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APOTHEKE | Systemblick |
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-Nachrichten: Gerichtliche Relativierung, digitale Überforderung und versorgungsstrategische Brüche im Schatten politischer Steuerungsversäumnisse
Wenn sich juristische Instanzen der Versorgungspflicht entziehen, politische Zurückhaltung Boni-Strategien salonfähig macht und die Gesellschaft sich schleichend an das Bild der automatisierten Arzneimittelabwicklung gewöhnt, ohne zu bemerken, was dabei verloren geht, dann wird nicht nur eine Branche, sondern ein System neu kalibriert – und zwar nicht durch Reform, sondern durch Aushöhlung. Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Preisbindung rezeptpflichtiger Arzneimittel wirkt in diesem Kontext nicht wie ein letztes Wort, sondern wie ein Zwischenruf, der mehr Fragen hinterlässt als beantwortet. Dass ausgerechnet das Argument der flächendeckenden Versorgung – das jahrzehntelang als Rückgrat des Apothekenrechts galt – nun von Karlsruhe mit dem Hinweis auf unzureichende Datengrundlage relativiert wird, ist nicht nur juristisch heikel, sondern politisch verheerend.
DocMorris ließ sich nicht lange bitten. Mit einer neuen Bonusaktion, angekündigt unmittelbar nach dem Urteil, wird klar: Hier wird nicht Recht nachvollzogen, sondern Gelegenheit genutzt. Bis zu 15 Euro Rezept-Bonus, als ob Versorgung ein Gutscheinprodukt wäre. Die Apothekerkammer Nordrhein reagiert zurecht mit einer Abmahnung. Doch was passiert eigentlich, wenn die juristische Kulisse die wirtschaftliche Realität nicht mehr schützt? Wenn Gerichte keine Schutzräume mehr erkennen und Plattformen ihre Hebel ungebremst ausfahren? Dann wird aus Recht Spielraum – und aus Versorgung ein Rabattmodell.
Inmitten dieser tektonischen Verschiebung entsteht ein bemerkenswertes Gegenbild: Franziska Scharpf, mit 41 Jahren zur Präsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer gewählt, formuliert eine klare Botschaft: „Wir sind keine Verkäufer, sondern Verbraucherschützer.“ Dieses Statement ist keine PR-Floskel, sondern eine systempolitische Positionsbestimmung. Es signalisiert, dass ein Berufsstand sich nicht dem Markt ergibt, sondern sich auf seinen Auftrag beruft. Die Führung ändert sich, die Haltung bleibt – und das ist gut so.
Gleichzeitig sendet die Forschung neue Impulse: Studien deuten darauf hin, dass GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Tirzepatid nicht nur Gewicht und Blutzucker senken, sondern möglicherweise auch das Risiko für Demenz und Parkinson reduzieren. Was bedeutet das für die Versorgung? Für Apotheken? Für die Beratung? Für das Verständnis komplexer Prävention? Noch sind es Daten, bald wird es Handlungspflicht. Und erneut wird eine Berufsgruppe gebraucht, die mehr ist als Ausgabestelle – sondern Ort der Erklärung, der Kontextualisierung, des Vertrauens.
Dass Vertrauen keine Ressource ist, die sich beliebig strecken lässt, zeigt sich an den Versorgungslücken bei seltenen Erkrankungen. Die neue Leitlinie zur Cystinose ist ein Fortschritt. Aber sie bedeutet auch: Apotheken werden mit Spezialfällen konfrontiert, die sie strukturell nicht auffangen können, wenn gleichzeitig Personal fehlt, Honorare stagnieren und Lieferketten reißen. Versorgung ist mehr als Normtext – sie ist Handlung unter Bedingungen. Wer Leitlinien schreibt, muss auch Strukturen sichern.
Apropos Struktur: Mit der Aufnahme des RSV-Impfstoffs mRESVIA in die GKV-Regelversorgung für ältere Erwachsene wird erneut sichtbar, wie zentral die Rolle der Apotheken in der Prävention sein könnte – wenn man sie denn strukturell absichert. Doch statt verlässlicher Vergütung oder stabiler Beratungsinfrastruktur erleben viele Apotheken eine Zunahme an Verantwortung bei gleichzeitiger Abnahme an Rückhalt. Das ist nicht gesund – weder für die Apotheke noch für das System.
Und es geht weiter: Neue Sicherheitsdaten zu Sumatriptan fordern ein, dass stillende Mütter nach Einnahme zwölf Stunden nicht stillen sollen. Die Fachinformation muss angepasst werden, die Beratung ebenso. Eine solche Änderung wirkt klein – ist aber gewaltig in einem Apothekenalltag, der zwischen Kundenandrang, Rezeptfehlern, Systemstörungen und Rechtsunsicherheiten kaum noch Atempausen lässt.
Noch gravierender: Mit der „Lex Lilly“, also dem ersten realen Einsatz geheimer Erstattungsbeträge durch Eli Lilly, wird die Transparenz im GKV-System unterlaufen. Dass ausgerechnet das Unternehmen, das mit Mounjaro bereits medial präsent war, nun zum Pionier dieses Schattenprinzips wird, ist kein Zufall. Es ist Systempolitik durch Gesetzesinstrument – zum Nachteil derjenigen, die Versorgung garantieren müssen, ohne zu wissen, was sie kosten darf.
Und über allem schwebt die Frage: Wie lange hält dieses System das noch aus? Wie lange können Apotheken Lasten tragen, die andere nicht schultern wollen? Wer entscheidet, wann eine Struktur nicht mehr tragfähig ist – die Gerichte? Die Politik? Oder am Ende doch der Markt?
Wenn Nachrichten aus Karlsruhe, Basel, Berlin und Brüssel gleichzeitig auf die Versorgung einschlagen, wenn Forschung, Recht und Wirtschaft sich entkoppeln und die Koordination fehlt, dann braucht es mehr als nur Reaktionen. Dann braucht es Haltung, Strategie, Führung. Und es braucht Apotheken, die sichtbar bleiben – nicht weil sie laut sind, sondern weil sie fehlen würden, wenn sie plötzlich nicht mehr da wären.
Wer Apotheken auf Boni reduziert, verliert die Sprache der Versorgung. Wer Versorgung rechtlich entkoppelt, verliert die Struktur des Vertrauens. Wer Vertrauen ökonomisiert, verliert das System.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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