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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Der Apothekenbetrieb im Jahr 2025 verlangt von Inhaberinnen und Inhabern nicht nur pharmazeutische Exzellenz, sondern unternehmerische Führungsintelligenz in einem zunehmend volatilen Systemumfeld. Versicherungen sind dabei kein Beiwerk, sondern systemtragende Instrumente der Risikovorsorge – strukturell, digital und rechtlich. Parallel verdichtet sich der wirtschaftliche Druck durch das Skonto-Urteil des BGH, das Apotheken Liquiditätsspielräume entzieht und neue politische Verwerfungen erzeugt. Der Phagro schlägt nun eine eigene Lösung vor, warnt aber zugleich vor neuen Gefahren für die Versorgungskette. Politisch markiert das geplante Lachgasverbot einen Kurswechsel hin zu präventiver Gesetzgebung – ein Paradigmenwechsel mit Folgen auch für Apotheken. Das ABDA-Zukunftskonzept wiederum wird auf dem Wirtschaftsseminar in Mecklenburg-Vorpommern zur operativen Führungsfrage erhoben: Statt Positionspapiere fordert Ina Lucas nun aktive Umsetzung – verknüpft mit Themen wie Nachwuchssicherung, Pflegehilfsmittelversorgung und KI-Integration. Hinzu kommen regulatorische Anpassungen wie die NAION-Warnung bei Semaglutid, Beratungsanforderungen bei Zugsalben und Augensymptomen sowie makroökonomische Signale aus der Pharmaindustrie. Apotheken stehen damit an der Schnittstelle von Versorgung, Führung und Prävention – und genau dort wird Führung zum Systemfaktor.
Führung verlangt Voraussicht, Risiken verlangen Architektur, Versicherung verlangt Intelligenz
Wie Apotheken ihre Betriebssicherheit strukturieren, digitale Angriffsflächen kontrollieren und Vertrauen in die Versorgung übersetzen
Der Apothekenbetrieb im Jahr 2025 steht nicht mehr nur für pharmazeutische Versorgung, sondern für unternehmerische Verantwortung in hochkomplexen Betriebsumfeldern. Jede Apotheke ist heute zugleich kritische Infrastruktur, datentechnisches Nervenzentrum, personell eng getaktete Organisation und haftungsrechtlich exponiertes Kleinunternehmen. Die Frage nach Versicherungen stellt sich damit nicht mehr als Kann, sondern als systemischer Imperativ. Es geht nicht darum, ob ein Schaden passiert – sondern darum, wie darauf geführt wird.
Denn Versorgung ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamisches Leistungsversprechen – und dieses Versprechen lässt sich nur dann halten, wenn die dafür nötigen Ressourcen vorausschauend gesichert sind. In einem Marktumfeld, das von Fachkräftemangel, Digitalisierungsschüben, regulatorischen Verwerfungen und strukturellen Angriffspunkten geprägt ist, braucht Führungsverantwortung ein verlässliches Rückgrat: die präzise konfigurierte Risikoarchitektur. Entscheidend ist dabei nicht das Versicherungsprodukt, sondern dessen strategische Passung – zur Betriebsrealität, zur digitalen Topologie und zum Führungsstil.
An erster Stelle steht die sogenannte Inhalts- oder Betriebsunterbrechungsversicherung – doch der Begriff greift zu kurz. Es geht nicht nur um Erstattung im Schadensfall, sondern um das systematische Durchdenken von Betriebslogik. Welche Prozesse dürfen nicht unterbrochen werden? Welche Warenwerte sind nicht wiederbeschaffbar? Welche Schnittstellen sind versorgungsrelevant? Eine wirksame Betriebsversicherung beantwortet diese Fragen nicht abstrakt, sondern konkret – inklusive Haftung bei Kühlkettenbruch, Ausfallzeiten bei Rechenzentrumsfehlern, Schadensfolgen durch Botendienstunfälle oder Schäden am Rezepturtresen durch Wassereinbruch. Und sie stellt sicher, dass die Reaktionsfähigkeit im Ernstfall nicht an Vertragsklauseln scheitert.
Gleichzeitig verändert sich die Bedrohungslage durch digitale Vernetzung radikal. Mit dem elektronischen Rezept, digitalen Medikationsplänen, Rezeptscanner-Apps, Versandkommunikation, Cloud-Lagerlogistik und Patientenportalen entstehen in jeder Offizin digitale Oberflächen mit direkter Exponierung. Jeder Endpunkt kann ein Einfallstor sein – und ein einziger Angriff kann Datensätze kompromittieren, Patienteninformationen offenlegen, Betriebssoftware lahmlegen oder gar Erpressungsszenarien ermöglichen. Eine Cyberversicherung muss hier nicht nur die klassische Wiederherstellung sichern, sondern proaktiv wirken: mit Echtzeitüberwachung, Penetrationstests, forensischer Aufklärung, Reputationsmanagement und DSGVO-Bußgeldmanagement. Wer auf Papierprozesse hofft, führt analog in einer digitalen Realität – und steht im Ernstfall mit leeren Händen da.
Unterschätzt, aber zentral für die Führungsbilanz: der Umgang mit internem Fehlverhalten. Die Vertrauensschadenversicherung adressiert nicht einzelne Delikte, sondern strukturelle Verwundbarkeit – ob durch Fehlbuchungen, manipulierte Abrechnungen, Unterschlagung von Rezeptabrechnungsguthaben oder gezielte Desinformation bei Vertretungsdiensten. Die Herausforderung liegt nicht nur im finanziellen Schaden, sondern in der psychologischen Erosion: Vertrauen ist Grundlage apothekerlicher Arbeitsbeziehungen – wenn es unterminiert wird, geraten nicht nur Prozesse, sondern ganze Teams ins Wanken. Eine starke Vertrauenspolice schließt bewusst auch temporäre Aushilfen, externe IT-Zugänge und Dienstleister ein – und verschafft damit Führungskräften Handlungshoheit über ihre Integritätskultur.
Rechtlich bewegen sich Apotheken heute in einem Feld ständiger Friktionen: von fehlerhafter Lieferverantwortung über fehlerhafte Abrechnung bis hin zu wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen mit Mitbewerbern, Krankenkassen, Vermietern oder Angestellten. Eine betriebliche Rechtsschutzversicherung ist dabei nicht bloß Prozessabsicherung, sondern Führungsinstrument. Sie ermöglicht es, bereits bei Verwaltungsbescheiden, Prüfmitteilungen oder Abmahnversuchen aktiv zu werden – nicht erst im Eskalationsfall. Entscheidend ist dabei die Integration eines Moduls für Heilberufe, das branchenspezifische Themen wie Berufshaftung, Retaxverfahren, Botendienstregelungen, Dokumentationspflichten oder Haftungsumkehr durch Patientenbeschwerden vollumfänglich abdeckt.
Vier Säulen ergeben zusammen ein tragfähiges Dach: Die Betriebsversicherung sichert das wirtschaftliche Überleben im physischen Raum. Die Cyberversicherung schützt das Rückgrat digitaler Versorgung. Die Vertrauensschadenversicherung sichert die Integrität des Innenlebens. Die Rechtsschutzversicherung stützt das Entscheidungsfeld im äußeren Konfliktraum. Wer eine dieser Komponenten ignoriert, entzieht dem eigenen Führungshandeln ein strategisches Fundament.
Dabei ist die Versicherung selbst nicht die Lösung – sie ist Ausdruck einer Lösungshaltung. In einer Versorgungskultur, in der Geschwindigkeit, Präzision und Vertrauen zentrale Erfolgsfaktoren sind, wird die Qualität der Absicherung zum Führungsnachweis. Nicht wer alles versichert hat, führt gut – sondern wer weiß, wo sein Betrieb verwundbar ist, und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zieht. Apothekerische Führung beginnt nicht mit Beratung am HV-Tisch – sie beginnt mit Klarheit in der Risikoanalyse.
Preisgarantie braucht Grenzen, Versorgung braucht Spielraum, Vertrauen braucht Balance
Warum der Phagro echte Skonti fordert, wovor er warnt und wie Apotheken dabei nicht verlieren sollen
Seit das Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2024 den 73-Cent-Festzuschlag im Arzneimittelgroßhandel gegen sämtliche Abzüge abschirmte, hat sich in Apotheken nicht nur ein Gefühl von wirtschaftlicher Enge, sondern auch ein struktureller Legitimationsdruck aufgebaut. Der gesetzlich definierte Zuschlag, bislang Praxisgrundlage für kalkulatorische Entlastungen im Zahlungsausgleich, darf seither nicht mehr durch Skonti oder Rabatte unterschritten werden – eine juristische Klarstellung mit gravierenden Auswirkungen auf die Liquiditätsplanung vieler Offizinen. Inmitten politischer Versprechen, das Skonto-Verbot gesetzlich zu kippen, meldet sich nun der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) mit einem strategischen Gegenmodell zu Wort – und warnt dabei vor nicht intendierten Systemeffekten, die sowohl den Großhandel als auch die Apotheken selbst destabilisieren könnten.
Der Vorschlag: Keine komplette Freigabe der Skonti, sondern eine kontrollierte Rückführung des Instruments im Sinne eines „echten Skontos“. Gemeint ist damit ein Preisnachlass, der ausschließlich bei vorfristiger Zahlung gewährt wird, der in einem realistischen Verhältnis zum Refinanzierungsniveau des Großhandels steht und dabei die gesetzliche Mindestvergütung unberührt lässt. Für Phagro bedeutet dies einen Ausweg aus dem Dilemma, ohne die Systematik des Festzuschlags preiszugeben. Ziel sei es, so die Geschäftsführer Michael Dammann und Thomas Porstner, eine Gleichung aufzulösen, die bisher zu einer Blockade zwischen ökonomischer Notwendigkeit, politischem Aktionismus und regulatorischem Anspruch geführt habe: „Wenn Skonti gesetzlich völlig freigegeben würden, wäre der Großhandelszuschlag de facto abgeschafft. Dann bräche die kalkulierte Infrastruktur ein – nicht nur für uns, sondern auch für die Apotheken.“
Die Position ist nicht nur betriebswirtschaftlich motiviert, sondern auch strategisch kommuniziert: Phagro will nicht als Verhinderer, sondern als Versorger wahrgenommen werden. Der Verband betont deshalb die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Apotheken und Großhandel – und spricht sich ausdrücklich für eine Stärkung beider Seiten aus. Versorgungssicherheit sei kein statisches Prinzip, sondern ein Gleichgewicht, das täglich neu austariert werden müsse. Und dieses Gleichgewicht lasse sich nur erhalten, wenn auch Apotheken unter angemessenen Bedingungen wirtschaftlich atmen könnten – Liquiditätsvorteile eingeschlossen.
Konkret definiert Phagro zwei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Skonti gewährt werden können, ohne den Festzuschlag auszuhöhlen: Erstens eine klar belegbare vorfristige Zahlung durch die Apotheke, zweitens die Orientierung am aktuellen Refinanzierungsumfeld – also an realen Einsparungen aufseiten des Großhandels, nicht an marktpolitischen Erwartungen. Dieses Prinzip orientiert sich an traditionellen handelsrechtlichen Skonti, betont aber zugleich, dass es nicht um pauschale Preisnachlässe gehe, sondern um betriebliche Präzision.
Politisch steht der Vorschlag im Spannungsfeld zwischen Koalitionsvertrag und Systemverträglichkeit. Dass sich die Bundesregierung in ihrem Vertrag auf eine „Aufhebung des Skonti-Verbots“ festlegt, wird vom Verband nicht pauschal abgelehnt – wohl aber kritisch hinterfragt. Phagro warnt, dass eine vollständige Deregulierung nicht nur Preiskampf auslöse, sondern die gesetzliche Logik der Arzneimittelpreisbindung aushebele – mit ungewissen Folgen für Marktverhalten, Logistikketten und Liquiditätsströme. Der Verband sieht sich deshalb in einer doppelten Verantwortung: gegenüber den Apotheken, die Entlastung fordern, und gegenüber dem System, das Stabilität benötigt.
Dabei nimmt Phagro auch bewusst in Kauf, sich zwischen die Fronten zu stellen. In der Apothekerschaft ist der Druck hoch, die Urteilsfolgen politisch zu neutralisieren. Gleichzeitig wittert die Politik Handlungsfähigkeit in einem Bereich, der durch juristische Fixierung an Legitimität eingebüßt hat. Der Vorschlag des Verbands versteht sich deshalb als Brückenkonzept – wirtschaftlich differenziert, politisch anschlussfähig, aber strikt regelgebunden.
Die implizite Botschaft: Wer Skonti will, muss sie verantworten. Und wer Verantwortung trägt, braucht Systemkenntnis, keine symbolischen Korrekturen. Phagros Lösungsvorschlag ist deshalb mehr als nur ein Kompromiss: Er ist ein strategischer Appell, den Großhandel nicht als Störfaktor, sondern als integralen Bestandteil des Versorgungssystems zu begreifen – mit betrieblichem Anspruch, aber auch mit Systemverantwortung.
Jugendschutz erzwingen, Drogenverfügbarkeit begrenzen, Regelungslücken schließen
Warum der Gesetzentwurf zum Lachgas-Verbot mehr ist als Symbolpolitik und welche Schutzmechanismen künftig greifen sollen
Es ist eine Droge, die lange Zeit belächelt wurde – doch für Bundesgesundheitsministerin Nina Warken ist Lachgas alles andere als ein Witz. Mit einem neuen Gesetzentwurf greift die CDU-Politikerin hart durch: Erwerb und Besitz sollen für Kinder und Jugendliche verboten, Online-Handel und Automatenverkauf unterbunden, Altersprüfungen gesetzlich verpflichtend werden. Was als scheinbar harmloser Partygag begann, wird damit zur staatlich geregelten Gefahrenquelle erklärt – und das zu Recht. Denn die Konsumzahlen steigen, und die Schäden reichen von Lungenverletzungen bis zu Kontrollverlust und Bewusstlosigkeit.
Die Hintergründe sind brisant: Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas, wird legal als Lebensmittelzusatz, etwa zum Aufschäumen von Sahne, verkauft – aber zunehmend zweckentfremdet. Jugendliche inhalieren es über Ballons, um kurzfristige Rauschzustände zu erzeugen. Der medizinische Ursprung – als Betäubungsmittel mit angstlösender Wirkung – wird dabei zur Falle. Besonders gefährlich: der Konsum direkt aus der Kartusche. Temperaturen von minus 55 Grad Celsius können Erfrierungen an Lippen, Gaumen oder in der Luftröhre verursachen, der hohe Druck schädigt das Lungengewebe. Und trotzdem ist der Zugang bislang denkbar einfach: Automaten, Online-Shops, Spontankäufe in Spätis oder Tankstellen machen den Stoff niedrigschwellig verfügbar. Für Warken ist klar: Hier muss die Politik eine rote Linie ziehen.
Doch der Entwurf geht weiter. Er nimmt auch sogenannte K.-o.-Tropfen ins Visier: Substanzen wie Gamma-Butyrolacton (GBL) oder 1,4-Butandiol, die Täter Opfern in Getränke mischen, um sie zu betäuben, auszurauben oder zu vergewaltigen. Diese Substanzen sind in Deutschland bisher schwer zu regulieren, da sie auch als Lösungsmittel oder in der Industrie verwendet werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, sie künftig mengenbezogen als „neue psychoaktive Stoffe“ unter ein generelles Umgangsverbot zu stellen – ein Paradigmenwechsel mit präventiver Kraft.
Dennoch enthält der Vorstoß gezielte Ausnahmen: Lachgaskartuschen mit bis zu acht Gramm Inhalt, wie sie in der Gastronomie für Sprühsahne genutzt werden, sollen nicht unter das Verbot fallen. Der Spagat zwischen Missbrauchsprävention und wirtschaftlicher Alltagsnutzung wird damit rechtlich balanciert – allerdings unter der Voraussetzung, dass Altersgrenzen durchgesetzt und Automatensysteme technisch nachgerüstet werden. Die Übergangsfrist von drei Monaten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes lässt Raum für genau diese Umstellungen.
Rechtlich handelt es sich um eine Änderung im Betäubungsmittelumfeld, angesiedelt an der Schnittstelle zum Arzneimittel- und Chemikalienrecht. Politisch ist es ein Signal: Warken will den Schutz der Jugend nicht dem Flickenteppich kommunaler Regelungen überlassen – wie er zuletzt entstanden war, nachdem der von Vorgänger Lauterbach angekündigte Gesetzentwurf nie finalisiert wurde. Einige Städte wie Köln, Berlin oder Bremen hatten daraufhin eigenständig Verbotszonen eingerichtet oder Automatenstandorte eingeschränkt – ein fragmentierter Ansatz, der weder flächendeckend noch rechtssicher war.
Der neue Entwurf hingegen könnte nun einen bundesweit verbindlichen Rahmen schaffen. Dass Warken nicht nur auf juristische Maßnahmen, sondern auch auf Aufklärung setzt, zeigt ihre kommunikative Flankierung des Gesetzes: In Interviews und öffentlichen Statements betont sie immer wieder, dass Lachgas „kein harmloser Spaß“ sei – sondern eine riskante Substanz, besonders für ein junges, oft ahnungsloses Publikum.
Die Stoßrichtung ist klar: Weg vom Status quo, in dem Jugendliche Substanzen wie Lachgas, GBL oder 1,4-Butandiol nahezu unbehelligt konsumieren können – hin zu einer aktiven Schutzpolitik, die Missbrauch unterbindet und Verfügbarkeit gezielt einschränkt. Was auf den ersten Blick wie eine Nischenregulierung erscheint, ist in Wahrheit ein exemplarisches Modell: Es zeigt, wie moderne Drogenpolitik präventiv wirken, technische Lücken schließen und den Spagat zwischen Alltagstauglichkeit und Gefahrenabwehr schaffen kann.
Versorgung braucht Wertschätzung, Führung braucht Bewegung, Zukunft braucht Entscheidungskraft
Wie das Abda-Zukunftskonzept vom Diskussionspapier zum Führungsimpuls werden soll, was Ina Lucas vom Berufsstand verlangt und warum Pflegehilfsmittel, KI und Nachwuchs jetzt strategisch zusammengedacht werden müssen
Die Zukunft der Apotheken hängt nicht nur von politischen Verhandlungen ab, sondern entscheidend von der Fähigkeit, eigene Strukturen, Forderungen und Visionen selbst in Bewegung zu bringen – so lautete der zentrale Appell von Abda-Vizepräsidentin Ina Lucas beim Wirtschaftsseminar des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern. Sie rief Apothekerinnen und Apotheker dazu auf, das vorgelegte Abda-Zukunftskonzept nicht als reine Positionsschrift zu betrachten, sondern als Auftrag zur aktiven Umsetzung. „Wenn wir ernst genommen werden wollen, müssen wir zeigen, dass wir es selbst ernst meinen“, sagte Lucas – und forderte zugleich ein Ende der passiven Erwartungshaltung in Richtung Politik. Die Apotheken müssten sich ihrer Führungsverantwortung als dezentraler Gesundheitsanker bewusst sein – und diese Verantwortung beginne mit der Forderung nach einer auskömmlichen Vergütung für ihre Kernleistungen.
Die Diskussion zeigte: Eine neue Versorgungsgeneration in der Apotheke kann nur dann entstehen, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen – aber auch, wenn die Apotheken ihre Innovationsfähigkeit aktiv entfalten. Das Zukunftskonzept der Abda adressiert zentrale Handlungsfelder wie pharmazeutische Dienstleistungen, Prävention, Digitalisierung, interprofessionelle Zusammenarbeit und die Rolle der Apotheken in der Daseinsvorsorge. Doch laut Lucas bleibt der strategische Wandel zahnlos, solange er nicht aus der Mitte des Berufsstands getragen und mit regionalen Vorstößen konkretisiert wird. Mecklenburg-Vorpommern eigne sich ideal als Modellregion für die Erprobung neuer Versorgungsmodelle – vorausgesetzt, es gelingt, Nachwuchs zu gewinnen, Pflegehilfsmittelversorgung effizient zu gestalten und Digitalisierung nicht nur technisch, sondern auch berufspolitisch zu gestalten.
Ein zentrales Thema war die angemessene Honorierung der Kernaufgaben in der Arzneimittelversorgung. Ohne eine klare finanzielle Basis, so die einhellige Meinung im Auditorium, bleibe jede Zukunftsstrategie ein frommer Wunsch. Die Apotheken stünden täglich vor Herausforderungen, die weit über das klassische Bild des Arzneimittelabgabepunkts hinausgehen. Die Pflegehilfsmittelversorgung, etwa durch den neuen Vertrag, sei ein Beispiel dafür, wie Mehrleistungen ohne echte Refinanzierung zu Frust und Überforderung führen könnten – oder zur Chance, wenn Apotheken das Thema aktiv und strategisch angehen. Hier werde sich zeigen, ob die Apothekerschaft bereit sei, Versorgungsverantwortung nicht nur einzufordern, sondern systemisch umzusetzen.
Auch der Einsatz Künstlicher Intelligenz war Gegenstand der Diskussion. Doch statt sich auf technische Spielereien zu fokussieren, wurde klar: KI kann nur dort wirksam werden, wo Prozesse überhaupt strukturiert ablaufen und Daten verantwortungsvoll gepflegt werden. Gerade in ländlichen Regionen sei die Digitalisierung kein Selbstläufer, sondern verlange pragmatische, niedrigschwellige Lösungen – und ein Bewusstsein für die Haftungs- und Führungsdimension digitaler Prozesse.
Ein drängender Punkt war der Fachkräftemangel. Die Nachwuchsförderung wurde nicht nur als bildungspolitische, sondern als betriebliche Führungsaufgabe beschrieben. Wer heute keine gezielte Strategie zur Entwicklung von Fach- und Führungspersonal habe, verliere morgen nicht nur Personal, sondern Innovationskraft und Versorgungssicherheit. Die Teilzeitmodelle in der PTA-Ausbildung, wie sie in Sachsen vorangetrieben werden, könnten auch für Mecklenburg-Vorpommern Vorbild sein – nicht nur zur Rekrutierung, sondern zur langfristigen Integration in den Apothekenalltag.
Das Wirtschaftsseminar entfaltete damit eine klare Botschaft: Zukunft entsteht nicht durch Beschlusslagen, sondern durch Bewegungen. Das Abda-Zukunftskonzept müsse zur kollektiven Aufgabe werden – nicht als einmaliges Reformpapier, sondern als laufender Führungsprozess. Der Berufsstand habe es in der Hand, ob die Apotheke der Zukunft ein Ort neuer Versorgungsideen wird – oder ein Systemteil, der im Rückblick nur abgewartet hat, was andere entschieden haben.
Führung braucht Richtung, Versorgung braucht Rückenwind, Nachwuchs braucht Impulse
Wie das Wirtschaftsseminar in Mecklenburg-Vorpommern die Abda-Strategie schärft, KI und Pflegehilfsmittel debattiert und dem Nachwuchs neue Räume eröffnet
Die wirtschaftliche Zukunft der Apotheken entscheidet sich nicht in der Verwaltung, sondern im Willen zur Veränderung – so der Grundtenor des Wirtschaftsseminars des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern, das in diesem Jahr ganz bewusst keine Routinetagung war, sondern ein Positionsforum für die strategische Neuausrichtung. Abda-Vizepräsidentin Ina Lucas nutzte die Bühne für einen dringlichen Appell: „Bringen wir das Zukunftskonzept endlich vom Papier in die Praxis – und machen wir daraus eine Bewegung!“ Ihr Ziel: Die Transformation der Apothekenrolle aktiv gestalten, aber nicht auf dem Rücken eines Systems, das die Kernleistung nach wie vor strukturell unterfinanziert. Ohne eine faire Vergütung der Grundversorgung lasse sich weder Innovation noch Nachwuchsbindung verlässlich umsetzen.
Lucas machte deutlich, dass es ohne ein starkes Fundament keine Zukunft geben kann – und dieses Fundament heiße Versorgungssicherheit, die honoriert, was täglich geleistet wird: von der Rezeptur über die Medikationsanalyse bis zur Notfallversorgung. Statt auf politische Trippelschritte zu warten, plädierte sie für eine sektorübergreifende Koalition von unten – ein Schulterschluss aus Apothekenteams, Kammern, Verbänden, Universitäten und Nachwuchskräften. Gerade Mecklenburg-Vorpommern könne mit seinen engen Versorgungsnetzen und innovativen Modellansätzen in ländlichen Regionen zum Reallabor für moderne Versorgung werden.
Im Zentrum der Veranstaltung stand nicht nur das Zukunftspapier der Abda, sondern auch dessen konsequente Umsetzung: KI-Anwendungen zur Prozessoptimierung, neue digitale Tools für Pflegehilfsmittelabrechnung, Pilotmodelle zur Nachwuchsförderung und vernetzte Fortbildungsplattformen wurden als Bausteine für eine tragfähige Versorgungsstruktur diskutiert. „Der Strukturwandel braucht konkrete Werkzeuge – nicht nur gute Worte“, so eine Teilnehmerin. Dabei zeigte sich auch, wie viele Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern bereits längst in Vorleistung gegangen sind – durch eigene KI-gestützte Rezeptprüfungen, digitale Lagersteuerung oder hybride Beratungsangebote.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Frage, wie die nächste Generation für die Apothekenberufe gewonnen werden kann. Während die PTA-Ausbildung reformiert und teilweise dualisiert wird, mangelt es an systematischen Förderstrukturen für junge Apotheker:innen. Der Verband setzt sich daher für finanzielle Anschubprogramme, Mentoringstrukturen und eine bessere Sichtbarkeit pharmazeutischer Karrieren ein. „Wir können nicht über Nachwuchs klagen und gleichzeitig stumme Betriebe als Ausbildungsstätten dulden“, lautete ein kritisches Statement aus dem Publikum. Es gehe um mehr als Berufsinformation – es gehe um Bindung durch Beteiligung.
Auch die Pflegehilfsmittelversorgung war ein Thema: Hier sorgt der neue Rahmenvertrag zwar für Klarheit bei Genehmigungen und Abrechnung, aber nicht automatisch für Effizienz. Der Apothekensoftware fehlt vielerorts noch die nötige Schnittstelle zur Pflegekasse, was den personellen Aufwand in die Höhe treibt. Lösungen wie modulare Tabellenabrechnung und digitale Rücklaufkanäle wurden erörtert – ebenso wie die Gefahr, dass Apotheken bei zu hoher Belastung aus dem Pflegebereich aussteigen könnten, wenn der digitale Rückhalt fehlt.
Insgesamt wirkte das Seminar wie ein Brennglas für die Transformationsherausforderungen, vor denen die Apotheken heute stehen. Der strukturelle Spagat zwischen Leistungsanspruch und Finanzrealität, der technologische Wandel ohne adäquate Schulung, der Wunsch nach politischer Stärkung ohne politische Strategie – all das wurde nicht beschönigt, sondern offen diskutiert. Am Ende blieb die Erkenntnis: Bewegung entsteht nicht durch Beschlüsse, sondern durch Haltung. Und wenn die Abda jetzt zur Bewegung ruft, ist Mecklenburg-Vorpommern längst auf dem Weg.
Risiko für Sehverlust, Änderungen bei Fachinformationen, Signal für Klasseneffekt
Semaglutid wird mit NAION in Verbindung gebracht – EMA stuft Nebenwirkung als sehr selten ein und passt Produktinformationen an
Ist der Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten mit einer potenziell irreversiblen Augenschädigung verbunden? Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zieht aus aktuellen Risikosignalen Konsequenzen und kündigt eine Aktualisierung der Produktinformationen von Semaglutid-haltigen Arzneimitteln an. Im Fokus steht die nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (NAION), eine Durchblutungsstörung am Sehnerv, die zu plötzlichem Sehverlust führen kann. Nach intensiver Prüfung der verfügbaren Daten kommt der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) zu dem Schluss: Semaglutid steht in kausalem Zusammenhang mit einem sehr seltenen, aber relevanten Risiko für NAION.
Damit wird erstmals eine schwerwiegende okuläre Nebenwirkung offiziell in die Sicherheitsinformationen eines GLP-1-Rezeptoragonisten aufgenommen – ein Schritt, der auch klinisch-therapeutische Konsequenzen hat. Laut PRAC erhöhen Semaglutid-haltige Arzneimittel das Risiko einer NAION bei Typ-2-Diabetikern etwa um das Doppelte im Vergleich zu Nichtanwendern, was einer zusätzlichen Erkrankung pro 10.000 Patientenjahre entspricht. Die Bewertung stützt sich auf epidemiologische Studien, klinische Prüfungen sowie Real-World-Daten aus der Pharmakovigilanz.
Bemerkenswert ist, dass bislang keine schlüssige Erklärung für den Mechanismus dieser Nebenwirkung vorliegt. Zwar konnte in der Fachliteratur die Expression von GLP-1-Rezeptoren am Sehnervenkopf nachgewiesen werden, doch bleibt unklar, ob eine kontinuierliche Rezeptorstimulation durch Semaglutid oder verwandte Substanzen eine pathologische Veränderung der lokalen Perfusion auslösen kann. Die EMA äußert sich hierzu nicht weiter, signalisiert jedoch mit der Klassifizierung der NAION als sehr seltene Nebenwirkung eine deutliche Risikoakzentuierung – auch im Hinblick auf einen möglichen Klasseneffekt.
Betroffen sind die Präparate Ozempic® (Typ-2-Diabetes), Wegovy® (Adipositas) und Rybelsus® (orale Semaglutid-Formulierung, derzeit nicht in Deutschland im Handel). Die überarbeitete Fachinformation soll NAION mit der Häufigkeitsangabe „sehr selten“ listen und klare Handlungsempfehlungen für Patient:innen und ärztliches Personal enthalten: Bei plötzlich auftretendem Sehverlust oder drastischer Sehverschlechterung soll die Behandlung sofort unterbrochen und ärztlich abgeklärt werden. Wird eine NAION diagnostiziert, ist ein Absetzen der Therapie indiziert.
Die EMA mahnt zur Vorsicht, vermeidet aber Alarmismus. Noch sei die Fallzahl gering, doch die Signalqualität aus den Datenanalysen offenbarte ein robustes Sicherheitsrisiko. Gerade weil Patient:innen mit Typ-2-Diabetes ohnehin ein erhöhtes vaskuläres Risiko tragen, ist eine sorgfältige Differenzialdiagnose erforderlich, um NAION-Fälle frühzeitig zu erkennen. Kliniker und Apotheker sollten fortan nicht nur über gastrointestinale und pancreatische Nebenwirkungen der Inkretinmimetika informieren, sondern auch über die Möglichkeit okulärer Komplikationen – ein Schritt hin zu einer neuen, differenzierteren Nutzen-Risiko-Abwägung in der GLP-1-basierten Pharmakotherapie.
Entzündung erkennen, Konzentration wählen, Selbstmedikation führen
Wie Apotheken den Einsatz von Zugsalben richtig steuern, Risiken früh erkennen und Kunden sicher begleiten
Zugsalben gehören zum klassischen Repertoire der Selbstmedikation bei bakteriellen Hautentzündungen – und sind zugleich ein anspruchsvolles Beratungsfeld, das weit über die Produktauswahl hinausgeht. Der entscheidende Faktor für eine sichere und wirksame Anwendung liegt nicht nur in der Wahl der richtigen Konzentration, sondern in der realistischen Einschätzung des Entzündungsverlaufs. Für Apotheken bedeutet dies: klare Kriterien für die Abgrenzung zur ärztlichen Behandlung, strukturiertes Beratungswissen zu Anwendung und Risiken sowie ein funktionierendes System zur Reklamation und Rückführung bei Fehlanwendung oder allergischen Reaktionen.
Im Fokus stehen vor allem Furunkel, Abszesse, eingewachsene Haare, entzündete Schweißdrüsen und andere lokal begrenzte bakterielle Prozesse, die unter geeigneten Bedingungen in der Selbstbehandlung verbleiben dürfen. Entscheidend ist, dass keine systemischen Symptome wie Fieber oder rasch fortschreitende Entzündungstendenzen bestehen. Hier ist die Grenze zur ärztlichen Versorgung – und hier beginnt die Verantwortung der Apotheke, diese Grenze im Beratungsgespräch deutlich zu machen.
Für die tägliche Praxis ist eine abgestufte Empfehlung je nach Tiefe, Lokalisation und Ausprägung der Hautveränderung essenziell. Die Konzentration von Ammoniumbituminosulfonat – dem Wirkstoff der klassischen Zugsalben – ist dabei der zentrale Steuerungsfaktor. Apotheken müssen in der Lage sein, nicht nur zwischen den erhältlichen 10-, 20- und 50-Prozent-Präparaten zu unterscheiden, sondern auch typische Begleitfragen vorausschauend zu adressieren: Darf die Salbe ins Gesicht? Braucht es eine Abdeckung? Wie lässt sich Textilschutz organisieren? Und wie lange darf die Behandlung fortgeführt werden, ohne dass ein ärztlicher Kontakt zwingend notwendig wird?
Die 10-Prozent-Variante eignet sich vor allem bei empfindlicher Haut, bei oberflächlichen Reizzuständen oder zur Anwendung in sensiblen Regionen wie Gesicht und äußerem Intimbereich. Hier steht die hautschonende Unterstützung im Vordergrund. Wichtig ist die dünne Auftragung ohne Okklusion. Diese Konzentration eignet sich auch für Kinder – vorausgesetzt, keine Reizzustände oder offenen Läsionen liegen vor.
Die 20-Prozent-Zubereitung zielt auf mitteltiefe Entzündungen ab, insbesondere bei eingewachsenen Haaren, kleineren Furunkeln oder Reizzuständen am Nagelbett. Die Anwendung erfordert eine Abdeckung mit luftdurchlässigen Materialien, um das Einwirken zu sichern und gleichzeitig Verunreinigungen der Kleidung zu vermeiden. Auch hier ist die Eignung für Kinder gegeben, sofern die Hautstelle nicht mechanisch belastet wird.
Die stärkste Formulierung mit 50 Prozent kommt bei tiefen Abszessen, stark entzündeten Herden oder rezidivierenden Prozessen zum Einsatz. Apotheken sollten hier deutlich auf die starke Färbung, den hohen Fettanteil und die intensive Geruchsentwicklung hinweisen – ebenso auf die Notwendigkeit einer sicheren, saugfähigen Abdeckung, insbesondere über Nacht. Auch das mögliche Auslösen einer starken lokalen Reaktion mit spontaner Öffnung des Herdes sollte angesprochen werden – inklusive Hinweis auf hygienische Maßnahmen zur Wundversorgung.
Begleitet werden muss die Anwendung in jedem Fall durch realistische Erwartungshaltung, Textilschutzempfehlungen und Hinweise zur Wiederholbarkeit der Anwendung. Besonders bei sehr fetthaltigen Präparaten oder längerem Hautkontakt empfiehlt sich eine textile Vorsichtsmaßnahme: Silikonnetze, selbsthaftende Kompressen oder hydrophobe Auflagen helfen, die Salbe dort zu halten, wo sie wirken soll – und nicht im Bettzeug.
Die Beratung sollte außerdem immer Warnzeichen betonen, bei deren Auftreten die Selbstmedikation zu beenden ist: schnelle Ausbreitung der Entzündung, Schmerzen mit Druckgefühl, Rötung entlang anatomischer Linien (z. B. Wirbelsäule), Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl oder Lokalisation im Gesicht, an Gelenken oder im Genitalbereich. Auch chronisch verlaufende, wiederkehrende Entzündungen sind immer Anlass zur ärztlichen Abklärung.
In der Praxis bedeutet dies: Apotheken müssen mit strukturierten Beratungshilfen arbeiten, idealerweise mit Konzentrationstabellen, Entscheidungsschemata und Abgabevermerken im Warenwirtschaftssystem. Das Verkaufsgespräch darf nicht bei der Abgabe enden. Vielmehr geht es darum, Kund:innen zur eigenverantwortlichen Beobachtung und Rückmeldung zu befähigen. Wer heute Zugsalbe verkauft, übernimmt Verantwortung für eine Phase der Hautheilung, die sowohl Aufklärung als auch Aufmerksamkeit erfordert.
Zugsalben sind kein Nischenprodukt, sondern ein Marker für pharmazeutische Beratungskompetenz – vorausgesetzt, sie werden differenziert, anwendungsorientiert und führungsstark vermittelt. Ihre Wirksamkeit ist erprobt, ihre Grenzen klar definierbar. Zwischen Selbstbehandlung und Eskalationsvermeidung liegt die eigentliche Kompetenz der Apotheke – präzise Beratung, kluge Produktauswahl und aktive Begleitung.
Produktionsschwäche trifft Pharma, Konjunktur hofft auf Erholung
Zollbedingte Rückgänge belasten Industrie, Frühindikatoren sprechen für Aufwärtstrend, strukturelle Risiken bleiben dominierend
Die deutsche Industrieproduktion ist im April 2025 wieder ins Stocken geraten – und ausgerechnet die Pharmabranche markiert den schärfsten Einbruch. Nach einem zollpolitisch bedingten Produktionsboom im März sank die Gesamtherstellung im Verarbeitenden Gewerbe im April um 1,4 Prozent. Ein gewichtiger Treiber dieses Rückgangs: Die pharmazeutische Industrie verzeichnete einen herben Produktionsrückgang um 17,7 Prozent – ein Wert, der die vorherige Dynamik von plus 19,3 Prozent nahezu egalisiert. Analysten wie Franziska Palmas von Capital Economics verweisen auf ein offensichtliches Vorziehverhalten angesichts bevorstehender US-Zölle, das nun abrupt in eine Gegenbewegung umschlägt.
Diese Schwankungen sind nicht nur Ausdruck kurzfristiger Lagerstrategien, sondern auch ein Symptom tieferer Unsicherheit. Wie das Bundeswirtschaftsministerium festhält, werde die Produktion „zunehmend durch handelspolitische Verwerfungen beeinflusst“. Die angekündigten und teils bereits in Kraft gesetzten US-Zölle auf europäische Pharmaprodukte haben dabei offenbar eine doppelte Wirkung entfaltet: Erst als temporärer Produktionsstimulus durch vorgezogene Bestellungen – nun als rückschlagartige Delle in der tatsächlichen Auslastung. Das Statistische Bundesamt unterstreicht, dass selbst der revidierte Anstieg im März nur noch bei 2,3 Prozent liegt – deutlich weniger als zunächst angenommen.
Allerdings gibt es auch gegenläufige Signale. So stiegen die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe im April zum zweiten Mal in Folge. Das nährt Hoffnungen auf eine mögliche Trendwende, auch wenn diese noch auf wackligem Fundament steht. Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, ist die derzeitige Schwächephase deshalb zwar real, aber „angesichts der robusten Auftragslage perspektivisch verkraftbar“. Die Kombination aus gesunkenen Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank, dem deutschen Fiskalpaket und positiven Frühindikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklima stützt die Einschätzung, dass die Konjunktur insgesamt eine Bodenbildung vollziehen könnte.
Trotzdem bleibt die Strukturkrise in Teilen der Industrie virulent. Die deutsche Pharmabranche steht exemplarisch für die Wechselwirkungen globaler Handelsrisiken, regulatorischer Unsicherheiten und kurzfristiger Marktanpassungen. Der abrupte Rückgang der Produktion ist damit auch ein Indikator für eine größere Fragilität in einem Sektor, der traditionell als stabil galt. Ralph Solveen von der Commerzbank verweist auf diesen Umstand, wenn er trotz positiver Konjunkturerwartung zugleich betont, dass „strukturelle Probleme und die Zollpolitik einen kräftigen Aufschwung verhindern werden“.
Während die Industrie auf eine wirtschaftliche Stabilisierung hofft, bleibt die Unsicherheit über die tatsächliche Wirksamkeit der geld- und fiskalpolitischen Gegenmaßnahmen bestehen. Der Blick auf die pharmazeutische Produktion dient dabei als Frühindikator – für das, was noch kommt, wenn geopolitische Spannungen, globale Lieferkettenprobleme und wachsender regulatorischer Druck weiter zusammenwirken.
Gesundheit braucht Sichtbarkeit, Forschung braucht Daten, Apotheken brauchen Stimme
Wie Gendermedizin aus der Tabuecke rückt, Frauengesundheit endlich erforscht wird und Apotheken zum Katalysator für Gleichberechtigung werden
Gesundheit ist nicht neutral. Sie folgt gesellschaftlichen Zuschreibungen, reproduziert Rollenerwartungen und verstärkt strukturelle Unterschiede – gerade wenn es um Frauen geht. Dass die weibliche Perspektive in der Medizin bis heute unterrepräsentiert ist, macht die Gleichstellung zur Frage der Versorgungsgerechtigkeit. Der AOK-Bundesverband hat dieses Spannungsfeld im Rahmen eines hochkarätig besetzten Panels öffentlich diskutiert und dabei deutlich gemacht: Gesundheitspolitik muss weiblicher werden, Schulen brauchen genderfaire Aufklärung, und Apotheken sind prädestiniert dafür, die Themen ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. Doch trotz vieler Initiativen bleibt die Realität ambivalent.
Anne Högemann von der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung forderte in Berlin, Mädchen bereits im Schulalter zu ermutigen, ihre gesundheitlichen Beschwerden ernst zu nehmen. Ob Regelschmerzen, PMS oder Endometriose – viele Krankheitsbilder seien nach wie vor mit Scham behaftet, obwohl sie Millionen betreffen. Es brauche mehr frühzeitige Kommunikation, mehr Normalität und vor allem mehr Einbindung der Jungen. Denn nur wenn Jungen und Männer früh verstehen, dass Gesundheit kein Geschlechterklischee ist, könne sich eine echte Gleichberechtigung entwickeln. Nicoletta Wischnewski vom Gesundheitsamt Charlottenburg-Wilmersdorf plädierte dafür, Gesundheitsaufklärung zum Schulfach zu machen. Nicht als moralische Belehrung, sondern als Investition in Prävention, Eigenverantwortung und Aufklärung – zum Beispiel über Fruchtbarkeit, Sexualität und psychische Gesundheit.
Dass Frauen gesundheitlich anders betroffen sind und medizinisch oft anders reagieren, ist wissenschaftlich längst erwiesen. Trotzdem dominiert in der Forschung noch der männliche Körper. Turu Stadler von der Charité Berlin machte auf die dramatischen Lücken in der Datenerhebung aufmerksam: Frauen reagieren anders auf Medikamente, erkranken bei Herzinfarkten häufig ohne typische Symptome und leiden häufiger unter psychischen Belastungen. Doch Studien, die sich mit diesen Unterschieden beschäftigen, sind selten – und damit bleibt die Versorgung vielfach defizitär. Der sogenannte Gender-Health-Gap ist kein theoretisches Konstrukt, sondern Realität in Wartezimmern, Kliniken und Therapiekonzepten.
AOK-Chefin Carola Reimann unterstrich, dass der Verband gezielt Projekte fördert, um die Datenlage zu verbessern. Sie verwies auf weibliche Führungskräfte innerhalb der AOK und die gezielte Beteiligung an Forschungsinitiativen, die Frauengesundheit adressieren. Doch auch jenseits der Verbandsarbeit brauche es eine gesellschaftliche Kultur, in der weibliche Gesundheitsanliegen nicht belächelt oder pathologisiert werden.
Apotheken können hier eine Schlüsselrolle einnehmen – darin waren sich die Diskutantinnen einig. Anke Rüdinger vom Deutschen Apothekerverband betonte, dass Apotheken längst mehr als Ausgabestellen für Arzneimittel seien. Sie seien Kommunikationsorte, oft Vertrauensräume, in denen Gesundheitsfragen konkret besprochen werden. Dass 90 Prozent der Mitarbeitenden Frauen sind, sei eine strukturelle Stärke. Doch gerade deshalb müsse Genderkompetenz in der Beratung aktiv genutzt werden. Rüdinger berichtete von Kundinnen, die ihre Beschwerden aus Scham herunterspielen oder sich nicht trauen, Fragen zu stellen. Gerade in diesen Situationen könnten Apothekerinnen aufklären, enttabuisieren und empowern.
Rüdinger sieht große Chancen in der individuellen Kommunikation – besonders im Zusammenspiel mit Stammkundinnen. Über gezielte Ansprache, niedrigschwellige Informationsmaterialien und Fortbildungen könne ein Bewusstsein geschaffen werden, das weit über die Offizin hinausstrahlt. Sie verwies auf positive Entwicklungen in der öffentlichen Debatte – etwa die verstärkte Sichtbarkeit von Endometriose oder Menopause.
Nicole Lauscher, Geschäftsführerin von Isartal Health Media, erinnerte daran, wie entscheidend auch Medien sind. Tabuisierung beginne oft mit Sprachlosigkeit – und genau da müsse man ansetzen. »Scheidentrockenheit«, so Lauscher, sei kein Schmuddelthema, sondern ein medizinisches. Instagram, TikTok und Podcasts böten Chancen, auch junge Zielgruppen für diese Themen zu gewinnen. Statt verklemmter Werbesprache brauche es eine offene, ehrliche Kommunikation – und dafür trügen Medien eine Mitverantwortung.
Doch es bleibt viel zu tun. Carola Reimann forderte am Ende der Diskussion, dass Frauengesundheit nicht punktuell, sondern dauerhaft auf der gesundheitspolitischen Agenda verankert werde. Es gehe nicht um Nischenthemen, sondern um strukturelle Gesundheitsgerechtigkeit. Rüdinger schloss sich dem an – aber mit einem optimistischen Blick: »Wir sind noch nicht am Ziel, aber wir sind auf dem Weg. Und wir dürfen auch einmal anerkennen, was wir schon erreicht haben.«
Das Panel zeigte: Frauengesundheit ist nicht länger ein Tabuthema. Aber Sichtbarkeit allein reicht nicht – es braucht Daten, Aufklärung, Verantwortung. Und eine Systemlogik, die Unterschiede nicht ignoriert, sondern anerkennt, analysiert und in Versorgung übersetzt.
Infektionen früh erkennen, Beratung gezielt lenken, Behandlung sicher abgrenzen
Wann Apotheken bei Augensymptomen handeln können, wie Red Flags eine Überweisung erzwingen und welche Hygieneberatung bei Kontaktlinsen essenziell ist
Wenn das Auge tränt, sich rötet oder morgens verklebt ist, beginnt in der Offizin häufig eine Gratwanderung: Zwischen berechtigter Selbstmedikation und notwendiger ärztlicher Intervention. In seinem Vortrag „Infektionskrankheiten und Entzündungen am Auge – wenn ärztliche Behandlung nötig ist“ bei der Interpharm 2025 skizziert Dr. Marius Metz, Assistenzarzt an der Augenklinik des Klinikums Stuttgart, genau diese Schwelle – und liefert Apothekenpersonal klare Kriterien zur Entscheidungshilfe. Denn was zunächst nach banaler Reizung aussieht, kann infektiologisch brisant, visusbedrohend und behandlungsbedürftig sein.
Metz betont, dass die Anamnese in solchen Fällen die zentrale Weichenstellung darstellt. Wurde eine Kontaktlinse über Nacht getragen? Gab es kürzlich ein Trauma oder eine ophthalmologische Operation? Liegen bekannte Grunderkrankungen vor? All diese Faktoren verändern das Risikoprofil erheblich. Gerade bei Kontaktlinsenträger:innen sei die Schwelle zur ärztlichen Abklärung niedrig anzusetzen. Eine Rötung am Tag nach dem Tragen oder gar Schmerzen und Photophobie sind bereits Red Flags – Warnzeichen also, die keine pharmakologische Selbstversorgung mehr erlauben.
Dabei müsse man, so Metz, nicht nur akute Risiken erkennen, sondern auch chronische Verläufe mitdenken. Denn immer wieder treten Augenentzündungen als Begleiterscheinung systemischer Erkrankungen auf – rheumatoide Prozesse zum Beispiel, die mit Uveitiden oder rezidivierender Konjunktivitis einhergehen können. Die Apotheke als niedrigschwellige Versorgungsinstanz wird hier zum ersten Detektionspunkt. Eine Erinnerung an frühere Diagnosen, eine gezielte Nachfrage zur medizinischen Vorgeschichte und der Verweis auf bereits erprobte ärztliche Therapien können den Weg zur stabilen Behandlung ebnen.
Die therapeutische Differenzierung bleibt anspruchsvoll. Tränende Augen etwa können Ausdruck einer banalen Reizung sein – durch Zugluft, Bildschirmarbeit oder Kosmetika. Genauso aber auch Ausdruck einer Konjunktivitis viraler oder bakterieller Genese, bei der die Abgrenzung anhand von Dauer, Sekretqualität und Allgemeinsymptomatik erfolgen muss. Metz verweist auf die Praxis, bei erkennbar bakteriellen Formen – etwa eitrigem Sekret, beidseitigem Befall, Fieber oder Lidödem – den ärztlichen Weg nicht zu verzögern. Auch die Lokalisation ist entscheidend: Entzündungen im Bereich der Lidränder lassen sich oft topisch begleiten, während Hornhautbeteiligungen – etwa bei Keratitis oder Ulzera – als absolute Notfälle gelten.
Gerade bei Hornhauterkrankungen sei äußerste Sorgfalt geboten, warnt Metz. Infektiöse Keratitiden, wie sie bei Hygienefehlern mit Kontaktlinsen auftreten können, entwickeln sich binnen Stunden dramatisch. Schmerz, Lichtscheu, Visusverlust – all das sind Symptome, die keinen zeitlichen Spielraum lassen. Apothekerinnen und Apotheker sollten nicht nur zur korrekten Anwendung von Linsenpflegeprodukten beraten, sondern auch deren kontinuierliche Kontrolle empfehlen. Rückfragen zur Linsentragezeit, zur Lagerung, zum Wechselintervall der Behältnisse und zur Nutzung im Schlaf sind mehr als eine Zusatzleistung – sie sind präventive Gefahrenabwehr.
Und auch die Formulierung individueller Empfehlungen verdient Aufmerksamkeit: „Das eine Mittel für das trockene Auge“ existiert laut Metz nicht. Vielmehr ist bei Beschwerden wie Reizungen oder Benetzungsstörungen ein dialogisches Vorgehen gefragt. Die Apotheke müsse beraten, strukturieren, erklären – und immer im Blick behalten, ob sich Symptome verändern, verschärfen oder auf systemische Ursachen hindeuten. Gerade bei Patienten, die wiederholt mit gleichen Symptomen erscheinen, kann die Weiterleitung in eine augenärztliche Kontrolle entscheidend zur Diagnoseklärung beitragen.
Der Vortrag in Stuttgart wirft ein neues Licht auf die Rolle der Apotheken in der Primärversorgung bei Augensymptomen – nicht als Ersatz, sondern als Schaltstelle. Dort, wo Patienten nicht sofort zum Augenarzt gelangen oder Symptome unterschätzen, hilft die strukturierte Sichtung, das Aufzeigen von Grenzlinien und die Fähigkeit zur Eskalation. Dr. Metz liefert keine Rezepte, sondern eine Haltung: Wachsam, beratungsstark, diagnostisch geschult und klinisch orientiert.
Die Interpharm 2025 bietet mit diesem Format eine besondere Gelegenheit zur praxisnahen Fortbildung. Apothekerinnen und Apotheker erhalten nicht nur Einsichten in infektiöse Prozesse, sondern auch Handlungsoptionen für den Alltag – von der Erstanamnese bis zur hygienischen Prävention. Mit zunehmender Nachfrage nach kompetenter Einschätzung vor Ort und einem Gesundheitssystem unter Belastung wächst auch die Verantwortung der Apotheken. Die Grenze zwischen Beratung und Behandlung zu erkennen, ist keine juristische Frage – sondern ein Ausdruck professioneller Haltung.
Am 25. Juni in Stuttgart wird dies nicht nur diskutiert, sondern in Fortbildungsinhalte übersetzt – praxisnah, fallbezogen und mit Blick auf die multiprofessionelle Zusammenarbeit. Die DAZ hatte bereits im Vorfeld die Gelegenheit zum Gespräch – das Fazit: Apotheker sind mehr als Produktberater. Sie sind Risiko-Scouts, Gesprächsführer und Versorgungsstabilisierer – besonders dann, wenn das Auge Hilfe braucht, bevor es zu spät ist.
Meldung über Todesfall, Diskussion über Sicherheit, Prüfung durch PRAC
EMA untersucht Windpockenimpfstoffe nach Enzephalitis-Verdacht bei Kind in Polen
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat eine umfassende Sicherheitsprüfung der beiden Lebendimpfstoffe Varilrix® und Varivax® zur Immunisierung gegen Varizellen eingeleitet, nachdem ein polnisches Kind kurz nach der Impfung mit Varilrix an einer Enzephalitis verstorben ist. Der Fall, der von der polnischen Arzneimittelbehörde als schwerwiegendes Einzelergebnis eingestuft und zur vorläufigen Blockierung der betroffenen Impfstoffcharge geführt hatte, wirft zentrale Fragen zur Risikobewertung lebender attenuierter Virenpräparate auf. Obwohl Enzephalitis als bekannte, aber extrem seltene Nebenwirkung bereits in den Produktinformationen beider Impfstoffe aufgeführt ist, hat der PRAC der EMA eine erneute Nutzen-Risiko-Abwägung gestartet. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfung und neurologischer Komplikation vorliegt oder ob andere Faktoren zur tödlichen Gehirnentzündung geführt haben könnten – etwa eine vorbestehende Immunschwäche oder Koinfektionen.
Nach Angaben der EMA handele es sich bislang um einen singulären Fall, dennoch werde die Situation „mit aller gebotenen Sorgfalt“ analysiert. Die beiden betroffenen Vakzine enthalten lebend-abgeschwächte Varizella-Zoster-Viren und sind seit Jahren EU-weit für die Immunisierung von Kleinkindern zugelassen. Sie gelten als effektiv in der Prävention typischer Windpockenverläufe und – bei vollständiger Immunisierung – auch als Schutz gegen Komplikationen wie bakterielle Superinfektionen, Pneumonien oder ZNS-Beteiligungen. Die von der EMA empfohlene Weiterverwendung der Präparate gemäß geltender Fachinformation belegt, dass die Regulierungsbehörde derzeit kein flächendeckendes Sicherheitsrisiko erkennt, wohl aber eine mögliche Klärungspflicht gegenüber neuen signifikanten Ereignissen.
Das Auftreten einer postvakzinalen Enzephalitis, gleich ob viral induziert oder immunvermittelt, zählt zu den besonders sensiblen Prüfbereichen der Pharmakovigilanz. Solche Ereignisse sind geeignet, öffentliche Impfdebatten neu aufzuladen und das Vertrauen in bestehende Impfprogramme zu erschüttern – gerade wenn Kinder betroffen sind. Der PRAC kündigte daher an, alle verfügbaren pharmakovigilanten Fallmeldungen, klinischen Daten und epidemiologischen Bewertungen der letzten Jahre in die Analyse einfließen zu lassen. Parallel wird geprüft, ob konkrete Empfehlungen zur Chargenkontrolle, Aufklärung oder Differenzialdiagnostik erforderlich werden.
Die EMA betonte in ihrer heutigen Mitteilung, dass Windpockeninfektionen selbst bei Kindern nicht harmlos seien – gerade weil in seltenen Fällen neurologische Folgeerkrankungen wie Enzephalitis auftreten können. Daher müsse jede Risikoabwägung auch das potenzielle Risiko einer natürlichen Infektion berücksichtigen. Während die Fachwelt auf die Ergebnisse des Bewertungsverfahrens wartet, bleibt der regulatorische Imperativ bestehen: größtmögliche Transparenz, schnelle Risikoabschätzung und sachgerechte Kommunikation – ohne vorschnelle Rückschlüsse, aber mit maximaler Konsequenz im Fall bestätigter Zusammenhänge.
Wachheit gezielt aktivieren, Kataplexie wirksam senken, Therapie neu denken
Wie Oveporexton bei Narkolepsie die Pathophysiologie adressiert, in der Phase-III-Studie Hoffnung schürt und klassische Stimulanzen hinter sich lässt
Oveporexton markiert einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der Narkolepsie Typ 1: Erstmals zielt ein Wirkstoff auf die zugrunde liegende Pathophysiologie ab – nicht nur auf die Symptome. Als selektiver Agonist des Orexinrezeptor-2 (OX2R) greift Oveporexton dort ein, wo die Erkrankung beginnt – beim Verlust der Orexin-produzierenden Neuronen im Hypothalamus, die für Wachheit, Muskeltonusstabilität und Schlafregulation essenziell sind. Der Wirkstoff, der die Blut-Hirn-Schranke überwindet und gezielt den OX2R stimuliert, steht nun nach erfolgreichen Ergebnissen einer Phase-IIb-Studie an der Schwelle zur entscheidenden klinischen Validierung in Phase III.
Die jüngst im New England Journal of Medicine publizierten Studiendaten zeigen, dass Oveporexton sowohl objektive als auch subjektive Maße der Tagesschläfrigkeit signifikant verbessern konnte. In der achtwöchigen Untersuchung an 112 erwachsenen Narkolepsie-Patient:innen erwies sich der Wirkstoff allen vier Dosierungsschemata überlegen gegenüber Placebo. Besonders augenfällig war der Zuwachs der mittleren Schlaflatenz beim Maintenance of Wakefulness Test (MWT), einem etablierten Maß für die Fähigkeit, über längere Zeit wach zu bleiben. Die erreichten Werte näherten sich den Normwerten gesunder Probanden – ein bislang kaum erreichter Standard in der Narkolepsie-Therapie.
Parallel dazu sanken die Werte auf der Epworth Sleepiness Scale (ESS) erheblich, was auf eine deutliche Reduktion der subjektiv empfundenen Tagesschläfrigkeit hinweist. 79 Prozent der mit Oveporexton behandelten Personen erreichten in Woche 8 ESS-Werte ≤ 10 Punkte – ein Zielwert, den viele andere Wirkstoffe auch langfristig verfehlen. Besonders bemerkenswert ist auch die signifikante Senkung der Kataplexie-Ereignisse in allen Wirkstoffarmen, womit ein weiteres Leitsymptom der Erkrankung adressiert wird.
Vergleicht man die Effekte auf die Schlaflatenz im MWT mit bisherigen zugelassenen Substanzen, ergibt sich eine neue Dimension der Wirksamkeit: Während herkömmliche Medikamente meist Verbesserungen von 2 bis 12 Minuten erreichen, bewirkte Oveporexton dosisabhängig eine Erhöhung von 14 bis 27 Minuten – ein Effekt, der weit über das Erwartbare hinausgeht. Dass der Wirkstoff auf direktem Wege die neuronale Ursache adressiert, hebt ihn funktionell vom derzeitigen Therapiestandard ab, der oft auf dopaminerge, noradrenerge oder GABAerge Mechanismen setzt, aber nicht kausal eingreift.
Dabei ist die Sicherheit von zentraler Bedeutung. Nachdem eine Vorgängersubstanz (TAK-994) wegen möglicher lebertoxischer Effekte nicht weiterentwickelt wurde, zeigte sich Oveporexton in der aktuellen Studie diesbezüglich unauffällig. Am häufigsten traten leichte Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit und Harndrang auf – klinisch beherrschbar und nicht limitierend. Der Wirkstoff wird oral verabreicht und ist somit alltagstauglich integrierbar – ein weiterer Vorteil gegenüber komplexeren Therapieformen wie Xyrem (Natriumoxybat).
Derzeit befindet sich Oveporexton in der Phase-III-Erprobung. Diese soll zeigen, ob die vielversprechenden Effekte der vorangegangenen Studie über längere Zeiträume und in größeren Patientengruppen bestätigt werden können. Hersteller Takeda muss dabei nicht nur die klinischen Effekte reproduzieren, sondern auch regulatorische Sicherheitsanforderungen erfüllen. Sollte dies gelingen, wäre Oveporexton der erste Vertreter einer neuen Substanzklasse – ein echter Gamechanger in einem Indikationsgebiet, das bislang von symptomorientierter Kompromisstherapie geprägt ist.
Dass der Wirkstoff keine duale Antagonistenwirkung wie Daridorexant (für Insomnie zugelassen) entfaltet, sondern gezielt die wachheitsfördernde OX2R-Aktivität nutzt, ist zugleich sein Alleinstellungsmerkmal und seine therapeutische Stärke. Damit schließt er eine Lücke zwischen Pathomechanismus und klinischem Effekt – ein Konzept, das nicht nur für die Narkolepsie, sondern potenziell auch für andere Hypersomnolenzstörungen von Bedeutung sein könnte. In jedem Fall ist Oveporexton der erste Wirkstoffkandidat seit Jahrzehnten, der auf der molekularen Logik der Erkrankung aufbaut – und nicht auf Umwegen zu wirken versucht.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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