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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News: Bericht von heute
Mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein struktureller Kipppunkt erreicht, der nicht nur juristische Präzedenz schafft, sondern einen politischen Kontrollverlust offenlegt, denn während das Gericht auf formaler Ebene die unionsrechtswidrige Anwendung der alten Regelung des Arzneimittelgesetzes verneint und keine ausreichenden Beweise für deren Notwendigkeit in der Versorgungssicherung erkennt, reagiert der Marktführer DocMorris sofort mit einem automatisierten Bonusprogramm, das ärztlich verordnete Arzneimittel bei Online-Bestellung durch Rabatte günstiger macht, obwohl diese Strategie genau jenes Preisregime aushebelt, auf dem die Apothekenlandschaft in Deutschland ruht, denn stationäre Betriebe müssen weiterhin an der Preisbindung festhalten, ohne kompensierende Maßnahmen oder politische Rückendeckung, wobei Apothekenverbände wie der BAV zwar umfangreich argumentiert, aber aus Sicht des Gerichts keine „harten Fakten“ geliefert haben, die die Notwendigkeit einer einheitlichen Preisstruktur nachweisbar stützen, was den europäischen Rechtsrahmen in eine marktverzerrende Grauzone verschiebt und zugleich den Gesetzgeber zwingt, nun aktiv zu werden, will er nicht tatenlos zusehen, wie sich Apothekenversorgung in Deutschland von flächendeckender Solidarstruktur zu selektiver Online-Abgabe wandelt, während parallel der nächste Schadenersatzprozess ansteht, in dem DocMorris 18,5 Millionen Euro von der Apothekerkammer Nordrhein fordert, und die Debatte zur Arzneimittelverschreibungsverordnung weitere Widersprüche zwischen technischer Digitalisierung und rechtlicher Steuerung offenbart, sodass am Ende nicht das Recht den Markt strukturiert, sondern der Markt das Recht ersetzt – mit allen Konsequenzen für Vertrauen, Versorgung und Verbindlichkeit.
Es gibt Urteile, die bestehendes Recht bestätigen, andere, die einen Wandel einleiten. Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel tut beides – und beides mit einer Klarheit, die politische Systeme provoziert, wirtschaftliche Strategien beschleunigt und heilberufliche Strukturen unter Druck setzt. Die Entscheidung, in der der BGH die Klage des Bayerischen Apothekerverbands (BAV) gegen die DocMorris-Tochter Taminis abwies, hat nicht nur juristische Tragweite, sondern markiert einen Wendepunkt in der Frage, wer im deutschen Arzneimittelmarkt künftig die Deutungsmacht besitzt: der Gesetzgeber, der Richter, der Markt – oder schlicht derjenige, der die Lücke am schnellsten nutzt.
Aus Sicht der Karlsruher Richter bestand keine Notwendigkeit, das Verfahren erneut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen, da es im konkreten Fall um alte Rechtsgrundlagen ging – konkret § 78 Arzneimittelgesetz (AMG), die in der Zwischenzeit durch § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V) ersetzt wurde. Das Urteil stützt sich also auf eine Norm, die unionsrechtlich schon seit dem EuGH-Urteil von 2016 als problematisch gilt. Und genau in dieser Differenz liegt die Sprengkraft: Der BGH erklärte unmissverständlich, dass ihm keine ausreichenden Fakten vorlägen, die eine unionsrechtskonforme Rechtfertigung für eine Preisbindung liefern könnten. Die Argumentation, dass nur durch einheitliche Preise die flächendeckende Versorgung in Deutschland gesichert werden könne, reichte nicht aus. Die Beweislage sei zu dünn, zu schwach, zu wenig empirisch.
Dieses juristische Vakuum nutzt DocMorris nun strategisch. CEO Walter Hess meldete sich nur Stunden nach dem Urteilsspruch zu Wort: Man sehe sich in der eigenen Rechtsauffassung vollumfänglich bestätigt. Man habe bereits früher Rezeptboni an Kunden weitergegeben – zu eigenen Lasten, versteht sich – und werde das nun wieder tun. Im Detail heißt das: Kundinnen und Kunden erhalten bei Online-Bestellungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel einen Bonus, der ihrem Kundenkonto gutgeschrieben und am Ende eines Quartals automatisch ausgezahlt wird. Es sei eine Maßnahme, so Hess, die die Patienten finanziell entlaste, ohne das Gesundheitssystem zusätzlich zu belasten. Dass diese Entlastung mit der juristischen Öffnung einer regulierten Preisordnung erkauft wird, erwähnt er nicht. Dass diese Bonuspraxis strukturelle Wettbewerbsverzerrung bedeutet, ist implizit einkalkuliert.
In der Sache war der Streit nicht neu. Schon 2016 hatte der EuGH entschieden, dass das deutsche Preisrecht nicht auf ausländische Versandapotheken angewendet werden darf. Allerdings war dieses Urteil von Kritikern stets als unzureichend begründet angesehen worden – auch deshalb, weil der EuGH inhaltlich über das Ziel hinausgeschossen und faktisch eigene Sachverhaltsfeststellungen getroffen hatte, was eigentlich nicht seiner Rolle entspricht. Das OLG München hatte im Vorfeld der aktuellen Entscheidung versucht, diese Lücke zu schließen. Auf 64 Seiten sammelten die Richter Argumente, Nachweise und Stellungnahmen – auch von der Bundesregierung – um aufzuzeigen, dass die Preisbindung eine zwingende Voraussetzung für eine stabile Arzneimittelversorgung sei. Doch beim BGH kam dieses Bemühen nicht an. Der Vorsitzende Richter Professor Dr. Thomas Koch sprach von einer „Stichhaltigkeitsprüfung“, der jedoch die „stichhaltigen Beweise“ fehlen. Die Stellungnahme der Bundesregierung? Drei Absätze, inhaltlich dürftig. Die Apothekendichte? Kein Beweis, sondern nur Statistik. Der Rückgang der Apothekenzahl? Kein harter Nachweis für einen Kausalzusammenhang mit dem Boni-Modell. Alles zusammengekratzt, so Koch – aber eben nicht gerichtsfest.
Die Entscheidung, nicht den EuGH erneut anzurufen, ist damit keine Absage an die unionsrechtliche Prüfung – sondern eine Absage an die bisherigen Argumente. Der BGH betont, dass neue, belastbare Fakten jederzeit zu einer neuen Vorlage führen könnten. Aber diese Fakten müssen geliefert werden – nicht aus politischem Wunschdenken heraus, sondern in Form von empirischer Evidenz, nachvollziehbaren Kausalitäten und strukturellen Nachweisen. Die Verantwortung liegt damit nicht mehr beim Gericht, sondern bei jenen, die Regulierung beanspruchen: der Politik, den Verbänden, dem Gesetzgeber.
Und dieser Gesetzgeber wirkt in dieser Gemengelage zunehmend handlungsunfähig. Marcus Freitag, Geschäftsführer von Phoenix Deutschland, brachte das Dilemma auf den Punkt: Die ausländischen Versandapotheken feiern ein Urteil, das ihnen erneut erlaubt, mit Boni und Rabatten zu werben – und unterwandern damit ein deutsches Preissystem, das aus guten Gründen existiere. Freitag warnt: Die wirtschaftlichen Grundfesten der Vor-Ort-Apotheken geraten ins Wanken. Denn sie sind es, die Notdienste sichern, Rezepturen anfertigen, persönliche Beratung bieten – Leistungen, die in keinem Bonus enthalten sind. Dass der Gesetzgeber diese Versorgungsinfrastruktur seit Jahren nicht mit ausreichend gesetzlichem Rückhalt ausgestattet hat, fällt ihm nun auf die Füße.
Der politische Schaden ist also nicht das Urteil selbst – sondern dessen Kontext. Während der Versandhandel strategisch und juristisch agiert, warten viele Apotheken immer noch auf einheitliche E-Rezept-Prozesse, auf Klarheit bei der digitalen Infrastruktur, auf Unterstützung bei der Abrechnung oder rechtssichere Fortbildung der pharmazeutischen Dienstleistungen. Selbst die elektronische Übermittlungspflicht an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist technisch wie organisatorisch nicht durchgängig geklärt. Und während die ABDA noch Nachbesserungsbedarf bei der Arzneimittelverschreibungsverordnung anmeldet, marschieren DocMorris und andere Versandakteure längst mit neuen Bonusmodellen voraus.
Der BGH selbst hat unterdessen keine Zweifel daran gelassen, dass dies nicht das letzte Wort sein muss – aber eben auch nicht der Anfang eines neuen Kapitels. Die Preisbindung ist durch die aktuelle Entscheidung nicht vollständig beerdigt, aber entkernt. Sie gilt weiterhin – aber eben nicht für ausländische Versender. Und solange die neue Regelung nach § 129 SGB V nicht explizit geprüft wurde, bleibt sie eine juristische Unbekannte. Der Senat hat signalisiert: Wenn jemand neue, substanzielle Beweise liefert, kann der EuGH angerufen werden. Doch wer soll das tun? Und wann?
Die strukturelle Unsicherheit verlagert sich damit auf zwei Ebenen: erstens in die Marktkommunikation, die DocMorris offensiv für sich nutzt – mit dem Argument, Patientinnen und Patienten zu entlasten – und zweitens in die politische Sphäre, die abermals in die Defensive gerät. Die ABDA hat keine durchschlagskräftige Strategie. Der BAV hat verloren – trotz detaillierter Argumentation. Und die Bundesregierung schweigt. In diesem Vakuum wächst ein Wettbewerbsmodell, das auf regulatorische Schwäche setzt. Die Folge ist keine Marktöffnung – sondern eine Marktverschiebung.
Noch ist unklar, ob die Apothekerkammer Nordrhein tatsächlich im nächsten Verfahren zur Zahlung von 18,5 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt wird – für frühere Werbeverbote, die nun möglicherweise als unrechtmäßig gelten. Doch schon die Existenz dieses Verfahrens zeigt, wie schnell eine juristische Entscheidung in ein strukturelles Erdbeben übergehen kann. Denn hier geht es nicht nur um Boni – sondern um Machtverhältnisse, Versorgungssicherheit und um die Frage, ob stationäre Apotheken noch eine politische Lobby haben, die diesen Namen verdient.
Was bleibt, ist ein System in Schieflage. Ein Markt, der durch Recht ersetzt wird. Und ein Gesetzgeber, der längst zum Getriebenen seiner eigenen Untätigkeit geworden ist.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht.
Die Frage nach dem Recht ist also längst beantwortet, doch die Antwort auf die strukturelle Verantwortung steht aus. Denn wenn das Gericht sich auf Beweislast beruft, die Politik auf Zeit spielt und der Markt auf Lücken setzt, dann verliert das System seine Bindungskraft – nicht an der Preisgrenze, sondern an der Idee gerechter Versorgung. Wo Boni Gesetz ersetzen, ersetzen Juristen keine Politik. Und wer Versorgung nicht schützt, verliert nicht nur Apotheken, sondern Vertrauen. Das ist keine Entwicklung. Das ist ein Risiko.
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