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  • 11.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Marketing steuern, Risiken absichern, Sichtbarkeit strategisch erzeugen
    11.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Marketing steuern, Risiken absichern, Sichtbarkeit strategisch erzeugen
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Marketing ist in Apotheken heute nicht mehr optional. Es geht um Sichtbarkeit, Rechtssicherheit und langfristige wirtschaftliche StabilitÃ...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Marketing steuern, Risiken absichern, Sichtbarkeit strategisch erzeugen

 

Warum Apothekenführung heute juristisch mitdenken, digital auftreten und strukturell investieren muss

 Die Apotheke hat sich längst vom klassischen Ort der Medikamentenabgabe zu einer wichtigen Schnittstelle im Gesundheitssystem entwickelt. Sie verbindet regulatorische Verantwortung mit unternehmerischer Freiheit und steht im Spannungsfeld zwischen ethischer Versorgung und wettbewerblichem Druck. In diesem Umfeld ist Marketing kein optionaler Zusatz mehr, sondern eine zentrale Führungsaufgabe mit unmittelbaren Auswirkungen auf Sichtbarkeit, rechtliche Absicherung und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Apotheken müssen ihre Marktposition in einer Welt digitaler Gesundheitsanbieter und preisgetriebenen Versandapotheken strategisch ausbauen. Dabei reicht es nicht aus, sich auf analoge Routinen zu verlassen. Sichtbarkeit entsteht nicht durch Zufall, sondern durch eine präzise und strukturierte Planung, die juristische Absicherung und innovative digitale Strategien integriert. Dies stellt die erste Herausforderung des modernen Apothekenmarketings dar: die Balance zwischen Struktur, Schutz und langfristiger Strategie.

 

Marketing steuern, Risiken absichern, Sichtbarkeit strategisch erzeugen

Warum Apothekenführung heute juristisch mitdenken, digital auftreten und strukturell investieren muss

Die Apotheke ist längst kein Ort mehr, an dem ausschließlich Medikamente abgegeben werden. Sie ist öffentlicher Gesundheitsakteur, Schnittstelle zwischen regulatorischer Verantwortung und unternehmerischer Freiheit, zugleich Schaufenster ethischer Versorgung und Zielscheibe wettbewerblicher Angriffe. In diesem Spannungsfeld ist Marketing kein dekorativer Zusatz mehr, sondern systemische Führungsaufgabe – mit unmittelbaren Auswirkungen auf Sichtbarkeit, Rechtssicherheit und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit. Wer in einem Markt bestehen will, der von Online-Plattformen, preisgetriebenen Versendern und digitalisierten Gesundheitsanbietern durchdrungen ist, kann nicht auf analoge Routine setzen. Sichtbarkeit entsteht nicht durch Zufall, sondern durch Planung – und genau darin liegt die erste Herausforderung des modernen Apothekenmarketings: Es braucht Struktur, Schutz und Strategie zugleich.

Während früher ein Schaufenster, eine lokale Anzeige oder ein Notdienstkalender ausreichten, um als Apotheke im Bewusstsein einer Region zu existieren, verlangt die heutige Realität eine durchkonzipierte Kommunikationsarchitektur. Sie muss digital anschlussfähig, rechtlich unangreifbar und gleichzeitig so glaubwürdig sein, dass sie das Vertrauen von Patienten und Kooperationspartnern trägt. Es reicht nicht, eine Website zu besitzen – sie muss datenschutzkonform, barrierefrei, berufsrechtlich zulässig und zugleich marketingwirksam sein. Ebenso genügt es nicht, in sozialen Medien präsent zu sein – jede Veröffentlichung muss mit dem Heilmittelwerbegesetz, dem Lauterkeitsrecht und der Berufsordnung vereinbar sein. Und auch klassische Printmaßnahmen wie Kundenmagazine oder Plakataktionen müssen neu gedacht werden: Nicht nur inhaltlich, sondern auch in Bezug auf ihr rechtliches Risikoprofil.

Denn genau hier liegt der blinde Fleck vieler Apothekenleitungen: Marketing wird häufig noch als kreatives Spielfeld betrachtet, nicht als haftungsträchtiger Rechtsraum. Doch gerade weil Apotheken zu den am strengsten regulierten Betrieben im Gesundheitswesen gehören, ist jede Kommunikationsmaßnahme auch ein potenzielles Haftungsobjekt. Wer z. B. Arzneimittelpreise auf seiner Website bewirbt, ohne aktuelle Apothekenbetriebsordnungen, Preisverordnungen oder Rabattgesetzgebung einzurechnen, riskiert Abmahnungen. Wer ohne juristische Beratung in sozialen Medien Kundenfragen zu Wechselwirkungen beantwortet, kann sich schnell im Heilmittelwerberecht verlieren. Und wer glaubt, dass Sponsoringaktionen, Patientenabende oder regionale Imagewerbung ohne Rückbindung an Berufsrecht funktionieren, riskiert nicht nur formale Beanstandungen, sondern den Verlust von Glaubwürdigkeit.

Gleichzeitig wächst der Druck von außen. Onlineplattformen für Rx-Rezepte und Lifestyle-Medikationen besetzen algorithmisch optimierte Sichtbarkeitsräume, globale Handelsriesen unterbieten lokale Apotheken nicht nur preislich, sondern auch kommunikativ. Gesundheitskompetenz wird zunehmend über TikTok, YouTube und Google-Suchergebnisse vermittelt, nicht mehr über das Gespräch am HV-Tisch. In dieser Welt ist der kommunikative Rückzug keine Option. Wer sich nicht positioniert, wird ersetzt. Wer schweigt, verliert. Wer nur reagiert, statt strategisch zu gestalten, wird zur Verwaltungseinheit im System – nicht zum gestaltenden Gesundheitsakteur.

Deshalb muss Marketing in der Apotheke heute als das begriffen werden, was es tatsächlich ist: ein strategisches Führungsinstrument mit juristischem Einschlag. Es ist die Disziplin, in der wirtschaftliche Interessen, berufsethische Maßstäbe und regulatorische Notwendigkeiten miteinander verknüpft werden – oder kollidieren. Die Entscheidung für ein bestimmtes Kommunikationsmittel ist immer auch eine Entscheidung für eine Haltung. Präsenz im Netz bedeutet, sich in ein öffentliches Meinungsfeld zu begeben. Sichtbarkeit ist nie neutral, sondern immer ein Statement – und dieses muss vorbereitet, abgesichert und institutionell getragen sein. Dazu gehören juristisch geprüfte Prozesse genauso wie intern definierte Zuständigkeiten, Schulungen für Mitarbeitende und eine kontinuierliche Überwachung der Rechtsprechung.

Besondere Brisanz gewinnt das Thema Rechtsschutz. Denn viele Apothekeninhaberinnen und -inhaber verfügen zwar über Betriebshaftpflichtversicherungen und ggf. auch über Module für Vermögensschäden – doch der Bereich Marketing wird oft nicht explizit rechtsschutzversichert. Dabei ist es gerade das Wettbewerbsrecht, das in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen hat. Abmahnvereine, konkurrierende Betriebe und sogar Patientenvertretungen prüfen zunehmend Apothekenauftritte auf unzulässige Aussagen. Wer hier keinen branchenspezifischen Rechtsschutz mit Fokus auf Lauterkeitsrecht, DSGVO und Wettbewerbsregeln hat, steht im Ernstfall alleine da – mit teuren Folgen. Die Kombination aus juristisch nicht abgesichertem Marketing und wachsenden Anforderungen an digitale Sichtbarkeit ist brandgefährlich.

Die Lösung ist kein Rückzug aus der Kommunikation, sondern ihre Professionalisierung: Marketing in Apotheken muss künftig als Bestandteil betrieblicher Compliance behandelt werden. Jede Maßnahme sollte mit Blick auf rechtliche Zulässigkeit, wirtschaftliche Tragfähigkeit und strategische Positionierung bewertet werden. Die Rollenverteilung zwischen Agenturen, interner Zuständigkeit und rechtlicher Beratung muss klar definiert sein. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Marketing kein „nice-to-have“ mehr ist, sondern existenziell – sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit als auch für die Schutzwürdigkeit im Konfliktfall.

Was bedeutet das konkret? Erstens: Apotheken benötigen interne Richtlinien für alle kommunikativen Maßnahmen, vom Plakat bis zum LinkedIn-Post. Zweitens: Jede Maßnahme muss mit einem Rechtsrahmen gespiegelt werden, sei es Datenschutz, Berufsordnung oder Heilmittelwerbegesetz. Drittens: Die Sichtbarkeitsstrategie muss mit den wirtschaftlichen Zielen des Betriebs synchronisiert werden – also z. B. die Honorierung von pDLs, die Erschließung neuer Kundengruppen oder die Differenzierung vom Versandhandel. Viertens: Es braucht klare Prozesse für Krisenkommunikation, Social-Media-Management und Rückfragen von Patienten. Und fünftens: Marketingverantwortung gehört in die Führungsetage – nicht in ein externes Nebenbüro.

Denn am Ende ist jede Apotheke ein öffentlich sichtbares System aus Vertrauen, Leistung und Verantwortung. Dieses System ist nur so stark, wie es strukturell abgesichert und kommunikativ klug geführt wird. In einer Welt, in der Informationsdichte, digitale Reichweite und regulatorische Kontrolle zunehmen, ist professionelles Marketing kein Zusatznutzen – sondern Grundbedingung wirtschaftlichen Überlebens. Wer diese Disziplin unterschätzt, riskiert nicht nur sein Image, sondern seine Existenz.

 

Medizinische Nähe, rechtliche Grenze, gesellschaftliche Erwartung 

Warum der BGH entscheiden muss, ob Zuwendung zwischen Arzt und Patient ethisch, rechtlich und institutionell tragbar ist

Ein Erbfall, der auf den ersten Blick wie eine private Entscheidung zwischen einem Patienten und seinem behandelnden Arzt erscheint, entwickelt sich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) zur juristischen Grundsatzfrage mit weitreichenden Folgen für die medizinische Praxis, das Standesrecht und das Vertrauen in heilkundliche Beziehungen. Im Zentrum steht die Frage, ob ein behandelnder Arzt von seinem Patienten als Erbe eingesetzt werden darf, ohne gegen berufsrechtliche Zuwendungsverbote zu verstoßen. Die Entscheidung, die das oberste deutsche Zivilgericht nun zu treffen hat, betrifft nicht nur den konkreten Einzelfall, sondern setzt einen rechtlichen Rahmen für ein Spannungsfeld zwischen therapeutischer Intimität, wirtschaftlicher Einflussnahme und ethischer Unabhängigkeit.

Ausgangspunkt des Verfahrens ist die letztwillige Verfügung eines älteren Mannes, der seinen langjährigen Hausarzt zum Alleinerben eingesetzt hatte. Die Erbfolge wurde nach seinem Tod angefochten, mit der Begründung, der Arzt habe sich in einer Vertrauensstellung befunden, die eine solche Zuwendung unzulässig mache. Die Argumentation stützt sich auf § 14 Musterberufsordnung Ärzte (MBO-Ä), der Zuwendungen untersagt, wenn sie den Anschein erwecken könnten, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient werde für eigennützige Zwecke instrumentalisiert. Doch während sich das Berufsrecht an ethisch-normativer Integrität orientiert, stellt das Erbrecht auf die Testierfreiheit des Erblassers ab. Dieser Konflikt zwischen frei verfasstem Willen und berufsrechtlicher Regulierung bildet den Kern der juristischen Abwägung.

Die bisherige Rechtsprechung zu vergleichbaren Konstellationen ist nicht einheitlich. In einigen Fällen wurden Zuwendungen für gültig erklärt, wenn keine übergriffige Einflussnahme nachweisbar war. In anderen wiederum wurde die Unwirksamkeit solcher Testamente festgestellt, etwa wenn Übervorteilung, psychische Abhängigkeit oder Ausnutzung einer Notlage festgestellt wurden. Nun liegt es am BGH, Kriterien zu entwickeln, mit denen zwischen legitimer Zuneigung und verbotener Einflussnahme unterschieden werden kann. Die mögliche Folge ist ein neuer berufsrechtlicher Standard, der ärztliches Verhalten nicht nur im Behandlungsraum, sondern auch im Nachleben der Beziehung normiert.

Darüber hinaus steht die Frage im Raum, wie weit ärztliche Berufspflichten in die Privatsphäre des Patienten vordringen dürfen. Kann ein Arzt eine Schenkung ablehnen, ohne den Patienten zu verletzen? Muss er sie sogar ausschlagen, um das Berufsethos zu wahren? Und wie können Gerichte künftig feststellen, ob eine Zuwendung Ausdruck freien Willens oder doch Folge unausgesprochener psychologischer Abhängigkeit war? In der medizinischen Praxis stellt sich das Dilemma mit besonderer Schärfe: Gerade ältere und alleinstehende Patienten bauen oft eine enge emotionale Bindung zu ihren Hausärzten auf, die nicht selten die Rolle von Vertrauten übernehmen.

Die Bundesärztekammer sieht in der Frage ein fundamentales Spannungsfeld zwischen Patientenschutz und ärztlicher Selbstregulierung. In einer Stellungnahme betont sie die Bedeutung einer klaren, rechtlich tragfähigen Linie, um das Bild des unparteiischen, uneigennützigen Arztes zu bewahren. Zugleich aber fordert sie eine differenzierte Betrachtung, die auch altruistische Motive und gewachsene Beziehungen nicht pauschal unter Generalverdacht stellt. Damit fordert sie letztlich, dass die Gerichte keine mechanistische Verbotsdogmatik entwickeln, sondern die konkrete Beziehung im jeweiligen Fall vollständig in den Blick nehmen.

Der Fall vor dem BGH wirft zudem ein Schlaglicht auf die Frage, wie Recht, Ethik und Institution interagieren. Denn es geht nicht nur um die Grenzen individueller Zuwendung, sondern um die grundsätzliche Integrität heilkundlicher Institutionen. In einer Zeit, in der ärztliche Dienstleistungen zunehmend kommerzialisiert und patientennahe Berufe unter Marktlogik subsumiert werden, gewinnt das Thema eine neue Brisanz. Wird der Arzt zum legitimen Erben, droht die Vorstellung eines neutralen medizinischen Beistands zu erodieren. Wird er kategorisch ausgeschlossen, könnte eine rechtliche Entmündigung emotionaler Wirklichkeit erfolgen.

Die Entscheidung des BGH steht noch aus, doch ihre Strahlkraft ist bereits jetzt unübersehbar. Sie wird nicht nur klären, wie das Verhältnis von Arzt und Patient nach dem Tod weiterwirkt, sondern auch bestimmen, welche moralischen Anforderungen an heilkundliche Berufe im 21. Jahrhundert gestellt werden. Sie ist ein Indikator für das gesellschaftliche Selbstverständnis von Vertrauen, Verantwortung und Regelbindung in einer hochsensiblen Beziehungsstruktur, die rechtlich bislang kaum normiert ist, aber umso größere Wirkung entfaltet.

 

Fehler nicht kopieren, Versorgung nicht riskieren, System nicht schwächen

Warum automatische Biosimilar-Substitution fatale Folgen hätte, welche Rolle Rabattverträge spielen und was die Politik jetzt konsequent klären muss

Der Streit um die automatische Substitution von Biosimilars erreicht eine neue Eskalationsstufe – ausgelöst durch die Ankündigung des G-BA-Vorsitzenden Josef Hecken, weitere Verfahren zur Austauschbarkeit biopharmazeutischer Arzneimittel einzuleiten. Was zunächst als technokratische Verwaltungsentscheidung erscheinen mag, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein politisch und ökonomisch folgenschwerer Paradigmenwechsel. Denn die Idee, Biopharmazeutika nach dem Prinzip der „Hauptsache billig“-Generikapolitik zu substituieren, birgt nicht nur Versorgungslücken, sondern gefährdet mittelfristig die gesamte Versorgungsarchitektur schwerkranker Patientinnen und Patienten. Genau davor warnt seit Jahren die AG Pro Biosimilars – und schärft nun nochmals ihren Ton. Die automatisierte Austauschbarkeit, so der Vorwurf, sei der Generika-Fehler in Neuauflage: ein regulatorischer Kurzschluss, der ohne realistische Analyse der Marktmechanismen und Produktionsketten neue Engpässe programmiere.

Der Hintergrund ist brisant: 90 Prozent der in Deutschland gehandelten Biosimilars unterliegen bereits heute Rabattverträgen. Dieser hohe Anteil zeugt nicht nur von einer enormen Preissensibilität der Krankenkassen, sondern zugleich von einer gefährlichen Konzentration des Beschaffungsrisikos auf wenige Hersteller. Pro Biosimilars warnt davor, dass eine zusätzliche, verpflichtende Substitution die Anbieterstruktur weiter erodieren lässt. Wenn Krankenkassen in exklusiven Verträgen nur noch mit dem jeweils billigsten Anbieter zusammenarbeiten dürfen, verlassen andere Marktteilnehmer den Wettbewerb. Die Folge: Ein einziges Qualitäts- oder Lieferproblem reicht aus, um ganze Versorgungssegmente – etwa in der Onkologie oder Rheumatologie – zum Erliegen zu bringen.

Diese Entwicklung ist keine Theorie, sondern eine reale Gefahr. Sie wurde bei Generika bereits über Jahre hinweg empirisch sichtbar: Medikamente verschwinden vom Markt, weil sie sich unter den Konditionen nicht mehr produzieren lassen, Engpässe werden zur Dauerrealität, und das Vertrauen in die Lieferfähigkeit des Systems schwindet. Genau diese Dynamik droht sich bei Biosimilars zu wiederholen – allerdings mit deutlich größerem Schadenspotenzial. Denn die Herstellung biopharmazeutischer Präparate ist wesentlich komplexer, regulatorisch aufwendiger und infrastrukturell anspruchsvoller als bei klassischen chemischen Generika. Eine Substitution nach starrem Preisprinzip ignoriert diese Besonderheiten – und verschärft das Problem der Abhängigkeit von Einzelanbietern oder außereuropäischen Produktionsstandorten.

Hinzu kommt ein geopolitischer Kontext, der die Bedeutung einer diversifizierten, resilienten Arzneimittelversorgung zusätzlich unterstreicht. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, zunehmende Lieferkettenprobleme aus Fernost, sowie die steigende Bedeutung strategischer Gesundheitsreserven in Europa machen deutlich: Eine Versorgungspolitik, die den Aspekt der Versorgungssicherheit nicht in den Mittelpunkt stellt, unterläuft ihre eigene Legitimation. Genau das betont Walter Röhrer, Vorsitzender von Pro Biosimilars, in seiner deutlichen Kritik: Eine vorschnelle Entscheidung des G-BA könne die politischen Ziele der Ampelregierung konterkarieren. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) habe selbst angekündigt, Pharmadialog und Arzneistrategie weiterzuführen – doch eine automatische Substitution widerspreche diesen Grundsätzen fundamental.

Röhrers Appell ist klar: Die Politik dürfe sich nicht von der Selbstverwaltung überholen lassen. Entscheidungen, die die Struktur und Funktionsfähigkeit der Versorgung betreffen, müssten in einem offenen, strategisch angelegten Dialog mit allen Akteuren getroffen werden – nicht durch technische Vorfestlegungen im Verwaltungsweg. Es gehe nicht nur um kurzfristige Einsparungen, sondern um langfristige Glaubwürdigkeit. Wenn die Bundesregierung ihre Zusage ernst nehme, die Stabilität der Arzneimittelversorgung zu priorisieren, müsse sie die geplante Substitutionspolitik stoppen oder zumindest aussetzen, bis eine vollständige Folgenabschätzung vorliegt.

Auch gesundheitspolitisch stellt sich die Frage, inwieweit ein so radikaler Eingriff in den Austauschmechanismus überhaupt mit dem Grundsatz der Therapiefreiheit vereinbar ist. Biosimilars sind keine identischen Nachbauten, sondern komplexe Nachbildungen mit eng regulierten, aber biologisch inhärent variierenden Strukturen. Eine erzwungene Austauschpflicht kann nicht nur das Vertrauen der behandelnden Ärzte erschüttern, sondern auch die Adhärenz der Patienten untergraben. Bei chronischen Erkrankungen, etwa Rheumatoider Arthritis, Psoriasis oder Morbus Crohn, kommt es nicht selten zu individuellen Anpassungen – die durch einen bloßen Kassenvorgang ausgehebelt würden.

Schließlich darf auch der wirtschaftliche Aspekt nicht verkürzt betrachtet werden. Ein kurzfristiger Preiswettlauf mag auf dem Papier Einsparungen generieren, doch die gesamtwirtschaftlichen Folgekosten durch Versorgungslücken, Therapieabbrüche oder nötige Umstellungen sind erheblich. Schon heute zeigen sich im Generikamarkt die langfristigen Kosten der vermeintlich effizienten Rabattpolitik: Rückzug von Herstellern, steigende Produktionspreise, massive Fluktuation und der Verlust europäischer Fertigungskapazitäten. Wer diesen Fehler bei Biosimilars wiederholt, schwächt nicht nur den Markt, sondern gefährdet die Patientenversorgung und vergrößert die Abhängigkeit von globalen Krisenlagen.

Die Verantwortung liegt nun bei der Bundesregierung – und bei der Koalition, deren gesundheitspolitisches Selbstverständnis bislang stark auf Versorgungssicherheit und Innovationsförderung ausgerichtet war. Ein Dialog mit Pro Biosimilars, medizinischen Fachgesellschaften, Herstellern, Apothekerschaft und Patientenvertretungen ist überfällig. Noch ist Zeit, die Weichen richtig zu stellen. Doch je länger die Debatte ignoriert wird, desto wahrscheinlicher wird ein Szenario, das nicht nur ökonomisch schadet, sondern Vertrauen kostet – das in einem fragilen Gesundheitssystem längst zur entscheidenden Ressource geworden ist.

 

Jeder vierte Hausarzt kapituliert, jede Stunde zählt, jeder Lösungsweg ist Pflicht

Warum das System an Altersgrenzen scheitert, an Minuten verliert und an Versorgungslogik gewinnen muss

Die hausärztliche Versorgung steht vor einer tektonischen Verschiebung, deren Vorbeben längst zu spüren sind. Was heute noch als punktuelle Unterversorgung registriert wird, droht sich in den kommenden Jahren zu einem strukturellen Mangel auszuwachsen, der das gesamte Versorgungssystem durchdringt. Ein Viertel der Hausärztinnen und Hausärzte plant, in den nächsten fünf Jahren die Praxis aufzugeben – das ist nicht nur ein statistisches Alarmsignal, sondern ein struktureller Ernstfall. Besonders gravierend ist die Erkenntnis, dass es kein Pendant an Nachwuchs gibt, das diese Lücke schließen könnte. Stattdessen verdichtet sich die Lage: Immer mehr Sitze bleiben unbesetzt, immer weniger Mediziner entscheiden sich für eine Niederlassung im hausärztlichen Bereich. Die Bertelsmann Stiftung und die Universität Marburg haben mit ihrer Umfrage unter knapp 3.700 Allgemeinmediziner:innen nicht nur eine Prognose vorgelegt, sondern eine präzise Zustandsbeschreibung geliefert – nüchtern, repräsentativ, unübersehbar.

Es ist nicht nur der Renteneintritt, der die Reihen lichtet. Viele Ärztinnen und Ärzte kündigen explizit einen vorzeitigen Ausstieg an – aus Frustration über administrative Lasten, aus Erschöpfung durch Überstunden, aus Resignation gegenüber einem System, das sich ihrer Lebensrealität zunehmend entfremdet. Gleichzeitig wünschen sich jene, die bleiben, spürbare Veränderungen in ihrem Berufsalltag: Zwei Stunden weniger pro Woche mögen moderat klingen, summieren sich aber bei zehntausenden Ärzten zu einem systemrelevanten Zeitverlust, der in der Versorgungsrealität messbar wird. Schon heute ist die reale Belastung durch Verwaltungsaufwand erheblich – und kaum ein Hausarzt kommt daran vorbei. In Zahlen bedeutet das: 20 Prozent der Arbeitszeit, also etwa ein Tag pro Woche, fließt nicht in medizinische Betreuung, sondern in Bürokratie. Wenn also die Bertelsmann Stiftung vorschlägt, diese Zeit mittels Digitalisierung zurückzugewinnen, ist das kein technologischer Selbstzweck, sondern eine medizinische Notwendigkeit.

Doch hier beginnt das zweite Problemfeld: Digitalisierung ist längst kein Heilsversprechen mehr, sondern ein weiteres Feld der Überforderung. Jeder vierte Arzt berichtet von täglichen Software-Störungen, viele kämpfen mit unausgereiften Systemen, ineffizientem Datenaustausch oder ständigen Update-Konflikten. Wo eigentlich Zeit gespart werden sollte, entstehen neue Reibungsverluste. Dennoch ist das digitale Potenzial nicht zu unterschätzen – gerade in der Organisation von Terminvergabe, der Abwicklung von Befunden oder dem Management chronisch kranker Patient:innen können strukturierte Prozesse erhebliche Entlastung bringen. Aber nur, wenn die Technik verlässlich funktioniert. Ansonsten wird sie zur Belastung – und zum weiteren Grund für den Rückzug.

Eine Lösung liegt nach Überzeugung der Studienautor:innen in der Umverteilung ärztlicher Aufgaben. Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte könnten bei entsprechender Qualifikation und rechtlicher Klarheit einen Teil der Versorgung übernehmen – etwa durch Anamnese-Vorbereitung, Impfmanagement oder Wundversorgung. Fast drei Viertel der Hausärzt:innen sehen hier ein Zeitersparnis mit Substanz. Aber auch das ist kein Selbstläufer: Ohne Finanzierung, ohne rechtliche Absicherung und ohne konkrete Ausbildungskonzepte bleibt dieser Vorschlag Theorie. Was es also braucht, ist ein umfassender Umbau der Versorgungslogik – weg vom Arzt-Alleinverantwortungsmodell, hin zu multiprofessionellen Teams mit klaren Schnittstellen und Zuständigkeiten.

Der hausärztliche Beruf ist ein Scharnier zwischen medizinischer Expertise, psychosozialer Verantwortung und organisatorischer Führung. Wird dieses Scharnier überlastet oder unterfinanziert, bricht das System in seiner Mitte. Umso brisanter ist es, dass der demografische Wandel diese Mitte beschleunigt aushöhlt: Der Altersdurchschnitt der Hausärzte liegt bei über 55 Jahren – ein Drittel ist älter. Was also heute noch wie ein Szenario für 2030 klingt, beginnt morgen früh um acht. Wer das Versorgungsniveau sichern will, muss jetzt investieren – in Praxispersonal, in digitale Resilienz, in flexible Arbeitsmodelle, in Nachwuchsbindung und nicht zuletzt in den Erhalt beruflicher Motivation.

Denn die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Wenn jede Kündigung eines Arztes nicht nur einen Einzelverlust, sondern eine systemische Lücke erzeugt, und wenn gleichzeitig jede Stunde pro Woche, die künftig weniger gearbeitet wird, sich über das System hinweg in hunderttausenden Patientenminuten bemerkbar macht, dann steht nicht weniger als die Alltagstauglichkeit unseres Gesundheitssystems auf dem Spiel. Und diese entscheidet sich nicht in Kongressreden oder Strategiepapieren, sondern im Wartezimmer, in der Hausbesuchstasche und im Terminkalender der kommenden Woche.

 

Standorttreue trifft Industriepolitik, Biotechnologie braucht Führung, Gesundheitsstrategie verlangt Gesamtkonzept

Wie Boehringer und die Landesregierung Rheinland-Pfalz industrielle Verantwortung, ökonomische Strukturpolitik und medizinische Zukunft zusammendenken

Die Begegnung zwischen der rheinland-pfälzischen Landesregierung und dem Boehringer-Management in Ingelheim markiert mehr als einen symbolischen Schulterschluss zwischen Politik und Industrie – sie steht exemplarisch für die tektonischen Verschiebungen innerhalb der deutschen Wirtschaftsstruktur, in der Biotechnologie, Gesundheitswirtschaft und industrielle Standorttreue zu strategischen Hebeln einer tiefgreifenden Neujustierung der Bundesrepublik werden. In einem Land, das zwischen dem Anspruch auf Innovationsführerschaft und der Realität verunsicherter Produktionsbedingungen balanciert, wird der Austausch zwischen Regierung und Pharmakonzern zur Blaupause für das, was in vielen Bundesländern bislang fehlt: ein strukturierter Dialog auf Augenhöhe, gespeist aus gegenseitigem Interesse, wirtschaftlicher Verantwortung und politischer Steuerungskompetenz.

Boehringer Ingelheim hat mit seiner Erklärung, den Standort Ingelheim weiter zu stärken, weit mehr getan als bloße Standortpflege. Der Konzern signalisiert damit eine strategische Bindung an ein regionales Innovationsökosystem, das nicht nur auf Hochtechnologie, sondern auch auf verlässliche politische Rahmenbedingungen angewiesen ist. Gerade die Biotechnologie als hochspezialisierter und langfristig planender Industriezweig reagiert empfindlich auf regulatorische Volatilität, steuerliche Unsicherheit oder infrastrukturelle Defizite – ein Befund, den das Unternehmen mit seinem Verweis auf die Notwendigkeit einer Gesundheits-, Wirtschafts- und Forschungspolitik „aus einem Guss“ verdeutlicht. Was gemeint ist, ist eine kohärente, vorausschauende, industriekompatible Standortpolitik – jenseits von Stückwerk und Schaufensterreformen.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hat erkannt, dass die Bedeutung eines forschungsintensiven Großkonzerns wie Boehringer nicht in seiner Betriebsgröße allein liegt, sondern in seinem strategischen Einfluss auf die Innovationslandschaft des gesamten Landes. Ministerpräsident Alexander Schweitzer, Integrationsministerin Katharina Binz und Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt sprechen in ihrer gemeinsamen Erklärung nicht nur von wirtschaftlicher Zusammenarbeit, sondern formulieren ein industriepolitisches Programm: Hochschulförderung, gezielte Wirtschaftsanreize, konsequenter Bürokratieabbau, strategische Investitionen – all das soll Rheinland-Pfalz zur Vorreiterregion für Biotechnologie machen. Dieses Bekenntnis ist umso bemerkenswerter, als es parteiübergreifend getragen wird und sowohl ökonomische als auch gesellschaftliche Faktoren einbezieht.

Damit wird das Land zur Projektionsfläche für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Industriepolitik: Weg von sektoraler Förderung hin zu integrativen Allianzen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Staat. Genau hier liegt der kritische Punkt – denn dieser Dreiklang funktioniert nur, wenn er nicht rhetorisch bleibt. Boehringer fordert zu Recht klare, langfristige, verlässliche Rahmenbedingungen, die Innovation ermöglichen und nicht ausbremsen. In einer Zeit, in der der globale Standortwettbewerb nicht nur über Löhne, sondern über Datenpolitik, Energiepreise, Investitionssicherheit und regulatorische Komplexität geführt wird, ist jede politische Versäumnis eine Einladung an Konzerne, sich andernorts niederzulassen.

Rheinland-Pfalz steht also nicht allein für sich, sondern ist ein Prüfstein für die industriepolitische Ernsthaftigkeit der Bundesrepublik. Wenn der Schulterschluss mit Boehringer gelingt, könnte das Land zum Modellfall für eine neue Standortlogik werden: nicht als Steueroase oder Deregulierungszone, sondern als intelligent reguliertes, forschungsnahes, planungssicheres Biotechnologiezentrum. Was dafür fehlt, ist eine nationale Rahmensetzung, die dieses regionale Vorpreschen stützt – etwa durch steuerliche Anreize für Forschungsausgaben, Investitionsgarantien bei Produktionsverlagerung nach Deutschland und eine deutliche Vereinfachung von Zulassungs- und Förderverfahren. Ohne diese Flankierung droht der rheinland-pfälzische Weg trotz aller Ambitionen im föderalen Kompetenzgerangel zu versanden.

Was die Unternehmensseite betrifft, lässt Boehringer keinen Zweifel daran, dass das Commitment an den Standort nicht bedingungslos ist. Das Unternehmen investiert, ja – aber es verlangt zugleich politische Planbarkeit, Fachkräfteverfügbarkeit, Infrastrukturmodernisierung und internationale Anschlussfähigkeit. Wer von der Pharmaindustrie langfristige Standorttreue erwartet, muss ihr auch langfristige Perspektiven bieten. Dazu gehört der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften ebenso wie ein regulatorisches Umfeld, das Innovation nicht lähmt. Die Landesregierung will hier vorbauen: Hochschulen sollen gezielt in den Biotechnologieaufbau eingebunden werden, Technologietransfer und Unternehmensgründungen gestärkt, Verfahren digitalisiert und Förderkulissen strategisch justiert werden.

Was dabei nicht vergessen werden darf, ist die systemische Bedeutung der Gesundheitswirtschaft insgesamt. Sie ist kein Add-on, kein Kostenblock und kein Versorgungsluxus – sie ist Grundbedingung gesellschaftlicher Resilienz, wirtschaftlicher Nachhaltigkeit und staatlicher Handlungsfähigkeit. Wer – wie Boehringer – Forschung, Entwicklung, Produktion und gesellschaftliches Engagement an einem Ort bündelt, wird zum systemrelevanten Akteur. Die Landesregierung hat das verstanden – ob der Bund nachzieht, ist offen. Was es jetzt braucht, ist ein Signal aus Berlin, das nicht nur die ökonomische Bedeutung von Pharma und Biotechnologie anerkennt, sondern auch ihre politische Bedeutung als Rückgrat eines innovativen, widerstandsfähigen und exportfähigen Gesundheitsmodells.

Dass Boehringer Ingelheim nicht nach außen, sondern nach innen investiert, sollte für die Bundespolitik ein Weckruf sein: Wer Biotechnologie als Standortgarantie begreift, darf sie nicht wie eine Sonderwirtschaftszone behandeln, sondern muss sie in den politischen Mittelpunkt rücken – mit ressortübergreifenden Zuständigkeiten, klaren Prioritäten und einem politischen Gestaltungswillen, der sich an den Bedürfnissen der Praxis orientiert, nicht an ministeriellen Zuständigkeiten.

Die rheinland-pfälzische Standortpolitik sendet in diesem Sinne ein starkes Signal – nicht nur an Boehringer, sondern an alle Unternehmen, die langfristig in Deutschland investieren wollen. Wenn der Schulterschluss zwischen Regierung und Industrie keine Ausnahme, sondern Strukturprinzip wird, dann kann aus Rheinland-Pfalz tatsächlich ein Vorreiterstandort für Biotechnologie und Gesundheitswirtschaft entstehen – nicht als Projekt, sondern als Modell.

 

Sichtbarkeit gewinnt Profil, Franchising überwindet Vorbehalte, Apothekenmarken gewinnen Wandelkraft

Wie Easy das System öffnet, Teams neu bindet und klassische Betriebsformen integriert

Als Annette Sieckmann-Linck vor fünf Jahren die Entscheidung traf, ihre Apotheke unter das Dach von Easy zu stellen, begann ein Prozess, der aus heutiger Perspektive weniger von Strategien als von Skepsis geprägt war. Im ländlichen Raum traf das Franchisekonzept, das vor allem durch einheitliches Branding, standardisierte Prozesse und sichtbare Farbigkeit auffiel, auf eine Apothekerschaft, die traditionell auf Eigenständigkeit, lokale Verwurzelung und gestalterische Individualität setzte. Dass sich die Entscheidung trotzdem als richtig erwies, ist für Sieckmann-Linck heute nicht nur eine unternehmerische Erkenntnis, sondern auch ein Beispiel dafür, wie sich die Selbstwahrnehmung vieler Apotheken wandelt – in einem Marktumfeld, das wirtschaftlich härter, visuell sichtbarer und personell fordernder wird.

Die Skepsis, auf die sie bei der Personalsuche damals traf, war keineswegs zufällig. Easy-Apotheken galten vielen als Systembetriebe ohne Seele, als filialisierte Fremdkörper in einer Versorgungslandschaft, die sich – zumindest rhetorisch – immer noch als persönliche Lebenswelt von Einzelunternehmerinnen und -unternehmern verstand. Dass Easy mittlerweile explizit auch klassische Betriebe ansprechen will, ist nicht nur eine Reaktion auf Marktveränderungen, sondern auch Ausdruck einer strategischen Öffnung: weg vom reinen Franchise-Label, hin zu einem modularen Modell, das sowohl systemische Vorteile als auch unternehmerische Handschrift zulässt.

Alexander Freier, Geschäftsführer von Easy, spricht offen über diesen Wandel. Die alten Vorurteile hätten sich abgenutzt, sagt er, und neue Partnerschaften entstünden nicht trotz, sondern gerade wegen der strukturellen Unterstützung durch das System. Dabei verweist er auf zwei Entwicklungen: zum einen auf eine veränderte Marktdynamik, die klassische Einzelbetriebe unter enormen wirtschaftlichen Druck setzt – insbesondere durch steigende Personalkosten, digitalisierungsbedingte Investitionen und sinkende Margen im OTC-Geschäft; zum anderen auf ein wachsendes Bedürfnis nach betrieblicher Entlastung durch standardisierte Abläufe, professionelle Außenwirkung und zentrale Unterstützung in Bereichen wie Einkauf, Kommunikation und Digitalisierung.

Diese Argumentation trägt – nicht zuletzt, weil sie zunehmend von den Erfahrungen derjenigen gestützt wird, die den Schritt gewagt haben. Der Fall Sieckmann-Linck ist dabei prototypisch für ein Franchising, das nicht mehr bloß als Systemzwang verstanden wird, sondern als Befähigungsmodell. Auch der Markenkern selbst habe sich verändert, so Freier. Die Farbe Grün – einst identitätsstiftendes Markenzeichen – sei längst kein Muss mehr. Die Easy-Apotheke der neuen Generation könne heute auch ohne Standardfarbschema auftreten, solange die konzeptionelle Klammer stimme.

Die neue Offenheit zeigt sich nicht nur im Design, sondern auch in der strategischen Ansprache. Easy wirbt gezielt um Apotheken, die entweder vor einer Übergabe stehen oder bereits in Schwierigkeiten geraten sind – wirtschaftlich, organisatorisch oder personaltechnisch. Damit positioniert sich das Unternehmen in einem Marktsegment, das durch Alterung der Inhaberstruktur, Rückzug erfahrener Führungskräfte und Nachwuchsmangel gekennzeichnet ist. Laut jüngsten Daten der ABDA beträgt das Durchschnittsalter von Apothekeninhaber:innen bereits über 55 Jahre; mehr als 40 Prozent planen eine Abgabe in den nächsten sieben Jahren. Der Generationenwechsel bleibt vielfach aus – sei es mangels Interessenten oder wegen regulatorischer Unwägbarkeiten, etwa bei Betriebsübertragungen.

Für Easy ist diese Entwicklung eine Chance – sowohl zur Expansion als auch zur Imagekorrektur. Denn mit jedem klassischen Betrieb, der ins System wechselt, verändert sich nicht nur die Easy-Landschaft, sondern auch die externe Wahrnehmung: weg vom Discountverdacht, hin zu einem rationalisierten Mittelstandsmodell. Zugleich bleibt der strukturelle Konflikt bestehen: Wie viel Eigenständigkeit lässt sich in ein System integrieren, ohne dessen Effizienz zu unterlaufen? Und wie stark darf die Marke sich pluralisieren, ohne ihr Profil zu verlieren?

Die Antworten darauf fallen differenzierter aus als noch vor einigen Jahren. In Zeiten, in denen der Begriff der „Versorgungsleistung“ zunehmend auch betriebswirtschaftlich gelesen wird, erscheinen klassische Abwehrhaltungen gegenüber Franchise- oder Systemapotheken zunehmend museal. Für viele Inhaber:innen ist es weniger eine Frage der Identität als eine des Überlebens. Wer seine Apotheke übergeben will, muss heute nicht mehr hoffen, dass sich zufällig ein junger Approbierter mit Unternehmergeist findet – er kann sie auch an einen Franchisegeber übergeben, der über Personal, IT-Strukturen und Markenarchitektur verfügt. Ob das die richtige Lösung ist, bleibt individuell. Dass es eine relevante ist, belegen Zahlen: Easy wächst, trotz oder gerade wegen seiner veränderten Markenpolitik.

Die Wandlungsfähigkeit des Modells zeigt sich nicht nur am Einzelbeispiel, sondern auch in den neuen Schnittstellen zur digitalen Transformation. Easy ist längst nicht mehr nur eine Franchiseplattform, sondern zunehmend ein operativer Akteur im Bereich E-Rezept, Webshop-Lösungen, Social-Media-Integration und regionalisiertem Marketing. Für Apotheken, die nicht in der Lage sind, solche Leistungen selbst vorzuhalten, bietet das System konkrete Entlastung. Dass dabei auch wirtschaftliche Abhängigkeiten entstehen, ist kein Geheimnis – wohl aber ein kalkulierbares Risiko im Vergleich zum freien Fall vieler kleiner Betriebe.

Die Franchisewelt der Apotheken ist also kein geschlossenes Ökosystem mehr, sondern ein offenes System mit Übergangszonen. Die Frage, ob das Grün der Marke noch dominiert, ist in dieser Perspektive irrelevant geworden. Entscheidend ist vielmehr, ob das System in der Lage ist, die Realität vor Ort zu unterstützen – betriebswirtschaftlich, personell und rechtlich. Dass es das kann, ist nicht bewiesen, aber zunehmend wahrscheinlich. Für viele Apotheken ist es jedenfalls kein Tabu mehr, Easy zu werden. Es ist eine Option. Eine, die mit weniger Vorurteilen behaftet ist als je zuvor – und mit mehr Handlungsspielraum als viele erwarten.

 

Kein Wechsel im Spiegelreferat, kein Impuls aus dem Kanzleramt, keine strategische Verschiebung

Warum das Kanzleramt in der Gesundheitspolitik weiter auf Kontinuität setzt, wie Gesetzesvorlagen daran gebunden sind und was das über die politische Taktik im BMG verrät

Gesundheitspolitik gilt als eines der sensibelsten Politikfelder der Bundesregierung – nicht nur wegen der milliardenschweren Steuerungswirkung jedes einzelnen Gesetzes, sondern auch wegen der immensen politischen Symbolkraft, die Reformprojekte in der Versorgung tragen. Wer Gesundheitspolitik steuern will, muss das Kanzleramt passieren. Dort sitzen in den sogenannten Spiegelreferaten die Gatekeeper der Gesetzgebung – politische Fachreferenten, die zwischen den Ressorts und der politischen Leitung des Kanzleramts vermitteln. Ihr Einfluss auf die Gesetzgebungsprozesse ist erheblich, weil jede Ressortvorlage über diesen Tisch muss, bevor das Bundeskabinett berät. Dass das Spiegelreferat für Gesundheitspolitik trotz zunehmender Systembelastungen, trotz der Debatten um die Rolle von Gesundheitsminister Karl Lauterbach und trotz zahlreicher umstrittener Vorhaben personell unverändert bleibt, ist ein politisches Signal – eines, das auf taktische Stabilität statt Impulssetzung zielt.

Gerade in Phasen, in denen ein Ministerium wie das BMG zwischen Umsetzungskrise (etwa bei ePA oder E-Rezept), Reputationsrisiken (wie bei der Fälschungssicherheit oder der Arzneimittelpreisbildung) und wachsendem Legitimationsdruck steht, ist die Frage der Koordination mit dem Kanzleramt nicht bloß technisch. Sie ist strategisch. Das Spiegelreferat für Gesundheitspolitik ist kein technokratisches Umsetzungsorgan – es ist ein politisches Nervenzentrum, das entscheidet, ob und wie ein Vorschlag überhaupt zur politischen Chefsache werden kann. Der Verbleib der bisherigen Besetzung kann somit als bewusst gesetztes Stabilisierungsinstrument interpretiert werden, um keine Unruhe in ein ressortintern schon überlastetes System zu tragen. Gleichzeitig deutet nichts auf eine Verschiebung der politischen Linie im Kanzleramt hin: Keine neue Handschrift, kein Wechsel der Tonalität, kein strukturelles Reframing der Gesundheitsagenda.

Der Kurs bleibt: Koordination statt Korrektur, Verzahnung statt Vision, Konsolidierung statt Konfrontation. Während andere Ressorts – wie etwa Inneres, Wirtschaft oder Klima – durch Wechsel in ihren Spiegelreferaten auch politische Akzente und inhaltliche Wendungen ankündigten, bleibt das Gesundheitsreferat auf Kontinuität gepolt. Dabei gäbe es aus inhaltlicher Sicht durchaus Anlass, an der interministeriellen Schnittstelle nachzuschärfen. Nicht nur, weil Reformen wie das Krankenhaustransparenzgesetz, das Versorgungsgesetz, die Cannabisregulierung oder die anstehende GKV-Finanzstruktur massive politische Reibung erzeugen. Sondern auch, weil das Kanzleramt seit dem Amtsantritt von Olaf Scholz faktisch keine eigene gesundheitspolitische Linie entwickelt hat, sondern primär moderierend und konfliktvermeidend agiert.

Das bedeutet nicht, dass der Einfluss des Spiegelreferats marginal wäre – im Gegenteil. Oft entscheidet sich hier in letzten redaktionellen Schleifen, ob ein Gesetz noch auf das Kabinettstreffen kommt oder ausgebremst wird. Diese Steuerungsmacht ist umso größer, je technischer und unübersichtlicher die Vorhaben sind. Insofern ist die personelle Stabilität ein stilles Bekenntnis zu jener Form von Kanzleramtssteuerung, die keine Impulse gibt, aber den Fluss absichert. Kritiker könnten sagen: ein Management des Bestehenden, das sich nicht mit inhaltlicher Führung, sondern mit formaler Kontrolle begnügt.

Dabei ist gerade das in der aktuellen gesundheitspolitischen Gemengelage riskant. Der Reformstau im BMG, die Komplexitätszunahme im AMNOG-System, die Preisfindungskrise bei Hochpreistherapien, die Debatten um Arzneimittelsicherheit und Versorgungsgerechtigkeit – all das verlangt eine koordinierende Führung auf Metaebene. Doch das Spiegelreferat wirkt eher wie ein Transmissionsriemen denn wie ein strategischer Steuerungsakteur. Auch weil es systemisch darauf angelegt ist, Stabilität zu sichern, nicht Veränderung zu initiieren.

Dass der Wechsel ausbleibt, ist also kein Zufall, sondern Ausdruck eines politischen Kalküls: Der Kanzler will keine neuen Konfliktlinien in ein Ministerium tragen, das ohnehin schon unter Druck steht. Zugleich bedeutet die Personalentscheidung eine implizite Machtverlagerung. Denn wer nicht wechselt, entscheidet sich für den Status quo – und damit gegen jede interne Erneuerung. Das ist besonders relevant vor dem Hintergrund, dass immer mehr Verbände, Ländervertreter und Fachexperten gerade nicht nur das BMG, sondern auch das Kanzleramt in die Pflicht nehmen, wenn es um schleppende Prozesse oder ausbleibende Strategieentscheidungen geht. Die Kontinuität im Spiegelreferat steht damit symbolisch für eine bundespolitische Gesundheitssteuerung, die sich selbst genügen will – in einer Lage, die eigentlich nach strategischer Verbindlichkeit verlangt.

 

Sichtbarkeit erzeugen, Beratung stärken, Digitalisierung nutzen

Wie Apotheken von L’Oréals Strategie profitieren, welche Markttrends 2025 prägen und warum der Mensch in der Offizin wieder im Zentrum steht

Mitten in einer Phase struktureller Herausforderungen für den Apothekenmarkt setzt der Apothekengeschäftsführer der DACH-Region bei L’Oréal, Dr. Hagen Wülferth, auf Optimismus, Nähe zum Verbraucher und eine strategisch verzahnte Markenführung. Unter dem Dach der Apothekendivision firmieren mit Vichy, La Roche-Posay, CeraVe und SkinCeuticals gleich vier etablierte Marken, die sich nicht nur in Sortiment und Zielgruppen unterscheiden, sondern auch in der Art und Weise, wie sie digitale Reichweite in lokale Beratung umwandeln. Dabei wird deutlich: Die Apotheke vor Ort bleibt für den Konzern nicht bloß ein Vertriebskanal, sondern ist Dreh- und Angelpunkt einer zunehmend komplexen Kundenreise.

In einer Zeit, in der Gesundheitspflege zur Alltagskompetenz wird und kosmetische Produkte unter medizinischen Vorzeichen diskutiert werden, wächst die Verantwortung der Apotheken – nicht nur für das Produkt, sondern für den ganzen Menschen. Dass digitale Werbung, Influencer-Kampagnen und E-Commerce-Erlebnisse nicht im Widerspruch zum stationären Handel stehen, sondern diesen sogar stärken können, ist ein zentrales Element von Wülferths Strategie. Die Herausforderung liegt nicht in der Entscheidung zwischen analog und digital, sondern in deren intelligenter Kombination: Wer als Apotheke präsent sein will, muss die Aufmerksamkeit aus der Onlinewelt in echte Beratungsgespräche überführen können.

Es geht also um die Übersetzung globaler Markenidentität in lokale Vertrauensverhältnisse, um die Stärkung der Beratungskompetenz als Differenzierungsmerkmal und um die Fähigkeit, Marktvolatilität mit pragmatischer Innovationskraft zu begegnen. Während die öffentliche Diskussion vielerorts um Rabatte, Lieferengpässe und Marktregulierung kreist, formuliert die Apothekensparte von L’Oréal eine klare Botschaft: Sichtbarkeit entsteht nicht durch Lautstärke, sondern durch kluge Präsenz. Und diese Präsenz ist nur dann nachhaltig, wenn sie eingebettet ist in ein Netzwerk aus Fortbildung, wissenschaftlicher Kommunikation und personalisierter Begleitung – allesamt Felder, in denen die Apotheke der Zukunft bereits begonnen hat, sich neu zu erfinden.

Der wachsende Trend zur medizinisch fundierten Hautpflege – dermatologische Kosmetik als Brücke zwischen Therapie und Prävention – prägt die Programmatik der Apothekendivision in diesem Jahr. Dabei verknüpft das Unternehmen hauttypgerechte Diagnostik, digitale Produktempfehlungen und individuelle Beratung zu einem System, das sowohl online als auch offline skalierbar ist. Besonders CeraVe und La Roche-Posay demonstrieren, wie eng eine medizinische Positionierung mit wachsender Markentreue verknüpft sein kann – vorausgesetzt, die Apotheke übernimmt dabei eine aktive Steuerungsrolle.

Für die Apotheken bedeutet das: Wer seine Rolle als gesundheitlicher Lotse ernst nimmt, wird nicht durch Digitalisierung entmachtet, sondern durch sie gestärkt. Das Fundament dafür liegt laut Wülferth in einem Selbstverständnis, das nicht auf Verzicht, sondern auf Partnerschaft zielt – und das den wirtschaftlichen Erfolg nicht als Gegensatz zur therapeutischen Verantwortung begreift, sondern als deren Voraussetzung. In einem Markt, der zunehmend auf Eigenverantwortung der Verbraucher setzt, sind es oft kleine Differenzen im Beratungsgespräch, die langfristige Kundenbeziehungen ermöglichen.

Gerade hier zeigt sich ein zentraler Kommentar zur aktuellen Apothekenlandschaft: Die Zukunftsfähigkeit der Offizin entscheidet sich nicht an der Ladenkasse, sondern in der Qualität der Beziehung, die aufgebaut wird. Das Verkaufsgespräch wandelt sich zum Gesundheitsdialog. Wer diesen Wandel annimmt, braucht ein Team, das geschult ist, ein Sortiment, das differenziert ist, und einen Markenpartner, der beratungsorientiert denkt – nicht nur absatzorientiert.

Dass diese Gespräche vor allem in der Apotheke stattfinden – nicht im Online-Checkout –, ist das stärkste Argument für ein Zukunftsmodell, in dem persönliche Expertise, digitale Plattformlogik und unternehmerisches Handeln keine Gegensätze mehr sind, sondern ein Dreiklang strategischer Gesundheitskommunikation. L’Oréal positioniert sich damit nicht nur als Produkthersteller, sondern als strategischer Impulsgeber für eine Apothekenentwicklung, die in einem Umfeld multipler Unsicherheiten auf Stabilisierung durch Qualität setzt.

Diese Strategie ist auch als Reaktion auf eine Branche zu verstehen, die zwischen Preisdruck, Personalmangel und Regulierungsstau nach verlässlichen Partnerschaften sucht. Die Apothekendivision bietet dafür ein Modell, das nicht auf die klassische Vertriebslogik reduziert ist, sondern markenpsychologisch und bildungsstrategisch konzipiert wurde. Sichtbarkeit wird hier nicht erkauft, sondern aufgebaut – durch konsequente Kommunikation, medienübergreifende Vermittlung von Expertise und ein Verständnis von Beratung, das sich nicht im Produkthinweis erschöpft.

Das ist auch die provokante Lesart des Satzes „Wir glauben an einen starken Sommer“. Denn gemeint ist nicht ein kurzfristiger Schub durch saisonale Promotions, sondern eine nachhaltige Positionierung, bei der Sommerzeit gleichbedeutend wird mit Vertrauen, Vitalität, Hautschutz und Gesundheitsprävention – alles Werte, die in der Apotheke besser verkörpert werden können als auf jeder algorithmisch gesteuerten Plattform.

Wenn Beratung als Wert erkannt wird, ergibt sich auch eine neue betriebswirtschaftliche Perspektive für die Apotheke. Denn Beratung ist nicht nur ein kostenfreier Service, sondern ein Alleinstellungsmerkmal, das sich strategisch vermarkten lässt. In einer Welt, in der Nutzer:innen auf TikTok mehr über Retinol lernen als im Wartezimmer, braucht es einen Ort, an dem echte Differenzierung durch Fachlichkeit stattfindet – mit Gesicht, mit Gespräch, mit Verantwortung.

Die Apothekendivision von L’Oréal zeigt mit ihren vier Marken, dass diese Differenzierung gelingen kann – wenn das Marketing nicht am Produkt, sondern am Menschen beginnt. Und genau das ist der entscheidende Unterschied: Zwischen Klickrate und Kundenbindung liegen Welten. Wer sie überbrückt, wird nicht nur einen starken Sommer erleben, sondern eine gestärkte Zukunft.

 

Missbrauch erkennen, Therapie schützen, Versorgung verantworten

Wie das BfArM auf Lücken bei Ketaminverordnungen reagiert, welche Rolle Apotheken im Missbrauchsschutz einnehmen müssen und warum Transparenz über Indikationen entscheidend ist

Ketamin wird in der medizinischen Praxis als Anästhetikum und Esketamin als neuartige Therapieoption bei therapieresistenter Depression eingesetzt. Beide Substanzen entfalten ihre Wirkung im Spannungsfeld zwischen klinischem Nutzen und potenziellem Missbrauch. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat in einer aktuellen Routinesitzung nun explizit auf Risiken aufmerksam gemacht, die aus der hohen Zahl an Privatverordnungen und der wachsenden Außenwirkung von Ketamin als Freizeitdroge resultieren. Insbesondere die Beobachtung, dass rund 50 Prozent der Verordnungen über Privatrezepte laufen, ohne dass eine systematische Indikationsprüfung möglich ist, hat das Amt alarmiert. Diese Rezeptform bietet Umgehungsmöglichkeiten für bestehende Kontrollsysteme und lässt Fragen nach therapeutischer Stringenz, medizinischer Verantwortung und regulatorischer Klarheit offen.

Ketamin ist nach Arzneimittelrecht zugelassen, aber kein Betäubungsmittel im engeren Sinn. Damit fehlt eine Kontrollschiene, die bei anderen missbrauchsgefährdeten Substanzen greift. In der Anästhesie, Notfallmedizin und vereinzelt in der Schmerztherapie hat es etablierte Anwendungsbereiche. Esketamin als Nasenspray ist darüber hinaus für schwere depressive Episoden zugelassen, aber streng an ärztlich überwachte Anwendung gebunden. Der Missbrauch durch eigenständige Anwendung außerhalb medizinischer Kontrolle ist klar untersagt – dennoch mehren sich laut BfArM Hinweise auf genau solche Konstellationen, teilweise im Zusammenhang mit Rezeptfälschungen oder Diebstahl.

Zugleich beobachtet die Behörde einen zunehmenden Freizeitgebrauch von Ketaminderivaten, die über nicht-regulierte Onlineplattformen oder in Partykontexten als psychotrope Substanzen konsumiert werden. Auch wenn es sich dabei nicht um zugelassene Arzneimittel handelt, entsteht ein Graubereich, in dem medizinisch legitime Produkte durch systematische Zweckentfremdung in Missbrauchszusammenhänge geraten. Das bringt Apotheken und verordnende Ärzte in eine prekäre Lage: Einerseits ist der therapeutische Bedarf real, andererseits steigt die Verantwortung für eine korrekte Indikationsbewertung und eine sichere Abgabe.

Zwischen 2021 und 2024 wurden monatlich zwischen 360 und 924 Packungen Ketamin-haltiger Arzneimittel abgegeben. Diese mengenmäßig moderate Versorgung wird nun durch qualitative Auffälligkeiten überlagert: Rezeptierungen ohne dokumentierte Indikation, unklare Diagnosehintergründe, Apothekenabgaben auf Basis von Verdachtsrezepten. Das BfArM formuliert deshalb drei klare Handlungsanweisungen: Erstens darf die Abgabe von Esketamin zur Eigenanwendung nicht erfolgen. Zweitens sollen Apotheken bei Unklarheiten immer Kontakt mit der verordnenden Praxis aufnehmen. Drittens ist die Anwendung nur unter ärztlicher Überwachung in einer medizinischen Einrichtung zuzulassen.

Im Mittelpunkt steht somit die Verantwortung der Abgebenden. Apotheken sind nicht länger bloße Durchreiche medizinischer Verordnungen, sondern letzte Prüfinstanz in einem System, das Missbrauch nicht durchlässt, ohne therapeutische Freiräume zu beschneiden. Dazu gehört Mut zur Rückfrage, Kenntnis über Indikationsgrenzen und die Fähigkeit, rezeptbasierte Manipulationen zu erkennen. Das erfordert Fortbildung, rechtliche Absicherung und strukturelle Klarheit.

Das BfArM lehnt eine generelle Neueinstufung als Betäubungsmittel ab, wohl um die medizinischen Einsatzmöglichkeiten nicht zu blockieren. Dennoch könnte eine schärfere Reglementierung bestimmter Rezeptformen oder eine digitale Rezeptnachverfolgung dazu beitragen, Missbrauchsmuster früher zu erkennen. Der Fall Ketamin zeigt: Zwischen medizinischem Fortschritt und missbräuchlicher Nutzung liegt ein schmaler Grat. Diesen zu sichern ist Aufgabe der gesamten Versorgungskette.

 

Testosteron sinkt leise, Beschwerden wachsen laut, Therapien brauchen Maß

Warum Männer nicht in die Wechseljahre stürzen, aber unter hormonellen Veränderungen leiden, was Medizin von Lifestyle abgrenzt und Diagnostik zwingend macht

Mit dem fortschreitenden Alter verändert sich nicht nur die Lebensweise, sondern auch der biochemische Grundton des Körpers – bei Frauen oft dramatisch durch die Menopause, bei Männern subtiler, aber nicht minder bedeutsam. Während der weibliche Hormonwechsel abrupt und tiefgreifend verläuft, zeigen sich beim Mann sogenannte androgene Alterungsprozesse meist in einem langsamen, kaum wahrnehmbaren Tempo. Dennoch führt dieser schleichende Testosteronrückgang nicht selten zu einer Reihe von Beschwerden, die weit über das hinausgehen, was gemeinhin als „normales Altern“ betrachtet wird – und die medizinisch nicht bagatellisiert werden sollten.

Schon ab dem 40. Lebensjahr beginnt der Testosteronspiegel eines Mannes im Durchschnitt jährlich um etwa ein Prozent zu sinken. Anfänglich unbemerkt, zeigen sich bei vielen Männern ab dem 60. Lebensjahr Symptome wie chronische Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Libidoverlust oder ein Rückgang der Muskelkraft. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) warnt jedoch ausdrücklich davor, diese Phänomene vorschnell einer hormonellen Störung zuzuschreiben – oder gar in Eigenregie mit fragwürdigen Präparaten zu therapieren. Der Begriff „Andropause“ mag sprachlich an die Menopause erinnern, doch der biologische Verlauf unterscheidet sich fundamental: Der männliche Hormonrückgang ist nicht plötzlich, sondern graduell – und nicht jeder Wertabfall ist pathologisch.

Ein medizinisch relevanter Testosteronmangel – definiert durch Blutwerte unter 8 Nanomol pro Liter – kann Ausdruck einer Störung der Hodenfunktion oder der Hypophyse sein. In solchen Fällen ist eine lebenslange Substitution notwendig, um Muskelabbau, Osteoporose, Depressionen oder Antriebsverlust entgegenzuwirken. Doch wesentlich häufiger liegt kein echter Mangel vor, sondern eine temporäre Dysregulation: Schlafmangel, Übergewicht, Dauerstress oder erhöhter Alkoholkonsum senken den Testosteronspiegel kurzfristig und reversibel. Genau hier liegt die Herausforderung für Diagnostik und Therapie – nicht jeder erschöpfte Mann braucht Hormone, sondern oftmals lediglich eine strukturierte Lebensumstellung.

Eine differenzierte Diagnostik ist unverzichtbar. Blutuntersuchungen am frühen Vormittag liefern valide Ergebnisse – nicht aber Speicheltests oder frei verkäufliche Booster, deren Wirkung zwischen Placeboeffekt und gesundheitlichem Risiko schwankt. „Testosteron ist kein Lifestyleprodukt“, betont Dr. Dr. Birgit Harbeck von der DGE, und ruft damit zur medizinischen Demut auf. Wer den Körper hormonell manipuliert, ohne die physiologischen Grundlagen zu kennen, riskiert mehr als er gewinnt. Die Therapie darf niemals reflexartig erfolgen, sondern muss sich auf objektive Laborwerte, eine fundierte Anamnese und eine klare klinische Relevanz stützen.

Testosteron beeinflusst nicht nur die sexuelle Funktion, sondern auch das zentrale Nervensystem, die Knochendichte, den Stoffwechsel und das psychische Wohlbefinden. Entsprechend vielfältig sind die Auswirkungen eines echten Mangels – aber auch die Nebenwirkungen einer überzogenen Substitution. Wer sich einer Testosterontherapie unterzieht, muss regelmäßig überwacht werden: Blutbild, Prostatawert, Hämatokrit, Leberwerte. Nur so lässt sich vermeiden, dass aus der Hoffnung auf mehr Vitalität ein medizinischer Rückschlag wird.

Auch die gesellschaftliche Perspektive spielt eine Rolle: Während Frauen in den Wechseljahren offen begleitet, beraten und versorgt werden, bleibt das männliche Äquivalent oft tabuisiert. Eine aktive Auseinandersetzung mit den hormonellen Veränderungen des Mannes könnte nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern auch psychosozial entlastend wirken. Denn nicht wenige Männer, die unter den unspezifischen Symptomen des Testosteronrückgangs leiden, deuten diese als persönliche Schwäche statt als biochemisches Phänomen.

Zudem lohnt der Blick auf die Verbindung zwischen hormoneller Gesundheit und Lebensstil: Regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf, Stressmanagement und eine ausgewogene Ernährung sind nicht nur therapeutisch wirksam, sondern auch präventiv. Wer seine Vitalität erhalten will, sollte den Körper ganzheitlich betrachten – nicht nur durch das Prisma eines Blutwerts. Die Medizin kennt kein Hormon für Glück, Leistungsfähigkeit oder Männlichkeit – sie kennt aber Parameter, die sich präzise messen, einordnen und behandeln lassen.

So bleibt festzuhalten: Männer erleben keine Wechseljahre im klassischen Sinne – aber sie durchlaufen hormonelle Prozesse, die spürbare Auswirkungen auf Körper und Geist haben können. Der richtige Umgang damit beginnt nicht mit der Hormontherapie, sondern mit Wissen, Diagnostik und einer ärztlich fundierten Entscheidung. Alles andere ist entweder Selbsttäuschung oder Geschäft mit der Angst.

 

Glosse: Bändchen, Befinden, Betreten verboten

Wie Apotheker:innen bald Gesundheitsgrenzen ziehen, Patient:innen nach Farben ordnen und am Ende nicht mal mehr das Wartezimmer bleibt

Das deutsche Gesundheitswesen hat eine neue Superkraft entdeckt: Apotheker:innen mit Menschenkenntnis, Multitasking-Kompetenz und medizinischem Schnellurteil in unter 45 Sekunden. Ihre neue Wirkungsstätte: der Bürgersteig vor der Arztpraxis. Ihr neues Werkzeug: das Farbbändchen. Ihre neue Aufgabe: filtern, sortieren, verwerfen. Der ärztliche Zugang ist das neue Hochsicherheitsziel – bewacht von pharmazeutischen Türstehern in Fleecewesten mit ABDA-Logo.

Weg mit der antiquierten Vorstellung, dass Gesundheit ein Recht sei – in der neuen Logik zählt nur noch das situative Befinden im Schnelltest-Design. Wer mit Fieber, Husten oder zu viel Eigeninitiative antritt, wird professionell abgefangen: Nasentest rein, Fragebogen raus, Farbe drauf. Das grüne Bändchen gibt es nur für Symptomfreie mit bescheidener Erwartungshaltung und niedriger Grundlautstärke. Gelb bedeutet: Warte auf den nächsten Systemcrash. Orange? Willkommen im Zwischenreich. Rot? Viel Glück, aber ohne ärztliches Gespräch.

Das Ganze nennt sich "vorverlagerte Zugangssteuerung", klingt nach Steuerungsgruppe mit Flipchart, ist aber in Wahrheit die Apothekenversion von „Bitte draußen bleiben“. Apotheken, bislang als Orte diskreter Beratung und rezeptfreier Hoffnung bekannt, mutieren zur physischen Voraussortierungsinstanz – und das mitten im Wetter, zwischen Zugluft, Zynismus und Zuzahlungsquittungen.

Es ist eine bemerkenswerte Aufwertung: Statt nur Salben, jetzt Schicksale verwalten. Statt Medikationsplan nun Menschenscan. Die neue Schulung zur „Pharmazeutischen Eingangskraft mit Leitlinienzugriff“ dauert übrigens exakt so lange, wie ein QR-Code braucht, um zu laden.

Innen dagegen bleibt alles, wie es ist: eine MFA mit Hörgerät, ein Wartezimmer mit Durchzug, ein Arzt, der längst ins Homeoffice geflüchtet ist – aus „Konzentrationsgründen“. Was draußen sortiert wird, drinnen nicht mehr aufhält. Die neue Apothekenschleuse hat nur einen Nachteil: Sie funktioniert nicht bei Hitze, Regen oder Realität.

Aber es geht ja nicht nur um Wetter, sondern um Würde. Denn während die Versender im Hintergrund die Versorgung auf API-Basis programmieren, übernehmen die Vor-Ort-Apotheken jetzt das Vorsprechen. Wer keine Farbe hat, bekommt auch keinen Termin. Wer krank wirkt, ist verdächtig. Und wer widerspricht, erhält das schwarze Band – nicht als Zeichen von Trauer, sondern als Ausdruck maximaler Systemresistenz.

Die Politik applaudiere leise. Denn wer mit Bändchen arbeitet, muss sich keine Gedanken mehr über Budgets machen. Und wer triagiert, kann auf Behandlung verzichten – zumindest langfristig. Das Farbsystem als Endstufe des Versorgungskapitalismus.

Ein erster Versuch, das Ganze zu reformieren, scheiterte am Farbverständnis. Patient:innen mit modischem Interesse begannen, Farben zu sammeln. Die Pandemie-Generation wollte eh schon immer mal wieder ein Armband tragen. Und eine Krankenkasse plante, den Rabattstatus direkt am Bändchen zu erkennen: "Silber für Selbstzahler, Bronze für Basistarif."

Doch das wirklich Innovative kommt zum Schluss: Die Apotheken entwickeln gerade ein neues Testverfahren, mit dem man das subjektive Dringlichkeitsgefühl messen kann – in Millipanik. Ergebnis: Wer denkt, er sei ein Notfall, bekommt automatisch ein Digitalrezept und einen Gutschein für eine kalte Wärmflasche.

So bleibt am Ende nur ein Fazit: Das Gesundheitssystem wird nicht durchgedreht – es wird durchgeklickt. Und zwischen Pflaster und Plattform bleibt den Apotheken nur eins: stehenbleiben und sortieren, lächeln und wegsortieren, stillhalten und weiterfunktionieren. Willkommen in der Schleuse der letzten Hoffnung – powered by Pharmazeut.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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