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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Leitartikel |
Leitartikel von Seyfettin Günder
Live-Reihe zu Führung, Versorgung und Struktur
Ausgabe Nr. 1 | Auftakttext der neuen Serie zu Systemfragen im Apothekenalltag
Sie heißen Kontrollpunkt, SOP, Verantwortlichkeitsmatrix oder Dashboard. Sie heißen auch: „Macht das bitte so wie immer“. Was in Apotheken unter dem Stichwort Prozessmanagement firmiert, hat viele Namen – aber selten System. Denn zwischen den Anforderungen aus Verwaltung, Patientenversorgung, Dokumentation, Risikoabsicherung und wirtschaftlicher Effizienz bleibt oft nur eines auf der Strecke: die Führungsstruktur selbst. Dabei geht es nicht um Bürokratie, sondern um Orientierung. Um Schutz. Und um Verantwortung – gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und einem System, das ohne funktionierende Apotheken schlicht nicht funktioniert.
Wer in einer Apotheke arbeitet, weiß, was gelebte Improvisation bedeutet. Morgens trifft die erste Lieferung verspätet ein, kurz darauf fällt der Rezeptdrucker aus, parallel will eine Kundin eine intensive Beratung zum Thema Diabetes – und im Hintergrund klingelt die Kasse, weil das Selbstbedienungsregal ausgeräumt wurde. Das ist Alltag. Was fehlt, ist oft nicht der Wille, sondern die Struktur. Es fehlt ein System, das diesen Alltag nicht nur „irgendwie“ bewältigt, sondern steuerbar macht – vor allem dann, wenn Routine versagt, Personal ausfällt oder Fehler sich ankündigen.
Gutes Prozessmanagement ist kein Kontrollinstrument, sondern ein Schutzsystem. Es schützt nicht nur vor dem Chaos, sondern auch vor einer viel gefährlicheren Form von Desorganisation: der schleichenden Entkopplung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Denn wenn Apothekenleiterinnen und -leiter täglich mehr Verantwortung tragen, aber immer weniger Zeit haben, diese Verantwortung bewusst auszuüben, entstehen Risse – in der Kommunikation, im Teamgefüge, in der Versorgungssicherheit. Und diese Risse lassen sich nicht mit noch mehr Engagement kitten, sondern nur mit Struktur.
Doch Struktur ist nicht gleich Struktur. Wer Prozesse nur deswegen einführt, weil sie auf dem Papier gut aussehen oder für externe Prüfungen gebraucht werden, schafft keine Entlastung, sondern neue Belastung. Ein Prozess ohne Akzeptanz ist ein Papiertiger. Ein Prozess ohne Rückkopplung ist eine Einbahnstraße. Und ein Prozess ohne menschliches Maß ist kein System, sondern ein Korsett. Deshalb beginnt gutes Prozessmanagement nicht mit Software – sondern mit Haltung. Mit der Haltung, Verantwortung nicht zu delegieren, sondern systematisch zu organisieren. Mit der Haltung, Fürsorge nicht als individuelle Tugend, sondern als betriebliche Strukturaufgabe zu verstehen. Und mit der Haltung, Führung nicht als Feuerwehr, sondern als Architektursprache zu praktizieren.
Das klingt abstrakt – ist aber konkret. Wer etwa die Rezeptkontrolle auf mehrere Personen verteilt, aber keine klare Zuständigkeitslogik hinterlegt, handelt nicht effizienter, sondern gefährlicher. Wer ein digitales Temperaturprotokoll einführt, ohne das Personal zu schulen oder Rückfragen einzuplanen, erzeugt nicht Transparenz, sondern Misstrauen. Und wer Abläufe festlegt, aber nicht regelmäßig prüft, ob sie noch zur Realität passen, erzeugt Prozesse, die niemand mehr befolgt – weil sie ins Leere greifen. Die Folge: Unsicherheit, Rückfragen, Reibungsverluste – oder im Ernstfall Haftungsrisiken.
Der Schlüssel liegt in der gelebten Rückbindung an das Versorgungsgeschehen. Jedes Prozessdesign muss sich daran messen lassen, ob es den Zugang zu Beratung, Arzneimitteln, Informationen und Schutzstrukturen verbessert – nicht nur für Kunden, sondern für das gesamte Team. Prozesse sind dann gut, wenn sie Lasten aus dem Weg räumen, nicht wenn sie sie verschieben. Und sie sind wirksam, wenn sie nicht auf Disziplin, sondern auf Klarheit beruhen. Das bedeutet: Zuständigkeiten sind nachvollziehbar, Übergaben funktionieren auch ohne Zuruf, Dokumentationen sind logisch, nicht redundant, und Eskalationen erfolgen nicht erratisch, sondern nach vorhersehbarem Pfad.
Das bedeutet auch: Gute Prozesse entlasten das Denken, nicht das Mitdenken. Sie schaffen Freiräume, statt sie zu versiegeln. Sie ermöglichen Fokus, ohne Enge. Und sie machen Verantwortung spürbar, aber nicht erdrückend. Denn in einer Apotheke, in der alles über den Tisch der Chefin laufen muss, ist nicht Führung das Problem, sondern fehlendes Vertrauen in Struktur. Und dieses Vertrauen entsteht nicht durch Anweisung, sondern durch Beteiligung. Nur wenn Mitarbeitende die Logik von Abläufen verstehen, akzeptieren sie sie auch. Nur wenn sie erlebt haben, dass ein klarer Prozess Stress verhindert, wird dieser Prozess Teil der Kultur. Und nur wenn Führung bereit ist, Prozesse gemeinsam zu entwickeln, zu justieren und zu leben, wird aus Struktur Stabilität.
Hier liegt auch der größte Irrtum vieler Prozessprojekte: Sie denken vom Tool her. „Wir brauchen eine neue Software“, heißt es dann – und am Ende steht ein neues Interface, aber kein neues Verständnis. Dabei ist die Technik nur so gut wie die Frage, auf die sie antwortet. Wer nicht weiß, was der eigentliche Schmerzpunkt ist – Zeitverlust, Unsicherheit, Fehlerhäufigkeit, Doppelarbeit –, wird ihn nicht mit Digitalisierung lösen, sondern nur modernisieren. Prozessmanagement beginnt also nicht mit Kaufentscheidungen, sondern mit Beobachtung. Wo läuft es regelmäßig schief? Welche Informationen fehlen? Wo hakt die Übergabe? Welche Aufgaben werden doppelt erledigt – oder gar nicht?
Diese Fragen zu stellen, ist keine Schwäche – es ist Stärke. Und es ist Führungsarbeit in Reinform. Denn wer Prozesse hinterfragt, stellt sich nicht gegen die Leistung seiner Mitarbeitenden, sondern schützt sie. Schutz ist in diesem Kontext kein regulatorisches Ziel, sondern ein praktisches. Es geht darum, Stress zu vermeiden, Fehler zu verhindern, Versorgung zu sichern. Und all das ist nur möglich, wenn nicht jeder seine eigene Logik lebt, sondern ein gemeinsamer Rahmen Orientierung bietet.
Apotheken, die diesen Rahmen ernsthaft entwickeln, berichten immer wieder vom gleichen Effekt: Klarheit reduziert Konflikte. Struktur schützt vor Ausfällen. Und Beteiligung steigert nicht nur die Qualität – sie schafft auch eine Kultur des Vertrauens. Vertrauen, das nicht auf blindem Gehorsam basiert, sondern auf gegenseitigem Verständnis. Und Vertrauen, das auch im Außen wirkt – auf Patienten, die spüren, ob eine Apotheke funktioniert. Nicht weil alles perfekt ist, sondern weil nichts dem Zufall überlassen wurde.
Versorgung, das zeigt sich hier sehr deutlich, ist keine Abgabeposition – sie ist das Ergebnis aus System, Haltung und Kommunikation. Wer Versorgung sichern will, muss deshalb Prozesse sichern. Nicht abstrakt, sondern konkret: beim Rezept, bei der Beratung, bei der Rückfrage, beim Umgang mit Lieferproblemen, bei der Übergabe, bei der Fehlermeldung, beim Schichtwechsel, bei der Einarbeitung neuer Mitarbeitender. Überall dort, wo Menschen Verantwortung tragen, brauchen sie Struktur – nicht als Einschränkung, sondern als Rückgrat.
Und noch etwas gehört zur Wahrheit: Prozessmanagement ist auch politisch. Nicht im parteipolitischen Sinn, sondern im Sinne von Systemverantwortung. Eine Apotheke, die Prozesse ernst nimmt, signalisiert dem Gesundheitswesen: Wir übernehmen Verantwortung. Wir warten nicht auf neue Vorgaben, sondern organisieren uns selbst. Wir denken Versorgung von innen – und sichern sie nach außen. Das ist Haltung. Und es ist ein Angebot: an die Politik, an die Kassen, an die Patientinnen und Patienten – und nicht zuletzt an die eigene Berufsgruppe.
Denn wer heute eine Apotheke führt, führt nicht nur ein Unternehmen. Er führt ein Versprechen: auf Versorgung, auf Verlässlichkeit, auf Verantwortung. Und dieses Versprechen braucht Struktur – nicht, weil Regeln alles besser machen, sondern weil ohne Regeln nichts mehr trägt. In einem System, das zunehmend unter Druck steht, wird aus Prozessführung Überlebensarchitektur. Und aus der Haltung „das haben wir immer so gemacht“ wird ein Risiko, das sich keine Apotheke mehr leisten kann.
Was sich dagegen alle leisten können – und sollten –, ist der Mut, Struktur nicht als Zwang, sondern als Chance zu sehen. Eine Chance auf Entlastung. Auf Klarheit. Auf Sicherheit. Und auf Versorgung, die nicht auf Improvisation beruht, sondern auf System.
Leitartikel von Seyfettin Günder. Der Autor schreibt regelmäßig zu Strukturwandel, Verantwortungskultur und Systempolitik im Gesundheitswesen.
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