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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Leitartikel |
Leitartikel von Seyfettin Günder
Live-Reihe zur Verantwortungskultur im Apothekenwesen
Ausgabe Nr. 2 | Die Schweigepflicht der Systeme – Wenn Aufklärungspflicht zur Führungsfrage wird
Es beginnt mit einem Audi S3 Sportback, 92.799 Kilometer, 25.990 Euro, ein paar leuchtende Symbole auf dem Bordcomputer. Was folgt, ist kein Bagatellfall aus dem Gebrauchtwagenhandel, sondern ein Präzedenzfall mit systemischer Wirkung. Das Landgericht Lübeck entscheidet, dass das Verschweigen ungewöhnlicher Reparaturen nicht bloß ein Versäumnis, sondern eine Täuschung darstellt – selbst dann, wenn der Käufer gar nicht danach gefragt hat. Es geht um Transparenz, um Aufklärung, um Vertrauen. Doch der eigentliche Schauplatz dieses Urteils ist nicht das Autohaus, sondern die gesamte Welt der gewerblichen Verantwortung. Und in ihrer Mitte: die Apotheke.
Denn was hier verhandelt wurde, ist nicht nur ein juristischer Fall. Es ist ein strukturelles Prinzip – und dieses Prinzip betrifft Apotheken in besonderer Weise. Wer Medikamente abgibt, wer Rezepturen modifiziert, wer Versorgungslücken überbrückt oder Risiken kompensiert, trägt Verantwortung. Nicht nur pharmazeutisch. Sondern kommunikativ, juristisch, kulturell. Und diese Verantwortung lässt sich nicht outsourcen, nicht delegieren, nicht verschweigen. Das Lübecker Urteil spricht eine Sprache, die auch im Apothekenalltag verstanden werden muss: Es reicht nicht, auf Fragen zu warten. Wer etwas weiß, das für den anderen entscheidungsrelevant ist, muss es sagen. Schweigen schützt nicht. Schweigen täuscht.
Der Apotheker steht dabei oft genau in jener systemischen Schieflage, die das Urteil so präzise aufdeckt: Er hat das Wissen, der Patient hat die Erwartung. Er kennt die Umstände, der Versicherer prüft den Verlauf. Und er muss entscheiden – zwischen Dokumentation und praktischer Entlastung, zwischen Offenheit und rechtlicher Abwägung, zwischen Transparenz und der Angst vor Regress. Genau in diesem Spannungsfeld entfaltet sich das sogenannte Lübecker Prinzip: dass Aufklärung kein Nebenprodukt ist, sondern Kernaufgabe. Dass nicht der Wortlaut zählt, sondern der Kontext. Und dass Verantwortung beginnt, bevor jemand fragt.
Man kann dieses Prinzip auch so beschreiben: Apotheken sind nicht nur Vertriebsstellen für Arzneimittel, sondern Institutionen mit Aufklärungsverantwortung. Wer eine Rezeptur aus dem Labor abgibt, bei der der Ausgangsstoff nicht vorrätig war und durch einen funktional vergleichbaren Stoff ersetzt wurde, muss dies dokumentieren – und erklären. Wer eine Umwidmung zulässt, bei der aus einem Fertigarzneimittel formal eine Rezeptur wird, muss verstehen: Er übernimmt nicht nur die Herstellung, sondern auch die rechtliche Last. Und wer bei Kühlkettenstörungen eine dokumentationsfreie Übergangslösung wählt, weil das Rezept dringend beliefert werden muss, bewegt sich womöglich bereits im haftungsrechtlich kritischen Bereich. Die Parallele zum Gebrauchtwagen ist kein Zufall. Sie ist strukturell.
Was das Urteil so wertvoll macht, ist nicht nur seine juristische Klarheit, sondern seine systemische Übertragbarkeit. Es verschiebt die Verantwortung dahin, wo sie hingehört: zum Wissenden. Zum Handelnden. Zum Professionellen. Genau dort steht der Apotheker – zwischen Patient und Gesetz, zwischen Versorgung und Kontrolle, zwischen Risiko und Vertrauen. Und wer hier denkt, mit gutem Willen sei es getan, der irrt gefährlich. Denn Haftung ist kein Gefühl. Sie ist Struktur. Und Struktur verlangt Vorbereitung, Absicherung, Rechtsschutz.
Der professionelle Rechtsschutz ist in diesem Kontext keine Kostenposition – er ist Führungsinstrument. Er sichert nicht nur vor Gericht, sondern schon im Verhalten. Wer weiß, dass er juristisch beraten ist, handelt klarer. Wer abgesichert ist, kann besser kommunizieren. Und wer proaktiv informiert, schafft Vertrauen, wo andere sich einbunkern. Das Urteil aus Lübeck zeigt: Das wahre Risiko entsteht nicht durch das, was man tut, sondern durch das, was man verschweigt.
Dabei verändert sich das Apothekenumfeld rasant: Künstliche Intelligenz in der Rezeptbewertung, Plattformlösungen mit begrenzter Transparenz, Retaxationen wegen Bagatellfehlern, neue Haftungsfragen durch Telepharmazie, Unsicherheiten im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen, Informationspflichten bei Nebenwirkungen oder Medikationsumstellungen – all das verlangt nach einem neuen Verantwortungsverständnis. Wer hier nicht offenlegt, riskiert juristisch das gleiche wie der Autohändler in Lübeck: Rückabwicklung, Regress, Vertrauensverlust. Nur dass es in der Apotheke nicht um ein Auto geht, sondern um Gesundheit, um Leben, um systemisches Vertrauen.
Deshalb ist das Lübecker Prinzip mehr als ein juristischer Grundsatz. Es ist eine neue Form der Aufrichtigkeit. Es sagt: Nicht was du weißt, schützt dich. Sondern, was du teilst. Es sagt: Nicht auf Lücken achten reicht. Du musst sie schließen. Und es sagt: Wer Verantwortung ernst nimmt, schweigt nicht. Er informiert.
Dieses Prinzip lässt sich nicht verordnen. Es muss gelebt werden. Von Inhaberinnen und Inhabern, von Teams, von der gesamten Branche. Es braucht Schulung, Reflexion, Fehlerkultur, juristische Begleitung – und den festen Entschluss, nicht auf den nächsten Fall zu warten, sondern sich vorher aufzustellen. Denn was bei Autos als Vertragsstörung gilt, kann bei Apotheken zur Systemstörung führen. Und wer Versorgung will, muss Verantwortung sichtbar machen – nicht nachträglich, sondern vorausschauend.
Am Ende steht also kein Auto mehr, kein Bordcomputer, kein Einzelurteil. Sondern ein Gedanke: Dass Vertrauen nicht aus Geduld entsteht, sondern aus Klarheit. Dass Schweigen kein Selbstschutz ist, sondern ein Risiko für alle. Und dass Offenbarung, wie sie das Gericht in Lübeck fordert, nicht nur schützt – sondern führt. Denn wer sagt, was gesagt werden muss, verhindert nicht nur Missverständnisse. Sondern stiftet Struktur. Und schafft Sicherheit, wo andere Unsicherheit organisieren.
Dies ist kein Urteil über Gebrauchtwagen. Es ist ein Urteil über Systeme, die funktionieren sollen. Es ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern ein Anfang, der verstanden werden muss. Und der sagt: Verantwortung beginnt im Satz davor. Und endet erst, wenn nichts mehr verschwiegen ist.
Leitartikel von Seyfettin Günder. Der Autor schreibt regelmäßig zu Strukturwandel, Verantwortungskultur und Systempolitik im Gesundheitswesen.
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