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  • 24.07.2025 – Verantwortung trifft Unwissen, Kontrolle trifft Realität, Haftung trifft Routine
    24.07.2025 – Verantwortung trifft Unwissen, Kontrolle trifft Realität, Haftung trifft Routine
    APOTHEKE | Leitartikel | Wenn Apotheken allein haften, Versicherungen nicht greifen und das System keine Sicherheit gibt, wird jede Rezeptprüfung zum Risiko. Der Leitartik...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Leitartikel |

Verantwortung trifft Unwissen, Kontrolle trifft Realität, Haftung trifft Routine

 

Ausgabe Nr. 20 | Rezeptfälschung, Systemrisiko, Prüfpflichtschutz
Leitartikel von heute

Leitartikel von heute

Leitartikel von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-News über systemische Rezeptfälschungen, fehlenden Versicherungsschutz und die gefährliche Entgrenzung der Prüfverantwortung in Apotheken.

Rezeptfälschungen sind längst nicht mehr das, was sie einst waren: plumpe Kopierversuche, handschriftlich manipulierte Rezeptzeilen, nachträglich ergänzte Mengenangaben oder unleserlich überstempelte Gültigkeitsdaten. Heute sind sie präzise, professionell, digital durchdacht – und in vielen Fällen so gut angepasst, dass selbst geschulte Apothekenteams sie auf den ersten Blick kaum als solche erkennen können. Doch während sich die Qualität der Fälschungen weiterentwickelt hat, ist das regulatorische Umfeld für Apotheken auf einem Stand stehen geblieben, der die Verantwortung nach unten durchreicht, ohne die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen.

Was als Ausnahme beginnt, wird zur Regelbelastung: Fälschungen von GLP-1-Präparaten wie Ozempic oder Mounjaro sind inzwischen keine vereinzelten Vorfälle mehr, sondern Teil eines gezielten Musters. Fernverordnungen, QR-Code-Manipulationen, synthetische Patientendaten und formal korrekte Ausdrucke aus Rezeptportalen erzeugen eine Wirklichkeit, in der die Apotheke als letzte Instanz entscheiden muss – über die Abgabe, über das Risiko, über mögliche strafrechtliche und wirtschaftliche Folgen. Die Politik fordert Prüfpflicht. Die Kassen fordern Rückforderung. Die Rechtsprechung fordert Sorgfalt. Und alle zusammen erwarten, dass Apotheken ohne Systemschutz, ohne technische Rückversicherung und ohne spezialisierten Versicherungsschutz fehlerfrei agieren.

Dabei liegt die Absurdität in der Asymmetrie der Verantwortung. Die digitalen Plattformen, die Fernrezepte vermitteln, unterliegen keiner strukturierten Qualitätssicherung durch die Kassenseite. Arztpraxen, die wegen Überlastung nicht erreichbar sind, können nicht zur Rückbestätigung herangezogen werden. Die E-Rezept-Systeme liefern zwar Identifikationsmerkmale – aber keine verlässliche Plausibilitätsprüfung im klinischen Sinne. Und genau dort, wo alle Kontrollmechanismen vorher versagen, beginnt die Pflicht der Apotheke: prüfen, entscheiden, haften.

Das hat Konsequenzen, die längst nicht mehr nur technischer Natur sind. Viele Apotheken – insbesondere in städtischen Ballungsräumen, wo Rezeptfälschungen mit überregionalem Hintergrund häufiger auftreten – berichten von einem neuen Grundmodus: Misstrauen statt Versorgung, Rückfrage statt Rezeptannahme, Angst vor der Abgabe statt pharmazeutischer Beratung. Apothekenteams verlieren das Vertrauen in den Standardprozess. Nicht, weil sie misstrauisch geworden sind. Sondern weil sie gelernt haben, dass ein einziger Fehler – ein Rezept zu viel eingelöst, eine Verordnung ohne Rücksprache akzeptiert, ein QR-Code nicht doppelt überprüft – ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen kann.

Versicherungsrechtlich ist das Problem eklatant: Standardisierte Betriebshaftpflichtpolicen decken in der Regel weder Rezeptfälschungsschäden noch vermögenswirksame Rückforderungen durch Kassen ab. Wer als Apothekenbetreiber oder -leiter keine spezifische Retax-Versicherung mit inkludiertem Vermögensschadenbaustein abgeschlossen hat, bleibt im Schadensfall ungeschützt – unabhängig davon, ob die Fälschung nach menschlichem Ermessen überhaupt erkennbar war. Besonders prekär ist das bei Hochpreispräparaten, bei BtM-Rezepten, bei Papierrezepten mit handschriftlicher Ergänzung und bei Privatrezepten ohne Kassensicherungslogik. Die wirtschaftlichen Schäden gehen schnell in den fünfstelligen Bereich – insbesondere dann, wenn Arzneimittel nach Abgabe nicht mehr rückholbar sind.

Hinzu kommt die juristische Unsicherheit: Die Definition der „zumutbaren Prüfung“ bleibt vage. § 17 ApBetrO spricht von „gültigen und zulässigen Verordnungen“, macht aber keine klaren Vorgaben zur Prüfung digitaler Elemente, zur Differenzierung zwischen technischer und inhaltlicher Plausibilität oder zum Umgang mit nicht erreichbaren Verordnern. Es fehlen bundeseinheitliche Handlungsanleitungen, es fehlen digitale Verifikationsschnittstellen für Apotheken – und es fehlt ein strukturell abgesicherter Mechanismus, der den Apotheker im Zweifel entlastet, statt ihn zu kriminalisieren.

Genau hier beginnt die politische Verantwortung – und sie wurde bislang nicht wahrgenommen. Weder das Bundesministerium für Gesundheit noch die gesetzlichen Krankenkassenverbände noch die Standesvertretungen haben verbindliche Prüfprotokolle etabliert, auf die sich Apotheken rechtssicher berufen könnten. Stattdessen regiert die Einzelfallauslegung: Was in Baden-Württemberg zur Retax führt, wird in Niedersachsen als tragischer Ausnahmefall gewertet. Was in München zur Staatsanwaltschaft geht, wird in Kiel von der Krankenkasse ersetzt. Diese Intransparenz ist Gift für jedes Apothekenteam – sie verhindert Planungssicherheit, erzeugt Rechtsunsicherheit und fördert Rückzug statt Verantwortung.

Umso dringlicher ist der politische Korrekturschritt: Apotheken brauchen nicht mehr Sensibilisierung, sondern Strukturschutz. Sie brauchen ein einheitlich verbindliches Prüfprotokoll – integriert in die Abgabeprozesse, abgestimmt mit der KBV, der Gematik, den Kammern und dem Bundesgesundheitsministerium. Sie brauchen Zugang zu validen digitalen Prüfschnittstellen, um QR-Codes, Rezept-IDs und Verordnungsdaten strukturell zu verifizieren – ohne selbst zu programmieren, ohne auf Drittlösungen ausweichen zu müssen. Und sie brauchen endlich eine verpflichtende Absicherung gegen Retaxationen, die nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen, sondern auf struktureller Täuschung. Ob durch eine gesetzliche Pflichtversicherung, durch eine Rückdeckung des Versorgungsauftrags oder durch eine Förderung branchenspezifischer Policen: Die Lösung darf nicht länger vom Zufall der eigenen Absicherung abhängen.

Denn das eigentliche Risiko ist nicht die Fälschung selbst – sondern das System, das Apotheken allein lässt. Es ist die Gleichzeitigkeit von Pflicht und Ohnmacht, von Kontrolle und Unklarheit, von Haftung und Hilflosigkeit. Und diese Gleichzeitigkeit ist unvereinbar mit dem, was Versorgung leisten soll. Wer vom Apothekenteam verlangt, am HV-Tisch in Sekunden über die juristische Tragfähigkeit eines QR-Codes zu entscheiden, verlangt nicht Prüfung – sondern Hochrisiko.

Was sich daraus ergibt, ist eine Eskalation auf leisen Sohlen. Apotheken ändern ihr Verhalten. Neue Kunden werden skeptisch beäugt. Unbekannte Verordnungen lösen Rückrufe aus. Fernrezepte werden pauschal abgelehnt. Nicht aus bösem Willen – sondern weil niemand eine Struktur vorgibt, in der Sicherheit vor Strafandrohung geht. Der Gesetzgeber hat hier eine Schutzlücke geschaffen, die nicht durch Sensibilität, sondern nur durch Struktur gelöst werden kann.

Solange Apotheken ohne rechtlich abgesichertes Prüfprotokoll, ohne Zugriff auf digitale Verifikationssysteme und ohne Versicherungsschutz gegen Rezeptbetrug arbeiten müssen, bleibt jede Rezeptannahme eine Gefahrenlage. Wer Versorgung verlangt, muss Verantwortung mittragen – strukturell, juristisch und wirtschaftlich.

SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de

Wer glaubt, Vertrauen sei eine Ressource, die man einfach abrufen kann, hat nie erlebt, was Rufverlust wirklich bedeutet. Vertrauen entsteht nicht durch Positionen, sondern durch Haltung. Und wo Haltung systematisch beschädigt wird, braucht es Schutz – und eine Stimme, die nicht schweigt, wenn andere verstummen.

 

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