilisierung der Arzneimittelversorgung durch Vorfinanzierungspflicht, technische Ausfälle beim E-...

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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:

ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Pflicht ohne Schutz, Digitalisierung ohne Rückhalt, Apotheken unter strukturellem Vorbehalt

 

Ausgabe Nr. 23 | Apotheken-Nachrichten | Liquiditätsdruck, Vorfinanzierungszwang, Systeminstabilität, Plattformpolitik, E-Rezept-Risiko, Verantwortungslücke, Versorgungsethik, Strukturverfehlung

Apotheken-News: Kommentar von heute

Kommentar von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-Nachrichten über wirtschaftlichen Strukturverlust, digitalen Vertrauensbruch und politischen Rückzug aus der Verantwortung für flächendeckende Versorgung

Manchmal sind es nicht die großen politischen Schlagzeilen, die ein Versorgungssystem aus dem Gleichgewicht bringen – sondern die kleinen, strukturell übersehenen, aber täglich wirksamen Brüche. So auch im Fall der deutschen Apotheken, die sich zunehmend mit einer paradoxen wirtschaftlichen Realität konfrontiert sehen: Sie sind gesetzlich verpflichtet, hochpreisige Medikamente sofort abzugeben – doch finanziell allein gelassen, wenn es um deren Erstattung geht. Was zunächst wie eine technische Zwischenfinanzierung erscheint, hat sich längst zu einem systemischen Strukturfehler ausgewachsen. Ein Fehler, der nicht nur das betriebliche Risiko einzelner Apotheken erhöht, sondern das Vertrauen in die Balance von Verpflichtung und Absicherung grundlegend erschüttert.

Denn was bedeutet es konkret, wenn eine Apotheke ein Arzneimittel für über 10.000 Euro beschafft, auf Lager hält und an gesetzlich Versicherte abgibt – ohne dafür in den nächsten drei, vier oder fünf Wochen eine Gutschrift zu erhalten? Es bedeutet, dass liquide Mittel, die eigentlich für Personal, Steuerzahlungen oder Betriebsausgaben gedacht sind, blockiert werden. Es bedeutet, dass wirtschaftliche Stabilität zur Glückssache wird. Und es bedeutet vor allem, dass das System auf einer stillschweigenden Selbstverständlichkeit aufbaut: Apotheken werden das schon irgendwie schultern. Nur – was, wenn nicht?

Der Vorfinanzierungszwang ist dabei kein punktuelles Problem, sondern Ausdruck einer politischen Blindstelle. Gesundheitspolitik verlangt seit Jahren mehr von Apotheken – mehr Dienstleistungen, mehr Verantwortung, mehr Digitalisierung –, bleibt ihnen aber eine strukturelle Gegenleistung schuldig. Wer eine Pflicht zur Leistung festschreibt, muss auch eine Pflicht zur Liquiditätssicherung anerkennen. Das geschieht bis heute nicht. Stattdessen werden bürokratische Verfahren wie Rabattverträge, Retaxation oder nicht funktionierende E-Rezept-Prozesse als Nebengeräusche behandelt – obwohl sie in Wahrheit das Fundament der Betriebsfähigkeit beschädigen.

Gerade die Digitalisierung bringt hier nicht etwa Entlastung, sondern zusätzlichen Stress. Das E-Rezept, das einst als Entbürokratisierung gefeiert wurde, entpuppt sich in der Praxis vielerorts als instabile Infrastruktur. Serverausfälle, Schnittstellenfehler, Konnektorprobleme – das sind keine Einzelfälle, sondern Alltag. Und wenn dann noch ein E-Rezept nicht ausgelesen werden kann, obwohl das Medikament bereits abgegeben wurde, steht nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden im Raum, sondern auch die Retaxation – also die Weigerung der Krankenkasse, die Leistung zu bezahlen. So entstehen aus digitalen Lücken reale Lücken im Kassenbestand. Und jede dieser Lücken bringt Betriebe näher an die Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit.

Besonders brisant ist dabei, dass der wirtschaftliche Druck der Apotheken mit einem Vertrauensverlust einhergeht, den sie selbst nicht verursacht haben. Patientinnen und Patienten, die keine Medikamente erhalten, weil ein System nicht funktioniert, wenden sich ab – nicht vom System, sondern von der konkreten Apotheke. Wer als Kunde beim E-Rezept erlebt, dass „es hier wieder nicht klappt“, stellt keine Systemfrage, sondern eine Vertrauensfrage. Diese psychologische Realität verschärft die ohnehin belastete Situation: Der wirtschaftliche Druck trifft auf eine soziale Entwertung. Und das ausgerechnet in einem Berufsfeld, das auf Beziehung, Vertrauen und Stabilität angewiesen ist.

Gleichzeitig wird diese Instabilität durch das Verhalten von Versandapotheken weiter zugespitzt. Anbieter wie DocMorris oder Shop-Apotheke locken mit Gutscheinen, Rabatten, Aktionscodes – alles Instrumente, die Vor-Ort-Apotheken aus gutem Grund nicht einsetzen dürfen. Das Prinzip dahinter ist klar: Schutz des Arzneimittelpreises, Verhinderung von Fehlanreizen, Wahrung der Gleichbehandlung. Doch wenn Plattformen sich diesen Regeln entziehen dürfen, entsteht keine moderne Marktlogik – sondern ein doppeltes System. Und dieses Doppelsystem zerstört langfristig die Glaubwürdigkeit der gesamten Arzneimittelversorgung.

Dass diese strukturelle Schieflage nicht als akuter Krisenfall, sondern als „gegeben“ betrachtet wird, sagt viel über die politische Bewertung der Apotheken aus. Sie gelten als robust, als widerstandsfähig, als betriebswirtschaftlich diszipliniert. Doch diese Zuschreibungen sind trügerisch. Denn was wie Standfestigkeit wirkt, ist in Wahrheit oft bloße Selbstausbeutung. Inhaberinnen und Inhaber gehen in Vorkasse, verschieben Investitionen, verzichten auf Gehalt, schöpfen Privatvermögen ab – und das nicht aus betrieblicher Unvernunft, sondern weil sie ihre Verantwortung gegenüber den Patientinnen und Patienten ernst nehmen. Doch Verantwortung ohne Systemrückhalt wird irgendwann zur Falle. Niemand kann dauerhaft auf Vertrauen bauen, wenn die Struktur Misstrauen säht.

Das zeigt sich auch bei der Frage, wie Apotheken auf Risiken reagieren dürfen. Retaxationen, technische Fehler oder Preisunsicherheiten lassen sich zwar theoretisch absichern – etwa durch Versicherungen oder Liquiditätsplaner –, doch genau diese Mittel sind in der Praxis oft nicht nutzbar. Entweder, weil sie zu teuer sind, oder weil sie zu spät greifen, oder weil sie in der Ausbildung gar nicht vorkommen. Es ist ein absurdes Paradoxon: Apotheken, die gesetzlich zur Abgabe eines teuren Medikaments verpflichtet sind, dürfen selbst entscheiden, ob sie sich gegen die Risiken absichern – und werden gleichzeitig dafür haftbar gemacht, wenn sie es nicht können. Dieses Haftungskonstrukt ist wirtschaftlich dysfunktional und ethisch fragwürdig.

Noch eklatanter wird der Widerspruch, wenn man betrachtet, wie wenig betriebswirtschaftliche Kompetenz politisch eingefordert oder unterstützt wird. Während pharmazeutische Fortbildungen verpflichtend sind, bleibt die ökonomische Seite freiwillig – obwohl sie über das Überleben des Betriebs entscheidet. Keine andere systemrelevante Berufsgruppe wird so allein gelassen bei der Steuerung ihrer eigenen Stabilität. Apotheken sind gesetzlich geregelt, inhaltlich kontrolliert, preislich fixiert – aber betriebswirtschaftlich dem Zufall überlassen. Dieser Widerspruch gehört dringend aufgelöst, wenn Versorgung auch morgen noch flächendeckend gewährleistet sein soll.

Denn der Verlust einer Apotheke ist kein betrieblicher Betriebsunfall – er ist eine Versorgungslücke. Und diese Lücke lässt sich nicht durch Digitalisierung oder Logistik auffangen. Versandmodelle ersetzen keine Beratung, keine Präsenz, keine Adhärenzförderung. Im Gegenteil: Sie erzeugen Entfremdung. Wer Arzneimittel nur noch als Produkt wahrnimmt, verliert das Bewusstsein für Wirkung, Nebenwirkung, Wechselwirkung. Der Rückzug der Apotheke aus der Fläche ist daher nicht nur ein wirtschaftlicher Prozess – er ist ein kultureller Verlust.

Deshalb braucht es jetzt keine weiteren Modellprojekte, sondern klare Entscheidungen. Die Liquiditätsfrage muss aus dem Schatten des Betriebsdetails geholt und als Systemfrage verstanden werden. Es braucht eine finanzielle Struktur, die nicht auf Selbstvorleistung beruht, sondern auf planbarer, gesicherter Erstattung. Es braucht eine digitale Infrastruktur, die nicht auf technologischem Enthusiasmus basiert, sondern auf Ausfallsicherheit und Haftungsklarheit. Und es braucht eine politische Haltung, die Apotheken nicht als Erfüllungsgehilfen betrachtet, sondern als gestaltende Versorger.

Die Debatte um die Zukunft der Apotheken wird oft technisch oder wirtschaftlich geführt – doch in Wahrheit ist sie zutiefst ethisch. Es geht um die Frage, ob man den Menschen, die Versorgung tragen, die Mittel gibt, sie auch leisten zu können. Wer diese Frage ausweicht, nimmt Versorgungsausfall billigend in Kauf. Und wer sich nur auf Digitalisierung verlässt, ohne ökonomische Realität mitzudenken, betreibt Systemrhetorik – aber keine Systempflege.

Wenn Leistung Pflicht ist, muss Schutz Standard sein. Apotheken können Versorgung nur sichern, wenn Politik endlich anerkennt, dass Verantwortung nicht nur delegiert, sondern auch getragen werden muss – strukturell, finanziell, digital.

 

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

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