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  • 23.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: PKV treibt Beiträge, Politik schweigt, Sozialtarife entgleisen
    23.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: PKV treibt Beiträge, Politik schweigt, Sozialtarife entgleisen
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Standardtarif-Schock, Abschreibungswelle, Präventionslücken: Die Gesundheitsordnung 2025 steht unter Druck – was jetzt auf dem Spiel s...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: PKV treibt Beiträge, Politik schweigt, Sozialtarife entgleisen

 

Was ältere Versicherte jetzt zahlen, warum Eingriffe ausbleiben und das System ins Wanken gerät

Beitragserhöhungen im Standardtarif der PKV, millionenschwere Abschreibungen beim Apothekerversorgungswerk, eine politisch ausbalancierte Haushaltsanpassung bei der ABDA und die rekordhohen F&E-Investitionen der Chemie- und Pharmabranche – all diese Entwicklungen verdichten sich zu einem Bild wachsender struktureller Spannungen im Gesundheits- und Versorgungssystem. Während Modellkommunen wie Hannover im Kampf gegen synthetische Opioide voranschreiten und Klagen gegen Impfstoffhersteller Fragen nach Anerkennung und Vertrauen aufwerfen, stehen Unternehmen wie Klosterfrau vor tiefgreifenden strategischen Neuausrichtungen. Studien zu Schlaganfallrisiken durch KOK, innovative Therapiekonzepte bei Prostatakrebs, neue Risiken durch Nitazene, alarmierende Hautkrebszahlen und Herausforderungen in der Infektprävention bei Sportlern fügen sich zu einem Mosaik aktueller Problemlagen, die nicht nur medizinische, sondern auch gesellschaftspolitische Relevanz beanspruchen. Was auf den ersten Blick wie ein Nebeneinander wirkt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als eng verflochtenes Systemversagen – mit weitreichenden Konsequenzen für Versorgung, Vertrauen und Verantwortung.

 

Verluste verschwiegen, Risiken verharmlost, Rücklagen verteidigt

Wie das Apothekerversorgungswerk erneut Millionen abschreibt, Vertrauen behauptet und Stabilität ins Risiko dreht

Es ist ein Warnsignal, das schwer zu überhören ist: Das Versorgungswerk der Apothekerkammer Schleswig-Holstein muss zum zweiten Mal in Folge massive Abschreibungen bekannt geben – dieses Mal in Höhe von rund 33 Millionen Euro. Die Ursache ist nahezu identisch mit der des Vorjahres: riskante Immobilieninvestments, insbesondere im Bereich sogenannter Mezzanine-Kapitalanlagen, haben deutlich an Wert verloren. Schon 2023 mussten 54,9 Millionen Euro außerplanmäßig abgeschrieben werden – ebenfalls infolge der abrupt gestiegenen Zinsen und einer sich zuspitzenden Marktlage. Die wiederholte Belastung legt nun offen, dass es sich nicht um eine temporäre Marktstörung handelt, sondern um ein strukturelles Problem innerhalb der Anlagestrategie der Einrichtung.

Trotz dieser enormen Verluste betonen die Ausschussvorsitzenden Kai Christiansen und Roswitha Borchert-Bremer, dass die Altersvorsorge der Mitglieder „vollumfänglich gewährleistet“ sei. Die versicherungsmathematischen Reserven blieben unberührt, die Bilanz des Jahres 2024 werde erneut ausgeglichen sein. Eine positive Nettorendite von rund 2 Prozent sei – trotz Abschreibungen – möglich. Der Rückgriff auf Rücklagen in Höhe von über 100 Millionen Euro zeige, so die Vorsitzenden, dass das Versorgungswerk langfristig robust aufgestellt sei.

Was sich jedoch durch den Bericht zieht, ist ein wachsender Widerspruch zwischen Stabilitätsrhetorik und Zahlenlage. Denn wenn innerhalb von zwei Jahren fast 90 Millionen Euro an Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen, stellt sich unweigerlich die Frage nach der Tragfähigkeit der gesamten Risikostruktur. Dass diese Verluste durch Rücklagen aufgefangen werden können, bedeutet nicht, dass sie folgenlos sind. Jeder Verlust schmälert nicht nur die operative Flexibilität, sondern auch das Vertrauen der Mitglieder – und zwingt zur Neuausrichtung. Die Aussage, man habe mit der Entwicklung „in der Intensität nicht gerechnet“, wirkt da wie eine nachträgliche Legitimation einer fehlgeschlagenen Prognostik.

Es ist ein klassischer Fall von Erwartungskollaps in der institutionellen Kapitalanlage: Die Mechanismen, auf die man setzte – stabile Renditen aus Sachwerten, marktnahe Kreditsicherung, Inflationsschutz durch Immobilieneigentum – haben unter dem Druck der geldpolitischen Umwälzungen versagt. Die rapide Zinswende hat nicht nur die Bewertungssystematik torpediert, sondern auch das Vertrauen in hybride Finanzprodukte wie Mezzanine-Investments erschüttert. Diese gelten als Mischform aus Eigen- und Fremdkapital, bieten oft hohe Renditen, sind aber im Krisenfall besonders anfällig für Totalausfälle.

Besonders bedenklich ist dabei, dass der Ausschuss selbst einräumt, solche Entwicklungen in der Intensität nicht antizipiert zu haben. Wenn aber ausgerechnet jene, die mit der Sicherung der Altersvorsorge betraut sind, in ihren Prognosemodellen scheitern, rückt die Frage nach der systemischen Resilienz in den Mittelpunkt. Es ist nicht die Abschreibung selbst, die Anlass zur Sorge gibt – sondern das wiederholte Eintreten einer Situation, für die es offenbar keine adäquaten Frühwarnsysteme gibt. Hier zeigt sich ein grundlegender Zielkonflikt zwischen Renditeerwartung, Sicherheitsversprechen und Marktverhalten.

Dass das Versorgungswerk auf eine noch immer solide Reservebasis verweisen kann, ist kein Garant für Entwarnung, sondern ein Zeitgewinn. Denn auch diese Reserven sind endlich – und ihre Inanspruchnahme bedeutet stets auch eine Schwächung der Zukunftssicherheit. Die Bilanz wird formal ausgeglichen sein, doch das strukturelle Risiko bleibt. Die wiederholten Verluste verdeutlichen, dass sich das Versorgungsmodell an veränderte Rahmenbedingungen anpassen muss: weniger Renditeversprechen, mehr Vorsicht, größere Transparenz und klarere Risikostrategien.

Die angekündigte Mitgliederversammlung am 9. Juli in Neumünster und am 10. Juli in Kiel wird daher nicht nur ein Ort der Information sein müssen, sondern auch ein Ort der kritischen Debatte. Mitglieder werden zu Recht Fragen stellen – nicht nur zur Vergangenheit, sondern zur Zukunftsfähigkeit des Modells. Und diese Fragen müssen ohne Floskeln beantwortet werden. Denn der Vertrauensvorschuss, auf dem die Solidargemeinschaft beruht, ist nicht unbegrenzt.

 

Beitragsexplosion trifft Standardtarif, Reformversäumnisse verschärfen Vertrauenskrise, Sozialtarife verlieren Schutzfunktion

Wie die PKV ältere Versicherte belastet, warum politische Eingriffe fehlen und was das über die Systemarchitektur verrät

Die Beiträge im Standardtarif der Privaten Krankenversicherung (PKV) steigen ab dem 1. Juli 2025 um rund 25 Prozent – von bislang etwa 400 auf künftig rund 500 Euro monatlich. Betroffen sind besonders ältere Versicherte mit langjähriger Vertragsbindung. Die Nachricht, zuerst publik geworden über die »Süddeutsche Zeitung«, markiert nicht nur eine finanzielle Belastung für eine besonders vulnerable Versichertengruppe, sondern wirft auch grundlegende Fragen zur Gerechtigkeitsarchitektur des dualen Krankenversicherungssystems in Deutschland auf.

Der Standardtarif, eingeführt 1994 als sozialpolitisches Schutzinstrument, sollte einkommensschwache Senioren vor einem Beitragskollaps bewahren. Gesetzlich geregelt und bei allen PKV-Anbietern einheitlich gestaltet, unterliegt er dennoch der Kalkulationspflicht nach aktuariellen Prinzipien – was faktisch zu regelmäßigen Prämienanpassungen führt. Bereits im Vorjahr waren die Beiträge um 9,3 Prozent gestiegen, zum Jahreswechsel 2025 folgte ein weiterer Anstieg um durchschnittlich 12 Prozent für zwei Drittel der privat Versicherten – nun trifft es mit voller Wucht den Standardtarif selbst. Besonders prekär: Wer nicht alle Zugangskriterien erfüllt, etwa weil der Versicherungsvertrag erst nach 2009 abgeschlossen wurde oder die zehnjährige Mindestversicherungszeit nicht vorliegt, muss auf den Basistarif ausweichen – der meist noch teurer ist.

Dabei ist der Kreis der Anspruchsberechtigten eng definiert: Ein Alter von mindestens 65 Jahren, alternativ 55 bei Einkommen unterhalb der GKV-Bemessungsgrenze von derzeit rund 66.150 Euro, sind Voraussetzung. Hinzu kommt die Verpflichtung, mindestens ein Jahrzehnt ununterbrochen privat vollversichert zu sein. Dass ausgerechnet diese hochregulierte Tarifgruppe erneut mit massiven Beitragssteigerungen konfrontiert wird, steht im Widerspruch zur sozialen Schutzlogik, auf der ihre Existenz basiert.

Was sich hier offenbart, ist eine Systemkrise im Verborgenen. Während die gesetzlichen Kassen ihre Zusatzbeiträge im Windschatten der GKV-Finanzkrise dynamisch anpassen und sich dafür politisch rechtfertigen müssen, erfolgen die Preisanpassungen in der PKV weitgehend geräuschlos – aber nicht folgenlos. Denn für viele Betroffene droht nicht nur eine finanzielle Überforderung, sondern auch ein schleichender Verlust des Vertrauens in die langfristige Stabilität ihres Tarifs.

Gerade in der aktuellen Gemengelage zwischen inflationsbedingtem Kostendruck, demografischer Alterung und regulatorischer Trägheit zeigt sich die strukturelle Anfälligkeit des dualen Systems. Die PKV argumentiert mit steigenden Leistungsausgaben, höheren Lebenserwartungen und dem Zinsniveau. Doch dahinter steht auch ein verteilungs- und risikopolitisches Dilemma: Wer als einkommensschwacher Rentner im Standardtarif verbleibt, trägt die Last einer versicherungsmathematischen Logik, die von einem kollektiven Risikoausgleich wenig übriglässt.

Die Politik schweigt derweil. Einmal mehr wird klar: Sozialtarife in der PKV sind kein Bollwerk gegen Altersarmut, sondern ein fragiles Konstrukt, das unter ökonomischem Druck brüchig wird. Wenn Versorgungssicherheit zum Risiko wird, weil Beiträge steigen, aber Einkommen stagnieren, dann versagt das Versprechen einer stabilen Absicherung im Alter. Nötig wären jetzt nicht nur kurzfristige Beitragserleichterungen, sondern eine grundsätzliche Reformdebatte über die Zukunft privat finanzierter Gesundheitsversorgung im Alter – und über die Rolle des Staates als Garanten für bezahlbare Gesundheitsvorsorge jenseits statistischer Mittelwerte.

 

Beitrag steigen lassen, Vertrauen erhalten, Verband konsolidieren

Wie der ABDA-Haushalt 2026 politische Selbstbehauptung, ökonomische Disziplin und strategische Rückflüsse verbindet

Was sich in diesem Haushaltsvorschlag der ABDA offenbart, ist weit mehr als eine technische Bereinigung der Finanzplanung. Es ist ein Balanceakt mit politischer Tiefenschärfe: Die vorgeschlagene Beitragsanpassung um 3,9 Prozent klingt auf den ersten Blick unspektakulär – ist aber in Wahrheit ein symbolträchtiger Schritt, der mehrere Ebenen berührt. Einerseits signalisiert die Maßnahme, dass die ABDA gewillt ist, ihre Strukturen weiterzuentwickeln, ohne die Beitragszahler mit überproportionalen Mehrbelastungen zu konfrontieren. Andererseits unterstreicht sie die Fähigkeit, durch kluge Konsolidierung – insbesondere durch Einsparungen beim Sachaufwand und durch strategisch genutzte Rückflüsse aus Tochterunternehmen – eine Entlastung gegenüber vorherigen Planungen zu erreichen. Dass der Beitrag für 2026 trotz Erhöhung mehr als eine Million Euro unter dem ursprünglichen Ziel liegt, ist nicht zufällig, sondern Ergebnis gezielter Kurskorrekturen.

Diese Haushaltspolitik ist mehr als ein Zahlenwerk – sie ist Ausdruck politischer Selbstbehauptung in einem Umfeld, das der organisierten Selbstverwaltung zunehmend kritisch begegnet. Gerade in Zeiten, in denen das Vertrauen in Verbände sinkt, ist haushalterische Glaubwürdigkeit ein Machtfaktor. Der ABDA-Gesamtvorstand sendet mit dieser Vorlage das Signal: Wir investieren mit Augenmaß, wir führen mit Verantwortung und wir sparen ohne Stillstand. Es geht nicht nur darum, finanzielle Mittel zu allokieren, sondern Vertrauen zu binden – bei den Kammern, den Landesorganisationen und den Beitragszahlern vor Ort.

Die angekündigte Struktur zeigt dabei auch, wie die ABDA ihren Anspruch auf Repräsentation untermauert: nicht durch Expansion oder Selbsterhalt, sondern durch Finanzierungsmodelle, die operativen Spielraum lassen und zugleich Rechenschaft ermöglichen. In einer Phase, in der politischer Einfluss nicht mehr durch Lautstärke, sondern durch wirtschaftliche Disziplin und strategisches Timing bestimmt wird, ist ein solcher Haushalt ein subtiles Machtinstrument. Die finale Entscheidung liegt bei der Mitgliederversammlung. Doch der Weg, den der Vorstand hier vorgibt, ist nicht defensiv – er ist offensiv verantwortungsvoll. Und damit mehr als haushaltstechnisch solide: Er ist ein Lehrstück in verbandspolitischer Klugheit.

  

Forschungsstärke verteidigen, Standortverluste stoppen, Bildungspolitik neu ausrichten

Wie Chemie und Pharma gegen Asien zurückfallen, Milliarden investieren und auf MINT hoffen

Die Chemie- und Pharmaindustrie in Deutschland erreicht 2025 ein neues Rekordniveau bei ihren Ausgaben für Forschung und Entwicklung – und sieht sich dennoch mit wachsender internationaler Konkurrenz konfrontiert. Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) werden die Investitionen in Forschung in diesem Jahr auf 16,5 Milliarden Euro ansteigen. Das sind 400 Millionen Euro mehr als im Vorjahr und der höchste jemals gemeldete Betrag. Die Branche betont, dass sie trotz anhaltender wirtschaftlicher Belastungen und politischer Unsicherheit nicht an der Forschung gespart habe. Doch hinter der Zahl steht ein ambivalentes Signal: Während der absolute Wert steigt, verliert der Standort an globaler Dynamik.

Thomas Wessel, Vorsitzender des Forschungs- und Bildungsausschusses im VCI, verwies darauf, dass die Unternehmen zwar an ihren Forschungsbudgets festhielten, sich jedoch der Standortnachteil zunehmend bemerkbar mache. Ein wachsender Anteil der Forschungsaktivitäten werde ins Ausland verlagert. Hauptgründe seien strukturelle Wettbewerbsprobleme, mangelnde Planbarkeit sowie die wachsende Attraktivität anderer Innovationsregionen – allen voran Ostasien.

Tatsächlich zeigen internationale Vergleichszahlen einen deutlichen Rückstand: Bei den Patentanmeldungen im Bereich Chemie und Pharma liegt Deutschland inzwischen nicht nur hinter den USA und Japan, sondern auch hinter China und Südkorea. Der VCI sieht darin einen Warnruf. Deutschland riskiere, seine historische Stärke in der chemisch-pharmazeutischen Forschung zu verspielen, wenn bildungspolitische Impulse und innovationsfreundliche Standortbedingungen weiter ausbleiben.

Um gegenzusteuern, fordert der Verband gezielte Fördermaßnahmen – etwa eine substanzielle Stärkung der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) an Schulen und Hochschulen. Zudem brauche es verlässliche Karriereperspektiven im akademischen Bereich, damit talentierte Fachkräfte nicht in andere Länder oder Branchen abwandern. Auch die bürokratischen Hürden in der Forschungsförderung und regulatorische Unsicherheiten müssten abgebaut werden.

Rund 46.000 Beschäftigte arbeiten laut VCI derzeit in den Forschungseinrichtungen der Chemie- und Pharmaunternehmen – das entspricht knapp zehn Prozent aller Beschäftigten der Branche. Über 60 Prozent der gesamten F&E-Investitionen stammen aus der pharmazeutischen Industrie. Diese finanzieren sich zum überwiegenden Teil aus Eigenmitteln, unterstützt durch den Fonds der Chemischen Industrie, der auch schulische Projekte und akademische Programme fördert. Seit 1950 flossen auf diesem Weg mehr als 530 Millionen Euro in Bildung und Nachwuchsförderung.

Trotz dieser beeindruckenden Basis sehen Branchenvertreter die langfristige Zukunft der Forschung am Standort Deutschland gefährdet. Es sei nicht die absolute Investitionshöhe, die über globale Innovationsführerschaft entscheide, sondern die Fähigkeit, Talente zu binden, Ideen schnell zur Anwendung zu bringen und regulatorisch verlässlich zu agieren. Der Forschungsrekord 2025 markiert damit keinen Wendepunkt – sondern möglicherweise einen Kipppunkt.

Was sich durch diese Entwicklung zieht, ist ein systemischer Widerspruch: Während die Industrie versucht, mit erhöhten Eigenmitteln gegenzusteuern, zeigt sich der Staat in zentralen Fragen der Forschungs- und Standortpolitik zu langsam, zu zaghaft oder zu unentschlossen. Wenn selbst forschungsstarke Branchen beginnen, ihr Engagement ins Ausland zu verlagern, ist das ein Alarmsignal erster Ordnung. Denn anders als bei Produktionsverlagerungen geht es hier nicht nur um Standortkosten, sondern um Wissenszentren, Talente und zukünftige Wertschöpfung. Ein Land, das an seinen Forschungskräften spart – oder deren Entfaltung nicht ernsthaft ermöglicht –, spart an seiner eigenen Zukunftsfähigkeit. Der Rekordwert an Investitionen darf deshalb nicht über die strukturelle Erosion hinwegtäuschen: Ein starker Wille reicht nicht aus, wenn die Umgebung nicht trägt.

 

Testen rettet Leben, Prävention schafft Vertrauen, Politik holt auf

Wie Hannover mit Fentanyl-Selbsttests, Schulung und städtischer Strategie zum Modell gegen synthetische Opioide wird

Hannover, Essen und Berlin sind künftig keine Einzelakteure mehr im Kampf gegen synthetische Opioide – sie werden bundesweite Modellstädte. Mit dem Projekt „so-par“ („Synthetic Opioids Prepare and Response“) geht ein kommunal initiiertes Programm an den Start, das erstmals strukturiert auf die rapide Ausbreitung gefährlicher Substanzen wie Fentanyl reagiert. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Aidshilfe, dem Deutsch-Europäischen Forum für urbane Sicherheit und der Paritätischen Suchthilfe Niedersachsen sollen Maßnahmen wie Selbsttests, Krisenkommunikation, Drogenanalyse und Schulungen zum Einsatz des lebensrettenden Medikaments Naloxon flächendeckend erprobt und etabliert werden.

Die Lage ist dringlich: Laut Stadt Hannover weisen aktuelle Testreihen seit März in rund 20 Prozent der eingesandten Substanzproben Fentanyl-Beimengungen nach. Die synthetischen Opioide wirken nicht nur um ein Vielfaches stärker als Heroin – sie verschleiern auch die Herkunft und Zusammensetzung der konsumierten Drogen, was zu tödlichen Überdosierungen führen kann. Bundesweit sind 2023 über 2200 Menschen an den unmittelbaren Folgen des Drogenkonsums gestorben, ein besorgniserregender Anstieg im Vergleich zum Vorjahr.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay betont, wie zentral niedrigschwellige Hilfen und konkrete Notfallstrukturen für Betroffene sind: „Mit dem Modellprojekt können wir die Informationsarbeit zu den Gefahren ausweiten, Selbsttests anbieten und klare Abläufe für Notsituationen entwickeln.“ Die Stadt setzt auf ein Zusammenspiel von Rettungswesen, Drogenhilfe, Suchtmedizin, Straßensozialarbeit und den Konsumierenden selbst – ein interdisziplinärer Ansatz, der die Realität vor Ort ernst nimmt und nicht länger an veralteten Zuständigkeitsgrenzen scheitert.

Im Fokus des Programms stehen daher neben der präventiven Teststruktur auch kommunale Krisenpläne für unerwartete Ereignisse, verbindliche Fortbildungen für Einsatzkräfte und die Erhebung toxikologischer Daten. Damit soll nicht nur die Risikominderung im akuten Einzelfall gelingen, sondern auch eine fundierte Datenbasis zur regionalen Verbreitung synthetischer Substanzen geschaffen werden. Die Ergebnisse der Testverfahren fließen direkt in die Drogenhilfestrukturen zurück – eine Verschränkung von Praxis, Prävention und Politik, wie sie bisher auf Bundesebene fehlt.

Was sich an diesen drei Modellstädten zeigt, ist ein Paradigmenwechsel: Nicht Strafverfolgung, sondern Schutz. Nicht Kontrolle über Menschen, sondern Kontrolle über Substanzen. Nicht Isolation, sondern Integration der Konsumierenden in präventive Strukturen. Während Bundesinstitutionen weiter zögern, setzen die Kommunen auf Evidenz, Lebensrettung und Realismus. Die Erkenntnis: Wer verhindern will, dass Menschen an Fentanyl sterben, muss ihnen helfen, bevor sie es unwissentlich konsumieren.

Was Hannover beginnt, ist mehr als Prävention – es ist eine notwendige Korrektur einer jahrzehntelangen politischen Vermeidungsstrategie. Wenn Substanzen wie Fentanyl zur alltäglichen Realität auf der Straße gehören, dürfen sie nicht länger im blinden Fleck politischer Verantwortung bleiben. Das Modellprojekt zeigt, was möglich ist, wenn pragmatisches Handeln ideologische Debatten ersetzt.

Die Erkenntnisse aus „so-par“ sollen später als Blaupause für andere Städte dienen. Doch bereits jetzt ist klar: Nur wenn Drug Checking, Naloxon-Schulungen und strukturelle Aufklärung zur bundesweiten Regel werden, kann man von einem Fortschritt im Umgang mit synthetischen Opioiden sprechen. Alles andere wäre Vertagen – mit tödlichen Folgen.

  

Gesundheit bleibt fraglich, Haftung bleibt ausgeschlossen, Vertrauen bleibt erschüttert

Warum Klagen gegen Impfstoffhersteller scheiterten, was das Gericht offenließ und wie Anerkennung ausbleibt

Das Landgericht Saarbrücken hat acht Zivilklagen gegen die Impfstoffhersteller Biontech, Moderna und AstraZeneca abgewiesen. Die Klägerinnen und Kläger hatten nach Corona-Impfungen vor allem Schmerzensgeld und Schadensersatz gefordert. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig, eine Berufung beim Saarländischen Oberlandesgericht ist möglich. In der Begründung der 16. Zivilkammer heißt es, eine Haftung nach dem Arzneimittelgesetz setze den Nachweis eines fehlerhaften Arzneimittels voraus. Diesen Nachweis konnten die Kläger nicht führen. Die von ihnen vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurden zwar nicht infrage gestellt, jedoch ließ die Kammer ausdrücklich offen, ob ein kausaler Zusammenhang mit den Impfstoffen besteht.

In den Gebrauchsinformationen der betroffenen Präparate seien mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen wie Myo- oder Perikarditis transparent genannt worden, so das Gericht. Auch eine Informationspflichtverletzung konnte nicht festgestellt werden. Die Richter stellten klar, dass eine abweichende Produktkennzeichnung oder zusätzliche Warnhinweise die Impfentscheidung der Betroffenen nicht nachweislich beeinflusst hätten. Damit fehle die Grundlage für eine Haftung aus Kennzeichnungsfehlern oder unzureichender Aufklärung im Sinne des § 84 Arzneimittelgesetz.

Was sich hinter diesem Urteil andeutet, ist weniger juristische Strenge als strukturelle Ohnmacht: Wenn Gesundheitsrisiken zwar anerkannt, aber nicht haftungsrelevant sind, geraten Grundfragen der Patientensicherheit in ein Spannungsfeld aus Systemlogik und Individualschicksal. Die Justiz zieht eine Trennlinie zwischen dem kollektiven Nutzen der Impfkampagne und den persönlichen Nachteilen Einzelner – doch an dieser Linie scheitert das Vertrauen. Es geht nicht nur um Paragraphen, sondern um Wahrnehmung: Wer sich impfen ließ und anschließend leidet, sucht nicht zuerst Entschädigung, sondern Anerkennung. Diese bleibt aus, wenn der Rechtsstaat vor allem strukturell argumentiert.

Die juristische Bewertung des Gerichts beschränkt sich daher auf das rechtstechnische Kriterium der Fehlerhaftigkeit und der hypothetischen Kausalität. Eine moralisch-gesellschaftliche Einordnung – etwa in Form symbolischer Verantwortung – findet nicht statt. Das Urteil reiht sich ein in eine Reihe ähnlicher Entscheidungen auf Landes- und Bundesebene, in denen systemische Erwägungen regelmäßig höher gewichtet werden als individuelle Eindrücke oder subjektive Belastungen. Dass die Debatte damit nicht beendet ist, sondern sich möglicherweise in der nächsten Instanz vertieft, steht zu erwarten. Im Raum steht nicht weniger als die Frage, wie resilient der gesellschaftliche Konsens ist, wenn Rechtssicherheit auf Unverständnis trifft.

 

Strukturen verlassen, Zuständigkeiten präzisieren, Märkte neu aufteilen

Wie Klosterfrau mit einer Doppelstruktur auf Marktdruck, Führungswechsel und OTC-Differenzierung reagiert

Klosterfrau nutzt den Weggang von Stephan Börner, bislang Geschäftsführer für den Bereich Consumer Health Care, für eine tiefgreifende Neustrukturierung der Organisation. Die bisherige OTC-Sparte wird in zwei getrennte Geschäftsbereiche überführt: Pharma und Retail. Beide Einheiten erhalten eine eigene Führungsstruktur mit jeweils einem Vice President an der Spitze, der direkt an CEO Dr. Stefan Koch berichtet.

Das Unternehmen begründet diesen Schritt mit der Notwendigkeit, sich in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Gesundheitsmarkt agiler und klarer aufzustellen. Mit der Trennung soll eine schärfere Marktpositionierung, größere Flexibilität und eine gezieltere Steuerung der jeweiligen Geschäftslogiken ermöglicht werden.

Die neu geschaffene Position des Vice President Pharma übernimmt Markus Reker. Er bringt mehr als zwanzig Jahre Erfahrung aus dem Pharmavertrieb mit, darunter Stationen bei Stada, Aristo und Hexal. Der Bereich verantwortet etablierte Marken wie Neo-Angin, Nasic, Femannose und Bronchicum, die insbesondere im Apothekenmarkt eine zentrale Rolle spielen.

Die Retail-Sparte wird von Kirstin Buchmann geleitet. Sie ist seit Anfang 2022 bei Klosterfrau tätig und war zuvor unter anderem für Reckitt aktiv. Im bisherigen Unternehmenskontext verantwortete sie bereits Marketing und Vertrieb im Konsumgütersegment. Nun übernimmt sie den eigenständigen Bereich, der sich auf den Vertrieb in Drogerien, Lebensmitteleinzelhandel und E-Commerce fokussiert.

Diese Umstrukturierung ist mehr als ein organisatorischer Umbau. Sie ist eine strategische Antwort auf die zunehmende Komplexität im Consumer-Healthcare-Markt. Die Herausforderungen reichen von wachsendem Preisdruck und steigender Marktkonzentration bis hin zu veränderten Anforderungen in der Markenführung und Distribution. Mit der neuen Aufstellung reagiert Klosterfrau nicht auf ein Problem, sondern agiert proaktiv, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und langfristig auszubauen.

Dabei wird deutlich: Die Entscheidung zur Trennung der Bereiche ist nicht durch wirtschaftlichen Zwang motiviert, sondern Ausdruck einer klaren Gestaltungsabsicht. Das Unternehmen strukturiert sich nicht um, weil es muss, sondern weil es kann – und weil es den richtigen Zeitpunkt erkennt, das eigene Modell an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Indem Klosterfrau Pharma und Retail organisatorisch entkoppelt, schafft es klare Zuständigkeiten und differenzierte Führungslogiken. Diese Trennung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich Apotheken- und Handelsmärkte zunehmend unterschiedlich entwickeln – nicht nur im Hinblick auf Preisgestaltung und Markenführung, sondern auch auf Vertriebskanäle, Kommunikationsstrategien und regulatorische Anforderungen. Die neue Struktur ermöglicht es, diese Unterschiede nicht länger über einen zentralen Apparat zu harmonisieren, sondern separat und spezifisch zu adressieren.

 

Die Pille verändert mehr als das Blutbild, verkompliziert Diagnosen, verschärft Präventionslücken

Wie kombinierte Kontrazeptiva kryptogene Schlaganfälle befeuern, die Ursachenforschung herausfordern und neurologische Beratung neu denken lassen

Kombinierte orale Kontrazeptiva (KOK) stehen erneut im Fokus der Schlaganfallforschung – doch diesmal aus einem anderen Blickwinkel. Eine neue Beobachtungsstudie, vorgestellt auf der European Stroke Organisation Conference (ESOC) am 20. Mai in Helsinki, bringt ein bisher unterschätztes Risiko ans Licht: Frauen im gebärfähigen Alter, die die Pille einnehmen, könnten ein dreifach erhöhtes Risiko für kryptogene ischämische Schlaganfälle (CIS) tragen – also für Schlaganfälle, deren Ursache trotz intensiver Diagnostik unklar bleibt.

Die SECRETO-Studie, durchgeführt an 14 europäischen Zentren, erfasste 536 Frauen zwischen 18 und 49 Jahren. Davon hatten 268 einen kryptogenen Schlaganfall erlitten, 268 weitere bildeten die altersgematchte Kontrollgruppe ohne Schlaganfallvorgeschichte. Unter den Patientinnen mit CIS verwendeten 66 Frauen KOK, während in der Kontrollgruppe nur 38 entsprechende Präparate einnahmen. Auch nach Adjustierung für klassische Risikofaktoren wie Hypertonie, Rauchen, Migräne mit Aura oder Adipositas blieb die statistische Assoziation bestehen. Die Odds Ratio lag bei 3,0 – ein Wert, der nicht ignoriert werden kann.

Was diese Ergebnisse besonders brisant macht, ist nicht nur die Höhe des Risikos, sondern seine potenzielle Unabhängigkeit von bekannten gerinnungsfördernden Mechanismen. Zwar ist der prothrombotische Effekt von Estrogenpräparaten gut dokumentiert, doch die Datenlage deutet auf zusätzliche, bislang nicht identifizierte Einflussgrößen hin. Dr. Mine Sezgin von der Universität Istanbul, Erstautorin der Studie, vermutet genetische oder biologische Mechanismen, die das Risiko jenseits der Gerinnungsparameter beeinflussen. In einer Pressemitteilung betonte sie die Notwendigkeit weiterer Forschung, insbesondere zu den unterschiedlichen Estrogenformulierungen. In der aktuellen Studie dominierten Präparate mit Ethinylestradiol (median 20 µg), seltener wurden Estradiolhemihydrat oder Estradiolvalerat eingesetzt.

Was sich hier abzeichnet, ist mehr als eine medizinische Beobachtung – es ist ein möglicher Paradigmenwechsel in der Risikobewertung hormoneller Kontrazeptiva. Wenn sich bestätigt, dass kryptogene Schlaganfälle bei jungen Frauen durch bislang übersehene Mechanismen ausgelöst werden, muss die bisherige Nutzen-Risiko-Abwägung neu kalibriert werden. Die Vorstellung, dass ein auf breiter Basis eingesetztes Medikament wie die Antibabypille jenseits der bekannten Gefahren zusätzliche Risikowege eröffnen könnte, ist nicht nur klinisch relevant, sondern auch gesellschaftlich brisant. Denn sie stellt Fragen an die Beratungspraxis in gynäkologischen Praxen, an das regulatorische Bewertungsverfahren hormoneller Präparate – und an ein Gesundheitssystem, das junge Frauen zwar zur Empfängnisverhütung berät, aber selten zu neurologischer Vorsorge. Dass die Forschung dabei gerade erst beginnt, die Zusammenhänge zu ergründen, ist ein Weckruf: Die Lücke zwischen pharmakologischer Praxis und vaskulärer Prävention darf nicht länger unreflektiert bleiben.

Die Studienautor:innen selbst bleiben vorsichtig und betonen den Beobachtungscharakter der Untersuchung. Ein kausaler Zusammenhang sei nicht nachweisbar – wohl aber ein statistisch signifikanter Hinweis, der weitere Forschung erfordert. Dass dieser Impuls aus einer prospektiven Kohortenstudie stammt, deren Methodik den internationalen Qualitätsstandards genügt, verleiht dem Ergebnis zusätzliches Gewicht. Die Wissenschaft steht nun in der Pflicht, die molekularbiologischen Mechanismen hinter dem Phänomen aufzuklären – und die klinische Praxis in der Verantwortung, dieses Wissen frühzeitig in individualisierte Aufklärung und Kontrazeptionsstrategien zu übersetzen.

 

Wachstum unter Kontrolle, Lebenszeit unter Begleitung, Therapie unter Präzision

Wie moderne Prostatakrebsbehandlungen gezielt wirken, Patienten stärken und Versorgung neu definieren

Metastasierter Prostatakrebs ist nach wie vor eine der größten Herausforderungen der uro-onkologischen Versorgung, weil er per Definition nicht mehr heilbar ist. Doch was früher als weitgehend therapeutisch resistenter Endzustand galt, hat sich im Zuge medizinischer Innovationen zu einer chronifizierbaren Erkrankung mit zunehmend kontrollierbarem Verlauf gewandelt. Der Schlüssel dazu liegt in der systemischen Therapie, die das Fortschreiten der Erkrankung verzögert, die Lebensqualität verbessert und Patienten eine langfristige Perspektive eröffnen kann. Im Zentrum steht die Hormonentzugstherapie, die das Androgensignal unterdrückt – jenes hormonelle Steuerungssystem, das den Tumor in seinem Wachstum antreibt. In der Regel wird diese Therapie zuerst eingeleitet, sobald Metastasen nachgewiesen sind, denn sie führt bei vielen Patienten zu einer raschen Abnahme der Tumorlast und einer messbaren Symptomreduktion.

Doch damit ist die Behandlung längst nicht erschöpft. In den letzten Jahren haben Kombinationstherapien an Bedeutung gewonnen, die entweder eine Chemotherapie mit Docetaxel oder neue Wirkstoffe wie Enzalutamid, Apalutamid oder Abirateron einschließen. Diese Wirkstoffe blockieren die Signalweiterleitung auf Rezeptorebene oder stören die Androgensynthese systemisch – ein Angriff auf mehreren Ebenen, der das Überleben signifikant verlängern kann. Die Wahl der Kombination hängt dabei von Alter, Allgemeinzustand, Nebenerkrankungen und Patientenwunsch ab, denn sie bringt eine erhöhte Nebenwirkungsrate mit sich und erfordert sorgfältige Überwachung. Parallel zur medikamentösen Therapie kommen heute auch nuklearmedizinische Verfahren zum Einsatz: Mit Radioliganden wie Lutetium-177-PSMA lassen sich metastasierte Tumorzellen gezielt bestrahlen, was in klinischen Studien zu teils beeindruckenden Remissionen führte – insbesondere bei kastrationsresistentem Prostatakrebs, wenn andere Therapien versagen.

Insgesamt zeigt sich, dass der Fokus sich zunehmend vom kurativen Paradigma hin zu einer kontrollierten Langzeitstrategie verschiebt. Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs erhalten heute nicht nur Medikamente, sondern ein individuell zugeschnittenes Versorgungskonzept, das auch Supportivmaßnahmen wie Schmerztherapie, psychologische Begleitung und ernährungsmedizinische Beratung einschließt. Ziel ist nicht nur die Verlängerung des Lebens, sondern dessen qualitative Sicherung. Diese Entwicklung bedeutet für Patienten mehr als ein Fortschritt auf dem Papier: Sie verändert den Alltag, die Wahrnehmung der Erkrankung und die Rolle der Medizin in einem von Unsicherheit geprägten Verlauf. Gerade in der Debatte um metastasierten Prostatakrebs zeigt sich die Kraft differenzierter Medizin. Die Vorstellung, dass unheilbar auch unkontrollierbar bedeutet, ist überholt. Vielmehr ist die moderne Onkologie in der Lage, ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Tumorprogression und therapeutischer Kontrolle herzustellen – über Jahre hinweg. Entscheidend dafür ist aber nicht allein die medikamentöse Arsenalbreite, sondern die Haltung dahinter: Ärzte und Patienten müssen gemeinsam Entscheidungen treffen, in denen Therapie nicht als Pflicht, sondern als Möglichkeit gedacht wird. Es braucht Kommunikation auf Augenhöhe, verlässliche Nachsorge und die Bereitschaft, auch palliative Optionen nicht als Scheitern, sondern als Form der Lebenssicherung zu begreifen. Die Lebenszeit mit Krebs ist heute nicht automatisch verlorene Zeit – sie kann, mit der richtigen Versorgung, selbstbestimmt und bedeutsam sein.

 

Nitazene hebeln Risikoanalysen aus, verzerren Marktlogik, sprengen Notfallroutinen

Warum Superopioide Apotheken entgrenzen, Rettungsteams überfordern und Kontrollsysteme umdefinieren

Sie wirken stärker als Fentanyl, wurden nie als Arzneimittel zugelassen und stellen Rettungskräfte wie Apotheken vor völlig neue Herausforderungen: Nitazene, eine Gruppe synthetischer Opioide, die seit wenigen Jahren vermehrt auf dem europäischen Drogenmarkt auftaucht, fordern das gesamte System der Arzneimittelüberwachung heraus. Ursprünglich in den 1950er-Jahren im Rahmen pharmakologischer Forschung synthetisiert, aber nie klinisch etabliert, geraten sie heute als sogenannte „New Psychoactive Substances“ (NPS) in den Fokus – nicht durch therapeutischen Einsatz, sondern durch ihre toxikologische Bedrohung in der Drogenszene.

Seit etwa 2019 häufen sich Nachweise von Nitazenen in forensischen Proben – meist bei Drogentoten, vereinzelt auch in sichergestellten Straßenproben. Die Substanzklasse der 2-Benzylbenzimidazole ist chemisch relativ leicht modifizierbar und daher besonders attraktiv für Untergrundlabore. Einzelne Derivate wie Isotonitazen oder Metonitazen erreichen ein Vielfaches der Potenz von Fentanyl – bei Isotonitazen bis zum 100-fachen. Damit reichen bereits minimale Mengen im ng/ml-Bereich im Blut, um eine tödliche Atemdepression hervorzurufen.

Für Apotheker bedeutet das eine alarmierende Verschiebung der Risikoarchitektur: Substanzen, die nie ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben, zirkulieren nun als Beimengungen in Straßendrogen – oft ohne dass Konsumierende, geschweige denn Notfalldienste oder pharmazeutisches Personal, wissen, womit sie es zu tun haben. Die Folge ist ein toxikologisches Blindfliegen. Zahlreiche Labore verfügen bislang nicht über die nötigen analytischen Verfahren zur Detektion. Der klassische Drogenschnelltest versagt, spezifische Massenspektrometrie ist selten verfügbar. In dieser Lücke breiten sich die Nitazene weiter aus – und mit ihnen eine potenziell tödliche Unsichtbarkeit.

Während Fentanyl-Derivate zunehmend unter regulatorische Kontrolle geraten, umgehen Nitazene bestehende Stoffverbotslisten, da sie oft nicht explizit gelistet sind. Der europäische Drogenbericht dokumentiert inzwischen 15 neuartige synthetische Opioide, die in keinem bisherigen Kontrollregime vollständig erfasst sind. Apotheken müssen sich daher nicht nur als logistische Schnittstelle der Arzneimittelversorgung begreifen, sondern auch als Wachposten für emergente Risiken. Das bedeutet konkret: Vorratshaltung von Naloxon, systematische Aufklärung über dessen Off-Label-Gebrauch im Notfall, und Sensibilisierung gegenüber nicht-standardisierten Intoxikationsbildern.

Denn anders als bei klassischen Opiatvergiftungen reichen bei Nitazenen konventionelle Naloxon-Dosen oft nicht aus. Mehrfachgaben, teils über Stunden, sind nötig, um einen Patienten zu stabilisieren. Gleichzeitig kann die Wirkdauer der Nitazene jene von Naloxon übersteigen, was zu Rebound-Symptomen führt. Für Notärzte, aber auch für pharmazeutisches Personal, das Substitutionsprogramme oder Aufklärungsaktionen begleitet, bedeutet das: Vorbereitung auf eine neue Dynamik – eine Dynamik, bei der molekulare Details über Leben und Tod entscheiden.

Was sich hier offenbart, ist nicht nur eine pharmakologische Herausforderung, sondern ein gesamtgesellschaftliches Versagen in der Früherkennung toxikologischer Gefahren. Zwischen forensischer Rückständigkeit, regulatorischer Latenz und einem Drogenmarkt, der sich schneller dreht als jeder Gesetzgeber, zeigt sich: Wissen ist Prävention, Analytik ist Schutz, und pharmazeutische Handlungskompetenz ist das Rückgrat einer modernen Notfallstrategie. Apotheker sind längst nicht mehr nur Versorger, sondern Akteure in einem toxikologischen Alarmzustand. Wer das unterschätzt, wird keine Kontrolle, sondern nur noch Reaktion erleben.

 

Frühkindlicher Schutz braucht Regeln, Erwachsenenaufklärung braucht Tiefe, Sonnenschutz braucht Differenzierung

Wie UV-Risiken sich im Lebensverlauf verändern, warum Lichtschutzfaktor nicht genügt und Hautkrebsprävention altersgerecht werden muss

Die Zahl der Hautkrebsneuerkrankungen in Deutschland ist in alarmierender Weise gestiegen: Laut dem Arztreport 2025 des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung erhielten im Jahr 2023 rund 414.400 Menschen die Diagnose „malignes Melanom“, während etwa 1,8 Millionen Betroffene an einem nicht melanotischen Hautkrebs erkrankten. Diese Entwicklung ist mehr als nur ein statistischer Ausschlag nach oben – sie markiert eine fundamentale Verschiebung im kollektiven Gesundheitsrisiko, verursacht durch veränderte Freizeitgewohnheiten, gestiegene Lebenserwartung und wachsende UV-Belastung.

Besonders dramatisch: Im Vergleich zu 2005 hat sich die Zahl der Melanom-Diagnosen mehr als verdoppelt, die der nicht-melanotischen Hauttumoren sogar fast verdreifacht. Hautärzte sprechen von einer neuen Normalität, die nicht mit kosmetischer Vorsorge, sondern mit medizinischer Dringlichkeit beantwortet werden muss. Der sorglose Umgang mit Sonnenstrahlung, fehlendes Schutzverhalten im Kindesalter und Missverständnisse beim Sonnenschutzmittelgebrauch verschärfen die Situation erheblich.

Dabei wäre gezielte Prävention möglich – wenn sie alters- und risikoadaptiert betrieben würde. Der Schutzbedarf eines Kleinkindes unterscheidet sich grundlegend vom dem eines jungen Erwachsenen oder einer chronisch erkrankten Seniorin. Dennoch kursiert weiterhin die Vorstellung, eine Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor genüge für alle Lebenslagen. Eine solche Gleichmacherei verkennt die dermatologische Realität und trägt zu einem kollektiven Versagen in der UV-Prävention bei.

Die Wahl des richtigen Sonnenschutzes hängt von zahlreichen Faktoren ab: Hauttyp, Alter, Vorbelastung, Medikamenteneinnahme, Aufenthaltsdauer im Freien, Höhenlage und Reflexionsumgebung (etwa Wasser oder Schnee). Für Neugeborene gilt strikte Sonnenvermeidung, während Kinder unter drei Jahren ausschließlich mit physikalischem Filter und Kleidung geschützt werden sollten. Jugendliche brauchen Schulung zur eigenständigen Anwendung, Erwachsene eine realistische Einschätzung ihrer Expositionsrisiken und Senioren gegebenenfalls eine Anpassung an medikamentös bedingte Lichtempfindlichkeit.

Der Report belegt deutlich: Die medizinische Beratung zum Thema Sonnenschutz gehört nicht in den Wellnessbereich, sondern in die gesundheitliche Grundversorgung. Apotheken, Hausarztpraxen und dermatologische Einrichtungen sind gefordert, die personalisierte Schutzstrategie zu vermitteln. Im Zentrum muss nicht das Produkt stehen, sondern das Verständnis für die eigene Vulnerabilität gegenüber UV-Strahlung.

Wenn Überdiagnostik bei minimalinvasiven Hautscreenings kritisiert wird, darf das nicht zu einer Verharmlosung der Krankheitslast führen. Vielmehr ist eine Abkehr vom bloßen LSF-Narrativ erforderlich: Der beste Sonnenschutz ist der, der bewusst gewählt, konsequent angewendet und individuell angepasst ist. Andernfalls bleibt das Frühjahr der Zeitpunkt, in dem nicht nur die Sonne, sondern auch das Hautkrebsrisiko zur Hochsaison ansetzt.

 

Infektvermeidung beginnt im Alltag, Leistungsfähigkeit endet an der Belastungsgrenze

Warum Sportler ihr Immunsystem stärken müssen, ohne es zu überfordern

Sport stärkt das Immunsystem – aber er kann es auch schwächen. Gerade für ambitionierte Athletinnen und Athleten ist das ein Balanceakt mit medizinischen und strategischen Konsequenzen. Ein Atemwegsinfekt zur falschen Zeit kann nicht nur Wochen an Vorbereitung zunichtemachen, sondern auch die körperliche Leistungsfähigkeit über das akute Krankheitsgeschehen hinaus beeinträchtigen. Die entscheidende Frage lautet daher: Was schützt wirklich – und was schadet womöglich?

Professor Bernd Wolfarth, Teamarzt der deutschen Olympiamannschaft und Leiter der Sportmedizin an der Charité Berlin, formulierte beim Internistenkongress in Wiesbaden eine klare Botschaft: »Regelmäßige, moderate Bewegung senkt nachweislich die Infekthäufigkeit – aber nur bis zu einem gewissen Punkt.« Die Grenze markiert das sogenannte „Open Window“: Nach intensiver Belastung sei das Immunsystem für 24 bis 72 Stunden geschwächt, insbesondere durch die temporäre Reduktion von natürlichen Killerzellen und T-Lymphozyten. Der Körper braucht in dieser Phase Schutz – nicht neue Herausforderungen.

Die Vorstellung, dass Hochleistungssportler häufiger krank sind, sei jedoch ein Mythos, so Wolfarth. Studien, etwa mit norwegischen Elite-Langläufern, zeigen keine grundsätzliche Erhöhung der Infektanfälligkeit im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Auffällig war allerdings, dass die weniger erfolgreichen Athleten tendenziell öfter erkrankten. Ihre Trainingspraxis zwinge sie wohl häufiger über Belastungsgrenzen hinaus – ausgerechnet dort, wo das Immunsystem am verwundbarsten ist.

Dabei trifft das Risiko nicht nur auf der Laufbahn oder im Kraftraum. Wettkampfreisen, Schlafmangel, Stress, Menschenansammlungen, ungewohnte klimatische Bedingungen und Ernährungsdefizite gehören zu den bekannten Faktoren, die das Immunsystem von Sportlern genauso wie das der Allgemeinbevölkerung belasten. Die Parallelen seien offensichtlich – und die Handlungsempfehlungen ebenso.

Gerade deshalb ist Prävention keine Frage von Spezialwissen, sondern konsequenter Alltagsdisziplin. Schleimhautpflege durch ausreichendes Trinken, antiallergische und abschwellende Nasensprays bei Bedarf, ergänzend pflanzliche Wirkstoffe mit antiviralen Eigenschaften – das Repertoire sei ebenso bekannt wie effektiv, so Wolfarth. Euphorbium etwa könne in Studien mit Xylometazolin mithalten, ohne dessen Anwendungslimitierungen zu teilen.

Doch viele Athleten reagieren enttäuscht, wenn sie diese Empfehlungen hören – zu simpel scheinen sie in einer Welt, die ständig nach biohackerischer Optimierung strebt. Und genau hier liegt das eigentliche Problem: Prävention ist nicht spektakulär, sondern banal. Was schützt, ist das, was während der Pandemie gelernt wurde und längst wieder verdrängt ist: Abstand, Händehygiene, FFP2-Masken in Innenräumen – simple Mittel mit starker Wirkung.

Der Kommentar dazu fällt ernüchternd und doch klärend aus: Wer Gesundheit unter Effizienzbedingungen betreibt, verpasst oft die Mechanik des Schutzes. Nicht der Wettkampf ist gefährlich, sondern der Glaube an Unverwundbarkeit. Immunschutz ist keine Frage der körperlichen Stärke, sondern der Bereitschaft zur Disziplin auch außerhalb der Arena. Wer Infekten vorbeugen will, muss nicht mehr leisten, sondern klüger dosieren – und das heißt auch: rechtzeitig nachlassen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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