
Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News: Bericht von heute
Ein Urteil, das nichts ändert und doch alles verschiebt – der Bundesgerichtshof bestätigt am 17. Juli eine seit Jahren bekannte EuGH-Linie zur Rx-Preisbindung, erklärt sie für EU-ausländische Versender für unanwendbar und gibt DocMorris damit formal recht – was CEO Walter Hess sofort nutzt, um Boni von bis zu 15 Euro pro verschriebenem Arzneimittel anzukündigen, obwohl die sozialrechtliche Preisbindung nach § 129 SGB V rechtlich unbeantwortet bleibt, was Juristinnen wie Dr. Susanne Pech als offene Flanke werten, während Redcare vorsichtig bleibt, der Bayerische Apothekerverband auf Gremienauswertung setzt, in Baden-Württemberg die LAV-Beiträge deutlich steigen, Apotheken durch Pflichtangaben bei E-Rezepten neue Retaxrisiken tragen, das BMG das Anerkennungsverfahren für zugewanderte Apotheker*innen reformieren will, Studien zur Inhalatumsumstellung bei COPD-Patienten Versorgungsrisiken offenlegen und die Mitochondrien-Ersatztherapie genetische wie ethische Grundfragen berührt – inmitten all dessen wird sichtbar: Wer heute von Preis spricht, muss Verantwortung, Marktstrategie und Versorgungssicherheit zugleich denken.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur früheren Rx-Preisbindung könnte rückblickend als juristische Fußnote erscheinen – wäre sie nicht ein strategisches Signal mit weitreichenden Folgen für das Marktgefüge, das Rollenverständnis heilberuflicher Akteure und die politische Steuerungsfähigkeit des Arzneimittelsystems. Der 17. Juli 2025 markiert nicht den Neubeginn einer Regulierung, sondern die Wiederholung einer alten Disposition: Der I. Zivilsenat hat keine neue Norm geschaffen, sondern ein bekanntes Urteil bestätigt – jenes des Europäischen Gerichtshofs aus dem Oktober 2016, das die nationale Preisbindung im grenzüberschreitenden Versandhandel für europarechtswidrig erklärte. Was heute entschieden wurde, wurde bereits vor neun Jahren beurteilt. Und doch sind die Folgen aktuell, scharf, strukturell.
Im Mittelpunkt des BGH-Verfahrens stand ein Fall aus den Jahren 2012/2013: Damals hatte die DocMorris-Tochter Wellsana Kund*innen beim Kauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel Boni gewährt – was der Bayerische Apothekerverband (BAV) als Verstoß gegen die damalige Preisbindung nach § 78 AMG (alte Fassung) wertete. Der Fall zog sich durch die Instanzen, bis der BGH ihn nun abschließend entschied – zugunsten der Versandapotheke. Die Gewährung von Boni in diesem Zeitraum durch einen EU-ausländischen Versender stelle keinen Wettbewerbsverstoß dar. Der alte § 78 sei insoweit unionsrechtswidrig gewesen. Damit bestätigt der BGH nicht nur die damalige EuGH-Rechtsprechung – er schließt das Kapitel, ohne neue Strukturdeutungen einzuführen. Und genau darin liegt die doppelte Sprengkraft.
Denn DocMorris wertet dieses Urteil nicht als Rückblick, sondern als Vorlage. CEO Walter Hess kündigt unmittelbar neue Boni an: Kundinnen sollen bei Online-Bestellungen für rezeptpflichtige Arzneimittel künftig wieder finanzielle Vorteile erhalten, gutgeschrieben auf das Kundenkonto und am Quartalsende per Banküberweisung ausgezahlt – bis zu 15 Euro pro verschriebenem Arzneimittel sind angekündigt. Das Unternehmen argumentiert mit der Belastung der Patientinnen durch gestiegene Zuzahlungen und nutzt damit geschickt ein ökonomisches wie emotionales Argument: Entlastung statt Preisbindung.
Doch diese „Reaktivierung“ des Bonimodells erfolgt auf juristisch fraglichem Terrain. Zwar betrifft das aktuelle Urteil vergangene Sachverhalte und stellt klar, dass frühere Boni unter der alten Rechtslage rechtmäßig waren. Doch seit 2020 gilt ein neues Regime: Der Gesetzgeber hat mit § 129 Abs. 3 Satz 3 SGB V eine sozialrechtliche Preisbindung etabliert, die – anders als der alte § 78 AMG – bewusst nicht als ordnungsrechtliches Instrument, sondern als Bestandteil der sozialversicherungsrechtlichen Versorgung konzipiert ist. Und zu genau dieser Norm fehlt bislang jede höchstrichterliche Klärung – sowohl auf nationaler wie europäischer Ebene.
Die Frage, ob Boni unter der aktuellen Regelung zulässig sind, ist juristisch nicht beantwortet. Der BGH hat sie nicht geprüft, weil sie im Verfahren nicht verfahrensrelevant war. Und auch der EuGH hatte sich bislang nicht mit der neuen Fassung beschäftigt. Damit entsteht eine regulatorische Zwischenzone: Der Markt reagiert, obwohl die Rechtslage im Ungefähren verbleibt.
Auch die juristische Fachwelt bleibt zurückhaltend. Dr. Susanne Pech, Fachanwältin für Wettbewerbsrecht bei der Kanzlei CMS und ausgewiesene Kennerin der Versandhandelsstruktur, betont, dass das Urteil keinesfalls ein Freibrief für Boni sei. Vielmehr müsse die sozialrechtliche Dimension künftig genauer analysiert werden – insbesondere in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung von Bonusmodellen und ihre potenzielle Kollision mit sozialversicherungsrechtlicher Preisbindung.
Selbst Redcare (Shop Apotheke) agiert vorsichtig. Zwar bezeichnet CEO Olaf Heinrich das Urteil als „Meilenstein“, spricht von gestärkter Wahlfreiheit und betont moderne Servicequalität. Doch konkrete Bonusankündigungen bleiben aus. Die Reaktion bleibt rhetorisch – nicht operativ. Auch das ist ein Signal: Wer strategisch denkt, wartet auf juristische Klarheit – oder politische Korrektur.
Ganz anders der Bayerische Apothekerverband: Der BAV sieht sich gezwungen, die eigene Position grundlegend zu überprüfen. „Wir müssen das Urteil des obersten Gerichtes respektieren“, so BAV-Chef Hans-Peter Hubmann. Die schriftliche Urteilsbegründung werde abgewartet, analysiert und dann zur Grundlage berufspolitischer Diskussion gemacht. Die Tonlage ist nüchtern – und doch offenbart sie ein strukturelles Dilemma: Während Versandapotheken strategisch Fakten schaffen, sind Standesvertretungen in juristische Reaktionen gezwängt. Die Dynamik gehört nicht mehr den Gremien, sondern den Geschäftsmodellen.
Dabei ist die Bonifrage nur ein Brennglas. In Baden-Württemberg etwa erhöhen sich zeitgleich die Mitgliedsbeiträge im Landesapothekerverband. Pro Betriebsstätte wird künftig ein einheitlicher Beitrag fällig, der deutlich über dem bisherigen Satz liegt. Mitfinanziert wird damit unter anderem die Gedisa – jenes Gemeinschaftsprojekt zur Digitalisierung der Arzneimittelversorgung, das auf Bundesebene immer wieder als strategische Antwort auf Plattformanbieter positioniert wurde.
Gleichzeitig geraten Apotheken mit dem E-Rezept in neue Retaxfallen: Die verpflichtende Angabe der Chargenbezeichnung im Abgabedatensatz ist in der Praxis eine Hürde, insbesondere bei Vorratsabgaben oder Notfallrezepturen. Nullretaxationen drohen – nicht weil etwas fehlt, sondern weil die Software keine strukturelle Flexibilität erlaubt. Hier wird das technische Detail zur Haftungsfrage.
Und während das System sich rechtlich, technisch und ökonomisch neu sortiert, bleiben Personalfragen ungelöst. Ein Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums soll nun die Anerkennung ausländischer Abschlüsse bei Apothekerinnen erleichtern. Derzeit dauert die Anerkennung häufig viele Monate – mit enormem Aufwand für Arbeitgeber und Bewerberinnen. Die angekündigte Reform will Prozesse vereinfachen, Zuständigkeiten bündeln und Fristen verkürzen. Doch strukturelle Trägheit lässt sich nicht einfach dekretieren.
Auch in der praktischen Versorgung entstehen Spannungsfelder. Eine US-Studie zeigt: Die Umstellung von Dosieraerosolen auf Pulverinhalatoren bei Veteran*innen mit COPD und Asthma führte zu erhöhtem Schulungsbedarf und teils schlechterer Krankheitskontrolle – ein Beispiel dafür, dass technische Umstellungen klinisch nicht immer neutral sind.
Noch weiter reicht die Debatte um mitochondriale Erkrankungen. Großbritannien erlaubt bei pathogener mtDNA die sogenannte Mitochondrien-Ersatztherapie. Dabei wird der Zellkern der Mutter mit den Mitochondrien einer Spenderin kombiniert – das Kind erhält DNA von drei Personen. Die Hoffnung: Keine Vererbung schwerer mitochondrialer Erkrankungen. Doch Studien zeigen, dass auch geringe Mengen mütterlicher Mitochondrien-DNA ins Embryo gelangen können – mit unbekannter Langzeitwirkung. Der ethische Diskurs bleibt offen.
So entsteht ein Gesamtbild, das keine bloße Reaktion auf ein Gerichtsurteil ist – sondern eine Zustandsbeschreibung eines Systems, das sich zwischen juristischer Präzision und politischer Unentschiedenheit, zwischen technologischer Ambition und regulatorischer Unsicherheit bewegt. Das BGH-Urteil mag retrospektiv erscheinen. Doch seine Wirkung entfaltet sich prospektiv – im Verhalten der Marktakteure, in der Rolle der Berufsverbände, in der Gestaltung des Versorgungssystems.
Wer heute glaubt, das Urteil habe „nichts geändert“, unterschätzt die Dynamik, die nicht aus dem Recht, sondern aus dem Spielraum entsteht. Und Spielräume nutzt nicht der, der wartet. Sondern der, der vorgreift.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht.
Was dieses Urteil freisetzt, ist kein juristischer Freibrief – sondern ein strategischer Lackmustest für alle Beteiligten: für Apotheken, die auf gesetzliche Verlässlichkeit bauen, für Versandapotheken, die ihre Position aggressiv monetarisieren, für Verbände, die im Schatten der Dynamik ihre Deutungsmacht neu definieren müssen, und für eine Politik, die vorgibt zu regulieren, aber in Wahrheit verwaltet. Das Risiko liegt nicht in der Höhe eines Bonus – sondern in der Tiefe eines Systems, das seine eigenen Regeln schneller auslegt, als es sie klärt.
Wenn ein alter Rechtsstreit zur Vorlage für neue Geschäftsmodelle wird, wenn ein Urteil keine Ordnung schafft, aber Marktverhalten verändert, wenn ökonomische Impulse das Versorgungssystem unter Spannung setzen, weil juristische Klärung strukturell ausbleibt, dann zeigt sich, was der wahre Gehalt dieser Entwicklung ist: Ein Strukturwandel durch Unterlassung.
Denn ein Recht, das nicht entscheidet, delegiert. Und eine Politik, die nicht schützt, verliert – nicht nur Kontrolle, sondern Bedeutung. Was bleibt, ist kein Urteil. Es ist eine Lücke. Und wer sie nicht schließt, wird in ihr verschwinden.
Sie haben einen Beruf gewählt, der weit mehr als reine Erwerbstätigkeit ist. Sie verfolgen im Dienste der Bevölkerung hohe ethische Ziele mit Energie, fachlicher Kompetenz und einem hohen Maß an Verantwortung. Um sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren zu können, erwarten Sie die optimale Absicherung für die Risiken Ihrer Berufsgruppe.
Sie suchen nach Möglichkeiten, Ihre hohen Investitionen zu schützen und streben für sich und Ihre Angehörigen nach einem angemessenen Lebensstandard, auch für die Zukunft.
Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800. 919 0000 oder Sie faxen uns unter 0800. 919 6666, besonders dann, wenn Sie weitere Informationen zu alternativen Versicherern wünschen.
Mit der ApoRisk® FirmenGruppe steht Ihnen ein Partner zur Seite, der bereits viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland zu seinen Kunden zählen darf. Vergleichen Sie unser Angebot und Sie werden sehen, es lohnt sich, Ihr Vertrauen dem Versicherungsspezialisten für Ihren Berufsstand zu schenken.