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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Viele Menschen erleben sich als Pechvögel, wenn kleine Missgeschicke gehäuft auftreten – doch oft sind nicht Zufälle schuld, sondern unbemerkte Routinen, kognitive Verzerrungen und reale Risikoquellen, die auch im Apothekenbetrieb wirksam werden; zugleich rüttelt der EuGH mit seinem Urteil zum Apothekenwerbeverbot an den Grundpfeilern europäischer Sichtbarkeitsregulierung, während dm mit diskreter Herstellereinbindung neue Marktmechanismen etabliert, Versorgungswerke in geopolitisch aufgeladenem Umfeld strategische Rücklagenpolitik betreiben, ausländische Apotheker durch lähmende Anerkennungsverfahren ausgebremst werden, Gesundheitsregionen wie Hannover mit sektorenübergreifender Strukturarbeit Versorgung neu denken, der G-BA mit seiner Enzymentscheidung Versorgungslücken öffnet, Melatoninhilfen für Kinder in der Kritik stehen, kritische HDL-Verläufe bei Lipidsenkern alarmieren und selbst tierische Blutsauger wie Bremsen an die Notwendigkeit strategischer Risikoabwägung erinnern.
Verletzliche Routinen, mentale Fallstricke, strategische Absicherung
Warum der Glaube ans eigene Pech lähmen kann, welche Denkfehler Risiken verstärken und wie Apotheken sich präventiv gegen reale Schäden schützen
Sie sind schnell erzählt, diese kleinen Dramen des Alltags: Der Kaffeebecher gleitet aus der Hand, der Fahrradreifen pfeift abrupt die Luft ab, der Autoschlüssel rutscht in den Gully. Wer derart gehäuft mit Missgeschicken zu tun hat, hält sich selbst gern für einen geborenen Pechvogel. Dabei liegt der Ursprung solcher Ketten oft weniger im mystischen Zufall als in ganz irdischen, oft systemischen Faktoren – in der Aufmerksamkeit, im Selbstbild, in der inneren Haltung und nicht zuletzt in realen Risikoumfeldern, wie sie auch im Apothekenbetrieb eine gewichtige Rolle spielen.
Eine wissenschaftliche Bestätigung für das subjektive Empfinden besonders „vom Schicksal verfolgter“ Menschen lieferte bereits 2007 eine Metaanalyse der niederländischen Psychologin Ellen Visser. Ausgewertet wurden Daten von knapp 147.000 Menschen aus 15 Ländern. Das Ergebnis: Statistisch betrachtet ist jeder 29. Mensch besonders unfallgefährdet – aber nicht, weil ihm das Unglück magnetisch folgt, sondern weil sich bestimmte Denk- und Verhaltensmuster häufen, die das Risiko aktiv vergrößern. Dazu zählen unter anderem eine dauerhaft negative Selbstwahrnehmung, ein passives Coping-Verhalten bei Problemen und ein mangelnder Blick für lösungsorientierte Aspekte selbst in ungünstigen Situationen.
Was auf den ersten Blick wie ein psychologischer Nebenbefund wirkt, hat in vielen Branchen, darunter auch im Apothekenwesen, konkrete Relevanz. Denn wer strukturell glaubt, dass „immer ihm das passiert“, handelt oft aus Unsicherheit, trifft Vorsorgemaßnahmen halbherzig oder bleibt auf Schäden sitzen, weil zuvor keine realistische Risikoabwägung erfolgt ist. So können selbst banale Störungen – etwa ein geplatzter Kommissionierbeutel, eine falsch gesetzte Kühltemperatur oder eine versehentliche Rezeptverwechslung – weitreichende Konsequenzen haben, wenn sie nicht im Rahmen professioneller Risikoanalysen antizipiert und abgesichert sind.
Der Unterschied zwischen gefühltem und tatsächlichem Pech zeigt sich auch in der Art, wie man mit Vorfällen umgeht. Die US-Psychologin Dayna Lee-Baggley betont, dass sich der Umgang mit negativen Ereignissen trainieren lässt – durch Perspektivwechsel, durch gezielte Reflexion und durch systemische Integration von Resilienzstrategien. Wer Rückschläge nicht als Beweis eines fehlerhaften Selbstbildes, sondern als Teil normaler Komplexität begreift, wird in der Lage sein, neue Routinen zu entwickeln, Sicherheit aktiv zu gestalten und präventive Maßnahmen nicht als lästige Pflicht, sondern als unternehmerische Stärke zu verstehen.
Für Apotheken bedeutet das konkret: Zwischen dem Gefühl, stets „Pech zu haben“, und der faktischen Bedrohung durch Versicherungsfälle – etwa durch Cyberangriffe, Fehlausgaben, Lieferpannen, Personalausfall oder Schäden durch Drittanbieter-Plattformen – liegt die strategische Fähigkeit zur Selbstführung und systematischen Absicherung. Versicherer beobachten längst, ob Betriebe aus Risikovorfällen lernen, ob Schulungen dokumentiert, IT-Schutzmaßnahmen implementiert und Betriebsunterbrechungsrisiken realistisch bewertet werden.
Gerade im Spannungsfeld zwischen Online-Angriffen und realwirtschaftlichen Betriebsstörungen kommt es darauf an, die Lücke zwischen „mentalem Pechgefühl“ und realer Vorsorgekompetenz zu schließen. Wer Sicherheitsvorfälle zu spät bemerkt oder Bagatellen nicht meldet, weil er sich an Missgeschicke „gewöhnt“ hat, verschärft das Haftungsrisiko und steht bei Versicherungen schlechter da. Selbstreflexion, Klarheit im Team, dokumentierte Präventionsarbeit und ein aktives Störfallmanagement sind heute Voraussetzung für Schutz und Leistungsausgleich.
Ein oft unterschätzter Risikofaktor ist die psychologische Dynamik im Team: Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, im Chaos des Alltags sowieso ständig Fehler zu machen, untergräbt dies langfristig die Handlungssicherheit. Dabei lassen sich durch gezielte interne Kommunikation, positive Fehlerkultur und strukturierte Ablaufplanung viele Risiken vermeiden – nicht durch Vermeidung von Fehlern, sondern durch die institutionalisierte Fähigkeit, mit ihnen produktiv umzugehen.
Auch extern steigen die Anforderungen: Die Versicherungsbranche verschiebt ihre Prioritäten weg von Standard-Policen hin zu individualisierten, risikoabhängigen Modellen. Apotheken, die ihre Präventionsmaßnahmen nicht dokumentieren, laufen Gefahr, bei Schadensfällen auf Kosten sitzen zu bleiben. Gleichzeitig verlangen Betriebsunterbrechungsversicherungen, Cyberdeckungen und Inhaltsversicherer zunehmend präzise Angaben zur betrieblichen Organisation, digitalen Schnittstellen und Interventionslogik.
Pech, so zeigt sich, ist kein Schicksal – sondern ein Konstrukt aus Wahrnehmung, Handlungsmustern und systemischer Vorbeugung. Wer im Alltag trainiert, aus Rückschlägen Lernerfolge zu gewinnen und aus kleinen Fehlern strukturelle Verbesserungen zu entwickeln, schützt nicht nur die eigene psychische Stabilität, sondern auch die wirtschaftliche Resilienz des Betriebs.
Die gute Nachricht: Wie bei mentalem Training können auch versicherungstechnische und betriebsorganisatorische Maßnahmen zur Gewohnheit werden. Wer regelmäßig prüft, dokumentiert, trainiert und kommuniziert, wandelt sich vom passiven Pechvogel zum aktiven Risiko-Manager – und überführt subjektive Ohnmacht in systematische Handlungsfähigkeit. Entscheidend ist dabei der Mut, nicht auf das Schicksal zu hoffen, sondern Verantwortung zu übernehmen. Nicht jeder Unfall ist vermeidbar, aber viele Folgen sind es.
Werbung darf wirken, Markt darf leben, Gesundheit darf sichtbar werden
Warum der EuGH das Apothekenwerbeverbot in Polen gekippt hat, was das für den Binnenmarkt bedeutet und wie der deutsche Werberahmen nun ins Wanken gerät
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem Urteil von grundsätzlicher Tragweite das Apothekenwerbeverbot in Polen teilweise für unionsrechtswidrig erklärt – und damit weit mehr als nur ein nationales Gesundheitsrecht erschüttert. Bisher war es polnischen Apotheken nahezu vollständig untersagt, über ihre Dienstleistungen hinausgehende Informationen zu veröffentlichen. Nur Adresse, Öffnungszeiten und bloße Verfügbarkeit zählten zu den zulässigen Angaben. Alles Weitere – von Angeboten über Servicehinweise bis zu Kundenbindungsaktionen – wurde als „unzulässige Werbung“ geahndet, teils mit drakonischen Strafen. Der EuGH stellte nun klar: Ein solch striktes Verbot verstößt gegen die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit sowie die unternehmerische Berufsausübungsfreiheit – und bringt damit auch andere Mitgliedstaaten in Zugzwang.
Denn der Kern des Urteils liegt nicht allein in der Frage, was eine Apotheke sagen darf, sondern was sie im europäischen Wettbewerb sagen muss, um gleichberechtigt am Markt bestehen zu können. Der EuGH argumentierte, dass das umfassende Werbeverbot geeignet sei, ausländische Apotheken oder Versandhändler strukturell zu bevorzugen. Diese könnten aus dem Ausland mit attraktiven Kommunikationsstrategien operieren, während polnische Betriebe kaum wahrnehmbar seien – ein Ungleichgewicht, das mit Art. 56 AEUV nicht zu vereinbaren sei. Insbesondere werde das Verbraucherinteresse beeinträchtigt, da sinnvolle Informationen etwa über Impfangebote, Medikationsanalysen oder Lieferdienste unterdrückt würden.
Die Brisanz für Deutschland liegt auf der Hand. Zwar erlaubt das hiesige Apothekenrecht deutlich mehr Werbefreiheit, doch auch hier gibt es Grenzen: Preisaktionen, Boni, Coupons oder bestimmte Rabattversprechen stoßen immer wieder an juristische Mauern. Zudem lassen die jüngsten Auseinandersetzungen um Versandrabatte und Rx-Preisbindung erkennen, wie dünn das Eis zwischen Berufsethik und Wettbewerbsrecht geworden ist. Das EuGH-Urteil dürfte diese Debatte nun deutlich verschärfen – auch in Hinblick auf die Gleichbehandlung stationärer und digitaler Apotheken. Die ABDA und viele Apothekerkammern warnen bereits vor einem „Wettbewerb um jeden Preis“, doch gleichzeitig wächst der Druck, sich gegenüber Plattformanbietern und Versendern marketingseitig zu emanzipieren.
Vor allem in der digitalen Transformation könnte das Urteil eine Wegmarke darstellen. Denn Informationsangebote über pharmazeutische Dienstleistungen, Impfsprechstunden, Heimversorgungsmodelle oder pharmazeutische Betreuung bei chronischen Erkrankungen sind mittlerweile elementarer Bestandteil moderner Apothekenarbeit. Wenn diese Angebote jedoch aus Angst vor Werbeverstößen nicht kommuniziert werden dürfen, entstehen gefährliche Wahrnehmungslücken – nicht nur beim Kunden, sondern auch im System. Das betonte auch das Gericht: Eine funktionierende Dienstleistungsfreiheit umfasse nicht nur das Erbringen, sondern auch das Ankündigen von Leistungen – vorausgesetzt, es geschehe sachlich, gesundheitsdienlich und ohne Irreführung.
Ob Deutschland nun gesetzgeberisch nachziehen muss, ist noch offen. Die deutsche Rechtsprechung wird sich jedoch der neuen Klarheit aus Luxemburg nicht entziehen können. Die Abgrenzung zwischen sachlicher Information und unzulässiger Werbung wird neu zu verhandeln sein – und zwar im Lichte eines europäischen Verständnisses von Marktgleichgewicht und Verbraucheraufklärung. Die Entscheidung hat zudem Signalwirkung für all jene Länder, die ihre Apotheken in ein Korsett aus Berufsbild-Pathos und Marktverzicht gezwungen haben. Der EuGH hat mit seinem Urteil klar gemacht: Berufsethos darf nicht zum Maulkorb werden. Wer heilen will, muss auch sichtbar bleiben.
Industrie bindet sich strategisch, dm erweitert Zugriffe, Apotheken droht Margenverlust
Wie Hersteller Schritt für Schritt ihre Abhängigkeit vergrößern, dm mit alter Taktik neue Macht gewinnt und Apotheken durch die Industriepolitik ins Abseits geraten
Als Deutschlands größte Drogeriemarktkette die digitale Rezeptverarbeitung und pharmazeutische Plattformlogik zu einem strategischen Geschäftsfeld erklärte, war der Impuls eindeutig: dm will mehr als nur OTC anbieten – es geht um Steuerung, Systembindung und Marktdefinition. Doch wie weit die Branche bereits mitspielt, offenbart sich nicht in der Ankündigung, sondern im Lieferantenportfolio. Denn ein Großteil der relevanten Arzneimittelhersteller arbeitet längst mit dm zusammen – und das nicht nur im Bereich der klassischen Drogerieware, sondern zunehmend mit Produkten, die auch für den Apothekenkanal strategisch sind. Marken wie Orthomol, Heumann, Klosterfrau, Doppelherz, Sidroga, tetesept oder Weleda gehören längst zum festen dm-Sortiment – teils über Kooperationen, teils über Direktvertrieb. Diese stille Normalisierung der Zusammenarbeit birgt Sprengstoff: Wer heute bereitwillig für den Drogeriemarkt produziert, kann morgen auch digitale Direktlösungen beliefern – Plattformen, Telemedizinanbieter oder Rezeptportale inklusive.
Dabei wiederholt sich Geschichte mit verkehrtem Vorzeichen: Vor 25 Jahren entschied sich die Branche, DocMorris zu boykottieren – heute bindet man sich freiwillig an einen Player, der mit weit größerer Infrastruktur, Kundenbindung und Datenmacht agiert. dm nutzt seine Marktstellung, um vertikale Wertschöpfungsketten zu etablieren – vom Content über die Beratung bis zur Bestell- und Rezeptlogistik. Apotheken geraten dabei in die Rolle bloßer Vollstrecker: Ohne Zugang zu den Primärplattformen, ohne strukturelle Rückendeckung durch Industrie und ohne eigenes digitales Ökosystem drohen sie zum reaktiven Ausführungsorgan degradiert zu werden. Besonders prekär ist, dass viele Hersteller bewusst zwischen Vertriebskanälen differenzieren, aber keine rote Linie mehr gegenüber Plattformlogiken ziehen. Präparate wie Magnesium Verla, Bachblüten, Prospan, Imupret oder Aspirin Complex stehen längst in den Regalen oder den Onlineangeboten von dm – teils mit Apothekenpflicht, teils in Freiverkäuflichkeit, aber immer mit dem strategischen Signal: Die Grenze ist verhandelbar.
Für Apotheken ist das eine doppelte Gefahr. Erstens entwertet sich ihre Rolle als primärer Gesundheitsdienstleister, wenn Beratung und Produktempfehlung durch digitalisierte Interfaces oder verkappte Influencer-Strategien ersetzt werden. Zweitens verlieren sie die Preis- und Margenhoheit über Produkte, die bislang als wirtschaftliche Stabilisatoren galten. Hersteller wiederum sichern sich Reichweite und Sichtbarkeit – nehmen dafür aber in Kauf, dass der Apothekenkanal geschwächt wird. Der dm-Einstieg in digitale Gesundheitsportale ist dabei kein technologisches Experiment, sondern ein strukturpolitischer Schritt: Plattformdenken ersetzt Fachhandelsbindung. Die Industrie folgt diesem Wandel oft aus der Logik heraus, bei Wachstum dabei sein zu müssen. Doch genau dieser Reflex kehrt sich gegen das Versorgungssystem, wenn Skalierung über Systemtreue gestellt wird.
Dass sich die Herstellerpolitik dabei zunehmend von der Apothekenrealität entkoppelt, zeigt sich auch in der Belieferungslogik: Während manche Marken exklusive Linien für den Drogeriekanal entwickeln, werden Apothekenprodukte entweder bewusst parallelisiert oder sogar für Drogeriemärkte „vereinfacht“ – mit veränderten Packungsgrößen, Marketingclaims oder Pseudo-Expertise. Auf den Verpackungen prangt dann „nur in Apotheken“, während gleichzeitig dm als digitaler Gesundheitsanbieter seine Rolle ausweitet – ein Spagat, der die Glaubwürdigkeit zerstört und gleichzeitig neue Machtverhältnisse festschreibt. Denn mit jedem Markteintritt eines Herstellers bei dm entsteht nicht nur wirtschaftliche Nähe, sondern auch digitale Abhängigkeit: dm sammelt Rezeptdaten, Gesundheitsprofile und Produktinteressen – eine Datenmacht, die jeder Industriepartner langfristig anerkennen oder umgehen muss.
Die Entscheidung der Industrie ist dabei selten strategisch langfristig, sondern oft operativ opportunistisch motiviert. Die Marktgröße von dm, die mediale Reichweite und die Vertriebsstärke sorgen für hohe Umsätze, schnelle Platzierungen und kurzfristige Erfolge – doch zu welchem Preis? Apotheken verlieren durch diese Kanalisierung nicht nur Kunden, sondern auch die Fähigkeit, Herstellerbeziehungen auf Augenhöhe zu führen. Was früher als Vertriebspartnerschaft galt, wird heute zur einseitigen Machtbeziehung. Hersteller sichern sich zwar Marktanteile, aber unter Preis- und Marketingbedingungen, die ihnen künftig auch durch andere Plattformanbieter diktiert werden könnten – Amazon, Redcare oder Shop-Apotheke sind nur einen Schritt entfernt.
Die zentrale Frage lautet also nicht mehr, ob dm ein Gesundheitsakteur ist – sondern wie stark die Industrie den Apothekenkanal noch als Partner sieht. Wer Apotheken wirtschaftlich erhalten will, muss ihnen auch strategische Verlässlichkeit bieten. Dazu gehört, digitale Alleingänge zu vermeiden, Preisparität zu sichern und Vertriebslogiken an Versorgungskriterien zu orientieren – nicht an algorithmischem Abverkauf. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei Politik und Apotheken selbst, sondern vor allem bei jenen Herstellern, die heute stillschweigend mitspielen, morgen aber die Systemfrage beantworten müssen. Denn die Drogeriekette dm zeigt, dass sie bereit ist, neue Regeln zu schreiben – die Industrie muss entscheiden, ob sie mitformuliert oder mitgezogen wird.
Strategische Kapitalstärke, geopolitische Vorsorge, Investitionsmut in Langfristmodelle
Wie Versorgungswerke ihre Rücklagen ausbauen, auf globale Unsicherheiten reagieren und Beteiligungskapital als Zukunftsfaktor prüfen
Die Versorgungswerke der Apothekerschaft stehen vor einer doppelten Herausforderung: einerseits bilanziell stabil in einem ökonomisch bewegten Jahr 2024, andererseits strukturell gefordert durch geopolitische Spannungen, volatile Finanzmärkte und ein inflationsgetriebenes soziales Umfeld. Bei der Frühjahrssitzung der Ständigen Konferenz in Bremen, ausgerichtet vom Versorgungswerk der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (VAWL), legten die Verantwortlichen ihre strategische Stoßrichtung offen – mit klaren Signalen an Kammern, Politik und nicht zuletzt die Apotheken selbst.
Christian Schmidt, Vorsitzender der Konferenz, betonte vor den Delegierten, dass sich fast alle Versorgungswerke 2024 für moderate Dynamisierungen entschieden haben – insbesondere bei niedrig verzinsten Anwartschaften und zur Abmilderung der inflationsbedingten Entwertung langjähriger Beitragsleistungen. Damit erfüllen die Einrichtungen nicht nur ihre versicherungsmathematische Kernverpflichtung, sondern geben auch ein psychologisches Signal an die Berufsgruppe: Das System bleibt trotz externer Erschütterungen verlässlich. Gleichzeitig wies Schmidt jedoch auf die Risiken einer politischen Gemengelage hin, die Finanzmärkte zunehmend unberechenbar macht. Handelskrisen, politische Destabilisierungen und ein wieder aufflackerndes Wettrüsten verschieben die Grundlagen klassischer Anlagestrategien. Zugleich erzeugen die expansiven Maßnahmen der Notenbanken mit Niedrigzinsumfeld und Liquiditätsflutung weiterhin Spielräume für dynamische Portfoliostrategien – sofern sie professionell genutzt werden.
In dieser Balance zwischen Sicherheit und Chancennutzung setzen die Versorgungswerke immer stärker auf langfristige Diversifikation: So wurde bei der Konferenz ein Schwerpunkt auf Beteiligungskapital und Private Equity gelegt. Die Gastrednerin Ulrike Hinrichs vom Bundesverband Beteiligungskapital warb für eine engere Verzahnung zwischen Versorgungswerken und ihrer Branche. Beteiligungsformen bieten, so Hinrichs, gerade für Einrichtungen mit langfristigem Anlagehorizont ein strategisches Gegengewicht zu zinssensiblen Papieren und erlauben eine aktivere Einflussnahme auf Unternehmensentwicklungen. Dies bedinge jedoch Erfahrung, Sorgfalt und Kooperationsstrukturen – ein Plädoyer für Partnerschaften mit Verbänden und Fondsmanagements, nicht für spekulative Alleingänge. Die Versorgungswerke scheinen dem Aufruf nicht abgeneigt: Die Bereitschaft, sich intensiver mit dieser Assetklasse auseinanderzusetzen, wurde mehrheitlich signalisiert.
Wirtschaftlich zeigt sich 2024 aus Sicht der Versorgungswerke insgesamt zufriedenstellend, doch in der Kapitalmarkt-Tiefenstruktur bleiben die Belastungen deutlich sichtbar. Laut offizieller Mitteilung liegt der Fokus aller Häuser weiter auf Rücklagenstärkung und der Ausweitung des Risikokapitals. Der Aufbau von Eigenmitteln – insbesondere Verlustrücklagen und Zinsschwankungsreserven – ist nicht nur versicherungstechnisch geboten, sondern politisch geboten angesichts sich häufender Krisenereignisse. Schmidt brachte es auf den Punkt: „Geopolitische Bedrohungen, die Neuordnung der Welt, Krieg als Mittel der Politik – all das sind neue Anforderungen, denen sich die Versorgungswerke stellen müssen.“
Hinzu kommt die makroökonomische Folgewirkung der Mindestlohnanhebung, die nach Einschätzung der Konferenz zu steigenden Lebenshaltungskosten und damit indirekt zu erhöhten Ausgaben auf Versorgungsseite führen wird. In dieser Gemengelage fordern die Versorgungswerke eine strategische Vorausschau, betriebswirtschaftliche Robustheit und politische Klarheit – nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Berufsangehörigen und deren Arbeitsumfeld.
Genau hier beginnt die Relevanz für Apothekenbetreiber. Wer als Arbeitgeber tarifliche Leistungen absichert, Personalbindung durch betriebliche Altersvorsorge stärken will oder bei wirtschaftlicher Belastung über Beitragsstundungen nachdenkt, braucht verlässliche Kommunikation mit dem zuständigen Versorgungswerk. Zugleich entsteht ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis: Die Stabilität der Versorgungswerke hängt langfristig von der ökonomischen Tragfähigkeit der Apothekenstruktur ab. Wenn Standorte schließen, Beiträge stagnieren oder Selbstständigkeit gemieden wird, verliert das System an Tragfläche.
Deshalb sollten Apothekeninhaber – besonders in Zeiten politischer Umbrüche – auf drei Faktoren achten: Erstens auf die eigene Risikostreuung durch flexible Vorsorgeoptionen innerhalb und außerhalb des Versorgungswerks. Zweitens auf die gezielte Informationsbeschaffung über Beteiligungsmodelle oder neue Anlagestrukturen, falls freiwillige Zuzahlungen oder Sonderoptionen erwogen werden. Und drittens auf die Verbindung zwischen betrieblichen Entscheidungen – etwa beim Personal oder der Altersnachfolge – und versorgungsrelevanten Implikationen. Die Zusammenarbeit mit den Versorgungswerken ist längst keine passive Beitragsverwaltung mehr, sondern ein aktiver Teil wirtschaftlicher Betriebsführung.
Die Sitzung in Bremen hat deutlich gemacht: Die Versorgungswerke sind nicht der statische Hintergrund einer Berufsgruppe, sondern ihr stabilisierendes Fundament – und dieses Fundament braucht Stabilität, Kapitalstärke, aber auch zukunftsorientierte Wachsamkeit. Wer als Apotheke heute nur auf das Tagesgeschäft schaut, verpasst die strategische Bedeutung jener Institutionen, die morgen die Altersabsicherung tragen sollen.
Anerkennung erfordert Präzision, Prüfungsdruck und Durchhaltevermögen
Wie ausländische Apothekerinnen in Deutschland Hürden überwinden, Behördenmechanismen durchdringen und Apothekenalltag meistern
Wer als Apothekerin oder Apotheker aus einem Drittstaat nach Deutschland kommt, begegnet einem Anerkennungssystem, das mehr ist als ein bürokratischer Prozess – es ist ein komplexes Gefüge aus rechtlicher Präzision, behördlicher Eigenlogik und nicht selten auch aus Unsicherheit und Zeitverlust. Denn ohne Approbation läuft nichts – weder im Handverkauf noch im Rezepturraum. Diese Approbation jedoch wird nur dann erteilt, wenn nachgewiesen ist, dass sowohl sprachlich als auch fachlich die gleichen Kenntnisse vorliegen wie bei einem EU-Ausbildungsabschluss. Der Weg dorthin führt über zwei große Hürden: die Fachsprachenprüfung und die Kenntnisprüfung. Beides setzt ein hohes Maß an Vorbereitung, Frustrationstoleranz und auch finanzielle Stabilität voraus – denn während des Anerkennungsverfahrens dürfen viele nicht eigenständig arbeiten.
Die Fachsprachenprüfung wird auf C1-Niveau abgenommen und konzentriert sich auf pharmazeutisch-klinische Kommunikation, Rezeptanalyse, Beratungssituationen und Dokumentationsaufgaben. Zuständig sind meist die Landesapothekerkammern, doch die Zuständigkeit variiert. Ebenso unterschiedlich sind die Voraussetzungen: Während einige Bundesländer eine Vorabprüfung des Ausbildungsstands verlangen, setzen andere auf die Gleichwertigkeitsprüfung am Ende. Besonders problematisch: In manchen Ländern vergehen zwischen Antragstellung und Prüfungszulassung Monate – nicht selten auch über ein Jahr. Das bedeutet Stillstand für die Antragsteller, die bereits in Deutschland wohnen, oft mit Familie, aber ohne geregeltes Einkommen.
Die Kenntnisprüfung, oft als „kleines Staatsexamen“ bezeichnet, ist wiederum eine staatlich organisierte Fachprüfung auf dem Niveau des dritten Staatsexamens deutscher Pharmaziestudenten. Inhalte sind unter anderem Pharmakologie, pharmazeutische Technologie, Recht, Analytik, Rezeptur. Der Zugang zur Prüfung erfolgt erst, wenn die Gleichwertigkeit der Ausbildung nicht belegt werden kann – was in fast allen Drittstaaten der Fall ist. Die zuständigen Landesbehörden sind in der Regel Regierungspräsidien oder Landesprüfungsämter, die ebenfalls je nach Bundesland unterschiedlich organisiert sind. Für die Prüflinge bedeutet das: keine Standards, keine Transparenz, keine bundesweit einheitliche Struktur. Die Vorbereitung erfolgt oft autodidaktisch oder in eigens organisierten Kursen – ohne bundesgeförderte Programme, ohne zentrale Curricula.
Dabei wäre gerade hier Struktur dringend nötig. Denn mit jedem zusätzlichen Jahr bis zur Approbation gehen wichtige Arbeitskräfte verloren. Der demografische Druck im Apothekenwesen wächst, und viele Inhaberinnen und Inhaber suchen händeringend nach Verstärkung. Derzeit werden bundesweit über 1.000 Approbierte aus Drittstaaten gezählt, die auf eine Anerkennung warten – einige von ihnen seit zwei, drei Jahren. Ohne klare Koordination zwischen Bundes- und Landesebene, ohne abgestimmte Zeitpläne und ohne Mindeststandards für Prüfungsinhalte bleibt der Anerkennungsprozess ein Flickenteppich, der Bewerber wie Betriebe gleichermaßen überfordert.
Gleichzeitig zeigen Projekte auf Länderebene, wie es besser geht: In Niedersachsen bietet die Apothekerkammer vorbereitende Kurse an, in Bayern werden angehende Apothekerinnen in Praxispartnerschaften mit Vor-Ort-Apotheken begleitet, Berlin entwickelt interkulturelle Sprachmodule. Doch all diese Lösungen bleiben auf regionalem Niveau hängen – ein bundesweites Förderprogramm existiert bislang nicht. Das ist nicht nur integrationspolitisch fahrlässig, sondern auch standortpolitisch kontraproduktiv: Wer auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen ist, sollte ihre Integration nicht dem Zufall überlassen.
Denn hinter jeder ausländischen Apothekerin, die sich der Sprachprüfung stellt, steckt nicht nur pharmazeutisches Wissen, sondern auch eine Biografie, ein Familienumfeld, ein wirtschaftliches Risiko – und nicht zuletzt die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Das deutsche Anerkennungssystem verlangt ihnen viel ab. Es könnte ihnen aber auch viel zutrauen. Ein Ansatz, der künftig nicht nur gerechter, sondern auch effizienter wäre.
Behördliches Zögern kostet Arbeitskraft, Anerkennungsverfahren blockiert Integration, Apotheken verlieren wertvolle Zeit
Wie schleppende Approbationsprozesse ausländische Apotheker ausbremsen, Inhaber in Bedrängnis bringen und Fachkräftesicherung behindern
Der Bedarf an qualifiziertem Apothekenpersonal in Deutschland ist hoch, doch administrative Hürden erschweren vielerorts eine zügige Rekrutierung. Ein Beispiel liefert der hessische Apotheker Andreas Grünebaum, der über Monate hinweg auf die Anerkennung eines ausländischen Apothekers wartete – vergeblich. Die lange Bearbeitungszeit im Landesamt kostete nicht nur eine dringend benötigte Fachkraft, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf strukturelle Probleme im Approbationsverfahren.
Der betroffene Apotheker, dessen Name nicht öffentlich genannt wird, hatte in seinem Herkunftsland Pharmazie studiert, Berufserfahrung gesammelt und die nötigen Unterlagen fristgerecht eingereicht. Grünebaum hatte ihn als zukünftigen Angestellten fest eingeplant – zumal bereits akuter Personalbedarf herrschte. Doch das Verfahren zur Anerkennung seines Berufsabschlusses geriet ins Stocken. Die Fachsprachprüfung, eine zwingende Voraussetzung zur Approbation, wurde trotz mehrfacher Rückfragen nicht angesetzt. „Das ist kein Einzelfall“, sagt Grünebaum. Die Verzögerung führte letztlich dazu, dass der Bewerber absprang und sich anders orientierte.
Auf Anfrage verwies das zuständige Landesamt auf hohe Fallzahlen, begrenzte Ressourcen und die Abhängigkeit von externen Prüfstellen. Man bemühe sich um zügige Bearbeitung, doch die Realität bleibt eine andere: Zwischen Antragstellung und tatsächlicher Approbation können bis zu zwölf Monate vergehen. Währenddessen dürfen die Bewerber nicht arbeiten – eine Situation, die sowohl den Betroffenen als auch die Apotheken in eine Zwangslage bringt.
Der Fall Grünebaum verdeutlicht exemplarisch, wie systemische Trägheit reale Versorgungslücken verstärkt. Denn ausländische Apotheker könnten eine Entlastung bringen – wenn ihnen nicht bürokratische Ketten anlegt würden. Während viele Bundesländer versuchen, den Anerkennungsprozess durch digitale Verfahren, Fachsprachkurse und strukturierte Kenntnisprüfungen zu beschleunigen, bleibt die Umsetzung oft punktuell.
Für Grünebaum und viele andere Apothekenbetreiber, die auf internationale Fachkräfte setzen, wird das zur wirtschaftlichen Belastung. Denn offene Stellen bedeuten nicht nur Arbeitsverdichtung im Team, sondern auch begrenzte Öffnungszeiten, unbesetzte Rezepturen oder Lieferverzögerungen. Die Politik hat die Bedeutung ausländischer Apothekerinnen und Apotheker im Prinzip erkannt – umgesetzt ist bislang wenig.
Der Apothekerverband Hessen fordert nun eine zentrale Koordinierungsstelle, die die Verfahren länderübergreifend transparent macht, Fristen garantiert und Prüfungsplätze verbindlich zuteilt. Auch eine bundesweite Plattform für anerkannte Sprachprüfer und eine verbindliche Rückmeldefrist innerhalb von sechs Wochen nach Antragstellung wird angestrebt.
Solange aber föderale Uneinigkeit, Unterkapazitäten in den Behörden und ein defizitäres Prüfmanagement den Takt vorgeben, bleibt der Verlust von Bewerbern wie im Fall Grünebaum kein Einzelfall, sondern ein systemischer Schwund – und ein ungenutztes Potenzial in Zeiten des Fachkräftemangels.
Gesundheitsversorgung neu denken, Sektorengrenzen überwinden, Verantwortung vernetzen
Wie Gesundheitsregionen Versorgungslücken schließen, kommunale Innovationskraft stärken und Niedersachsen zum Vorbild für integrierte Prävention machen
Wenn Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi Gesundheitsregionen als „unverzichtbare Innovationstreiber“ bezeichnet, dann ist das weit mehr als eine politische Festrede – es ist ein Signal, dass die strukturelle Logik im Gesundheitswesen sich verschieben muss: weg vom reinen Reparaturbetrieb, hin zu integrierter Prävention, vernetzter Versorgung und kommunal verankerter Verantwortung. Das zehnjährige Jubiläum der Gesundheitsregion Hannover steht dabei exemplarisch für eine Entwicklung, die landesweit Maßstäbe setzt – und bundesweit Schule machen könnte. Die Bilanz ist beachtlich: Über 75.000 Bürgerinnen und Bürger wurden mit gezielten Aufklärungskampagnen erreicht, palliativmedizinische Strukturen wurden sektorenübergreifend verbessert, und die Stadt Burgwedel entwickelte sich zu einer Modellkommune für demenzsensible Stadtplanung. Das sind keine zufälligen Erfolge, sondern Resultate systemischer Veränderung durch lokales Gesundheitsmanagement.
Gesundheitsdezernentin Christine Karasch (CDU) bringt es auf den Punkt: „Die kommunale Gesundheitsversorgung steht zunehmend unter Druck.“ In einer Zeit, in der Fachkräftemangel, Krankenhausdichte und hausärztliche Versorgung an ihre Grenzen stoßen, wird es zur politischen und strukturellen Notwendigkeit, bisherige Sektorengrenzen zu überwinden. Das Versorgungsmodell der Zukunft ist kein System aus Insellösungen, sondern ein Gewebe aus kommunalen, ärztlichen, pflegerischen und zivilgesellschaftlichen Fäden. Gesundheitsregionen bieten genau das – ein lernendes, flexibles Netzwerk, das in der Lage ist, auf demografische, infrastrukturelle und epidemiologische Herausforderungen lokal zu reagieren, aber auch landesweite Leitlinien zu setzen.
Gerade das Beispiel Burgwedel zeigt, wie kommunale Verantwortung in konkrete Maßnahmen übersetzt werden kann. Eine demenzsensible Kommune ist nicht nur ein Konzept, sondern Ausdruck gelebter Fürsorgepolitik – von barrierefreien Wegen über Orientierungshilfen bis hin zu Schulungen für Einzelhandel und Verwaltung. Dass dies nicht nur sozial wirksam, sondern auch gesundheitspolitisch effizient ist, zeigt sich an den Rückmeldungen aus der Bevölkerung, aber auch in der spürbaren Entlastung angrenzender Versorgungssysteme.
Bemerkenswert ist auch die Einrichtung der Arbeitsgruppe Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (Kaep), die Polizei und Feuerwehr in gemeinsamen Notfallszenarien schult – eine Initiative, die verdeutlicht, wie Sicherheits- und Gesundheitswesen ineinandergreifen müssen, wenn die Lage komplex wird. In Zeiten multipler Krisen – von Pandemien bis Extremwetter – wird Resilienz zur Führungsaufgabe. Kommunen, die heute multiprofessionell üben, werden morgen krisenfester handeln.
Dass dieses Modell inzwischen auf 40 von 46 Landkreise und kreisfreie Städte in Niedersachsen ausgeweitet wurde, spricht nicht nur für seine Akzeptanz, sondern für seinen Erfolg. Die kommunale Gesundheitsplanung, lange Zeit ein politisches Stiefkind, ist zur Schaltzentrale für integrierte Versorgung geworden. Ob Hebammenversorgung, Nachwuchssicherung im öffentlichen Gesundheitsdienst oder psychische Gesundheit von Jugendlichen – die Bandbreite der Themen ist groß, aber der Ansatz ist immer derselbe: frühzeitige Identifikation von Versorgungslücken, kooperative Entwicklung von Lösungen, nachhaltige Verankerung vor Ort.
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann von der Universität Greifswald lieferte mit seinem Vortrag zur Rolle der Kommunen in der gesundheitlichen Versorgung das konzeptionelle Fundament für die Diskussionen des Jubiläumstages. Denn klar ist: Kommunen sind nicht nur Adressaten von Gesundheitspolitik – sie sind Akteure, Innovationsräume, Systempartner. Nur wenn kommunale Akteure frühzeitig beteiligt sind, entsteht eine Gesundheitsarchitektur, die regional trägt und strukturell verlässlich ist.
Der Jubiläumstag wurde bewusst nicht als Rückblick, sondern als Auftakt verstanden. In der abschließenden Diskussionsrunde zeigte sich: Die kommunale Gesundheitslandschaft ist bereit für den nächsten Schritt – mehr Eigenverantwortung, mehr Gestaltungsspielraum, mehr Verbindlichkeit. Die politischen Signale aus Hannover und Greifswald deuten darauf hin, dass dieser Weg gewollt ist. Es liegt nun an Land, Kommunen und Kassen, aus dem Erfolgsmodell ein Regelmodell zu machen – und aus Innovationsinseln eine neue Versorgungsrealität.
Therapiestandard betont Evidenz, Kassenpflicht verengt Versorgung, Ausnahme schützt Kinder
Warum der G-BA nur noch tierische Pankreasenzyme anerkennt, fungale Produkte ausschließt und pädiatrische Ausnahmen bestehen bleiben
Die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Pankreasenzyme künftig nur noch bei tierischem Ursprung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu erstatten, hat erhebliche Konsequenzen für Patienten, Apotheken und Hersteller. Mit der Änderung der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) zieht das Gremium eine klare Linie: Erstattet werden nur noch Enzyme, die direkt aus dem Pankreas stammen – vornehmlich porziner Herkunft. Fungale Präparate, die aus Pilzkulturen wie Rhizopus oryzae oder Aspergillus oryzae stammen und bislang ebenfalls unter dem Begriff der Pankreasenzyme liefen, sind ab sofort von der GKV-Leistungspflicht ausgeschlossen. Eine einzige Ausnahme wurde gewährt: Kinder unter zwölf Jahren dürfen weiterhin auch mit nicht-tierischen Produkten versorgt werden, sofern dies ärztlich begründet ist.
Die Entscheidung folgt auf eine Überprüfung der bisherigen Verordnungspraxis, die laut G-BA durch „unterschiedliche Auffassungen“ über die Auslegung der bisherigen AM-RL-Formulierungen geprägt war. Während viele Ärzte und Apotheken Enzyme pflanzlichen oder fungalen Ursprungs als Pankreasersatz betrachteten, sahen andere im Begriff eine klare Referenz auf die Herkunft – das Organ Pankreas selbst. Mit der nun geltenden Formulierung „aus dem Pankreas gewonnene Enzyme“ verschärft der G-BA die Definition und grenzt gleichzeitig die Versorgung auf ein engeres Spektrum ein. Dies betrifft sowohl chronische als auch funktionelle Formen der Pankreasinsuffizienz, wie sie bei Mukoviszidose oder nach Gastrektomie auftreten.
In der Begründung verweist der Ausschuss ausdrücklich auf die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin. Während für porzine Enzyme – also aus Schweinepankreas gewonnene – eine Vielzahl randomisierter kontrollierter Studien vorliegt, seien für die fungalen Alternativen keine gleichwertigen Evidenznachweise identifizierbar gewesen. Damit entfällt für diese Präparate die Grundlage einer Kassenleistung gemäß den Maßstäben des § 92 SGB V. Die Maßnahme gilt bereits seit dem 9. Mai 2025 und dürfte in vielen Apotheken bereits erste Auswirkungen zeigen – etwa durch Ablehnung der Erstattung, Rückfragen bei der Belieferung oder notwendige Umstellungen bei der Lagerhaltung.
Aus pharmazeutischer Sicht birgt die Maßnahme eine Reihe operativer Implikationen: Apotheken müssen bestehende Rezepturen und Präparate neu prüfen, alternative Produkte bereithalten und die Beratung betroffener Patienten anpassen. Hersteller fungaler Enzympräparate verlieren de facto den Zugang zum Kassenmarkt und müssen entweder klinische Nachweise nachliefern oder ihr Geschäftsmodell auf den OTC-Bereich beschränken. Auf Seiten der Ärzt:innen kann es zu Unsicherheiten kommen, insbesondere bei Patienten, die bislang fungale Enzyme vertrugen und nun eine Umstellung auf tierische Produkte vollziehen müssen – mit ungewisser Verträglichkeit, nicht zuletzt für vegane oder religiös eingeschränkte Patientengruppen.
Die Ausnahme für Kinder unter zwölf Jahren zeigt, dass der G-BA die therapeutische Realität durchaus berücksichtigt. Insbesondere in der pädiatrischen Mukoviszidoseversorgung können individuelle Unverträglichkeiten oder Unzugänglichkeiten tierischer Präparate medizinisch relevant sein. Die Regelung schließt daher eine starre Anwendung aus und erlaubt ärztliche Differenzierung – allerdings unter einem eng begrenzten Altersrahmen.
Hinter dem scheinbar technischen Begriff „Pankreasenzyme“ verbirgt sich damit ein Regelungskomplex, der ethische, wirtschaftliche und versorgungspolitische Fragen aufwirft. Denn obwohl fungale Enzyme pharmakologisch vergleichbare Wirkstoffe enthalten – Lipasen, Proteasen, Amylasen – zählt für den G-BA allein die methodisch validierte Wirksamkeit, nicht die molekulare Ähnlichkeit. Der Entscheid sendet ein Signal an die Industrie: Wer in den GKV-Markt will, muss die Kriterien der klinischen Forschung erfüllen – molekulare Funktion genügt nicht. Gleichzeitig zeigt sich die Versorgungsrealität erneut regulativ verwundbar, wenn therapeutische Alternativen nicht ausreichend beforscht oder publiziert sind.
Für Apothekenbetreiber heißt das: Rezeptprüfprozesse müssen verschärft, Lieferketten angepasst und Beratungsstrukturen überarbeitet werden. Die Neuregelung betrifft zwar ein enges Indikationsspektrum, dieses jedoch mit hoher Relevanz – Mukoviszidose etwa ist lebensverkürzend, erfordert dauerhaft hohe Therapieadhärenz und stellt besonders hohe Anforderungen an die Verordnungsqualität. Fehlerhafte Abgaben könnten zur Retaxation führen oder Haftungsrisiken bergen. Gleichzeitig steigt die Verantwortung im Beratungsgespräch: Welche Präparate sind weiterhin erstattungsfähig? Welche Umstellungen sind möglich und medizinisch vertretbar? Wie kann man Patienten auffangen, die bisher fungale Enzyme gut vertragen haben?
Offen bleibt, ob die Industrie auf die Neuregelung mit klinischen Studien reagieren wird. Einige Hersteller verfügen über Enzympräparate, die außerhalb der bisherigen Indikation – etwa im Bereich funktioneller Dyspepsien – vermarktet werden. Sollte es gelingen, deren Nutzen auch für Mukoviszidose oder Pankreasinsuffizienz evidenzbasiert zu belegen, wäre eine Wiederaufnahme in die Anlage I denkbar. Bis dahin jedoch gilt: Nur wer „aus dem Pankreas gewonnene Enzyme“ verordnet, kann auf GKV-Kosten arbeiten.
Der Schritt reiht sich ein in eine Reihe von Maßnahmen zur Präzisierung der Arzneimittelversorgung, bei denen der G-BA zunehmend stärker zwischen molekularer Ähnlichkeit und klinischer Evidenz unterscheidet. Für die Praxis bedeutet das nicht nur mehr Klarheit – sondern auch ein Mehr an Dokumentations-, Prüf- und Umstellungsaufwand. Die Versorgung bleibt gesichert – aber enger. Und die Diskussion über naturidentische versus biologische Herkunft ist damit keineswegs beendet, sondern wird mit neuem Nachdruck geführt werden müssen.
Warnsignal im Kinderzimmer, Irrglaube im Gummibärchenformat, Verantwortung in der Schlafberatung
Wie melatoninhaltige Einschlafhilfen für Kinder zur Gesundheitsgefahr werden, warum Eltern falsche Sicherheit kaufen und welche Verantwortung die Beratungspraxis trägt
Eltern, die im Alltag an ihre Grenzen stoßen, greifen schnell zu scheinbar harmlosen Mitteln – insbesondere wenn es um das Einschlafen ihrer Kinder geht. Melatonin-Gummis, niedlich verpackt und aromatisiert, versprechen Linderung bei Einschlafproblemen und werden online wie im Handel als natürliche Alternative zu Schlafmitteln beworben. Doch was nach Beruhigung klingt, ist in Wahrheit ein medizinischer Eingriff ins empfindliche Hormonsystem eines Kindes. Stiftung Warentest hat nun explizit vor der Anwendung solcher Präparate bei Kindern gewarnt – mit deutlichen Worten und einem klaren Appell an Aufsichtsbehörden, Eltern und Apotheken.
Dass Melatonin ein körpereigenes Hormon ist, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert, suggeriert auf den ersten Blick Ungefährlichkeit. Doch genau dieser biologische Wirkmechanismus macht das Hormon bei unsachgemäßer Anwendung so problematisch: Es greift direkt in die physiologische Schlafregulation ein. Während Erwachsene ihre Einnahme eigenverantwortlich regulieren können, sind Kinder dem elterlichen Zugriff ausgeliefert – und geraten damit schnell in eine Abhängigkeit von Einschlafhilfen, die nie für ihren Organismus bestimmt waren. Die Stiftung Warentest untersuchte vier freiverkäufliche melatoninhaltige Produkte, darunter das bekannte „ZzzQuil Gute Nacht Kids“ von Wick. Die Analyse zeigte: Nicht nur fehlen eindeutige gesetzliche Vorgaben zum erlaubten Melatoningehalt in Nahrungsergänzungsmitteln, auch die realen Laborwerte weichen von den Herstellerangaben ab – bei Wick enthielt ein Gummibärchen nicht 0,5, sondern 0,76 Milligramm Melatonin.
Die Folgen sind gravierend. Schon eine Einmaldosis kann laut Stiftung Warentest die Konzentration des Wachstumshormons beeinflussen. Das bedeutet: Ein nach Frucht schmeckendes Gummibärchen kann im Zweifel mehr als nur eine schlaflose Nacht verursachen. Nebenwirkungen wie Albträume, morgendliche Benommenheit oder motorische Unsicherheit sind dokumentiert, ebenso wie die Gefahr einer Überdosierung. In den USA war Melatonin 2021 in knapp fünf Prozent aller kindlichen Giftnotfälle involviert – eine Zahl, die alarmieren muss. In Deutschland ist die Regelungslücke ebenso gefährlich wie das Fehlen klarer Altersbeschränkungen oder Abgabevorgaben. Produkte, die Hormone enthalten, dürfen nicht wie Bonbons gehandelt werden – doch genau das passiert aktuell.
Noch kritischer wird die Lage durch die suggestive Gestaltung der Produkte. Bunte Verpackungen, kindgerechte Aufmachung, süßer Geschmack – all das verharmlost die Wirkweise. Dass Hersteller zugleich Dosierungsempfehlungen aussprechen, die eine tägliche Einnahme nahelegen, obwohl der Langzeitnutzen nicht einmal wissenschaftlich untersucht ist, ist fahrlässig. Apotheken und beratende Stellen stehen in der Verantwortung, diese Entwicklungen zu korrigieren. Kinder, die regelmäßig länger als 20 Minuten zum Einschlafen brauchen, benötigen keine Hormonpräparate, sondern eine strukturierte Schlafhygiene und gegebenenfalls psychosoziale Unterstützung. Sozialpädiatrische Zentren, Schlafambulanzen oder verhaltensmedizinische Beratungsstellen sind erste Anlaufpunkte – nicht die Regale von Drogeriemärkten oder Onlineportale ohne fachliche Einordnung.
Das Problem beginnt aber nicht bei der Substanz, sondern bei der Erwartungshaltung. Der Wunsch, dass Kinder „funktionieren“, still und stressfrei einschlafen, darf nicht dazu führen, dass natürliche Entwicklungsschritte mit Hormonpräparaten übergangen werden. Einschlafprobleme sind häufig altersgerecht, oft Ausdruck emotionaler Prozesse oder familiärer Belastung. Wer hier vorschnell zu Melatonin greift, verlagert nicht nur das Problem – er verschiebt die Eigenregulation des Kindes und riskiert langfristige Dysregulationen. Die Stiftung Warentest hat mit ihrer Warnung nicht nur ein Produkt ins Visier genommen, sondern eine Denkweise: dass Schlafverhalten optimierbar ist, wie ein Menüpunkt in einer App. Doch Kinder sind keine Systeme, die sich durch Gummibärchen updaten lassen.
Eltern, die sich überfordert fühlen, brauchen professionelle, niedrigschwellige Hilfen, keine hormonellen Placebos. In der Verantwortung stehen auch Apothekenteams – nicht als Verkäufer von Hilfsmitteln, sondern als Gatekeeper gesundheitlicher Integrität. Jede Nachfrage zu Einschlafproblemen sollte Anlass für ein Gespräch sein – nicht für ein Verkaufsangebot. Die Warnung von Warentest ist deshalb nicht nur ein Aufruf zur Regulierung, sondern eine Mahnung zur Haltungsänderung im gesamten Gesundheitssystem. Schlaf beginnt nicht mit Tabletten – sondern mit Vertrauen, Geduld und Begleitung.
Ich habe ein reines Gewissen, ich hatte keine Wahl, ich übernehme die Verantwortung
Jens Spahn verteidigt seine Corona-Beschaffungspolitik, verweist auf systemische Notlagen und deutet auf internen Bericht der Nachfolgerin Nina Warken
Trotz massiver Kritik an den damals im Bundesgesundheitsministerium veranlassten Maskenvergaben hält Jens Spahn an seiner Grundhaltung fest: Als Krisenminister habe er mit klarem Gewissen und unter maximalem Handlungsdruck Entscheidungen getroffen, die sich rückblickend zwar als angreifbar, aber nicht als verantwortungslos darstellen lassen. Die Aussage des heutigen CDU-Fraktionsvorsitzenden im ZDF-„Heute Journal“ ist ebenso Abgrenzung wie Selbstbehauptung: Spahn gesteht Fehler in der Rückschau ein, bleibt jedoch überzeugt, dass die Lage damals andere Maßstäbe verlangte als es heutige Bewertungen zulassen. Seine explizite Erwartung: eine baldige Offenlegung der internen Ministeriumsprüfung durch seine Parteikollegin und Nachfolgerin im Amt, Bundesgesundheitsministerin Nina Warken. Der angekündigte Bericht dürfte nicht nur Spahns Rolle in der Pandemiepolitik neu vermessen, sondern auch Fragen nach Vergabekultur, Verantwortungsteilung und rechtlicher Steuerung im Kabinett Merkel erneut aufwerfen.
Der Fall Fiege ist exemplarisch für den Druck, unter dem Spahns Haus agierte – und für die Brisanz, die mit der Nähe zu Spahns westfälischem Wahlkreis einhergeht. Spahn bestreitet, konkrete Warnungen vor dem Logistiker erhalten zu haben, räumt aber ein, dass das Unternehmen rasch beauftragt wurde, weil es im Gegensatz zur Bundeswehr über die notwendige Lagerinfrastruktur verfügte. Diese Begründung lenkt den Fokus auf strukturelle Engpässe, denen das Kabinett mit improvisierten Mitteln begegnete. Auch andere Logistikkonzerne wie DHL und Schenker seien nachgezogen worden. Dass Spahns Ministerium den Auftrag federführend übernahm, verteidigt er ebenfalls – die klassischen Beschaffungsstellen von Innen- und Verteidigungsressort seien auf akute Pandemielagen schlicht nicht vorbereitet gewesen. Das Plädoyer lautet: pragmatisch, nicht perfekt.
Diese Logik setzt sich auch in der Rechtfertigung überhöhter Maskenpreise fort. Spahn verweist auf eine aggressive Konkurrenz durch andere Staaten, die mit Bargeld vor Ort Lieferungen abfingen. In einer solchen Gemengelage sei es notwendig gewesen, „unorthodox“ zu agieren. Seine Bilanz: Deutschland habe die Pandemie vergleichsweise stabil überstanden, was auch auf die ad-hoc-Beschaffung zurückzuführen sei. Dass nun, Jahre später, politisch und juristisch über Zuständigkeiten und Versäumnisse gestritten werde, sieht Spahn als Teil der demokratischen Aufarbeitung – nicht jedoch als Beweis für moralisches oder strukturelles Versagen.
Politisch wird der Fall erneut brisant, weil mit Nina Warken nicht nur eine CDU-Ministerin die internen Prüfungen verantwortet, sondern weil die Union selbst das Transparenzverlangen anführt. Der angekündigte Bericht soll laut Spahn dem Bundestag „nächste Woche“ vorliegen – womöglich flankiert von parlamentarischer Debatte und neuer Forderung nach Reformen in der Vergabepraxis. Der Balanceakt zwischen Entlastung und Aufklärung wird zur parteipolitischen Gratwanderung. Sollte Warkens Bericht Spahns Entscheidungen relativieren, könnte dies der CDU in der Rückschau nützen – fällt er hingegen kritisch aus, geriete Spahns Autorität als Oppositionsführer ins Wanken.
In jedem Fall offenbart der Rückgriff auf Spahns Gewissen – das „reine“, wie er betont – eine politpsychologische Dimension: Er stellt nicht bloß Fakten zur Diskussion, sondern das Ethos politischer Führung in der Krise. Die Verantwortung für umstrittene Entscheidungen wird nicht geleugnet, sondern in den Kontext maximaler Notwendigkeit gestellt. Damit bringt Spahn die zentrale Verteidigungsfigur aller pandemischen Politik auf den Punkt: moralisch integer, operativ unvollkommen, aber letztlich – so der Anspruch – systemisch legitim.
Kombination mit Risiko, Warnsignal im Blutbild, therapeutische Umkehr durch Absetzen
HDL-Absturz unter Bempedoinsäure und Fenofibrat zwingt zur Wachsamkeit – Fallbericht mit schwerem Verlauf führt zu neuen Sicherheitsüberlegungen
In der klinischen Realität der Fettstoffwechseltherapie zeigt sich ein bisher wenig beachtetes Risiko: Die Kombination aus Bempedoinsäure und Fenofibrat kann in seltenen Fällen zu einem massiven HDL-Abfall führen – mit potenziell dramatischen Folgen für das kardiovaskuläre Risiko. Ein aktueller Fallbericht, den die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) aufgreift, lenkt den Fokus auf diese gefährliche Wechselwirkung: Bei einem 55-jährigen Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie fiel der HDL-Cholesterinwert unter der Vierfachkombination aus Ezetimib, Evolocumab, Fenofibrat und zusätzlich verordneter Bempedoinsäure auf nur noch 5 mg/dl – ein Wert, der weit unterhalb der physiologischen Untergrenze liegt und mit einer erhöhten Morbidität einhergeht. Der Patient war wegen Statinunverträglichkeit auf diese alternative Lipidsenkungsstrategie angewiesen, doch die Nebenwirkung war nicht zu übersehen: Der kritische HDL-Absturz wurde zufällig entdeckt, klinisch begleitet von pathologischen Stomatozyten im Blutausstrich – ein weiteres Signal für eine hämatologische Belastung.
Nach dem Absetzen von Fenofibrat kam es zu einer vollständigen Normalisierung sowohl der HDL-Werte als auch der Blutbildveränderungen. Diese klare Kausalität wurde durch eine gezielte Nachrecherche untermauert: Weitere Patientenfälle zeigten vergleichbare Muster, in denen HDL-Werte nach dem gemeinsamen Einsatz der beiden Substanzen stark absanken – und sich nach dem Stopp von Fenofibrat wieder erholten. Die AkdÄ rät deshalb zu einer erhöhten Aufmerksamkeit bei der Kombinationstherapie mit Bempedoinsäure, insbesondere in Verbindung mit Fibraten. Obwohl die Nebenwirkung selten zu sein scheint, ist sie nicht trivial – denn der Verlust von HDL, dem „kardioprotektiven“ Lipidanteil, kann langfristig zur Destabilisierung der Gefäßgesundheit beitragen.
Der Fall illustriert beispielhaft, wie komplex und gleichzeitig fragil die Balance in der Lipidtherapie bei Hochrisikopatienten sein kann. Gerade wenn multiple Substanzen kombiniert werden – ob aufgrund von Statinunverträglichkeit oder unzureichendem LDL-Ansprechen – ist die regelmäßige Kontrolle der Lipidunterfraktionen, einschließlich HDL, obligat. Noch fehlen systematische Studien zur Häufigkeit und Pathophysiologie dieser spezifischen Wechselwirkung, doch der klinische Hinweis ist eindeutig: Derartige Konstellationen sind nicht nur biochemisch auffällig, sondern therapeutisch hochrelevant. Die Erfahrung aus diesem Fall sollte in die Praxis zurückwirken – als Erinnerung daran, dass auch neue Lipidsenker in Kombination mit etablierten Wirkstoffen unerwartete Dynamiken entfalten können.
Bremsen beißen brutal, Hausmittel wirken begrenzt, Schutz bleibt Strategie
Wie Schmerz und Juckreiz entstehen, warum Hitze besser hilft als Kälte und welche Maßnahmen Mensch und Tier wirklich schützen
Sie kommen lautlos, fliegen tagsüber, stechen nicht – sondern beißen. Wer im Sommer am Wasser sitzt, auf einer Wiese liegt oder mit dem Fahrrad durch die Felder fährt, kennt das plötzliche, brennende Gefühl auf der Haut: Eine Bremse hat zugebissen. Kaum wahrgenommen, kaum gesehen, hinterlässt sie ein unangenehmes Andenken, das Stunden oder gar Tage nachwirken kann. Bremsen sind keine gewöhnlichen Plagegeister – sie sind aggressive Blutsauger mit einer überraschenden anatomischen Brutalität, biologischer Zielstrebigkeit und ökologischer Unentbehrlichkeit.
Doch der Biss ist mehr als nur lästig. Anders als Mücken, deren feine Stechrüssel unauffällig in die Haut eindringen, arbeiten Bremsen mit scharfen Schneidwerkzeugen. Sie reißen die Haut regelrecht auf, um an die Blutgefäße zu gelangen – ein Vorgang, der aus medizinischer Sicht mit einer kleinen Verletzung gleichzusetzen ist. Dabei injizieren sie Speichel mit gerinnungshemmenden Substanzen, der sowohl die Blutung verlängert als auch die Immunantwort reizt. Die Folge: Rötung, Juckreiz, Schwellung – und im ungünstigsten Fall eine entzündliche Reaktion mit bakterieller Superinfektion.
Was oft als Bagatelle abgetan wird, kann medizinisch relevant werden: Besonders Menschen mit empfindlichem Immunsystem, Allergieneigung oder atopischer Haut sollten einen Bremsenbiss ernst nehmen. Lokale Entzündungen, Lymphknotenschwellungen, Fieber, Schüttelfrost oder gar Atemnot können Symptome eines allergischen Schocks oder einer sekundären Infektion sein. Hier ist eine ärztliche Abklärung unerlässlich.
Die häufigste Reaktion ist jedoch ein unstillbarer Juckreiz – und genau hier liegt eine große Gefahr: Durch Kratzen wird nicht nur der Heilungsverlauf verlängert, sondern auch das Risiko einer bakteriellen Infektion deutlich erhöht. Keime gelangen über die Fingernägel oder den Hautkontakt in die offene Wunde – besonders gefährlich bei Kindern, älteren Menschen und Personen mit Immunschwäche.
Was hilft? Überraschenderweise nicht Kälte, wie oft vermutet. Der injizierte Speichel der Bremse enthält Proteine, die erst bei Hitze ihre Struktur verlieren – etwa ab 40 Grad Celsius. Das erklärt, warum ein heißer Teelöffel, ein warmer Waschlappen oder ein medizinischer Hitzestift die Beschwerden signifikant lindern können. Diese Methode, oft als „thermische Denaturierung“ beschrieben, wirkt nicht nur symptomatisch, sondern unterbricht auch die biochemische Reizung. Wichtig dabei: Die Anwendung sollte innerhalb der ersten Minuten erfolgen – spätere Hitzezufuhr bringt kaum noch Wirkung.
Wer stattdessen auf Hausmittel setzt, muss differenzieren: Aloe Vera spendet Feuchtigkeit und kann beruhigen, reizt jedoch sensible Haut. Kokosöl wirkt antibakteriell, ist aber bei Allergikern mit Vorsicht zu genießen. Rohe Zwiebel hat entzündungshemmende Eigenschaften, kann jedoch auf offenen Hautstellen schmerzhaft brennen. Alle Mittel sollten daher nur nach Hauttest und mit Hygienemaßnahmen angewendet werden.
Zur Vorbeugung hilft vor allem eins: Vermeidung. Bremsen lieben Bewegung, Wärme, Schweiß und dunkle Kleidung – wer draußen Sport treibt oder schwitzt, wird schneller zum Ziel. Helle, langärmelige Kleidung reflektiert Licht und schützt physisch, während Insektenschutzmittel mit DEET oder Icaridin je nach Konzentration wirksam sein können.
Die Details lohnen sich: DEET in einer Konzentration von 30 % schützt bis zu sechs Stunden, bei 50 % sogar bis zu zwölf. Icaridin wirkt bei 20 % für etwa acht Stunden, bei 30 % für zehn. Der Einsatz ist vor allem in feuchten, warmen Gebieten wie Seen, Sümpfen, Flussufern und Waldlichtungen sinnvoll – Orte, an denen Bremsen tagsüber aktiv und auf visuelle Reize fokussiert sind.
Wer unterwegs ist, kann sich zusätzlich auf natürliche Feinde der Bremse verlassen – Wind. Schon leichte Luftbewegung erschwert den Flug der Insekten, weshalb tragbare Ventilatoren als Schutzbarriere überraschend effektiv sind. Auch Gruppenbildung hat einen Effekt: Bremsen konzentrieren sich bevorzugt auf Einzelpersonen.
Ein oft übersehener Aspekt ist der Schaden an Tieren. Pferde, Rinder, Schafe und Hunde gehören zu den Hauptzielen der weiblichen Bremsen – besonders auf offenen Weiden ohne Wind. Die Kombination aus Körperwärme, Schweiß, dunklem Fell und ständiger Bewegung macht sie zur idealen Beute. Pferde reagieren mit Unruhe, Hautverletzungen oder panischem Verhalten.
Um dem entgegenzuwirken, werden vielerorts Bremsenfallen aufgestellt – doch ihre Effizienz ist fraglich. Studien zeigen, dass nur ein Bruchteil der gefangenen Insekten tatsächlich Bremsen sind. Der Großteil besteht aus geschützten oder seltenen Arten wie Wildbienen, Schwebfliegen oder Käfern. Damit ergibt sich ein ökologisches Dilemma: Die Bekämpfung eines Schädlings gefährdet zugleich Nützlinge.
Das macht deutlich: Auch Bremsen haben eine Funktion. Männliche Exemplare ernähren sich ausschließlich von Nektar und leisten einen Beitrag zur Bestäubung. Weibliche Bremsen sind wiederum Bestandteil der Nahrungskette – sie dienen Vögeln, Libellen, Amphibien und Fledermäusen als Proteinquelle. Ihre Larven leben im Boden oder Wasser und zersetzen organisches Material – ein Prozess, der die natürlichen Kreisläufe fördert.
Die Verwechslungsgefahr mit Mücken ist groß, doch die Unterschiede sind grundlegend: Mücken sind dämmerungs- oder nachtaktiv, orientieren sich geruchlich und sind auf warmes Kohlendioxid und Milchsäure fixiert. Bremsen jagen tagsüber, reagieren optisch und bevorzugen große Ziele in Bewegung. Mücken sind stille Diebe, Bremsen brutale Räuber.
Diese Klarheit ist wichtig, um die Bedrohung korrekt einzuordnen – nicht panisch, aber auch nicht naiv. Für Menschen bedeutet das: Bremsenschutz gehört zum Sommer wie Sonnencreme. Für Tierhalter: Die Belastung ist real und muss tiermedizinisch begleitet werden. Und für die Gesellschaft: In einer Zeit des Insektensterbens sind Eingriffe in die Artenvielfalt – so verständlich sie im Einzelfall scheinen – mit Verantwortung zu betrachten.
Bremsen sind unangenehm. Aber sie sind Teil der Natur. Es liegt an uns, sie zu verstehen – und uns klug vor ihnen zu schützen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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