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APOTHEKE | Systemblick |
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-Nachrichten: Finanzielle Fehlkonstruktionen, digitale Fehlsteuerung und versorgungspolitische Leerstelle im Schatten institutioneller Delegationslogik
Was als Flexibilität verkauft wurde, entwickelt sich zum Haftungsrisiko: Apotheker, die in den Jahren vor dem Zinsanstieg auf Darlehen mit variablem Zinssatz und sogenanntem Zins-Cap gesetzt haben, sehen sich heute mit teils ruinösen Mehrkosten konfrontiert. Besonders brisant: Der Cap – also die Obergrenze des Zinssatzes – wurde oft so hoch angesetzt, dass er praktisch keine Schutzwirkung entfaltete. Finanzberater wie Matthias Krenek sprechen von Schadenssummen im sechsstelligen Bereich pro Betrieb, von systematischer Fehlberatung und einer Kreditkonstruktion, die Apothekern suggerierte, man habe das Risiko unter Kontrolle, während in Wahrheit nur eine Scheinsicherheit vertraglich dokumentiert wurde. Die dramatisch steigenden Zinsen der vergangenen Jahre entlarven diese Konstruktionen als trügerisch. Besonders betroffen sind Apotheken, die Investitionen in Immobilien, Modernisierung oder Filialerweiterung mit solchen Darlehen finanzierten. Juristisch stellt sich nun die Frage: Gab es eine pflichtwidrige Aufklärung, wurden Risiken verharmlost, oder war die Zinspolitik schlicht nicht mehr beherrschbar? Der Schaden ist real, der Nachweis schwierig – und die wirtschaftlichen Folgen für viele Apotheken existenzbedrohend. In einer Branche, in der Finanzreserven ohnehin dünn geworden sind, kann ein fehlerhafter Zinsvertrag das Überleben gefährden. Die Systemfrage dahinter: Wer schützt die Apotheke vor Beratungsversagen?
Ein Sonntagnachmittag, zwei Apotheken mit Notdienst – keine vier Kilometer voneinander entfernt. Was für Patienten zunächst wie ein Serviceplus klingt, offenbart sich bei genauerer Betrachtung als algorithmische Fehlsteuerung. Denn während diese beiden Betriebe geöffnet hatten, war der nächste Notdienstpunkt 15 Kilometer weiter in der Fläche – ohne Busverbindung, ohne Infrastruktur. In Baden-Württemberg, wo die Apothekerkammer testweise auf KI-basierte Zuteilung setzt, ist der Vorfall kein Einzelfall. Ziel ist die langfristig gerechte Verteilung der Dienstlast. Doch wer den Raum nicht kennt, kennt auch seine Anforderungen nicht. Die Steuerung durch Künstliche Intelligenz ersetzt lokale Kenntnisse durch datenlogische Optimierung – ein Prinzip, das die Realität übergeht. Die Apotheke wird nicht mehr als soziales Zentrum betrachtet, sondern als Versorgungsmodul in einem Netz aus Gleichverteilungen. Doch gleich ist nicht gerecht, wenn regionale Topografie, Erreichbarkeit und Patientenströme ignoriert werden. Das Vertrauen in die Versorgung leidet – nicht nur bei den Patienten, sondern auch im Berufsstand, der Entscheidungen nachvollziehen können muss. Steuerung ohne Erfahrung bleibt digitaler Dogmatismus.
Eigentlich sollte die elektronische Patientenakte (ePA) bereits seit April bundesweit verfügbar sein. Freiwillig, als Testlauf. Im Oktober soll der verpflichtende Rollout beginnen. Doch die Realität sieht anders aus. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnt: Viele Arztpraxen haben die erforderliche Software gar nicht erhalten. Ohne Technik kein Test, ohne Test keine Integration, ohne Integration kein verlässlicher Start. Für Apotheken, die zunehmend in vernetzte Versorgungslogik eingebunden werden sollen, ist das fatal. Denn ohne funktionierende Schnittstellen zwischen Arztpraxis, eRezept-System, Medikationsplan und ePA bleibt die Digitalisierung ein Versprechen – kein Werkzeug. Das Paradox: Die Digitalisierung wird top-down verordnet, aber bottom-up nicht ermöglicht. Die Infrastruktur fehlt, die Zeit drängt, die Geduld schwindet. Und das Vertrauen? Es wird durch jeden gescheiterten Start ein Stück weiter untergraben. Digitalisierung kann nur funktionieren, wenn sie auf funktionaler Realität basiert – nicht auf politischen Zeitplänen.
Der GKV-Spitzenverband fordert: Psychotherapeutinnen und -therapeuten sollen gesetzlich verpflichtet werden, freie Behandlungskapazitäten zu melden. Der Hintergrund ist nachvollziehbar – lange Wartezeiten, strukturelle Unterversorgung, wachsender Bedarf. Doch der Vorschlag ist brisant: Er greift tief in die Berufsausübung ein, erzeugt Meldepflichten, kontrolliert über administrative Strukturen. Ob das zielführend ist, bleibt offen. Für Apotheken ergibt sich daraus eine indirekte Betroffenheit: Als niedrigschwellige Anlaufstelle für seelisch belastete Menschen werden sie zunehmend zur Brücke zwischen Problemerkennung und Versorgung – ohne dafür vorgesehen zu sein. Patienten berichten über depressive Symptome, Angstzustände, Medikamentenfragen – und landen im Vertrauensraum Apotheke. Doch dieser Raum hat kein Mandat, keine Systemeinbindung, keine rechtliche Flankierung. Apotheken leisten psychische Ersthilfe ohne Struktur. Der GKV-Vorstoß blendet genau diesen Raum aus – und verkennt damit eine Chance zur echten sektorenübergreifenden Versorgung.
Mit Zongertinib und Nerandomilast bereitet Boehringer Ingelheim zwei neue Medikamente für den Marktstart in den USA vor – eines gegen Lungenkrebs, eines gegen Lungenfibrose. Parallel laufen Zulassungsverfahren in Japan, China und der EU. Auffällig ist die globale Orchestrierung: Während in Europa häufig fragmentiert und national reguliert wird, setzen internationale Konzerne auf übergreifende Verfahren. Für Apotheken heißt das: Sie müssen sich früher und intensiver mit neuen Substanzen auseinandersetzen, mit Nebenwirkungen, Indikationen und Interaktionen. Lungenfibrose etwa ist ein schwer behandelbares Krankheitsbild mit hohem Beratungsbedarf. Die pharmazeutische Beratung wird anspruchsvoller, evidenzbasierter – und systemisch relevanter. Der Innovationsdruck auf den pharmazeutischen Berufsstand wächst. Und mit ihm die Verantwortung.
2,6 Millionen Euro Schaden. Der Vorwurf: systematisch organisierter Handel mit Paxlovid, dem antiviralen COVID-19-Medikament. Die mutmaßlichen Täter: Apotheker. Der Ort: Bayern. Die Ermittlungen laufen. Doch unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ist der Schaden bereits da – im Vertrauen, in der Wahrnehmung, in der Glaubwürdigkeit. Apotheken stehen für Integrität. Wenn einzelne diese Verantwortung pervertieren, wird der ganze Berufsstand in Sippenhaft genommen. Und das in einer Zeit, in der Apotheken ohnehin unter Druck stehen – wirtschaftlich, strukturell, kommunikativ. Die Paxlovid-Affäre ist kein Einzelfall – sie ist ein Alarmsignal. Sie zeigt, wie schnell ethische Orientierung verloren gehen kann, wenn Kontrolle, Transparenz und innerberufliche Haltung fehlen.
Der Medizinalcannabis-Markt ist jung, dynamisch – und juristisch hochumkämpft. DrAnsay, selbst Anbieter im Segment, klagt gegen die Grünhorn-Gruppe. Der Vorwurf: verbotene Werbung für verschreibungspflichtige Cannabisprodukte. Das Landgericht Leipzig gab DrAnsay in Teilen recht. Doch auch DrAnsay selbst steht unter Beobachtung – wegen ähnlicher Vorwürfe. Die Branche driftet in ein Schattenfeld zwischen Versorgung, Marktinteressen und juristischen Feinlinien. Für Apotheken, die die Produkte letztlich abgeben und beraten sollen, ist das ein Graubereich mit Risiken. Sie geraten zwischen Vermarktung, Verschreibung und Verantwortung. Es fehlt an klarer Regulierung, an juristischer Orientierung, an professioneller Distanz. Wenn die Apotheke Teil eines Werbesystems wird, gerät ihre Glaubwürdigkeit in Gefahr.
Eine neue Metaanalyse zeigt: Pro-, Prä- und Synbiotika können depressive Symptome lindern – zumindest bei bestimmten Patientengruppen. Die sogenannte Darm-Hirn-Achse rückt damit in den Fokus. Für Apotheken ist das Thema hochrelevant: Mikrobiompräparate boomen, die wissenschaftliche Grundlage wächst, die Beratungsnachfrage steigt. Doch zugleich droht eine neue Form der Überversprechung – pseudowissenschaftlich verpackt. Was fehlt, ist eine fundierte Schulung, eine evidenzbasierte Kommunikation, ein klarer Rahmen zwischen Nahrungsergänzung, medizinischer Wirkung und Placeboeffekt. Wer hier glaubwürdig bleiben will, muss sich zwischen Kommerz und Wissenschaft verorten. Die Darm-Hirn-Achse ist kein Hype – sondern ein Feld, das Kompetenz verlangt.
Permanent Make-up, Wimpernextensions, Lidveränderungen – was als Lifestyle-Entscheidung beginnt, endet nicht selten in der Apotheke. Entzündungen, Reizungen, Allergien sind an der Tagesordnung. Doch das Problem ist größer: Die Zahl der kosmetischen Eingriffe steigt, die Regulierung hinkt hinterher, die medizinische Aufklärung ist mangelhaft. Apotheken stehen an der Frontlinie. Sie beraten, verkaufen, versorgen – ohne strukturelle Einbindung. Kosmetik wird zur medizinischen Aufgabe. Was fehlt, ist die politische und systemische Anerkennung dieser Realität.
Wer vormittags eine psychologische Prüfung ablegt, schneidet besser ab – das zeigt eine neue italienische Studie. Klingt banal, hat aber Konsequenzen: für Schulungen, Beratungsgespräche, Eignungstests und Arbeitsorganisation. Apotheken arbeiten im Takt – aber dieser Takt ist oft fremdbestimmt. Wer Beratung optimieren will, muss wissen, wann die kognitive Leistungsfähigkeit am höchsten ist. Leistung ist nicht nur eine Frage des Wissens – sondern auch des Moments.
Zehn Themen, ein Muster: Apotheken sind das Rückgrat eines Systems, das sie strukturell vernachlässigt. Ob bei der Finanzierung, der Digitalisierung, der psychischen Versorgung oder der rechtlichen Grauzone – immer wieder zeigt sich dieselbe Asymmetrie: Verantwortung ja, Gestaltung nein. Sie stehen für Vertrauen, übernehmen Aufgaben, die ihnen niemand zuspricht, korrigieren Systemfehler, die sie nicht verursacht haben – und geraten doch ins Visier, wenn etwas schiefläuft. Diese Langform erzählt keine Einzelgeschichten – sie verdichtet den strukturellen Zustand eines Berufsstands. Und fordert: Wer Versorgung ernst nimmt, muss die Apotheke als Systemakteur anerkennen. Nicht irgendwann. Jetzt.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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