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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Digitale Täuschung, zerstörerische Naturereignisse und systemische Trägheit bringen Apotheken gleichzeitig in Bedrängnis. Während Phishing-Attacken mit psychologischer Präzision ihre Ziele treffen, kündigt sich die Pflichtversicherung gegen Elementarschäden als Rettungsanker an – doch zu spät für viele. Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt, das Fixum wird zwar erhöht, aber ohne tragfähige Dynamik. Gleichzeitig zeigen neue Erkenntnisse zur Taxan-Prävention mit Kälte und Kompression, wie Versorgung verbessert werden kann – wenn man nur wollte. Die Digitalisierung der GKV versandet, Müsli hemmt die Digitoxin-Wirkung, pharmazeutische Dienstleistungen bleiben unterfinanziert, der Ixchiq-Impfstoff gefährdet Ältere und das Burda-Siegel entwertet ärztliche Glaubwürdigkeit. Doch in Sydney entsteht Hoffnung: Die EAET-Therapie öffnet emotionale Räume für Schmerzpatienten – während Eltern noch lernen müssen, was frühkindlicher UV-Schutz wirklich bedeutet. Eine journalistische Rekonstruktion multipler Versorgungsrisiken.
Phishing enttarnt Vertrauen, Banken reagieren hart, Versicherungen ducken sich weg
Wie Apotheken in digitale Fallen tappen, die Apobank den Zugriff kappt und Policen bei Täuschung versagen
Ein Netzwerk aus Täuschung, Technik und Taktik destabilisiert das Rückgrat der ambulanten Versorgung. Apotheken geraten durch hochentwickelte Phishing-Methoden unter Beschuss: E-Mails mit authentischem Briefkopf, Anrufe mit korrekten Ansprechpartnern, Briefe mit gestohlenen Kundendaten – die Angreifer spielen auf der Klaviatur der Vertrauenssysteme. Inhaber und Mitarbeitende reagieren zu spät, weil die Methode subtiler ist als alles, was bisher bekannt war. Die Apobank, primäres Bankinstitut der Branche, zieht die Notbremse: Kontensperrungen, aus Angst vor einem Kollaps. Doch der Schaden ist längst da. Zahlungsverzug, Reputationsverlust, Betriebsunterbrechung. Die Täter setzen nicht auf Technik, sondern auf Psychologie – und Apotheken sind schutzlos, weil der Fokus auf klassischer IT-Sicherheit liegt.
Was wir erleben, ist kein Sicherheitsproblem alter Prägung, sondern ein Paradigmenwechsel: Der Mensch ist das Ziel, nicht die Technik. Diese Angriffe sind präzise kalkulierte Kommunikationsakte, keine groben Einbruchversuche. Wer nur Firewalls aktualisiert, schützt ein Gebäude, während längst die Sprache des Empfangs unterwandert wurde. Die Apotheken reagieren oft spät, nicht aus Naivität, sondern weil der Angriff ihre gewohnten Sicherheitsvorstellungen unterläuft. Die Erkenntnis, dass es nicht um bessere Technik, sondern um andere Fragen geht, muss sich erst durchsetzen. Doch bis dahin bleibt die Lücke offen – und die Täter bleiben drin.
Dabei geht es um mehr als Einzelfälle. Es geht um eine neue Qualität digitaler Angriffe, deren Ziel nicht der Server ist, sondern der Mensch. Social Engineering wird zur Hauptwaffe, Täuschung zur Methode, die Apotheke zum Eintrittspunkt. Die digitalen Angreifer analysieren Verhaltensmuster, imitieren Kundenkommunikation und nutzen reale Geschäftsdaten aus alten Leaks. Der Effekt ist maximal: Wenn ein gefälschtes Schreiben besser informiert wirkt als eine echte Banknachricht, ist die Infrastruktur kompromittiert – nicht technisch, sondern semantisch.
Die Apobank reagiert mit Kontensperrungen – ein Akt der Selbstverteidigung, der in vielen Fällen Betriebe existenziell trifft. Denn wer auf einmal keinen Zugriff mehr auf sein Geschäftskonto hat, steht nicht nur ohne Liquidität da, sondern verliert Kontrolle, Verlässlichkeit, Handlungsmacht. Mitarbeitende können nicht entlohnt werden, Lieferketten brechen ab, Mahnungen flattern ins Haus. Und doch bleibt vielen keine Wahl: Die Banken sichern sich selbst ab – weil die Täter längst zu schnell, zu gut, zu real geworden sind.
Damit rückt ein Thema in den Mittelpunkt, das jahrelang als bürokratisches Anhängsel galt: die Vertrauensschadenversicherung. Sie schützt nicht vor Feuer, nicht vor Einbruch – sondern vor Täuschung. Vor manipulierten Überweisungen, erfundenen Beauftragten, psychologischer Infiltration. Sie greift dort, wo klassische Policen aussteigen. Und sie wird zur Pflicht – weil jede Apotheke zur Zielscheibe werden kann. Parallel dazu müssen bestehende Cyberversicherungen dringend überprüft werden. Denn viele decken nur technische Schäden ab, nicht aber menschlich initiierte Täuschungen. Der Markt hat sich verändert – die Policen nicht.
Und auch rechtlich entstehen neue Fragen. Wenn eine Bank eine Sperrung durchführt, ohne Rücksprache mit dem Kontoinhaber, wer trägt die Verantwortung? Wenn ein Schaden durch unterlassene Prävention entsteht – wer haftet? Die Datenschutzbehörden prüfen derzeit mögliche Quellen der geleakten Informationen. Hinweise führen zu einem Apotheken-Dienstleister, dessen Serverstruktur Lücken aufwies. Die Aufarbeitung läuft – doch Apotheken müssen sich längst unabhängig machen von der Illusion zentraler Sicherheit.
Denn die neue Realität ist fragmentiert, personalisiert, asymmetrisch. Der Angriff ist nicht laut, sondern leise. Nicht technisch, sondern kommunikativ. Und genau das macht ihn so gefährlich. Wer weiterhin nur auf Softwarelösungen setzt, statt die Kommunikationswege zu schützen, bleibt verwundbar – trotz Firewall, trotz VPN, trotz ISO-Zertifikat.
Die Antwort darauf kann nicht in hektischem Aktionismus liegen. Sie muss strategisch sein. Sicherheitsarchitektur in Apotheken muss ab jetzt drei Ebenen umfassen: Technik, Organisation, Verhalten. Es braucht klare Zuständigkeiten, nachvollziehbare Protokolle, regelmäßige Simulationen, ein tiefes Verständnis für Angriffsmuster. Denn Täuschung ist nicht besiegbar durch Technik allein. Sie wird nur gestoppt durch Bewusstsein, Aufmerksamkeit, Struktur.
Was hier passiert, ist kein digitaler Betriebsunfall – es ist ein struktureller Systemangriff. Und er trifft nicht Konzerne, sondern Einzelunternehmer:innen, nicht Plattformen, sondern Menschen mit Versorgungspflicht. Die Apothekenbranche steht vor einer neuen Herausforderung – einer, die nicht durch mehr Technik, sondern durch mehr Verantwortung bewältigt werden kann. Wer jetzt nicht handelt, verliert nicht nur Geld, sondern auch Vertrauen. Und Vertrauen ist in der Pharmazie keine Ressource – es ist das Produkt.
Die Banken sichern sich, die Versicherungen zögern, die Politik schweigt. Was bleibt, ist eine fatale Leerstelle zwischen Tätern, Technik und Tragweite. Sie wird nur geschlossen durch Eigenverantwortung, durch ein neues Verständnis von Sicherheit als Führungsaufgabe. Die Apotheke der Zukunft ist nicht nur heilberuflich kompetent, sondern risikokompetent. Sie versteht Sicherheit nicht als Abwehr, sondern als Prinzip. Und dieses Prinzip muss jetzt beginnen – bevor der nächste Anruf kommt. Denn er kommt. Sicher.
Starkregen trifft Rezeptur, Pflicht trifft Betriebe, Haftung trifft Inhaber
Wie Naturgefahren Apotheken gefährden, der Gesetzgeber Druck macht und Policen überlebenswichtig werden
Für Apothekenbetreiber gewinnt die Debatte um eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden eine besondere Brisanz. Viele Betriebsstandorte befinden sich in innerstädtischen Altbauten, an Flussläufen oder in baulich verwinkelten Gewerbeeinheiten mit empfindlicher Infrastruktur. Wenn Starkregen Keller überschwemmt, Rückstaus Medikamentenlager fluten oder Stromausfälle Kühlschränke lahmlegen, steht nicht nur das Warenlager auf dem Spiel, sondern die gesamte Betriebsfähigkeit. Die bisherige Praxis, sich freiwillig gegen Naturgefahren zu versichern, ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten riskant – unter rechtlichen zunehmend verantwortungslos. Denn der Gesetzgeber plant nicht nur, eine Pflichtdeckung einzuführen, sondern auch die staatlichen Hilfen drastisch zu begrenzen.
Spätestens hier zeigt sich, wie trügerisch das Vertrauen in politische Kulanz geworden ist. Wer heute noch glaubt, eine freiwillige Absicherung sei ausreichend, wird morgen im Katastrophenfall feststellen, dass der Rückhalt fehlt – finanziell, rechtlich und strukturell. Es ist ein Irrtum, Resilienz auf andere zu delegieren. Verantwortung ist nicht teilbar, sie ist betriebliches Kernkapital.
Wer eine Apotheke betreibt, muss künftig nachweisen können, dass alle relevanten Risiken durch eine Police gedeckt sind – auch im Hinblick auf Betriebsunterbrechungen und Wiederaufbaukosten. Besonders relevant sind dabei Risiken wie Starkregen, Überschwemmung durch Rückstau, Erdfall oder Schneedruck. Was auf den ersten Blick nach Spezialrisiken klingt, betrifft in Wahrheit viele Apotheken: Oft reichen bereits wenige Zentimeter Wasser, um eine teure Rezepturtechnik zu zerstören oder eine digitalisierte Lagerhaltung unbrauchbar zu machen. In Kombination mit gestörten Lieferketten und unterbrochener Kundenzufuhr entsteht schnell ein Totalschaden, der existenzielle Folgen hat.
Die geplante Pflichtversicherung würde nicht nur für Wohnhäuser gelten, sondern auch für gewerblich genutzte Immobilien – also auch für Apothekenbetriebe. Die Politik will damit vermeiden, dass Unternehmer nach einer Katastrophe unversichert vor dem Ruin stehen und anschließend auf staatliche Hilfen hoffen. Für Apotheken ergeben sich daraus klare Handlungsfelder: Standorte müssen versicherungstechnisch neu bewertet, bestehende Policen überprüft und erweitert werden. Dabei ist entscheidend, ob die Gebäudeversicherung der Immobilie den Elementarschutz enthält und in welchem Umfang der Inhalt und Betriebsunterbrechungen abgedeckt sind. Häufig zeigt sich, dass vermeintlich „komplette“ Policen Lücken aufweisen, etwa bei Rückstauereignissen oder bei technikbedingten Kettenreaktionen nach einem Wasserschaden.
Es ist die bittere Ironie dieser Entwicklung: Während Apotheken digital modernisiert, technisch nachgerüstet und gesetzlich überfrachtet werden, bleibt ihre physische Sicherheit auf einem Stand, der Risiken systematisch unterschätzt. Wer Betriebsführung ernst nimmt, muss Versicherungsschutz als Führungsaufgabe behandeln – nicht als bürokratisches Nebenprodukt.
Zudem rückt die Standortwahl stärker in den Fokus. Wer künftig eine Apotheke in einem bekannten Überschwemmungsgebiet betreibt oder einen neuen Standort plant, muss mit höheren Beiträgen, erschwertem Versicherungsschutz oder sogar Einschränkungen beim Genehmigungsrecht rechnen. Der Gesetzgeber signalisiert deutlich: Wer Risiken freiwillig eingeht, soll auch die volle Haftung tragen – wirtschaftlich wie juristisch. Für Apothekenbetreiber bedeutet das nicht nur höhere Versicherungsprämien, sondern auch neue Pflichten bei der Risikoaufklärung gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und Behörden.
Besonders heikel wird es, wenn aufgrund unzureichender Absicherung ein Schaden eintritt und die Betriebshaftpflicht nicht greift. In solchen Fällen können Apotheker für nicht abgegebene Arzneimittel, verlorene BtM-Bestände oder beschädigte Lagerware persönlich haftbar gemacht werden. Auch Mietverträge enthalten oft Klauseln, die im Katastrophenfall zu Lasten des Mieters wirken – etwa bei Wiederherstellungspflichten oder Nebenkostenumlagen für Instandsetzung. Wer seine Apotheke betreiben will, muss künftig mehr denn je über Versicherungswissen verfügen – oder kompetente Beratung einholen.
Apotheken stehen im Zentrum der gesundheitlichen Daseinsvorsorge – doch ihr Schutz vor Elementarschäden ist bislang kaum Teil der öffentlichen Diskussion. Das ist ein Versäumnis mit potenziell katastrophalen Folgen. Denn wenn eine Apotheke nach einem Starkregenereignis tagelang schließen muss, betrifft das nicht nur die wirtschaftliche Bilanz des Inhabers, sondern auch die Versorgung chronisch Kranker, Pflegeeinrichtungen oder Notdienste. Die Vorstellung, dass ein solcher Schaden durch freiwillige Versicherungsentscheidungen abgefedert werden könne, ist naiv – und gefährlich.
Die Einführung einer Pflichtversicherung ist deshalb aus Sicht des Gemeinwohls ebenso zwingend wie aus Perspektive der Betriebsverantwortung. Apothekeninhaber verwalten sensible Güter: Arzneimittel, Betäubungsmittel, patientenbezogene Daten. Der Verlust dieser Infrastruktur durch vermeidbare Schäden ist nicht nur eine betriebswirtschaftliche Schwäche, sondern eine regulatorische Fahrlässigkeit. Wer hier spart, spart am Fundament.
Gleichzeitig ist die Pflichtversicherung kein Allheilmittel. Sie schützt nicht vor Fehlern in der Vertragsgestaltung, lückenhafter Risikoanalyse oder mangelndem Notfallmanagement. Eine Police ist nur so gut wie das Bewusstsein ihres Inhabers für die Realität der Risiken. In einer Zeit, in der Extremwetter zum Normalfall wird, reicht es nicht, auf den Staat zu hoffen oder auf Ausnahmelagen zu verweisen. Es braucht ein strategisches Risikomanagement – das beginnt mit dem Standort, setzt sich in der Gebäudetechnik fort und endet bei der klaren Verantwortungszuteilung im Schadenfall.
Was hier neu gefordert ist, ist nichts weniger als ein Mentalitätswandel: Weg vom Reparaturdenken, hin zur aktiven Vorsorge. Elementarschutz ist kein Randthema mehr, sondern Teil der unternehmerischen DNA. Die Branche muss lernen, dass Versicherungsfragen kein Annex der Betriebsführung sind, sondern ein zentrales Element unternehmerischer Resilienz. Eine verpflichtende Elementarschadenversicherung wird kommen. Wer jetzt handelt, entscheidet nicht nur über Beitragshöhen, sondern über Existenz oder Insolvenz. Der Grundsatz ist klar: Wer eine Apotheke betreibt, darf sich nicht darauf verlassen, dass andere im Ernstfall für seine Risiken einstehen. Verantwortung ist nicht delegierbar – weder politisch noch versicherungstechnisch.
Sockelbetrag sichern, Dynamik ermöglichen, Versorgung stabilisieren
Wie Apotheken wirtschaftlich überleben können, der Koalitionsvertrag Hoffnungen weckt und strukturelle Risiken ungelöst bleiben
Die geplante Erhöhung des Apothekenfixums auf 9,50 Euro, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist, löst unter Apotheker:innen und PTA nur verhaltene Zustimmung aus. Zwar sehen 83 Prozent der von aposcope Befragten die Anhebung als grundsätzlich sinnvoll an, doch 77 Prozent halten sie für nicht ausreichend. Der Wunsch nach finanzieller Entlastung ist nicht neu, wird aber angesichts steigender Betriebskosten, inflationsbedingter Preissteigerungen und wachsender Dokumentationspflichten dringlicher denn je. Der Koalitionsvertrag skizziert mit einem Fixumskorridor von bis zu 11 Euro für strukturschwache Regionen eine Möglichkeit differenzierter Vergütung, doch fehlt bislang eine belastbare Definition der Anspruchskriterien. 44 Prozent der Befragten sehen ihre Apotheke in dieser Zone, eine Mehrheit bleibt skeptisch. Die Bewertung verweist auf ein tiefer liegendes Misstrauen gegenüber einer Praxis, die mit Anreizen arbeitet, ohne systemisch abzusichern.
Eine wesentliche Lücke der geplanten Reform: Es gibt keine Dynamisierung. Die Festschreibung auf einen fixen Betrag entkoppelt die Honorierung von realen Kostenentwicklungen. 93 Prozent der Befragten fordern deshalb eine automatische Anpassung. Das politische Versäumnis liegt darin, Honorarpolitik als Einmalmaßnahme zu denken, obwohl sich der Markt kontinuierlich verändert. Die vorgesehene Verhandlung mit dem GKV-Spitzenverband – die künftig die Festlegung der Vergütung übernehmen soll – wird nur von 52 Prozent als sinnvoll angesehen. Die Mehrzahl sieht darin keine Planungssicherheit, sondern eine weitere Hürde.
Ein zentraler Konflikt offenbart sich in der Wahl des Modells: Die ABDA schlägt einen Grundkostenzuschuss von 1,50 Euro für die ersten 20.000 Rx-Packungen vor. Doch 64 Prozent der Apothekenteams bevorzugen stattdessen einen Sockelbetrag – eine monatliche Zahlung unabhängig vom Packungsvolumen. Diese Haltung macht deutlich, wie stark die wirtschaftliche Resilienz der Betriebe nicht durch Fallzahl, sondern durch Standortstruktur, Personalbindung und Notdienstlast geprägt ist. Ein Sockelbetrag wäre mehr als ein technisches Element: Er wäre ein Signal, dass das Gesundheitssystem seine dezentralen Versorgungsanker ernst nimmt.
62 Prozent der Befragten fordern eine Soforthilfe, bevor überhaupt Reformen greifen. Besonders Filialleiter:innen (87 Prozent) und Inhaber:innen (69 Prozent) sehen die wirtschaftliche Lage als so angespannt, dass ein finanzieller Übergangsschutz geboten sei. Diese Zahlen spiegeln nicht nur Wunschdenken wider, sondern den wirtschaftlichen Realismus einer Branche, die zunehmend an der Belastungsgrenze operiert. Die Abgabe hochpreisiger Arzneimittel, steigende Personalkosten, permanente Technikumstellungen etwa durch das E-Rezept und die durch Retaxationen verursachten Ausfallrisiken erzeugen eine Gemengelage, in der kein Einzelposten das Problem löst.
Diese strukturelle Belastung wird auch international anerkannt. In Frankreich etwa erhalten Apotheken in ländlichen Regionen Pauschalhilfen, die unabhängig von Abgabemengen gezahlt werden. Skandinavische Modelle kombinieren Fixpauschalen mit zusätzlichen Zuschüssen für Nacht- und Notdienste. In Deutschland dagegen verharrt die Diskussion auf der Packungsebene – ein Anachronismus, der der heutigen Versorgungsrealität nicht mehr gerecht wird.
Auch bei den Details zeigt sich Reformbedarf: 85 Prozent der Befragten fordern eine Anhebung der Gebühren für Dokumentationen, etwa bei BtM-Abgaben oder der Rezepturherstellung. 94 Prozent sprechen sich für einen Zuschuss zum Notdienst aus, 72 Prozent fordern einen gezielten Landapotheken-Zuschlag. Dass diese Forderungen quer durch alle Betriebstypen geäußert werden, zeigt: Es handelt sich nicht um Partikularinteressen, sondern um die notwendige Abbildung von Zusatzaufwand.
Der Koalitionsvertrag strebt eine Aufwertung des Apothekerberufs zum Heilberuf an. Das ist eine gesellschaftspolitisch relevante Aussage, bleibt aber ohne ökonomische Unterfütterung ein Lippenbekenntnis. Ebenso positiv aufgenommen werden die geplanten Entlastungen bei der Bürokratie (94 Prozent Zustimmung), die Aufhebung der Nullretaxationen (96 Prozent) und die Erleichterung beim Austausch von Arzneimitteln (94 Prozent). 82 Prozent begrüßen, dass Apotheken künftig mehr Aufgaben im Bereich Prävention übernehmen sollen. Doch auch diese Punkte brauchen eine betriebswirtschaftliche Verankerung, sonst sind sie strukturell wirkungslos.
Wer Versorgung sichern will, muss nicht nur Versprechen abgeben, sondern Funktionssicherheit gewährleisten. Ein dynamisches Honorar, ein Sockelbetrag zur Grundabsicherung und eine Soforthilfe als Brücke zur Reform wären erste realistische Schritte. Ohne diese Instrumente droht dem System ein leiser, aber folgenschwerer Strukturabbau.
Funktion sichern, Versorgung vervollständigen, Umsetzungsblockaden überwinden
Wie Kälte und Kompression Taxan-Schäden verhindern, Patientinnen schützen und Versorgungsstandards herausfordern
Die klinische Relevanz peripherer Polyneuropathien unter Taxan-basierten Chemotherapien ist seit Jahren bekannt, wird jedoch in der Versorgungspraxis nach wie vor unterschätzt. Für viele Patientinnen mit Mammakarzinom bedeutet eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie nicht nur die Konfrontation mit der Grunderkrankung, sondern die langanhaltende Belastung durch neurologische Folgeschäden – insbesondere sensorische Ausfälle, Dysästhesien, motorische Einschränkungen und Einschränkungen der Feinmotorik, die in bis zu einem Drittel der Fälle dauerhaft bestehen bleiben. In diesem Kontext gewinnt eine prospektiv-randomisierte Studie des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg besondere Bedeutung: Sie zeigt, dass einfache physikalische Maßnahmen – konkret: gezielte Kälteapplikation kombiniert mit moderater Kompression an Händen und Füßen – das Risiko hochgradiger Nervenschäden signifikant reduzieren können.
Untersucht wurden 89 Patientinnen mit frühem Brustkrebs, die eine Paclitaxel-haltige adjuvante Therapie erhielten. In der Interventionsgruppe kam eine apparative Kombination aus Temperatur- und Druckkontrolle zum Einsatz, wobei die Behandlung exakt auf die Dauer der Infusion abgestimmt war. In der Kontrollgruppe wurde keine zusätzliche Maßnahme durchgeführt. Nach sechs Zyklen zeigte sich ein klarer Unterschied: 51 Prozent der Patientinnen in der Kontrollgruppe entwickelten eine Grad-2- oder Grad-3-Polyneuropathie nach CTCAE-Kriterien, in der Interventionsgruppe lag dieser Wert bei nur 21 Prozent. Besonders eindrücklich war die Reduktion sensorischer Störungen in den Händen – ein Bereich, der für alltägliche Selbstständigkeit, Berufsausübung und Lebensqualität entscheidend ist.
Was diese Zahlen nicht erfassen, aber im Versorgungskontext umso gravierender ist: Die betroffenen Patientinnen berichten oft von „unsichtbaren“ Folgeproblemen – der Unfähigkeit, Kleinteile zu greifen, Tasten zu bedienen, sich sicher zu bewegen oder Wärme und Schmerz zu unterscheiden. Diese Einschränkungen können zu Isolation, Arbeitsunfähigkeit und erhöhtem Sturzrisiko führen – mit direkter Folge für das psychosoziale Umfeld und die sozioökonomische Teilhabe. Die Heidelberger Studie liefert damit nicht nur medizinische Evidenz, sondern den Grundstein für eine neue Bewertung präventiver Supportivmaßnahmen. Es ist schwer nachvollziehbar, warum eine evidenzbasierte, risikoarme und kostengünstige Maßnahme wie diese nicht längst flächendeckend zum Versorgungsstandard gehört. Der Verweis auf fehlende Kodierung im EBM oder auf mangelnde G-BA-Zulassung greift zu kurz – denn was hier fehlt, ist nicht Genehmigung, sondern Gestaltungswille. Die Vorstellung, dass supportive Interventionen nur dann umgesetzt werden, wenn sie wirtschaftlich incentiviert oder regulatorisch erzwungen sind, offenbart ein strukturelles Defizit im System. Prävention muss nicht warten, bis sie sich refinanziert – sie muss wirken, weil sie Patientinnen schützt. Die Heidelberger Ergebnisse sind kein Projekt, sondern ein Beweis. Und sie legen offen, wie wenig Bereitschaft besteht, wirksame Maßnahmen jenseits pharmakologischer Therapiepfade zu integrieren.
In der Gesamtschau zeigt sich ein typisches Implementierungsproblem: Kliniken, die Kälte- und Kompressionsverfahren anbieten möchten, tun dies aktuell auf eigene Verantwortung – ohne garantierte Refinanzierung, ohne Leitlinienverankerung, ohne normierte Qualitätsstandards. Das führt nicht nur zu einem Flickenteppich der Versorgung, sondern untergräbt das Vertrauen in systemische Schutzmechanismen. Denn was hilft eine wirksame Maßnahme, wenn sie abhängig von Standort, Engagement und Zufall ist? Die strukturelle Umsetzung von Supportivtherapie bleibt ein blinder Fleck – nicht aus Unwissen, sondern aus fehlender Priorisierung.
Ein internationaler Vergleich zeigt zudem, dass andere Gesundheitssysteme diese Präventionslücke erkannt haben: In Japan und Teilen der USA gehört die simultane Kälte-Kompression bereits in mehreren Tumorzentren zur klinischen Routine. Auch skandinavische Länder arbeiten gezielt an Leitlinienintegration – unterstützt von Fachgesellschaften und universitären Konsortien. Deutschland hingegen verharrt in einem Zustand des Beobachtens: Die wissenschaftliche Evidenz wird registriert, aber nicht operationalisiert. Damit bleibt eine Maßnahme, die Leid verhindert und Teilhabe erhält, auf Studienniveau gefangen – während Betroffene mit Langzeitfolgen kämpfen, die vermeidbar wären.
Die Debatte um supportive Versorgung ist deshalb mehr als eine medizinische Detailfrage – sie ist eine Systemfrage. Sie betrifft das Verhältnis von kurativer und begleitender Therapie, das Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Humanität, und die Frage, wie viel Verantwortung ein Gesundheitssystem für das verhindertbare Leid seiner Patient:innen übernimmt. Die Taxan-assoziierte Polyneuropathie ist kein isoliertes Risiko, sondern ein Symbol für ein Defizit im strukturellen Schutzwillen. Die Heidelberger Studie macht deutlich: Die Maßnahme wirkt. Jetzt muss das System es auch wollen.
Versorgung verliert Takt, Digitalisierung verliert Inhalt, Politik verliert Mut
Wie Apotheken unter der Systemblockade leiden, ePA und E-Rezept versanden und der Reformstau zur realen Gefahr wird
Wenn der Begriff „strukturbedingt“ zur politischen Schutzformel wird, obwohl es um zentrale Schwächen in einem System geht, das täglich Menschenleben versorgt, offenbart sich eine gefährliche Abkehr von Verantwortung. Die aktuelle Haushaltslage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liefert ein eindrückliches Beispiel für diesen Rückzug ins Schweigen. Der Rückgriff auf Liquiditätsspritzen aus dem Gesundheitsfonds – ein Volumen von 14 Milliarden Euro allein im vergangenen Jahr – hat das strukturelle Defizit nur kosmetisch übertüncht. Die Deckungslücken bleiben. Und mit ihnen die Frage: Wie lange noch?
Gleichzeitig bewegen sich die politischen Reformimpulse auf einem Niveau, das man mit gutem Willen als zögerlich bezeichnen könnte – realistisch betrachtet handelt es sich um eine Mischung aus Konzeptstaus, Vermeidungsreflexen und Verantwortungsdiffusion. Zwar häufen sich die Digitalprojekte im Bundesgesundheitsministerium: E-Rezept, ePA, eMP, Telematikinfrastruktur – die Liste wächst. Doch deren reale Wirksamkeit bleibt aus. Die elektronische Patientenakte etwa dümpelt als leerer Datencontainer durch die Landschaft. Lediglich 0,6 Prozent der aktuell eingerichteten ePA-Konten enthalten überhaupt strukturierte medizinische Inhalte. Die infrastrukturellen Voraussetzungen mögen geschaffen sein, doch die Systemakteure – Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser – bleiben unterinformiert, überfordert oder schlicht außen vor.
Der systematische Disconnect zwischen Technik und Nutzen ist dabei kein Betriebsunfall, sondern die Folge politischer Ignoranz gegenüber der Realität der Leistungserbringer. Apotheken, die durch technische Störungen im E-Rezept-System Retaxationen riskieren, stehen exemplarisch für diese Fehlsteuerung. Die Einführung des E-Rezepts, das ursprünglich Entlastung bringen sollte, hat sich zu einer neuen Fehlerquelle entwickelt – mit ökonomischem Risiko, haftungsrechtlicher Unsicherheit und zusätzlichem bürokratischem Aufwand.
Die Folge: Apothekenbetreiber verlieren den wirtschaftlichen Halt. Das Honorar bleibt seit über einem Jahrzehnt nominal gleich – inflationsbereinigt hat sich die reale Vergütung pro Rx-Packung deutlich reduziert. Die längst versprochene Anpassung wurde zwar im Koalitionsvertrag als Einmalbetrag von 9,50 Euro skizziert, doch der politische Wille zur nachhaltigen Dynamisierung fehlt. Damit bleibt die Apothekerschaft in einem System gefangen, das zugleich höhere Anforderungen stellt, aber die ökonomische Grundlage systematisch aushöhlt. Die existierende Finanzierung ist ein Anachronismus in einem Umfeld, das längst komplexer, schneller und risikobehafteter geworden ist.
Der Kommentar hierzu muss im Text stehen, denn es gibt kein außenstehendes Problem, das man analysiert – sondern ein politisches Versagen, das in der Sache selbst liegt. Das Versorgungsversagen der GKV, die strukturelle Vernachlässigung der Apotheken und die Leerlauf-Digitalisierung sind keine separaten Phänomene. Sie sind Symptome eines grundsätzlichen Politikstils, der sich auf Prozessbeschleunigung und PR-taugliche Meilensteine kapriziert, ohne funktionale Realität zu erzeugen. Echte Reform bedeutet nicht, Tools zu launchen, sondern Strukturen zu verändern. Das aber erfordert Mut – und eine Bereitschaft zur politischen Verantwortung, die aktuell fehlt.
Stattdessen werden Ressourcen in Modellprojekte mit begrenzter Reichweite umgeleitet, etwa die geplanten Arzneimittelkioske oder telemedizinische Präventionsangebote, deren praktische Umsetzung in der Fläche nie stattfinden wird. Für Apotheken, die vor Ort täglich Versorgung sichern, sind solche Konzepte weder hilfreich noch inspirierend – sie sind ein Affront. Sie zeigen, dass Versorgungspolitik nicht mit den Versorgern gemacht wird, sondern über deren Köpfe hinweg.
Diese politische Entkoppelung hat inzwischen Rückwirkungen auf alle Akteure im System. Die Ärzteschaft beklagt die fehlende Integration der digitalen Systeme in den Praxisablauf. Die Krankenkassen wiederum warnen vor Beitragssätzen von über 18 Prozent, sollten keine strukturellen Korrekturen erfolgen. Und auf europäischer Ebene wächst der Druck, regulatorische Fehlentwicklungen wie die überbordende Rabattvertragslogik zu überdenken. Die ABDA verweist in aktuellen Analysen auf die toxische Kombination aus Hochpreispräparaten, fehlender Vergütungspraxis und wachsender Retaxgefahr – doch gehört wird sie kaum.
Wenn dieser Trend anhält, wird die digitale Patientenakte in ihrer derzeitigen Form dasselbe Schicksal erleiden wie das elektronische Gesundheitsberuferegister: technisch komplex, juristisch korrekt – aber real irrelevant. Die Digitalisierung bleibt damit ein politischer Reflex, kein versorgungspolitisches Instrument. Was fehlt, ist die Synchronisierung von Technik, Recht und Praxis. Doch statt strategischer Steuerung setzt das BMG auf Einzelinitiativen, flankiert von Kommunikationskampagnen, die nicht einmal mehr den Anschein konkreter Verbesserung erzeugen.
Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens ist deshalb keine technische – sie ist systemisch. Und sie lautet: Wer gestaltet, wenn alle warten? Apotheken, Hausärzte, Pflegekräfte, Kliniken – sie alle befinden sich in einem strukturellen Wartesaal, in dem das nächste Gesetz, die nächste Reform, das nächste Update angekündigt, aber nie geliefert wird. Dieser Wartesaal wird zur politischen Hauptbühne. Und er wird zur Gefahr – für Versorgung, Vertrauen und Zusammenhalt.
Wirkung braucht Präzision, Ernährung braucht Wissen, Beratung braucht Mut
Wie Müsli die Digitoxin-Aufnahme hemmt, Apotheken Fehler vermeiden und Patienten geschützt werden können
Digitoxin gehört zu den hochwirksamen herzwirksamen Glykosiden – und verlangt deshalb höchste Sorgfalt nicht nur bei der Verordnung, sondern auch bei der Einnahme. Während die Applikation nach einer Mahlzeit durchaus empfohlen wird, ist es ein folgenschwerer Irrtum, daraus eine generelle Unbedenklichkeit gegenüber Nahrungsmittelkombinationen abzuleiten. Denn nicht jede Mahlzeit ist neutral – insbesondere ballaststoffreiche Lebensmittel wie Haferflocken, oft Bestandteil eines gesunden Frühstücks, können die Resorptionsrate von Digitoxin erheblich beeinflussen und dadurch dessen therapeutische Wirkung kompromittieren.
Die pharmakodynamische Basis dieser Wechselwirkung liegt im Zusammenspiel der Digoxin-Wirkweise mit dem intestinalen Resorptionsverhalten: Als Hemmer der Natrium-Kalium-ATPase bewirkt Digitoxin eine intrazelluläre Calcium-Anreicherung, die zur Stärkung der Herzmuskelkontraktion beiträgt – ein kritischer Mechanismus insbesondere bei chronischer Herzinsuffizienz und bei Vorhofflimmern. Doch diese Wirkung ist nur so stabil wie die Bioverfügbarkeit des Wirkstoffes selbst. Ballaststoffe können im Darm durch physikalische Bindung oder veränderte Transitzeiten die Aufnahme behindern, was bei Arzneistoffen mit engem therapeutischem Fenster schnell zur Unterdosierung führen kann. Hier liegt die zentrale Problematik: Was ernährungsphysiologisch als gesund gilt, ist pharmakologisch potenziell kontraproduktiv.
Besonders kritisch wird es, wenn zusätzlich Elektrolytlösungen oder Aktivkohleprodukte eingenommen werden – sei es therapeutisch oder im Rahmen von Nahrungsergänzungsmitteln. Während Aktivkohle durch Adsorption die Bioverfügbarkeit deutlich verringert, greifen Elektrolyte direkt in den Wirkmechanismus ein, insbesondere durch Kaliuminterferenzen. Die Folge: Eine unsichtbare, aber wirksame Abschwächung der Wirkung – mit potenziell gravierenden Folgen für Herzrhythmus und hämodynamische Stabilität.
Gerade im Apothekenalltag wird dabei zu häufig übersehen, dass es sich bei Digitoxin nicht um ein gewöhnliches Arzneimittel handelt, sondern um ein Präparat mit hohem Interaktionspotenzial und gleichzeitig geringer therapeutischer Breite. Deshalb ist die Beratung zur Einnahmeweise kein nebensächlicher Zusatz, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Arzneimittelsicherheit. Der klassische Satz „nach dem Essen einnehmen“ reicht hier nicht. Er muss zwingend ergänzt werden durch eine differenzierte Bewertung der Nahrungsbestandteile – insbesondere bei Wiederholungsverordnungen und im geriatrischen Setting, wo Haferflocken oder ballaststoffreiche Kost besonders häufig konsumiert werden.
Pharmakologische Präzision ist hier keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Wer auf automatisierte Beratungstexte oder schematische Einnahmehinweise zurückgreift, riskiert klinisch relevante Wirkverluste. Apotheken sollten deshalb aktiv intervenieren und auf mögliche Wechselwirkungen bereits im Beratungsgespräch hinweisen – mit konkreten Empfehlungen, welche Nahrungsmittel in zeitlichem Abstand zur Einnahme konsumiert werden sollten. Auch bei der gleichzeitigen Medikation mit Elektrolyten – etwa bei Diuretika-Therapie – ist eine enge Überwachung des Kaliumspiegels geboten.
Die Differenzierung zwischen Digoxin und Digitoxin – häufig synonym verwendet – ist dabei mehr als eine pharmakologische Feinheit. Sie entscheidet über Halbwertszeiten, kumulative Effekte und klinische Steuerbarkeit. Während Digoxin schneller eliminiert wird und stärker auf akute Plasmaspiegel reagiert, zeigt Digitoxin eine längere Wirkdauer und verlangt eine besonders exakte Dosisanpassung.
Insgesamt zeigt der Umgang mit Digitoxin exemplarisch, wie tief Arzneimittelsicherheit in alltägliche Verhaltensmuster eingebettet ist. Ein vermeintlich harmloses Müsli kann zur pharmakologischen Hürde werden – und genau hier beginnt die Verantwortung der Versorgungskette: Aufklärung, Präzision, Kontrolle.
Apotheken setzen pDL nur zögerlich um, Kassen greifen nach dem Topf
Wie 150 Millionen Euro zur Streitfrage werden, Versorgung stockt und Transparenz schwindet
Trotz erneut gestiegener Zahlen bleibt der strukturelle Knoten ungelöst: Die Vergütung für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) fließt auch im zweiten Halbjahr 2024 nur in begrenztem Maße. Mit exakt 15,64 Millionen Euro verzeichnet der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) zwar einen Anstieg gegenüber den Vorperioden, doch angesichts eines jährlich verfügbaren Volumens von 150 Millionen Euro entspricht das gerade einmal einem Zehntel der ausgeschöpften Mittel. Insgesamt 8.957 Vor-Ort-Apotheken haben demnach zwischen Juli und Dezember des vergangenen Jahres pDL-Leistungen erbracht – immerhin mehr als im ersten Halbjahr mit 7.763 Apotheken.
Was auf dem Papier nach Wachstum aussieht, offenbart bei näherer Betrachtung die weiterhin bestehende Systembremse: Die Steigerungen verlaufen linear, das Potenzial bleibt weitgehend ungenutzt. Während die ABDA in öffentlichen Stellungnahmen stets auf das große Versorgungsversprechen der pDL verweist, zeigen die nüchternen Zahlen, dass sich diese Leistungen in der Realität nur langsam durchsetzen. Der Rückschluss ist eindeutig: Es fehlt nicht nur an flächendeckender Implementierung, sondern an struktureller Überzeugung – sowohl bei Apotheken als auch auf Kassenseite.
Dazu passt, dass der NNF seit geraumer Zeit keine differenzierte Ausweisung der Verteilung auf die fünf pDL-Kategorien mehr vornimmt. Die Informationslage bleibt selektiv, die Transparenz begrenzt. Ein kleiner Einblick kam dennoch aus Richtung Techniker Krankenkasse (TK): Arzneimittelexperte Tim Steimle erklärte im Rahmen des AByou Future Lab, dass bei der TK etwa 80 Prozent der pDL-Abrechnungen auf Inhalatorschulungen entfallen – ein klares Indiz dafür, dass niedrigschwellige, klar strukturierte Leistungen eher angenommen werden als komplexere Angebote.
Hinzu kommt eine zunehmend politische Komponente. Denn obwohl die pDL-Gelder eigentlich zweckgebunden zur Verbesserung der pharmazeutischen Versorgung gedacht sind, mehren sich Stimmen, die eine Umschichtung in andere Förderbereiche fordern. Im Koalitionspapier von CDU und SPD in Sachsen-Anhalt etwa war zu lesen, dass künftig jährlich 100 Millionen Euro aus dem pDL-Topf in ländliche Apotheken und Präventionsleistungen umgeleitet werden sollen. Eine politische Vereinnahmung, die unter dem Deckmantel der Versorgungsgerechtigkeit stattfindet – aber das ursprüngliche Ziel der pDL unterläuft.
Vor allem aus Sicht der Apotheken bleibt der Status quo schwierig. Einerseits sind die Dienstleistungen als neue Vergütungssäule gesetzlich verankert, andererseits herrscht Unklarheit über deren strategische Einbindung in die alltägliche Versorgung. Viele Betriebe sehen in der pDL nach wie vor eine wirtschaftliche Grauzone: aufwendig in der Durchführung, begrenzt in der Honorierung, unsicher in der Planung. Dass die Kassen mit Blick auf die eigene Haushaltslage zunehmend Interesse zeigen, diese Leistungen selbst oder durch Dritte abrechnen zu lassen, verstärkt zusätzlich die Unsicherheit im System.
Es ist ein Paradoxon, das strukturelle Konsequenzen provoziert: Die Politik will Apotheken stärken, doch lässt ein Vergütungselement wie die pDL versickern. Statt operativer Förderung herrscht Verteilungspolitik. Die Folge ist eine zögerliche Implementierung, bei der selbst engagierte Apotheken an systemischen Hürden scheitern. Die pDL sind zur strategischen Wegmarke im Apothekenwesen geworden – und genau dort verharren sie: als Absichtserklärung ohne nachhaltige Traktion.
Sicherheit verlangt Klarheit, Risiko verlangt Rückzug, Vertrauen verlangt Transparenz
Warum der Chikungunya-Impfstoff Ixchiq für Ältere gestoppt wurde, wie EMA und PRAC reagieren und welche Fragen jetzt aufgeworfen werden
Die Europäische Arzneimittelagentur hat eine vorsorgliche Aussetzung der Anwendung des Chikungunya-Lebendimpfstoffs Ixchiq (Valneva) bei Personen über 65 Jahren empfohlen. Hintergrund ist eine Häufung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, darunter zwei Todesfälle im Zusammenhang mit der laufenden Impfkampagne im französischen Überseegebiet La Réunion. Insgesamt wurden weltweit 19 schwerwiegende Komplikationen registriert, 17 davon betrafen ältere Patientinnen und Patienten – mit einem Altersbereich von 62 bis 89 Jahren.
Der Impfstoff, der lebend attenuiertes Chikungunya-Virus des Stammes Δ5nsP3 enthält, ist seit Juni 2023 in der EU zugelassen – für Personen ab zwölf Jahren. Etwa 43.000 Dosen wurden bisher weltweit verabreicht, davon rund 43 Prozent an Menschen über 65. Dass nun genau diese Altersgruppe, die zugleich als besonders vulnerabel gegenüber schweren Verläufen der Krankheit gilt, von der Aussetzung betroffen ist, verstärkt die Brisanz der Maßnahme erheblich.
Was sich hier verdichtet, ist mehr als ein vorsorglicher Schritt: Es ist ein epidemiologisch-politisches Dilemma, das die Grenzen zwischen Impfstrategie und Altersdiskriminierung verwischt. Denn während bei pandemischen Bedrohungen meist ältere Personen prioritär geimpft werden, werden sie hier als potenziell risikobehaftete Gruppe temporär ausgeschlossen – nicht aus empirisch gesicherter Kausalität, sondern im Schatten unsicherer Signale. Dieses Spannungsfeld zwischen Schutzverantwortung und Vorsicht offenbart die Fragilität der Zulassungslogik bei neuartigen Lebendimpfstoffen.
Die zwei dokumentierten Todesfälle – einer nach Enzephalitis, der andere im Kontext verschärfter Parkinson-Symptomatik mit aspirativer Pneumonie – werfen Fragen auf, aber geben keine abschließenden Antworten. Der PRAC-Sicherheitsausschuss der EMA hat bereits mit der systematischen Prüfung begonnen, ein finales Risikoprofil steht noch aus. Bis dahin lautet die Devise: Impfstopp für Ältere, Freigabe für 12- bis 64-Jährige – unter Berücksichtigung bekannter Kontraindikationen wie Immunsuppression.
Chikungunya selbst bleibt eine ernstzunehmende Bedrohung. Übertragen durch Aedes-Mücken, verursacht das Alphavirus fieberhafte Erkrankungen mit muskuloskelettaler Schmerzsymptomatik, die besonders bei älteren Menschen chronifizieren kann. Die temporäre Impfpause für eine der primären Risikogruppen sendet damit nicht nur ein sicherheitsorientiertes, sondern auch ein politisches Signal: Vertrauen in Impfstoffe ist nicht stabil, sondern dynamisch – und wird zur Währung regulatorischer Glaubwürdigkeit.
Journalismus trifft Geschäft, Medizin wird Marke, Vertrauen verliert Kontur
Wie das Burda-Urteil Ärztesiegel legalisiert, Patienten verunsichert und Medienethik auf die Probe stellt
Der Burda-Verlag darf weiterhin das begehrte Qualitätssiegel „Top Mediziner“ vergeben und gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte lizenzieren. Das Oberlandesgericht München (OLG) hat in einem überraschenden Schritt ein zuvor verhängtes Verbot des Landgerichts München I (LG) aufgehoben. Damit ist die Praxis der Auszeichnung gegen Bezahlung nicht nur wieder zulässig – sie erhält durch das Urteil indirekt eine juristische Rückendeckung, die weit über das Einzelfallinteresse hinausweist.
Konkret ging es im Ausgangsverfahren um die Frage, ob der Burda-Verlag mit seinem sogenannten Focus-Siegel ein irreführendes Werbeversprechen auslöse, da das Label – so der Vorwurf – nicht allein auf objektiven medizinischen Kriterien beruhe, sondern sich über ein Lizenzmodell finanzieren lasse. In der ersten Instanz war das Gericht dieser Argumentation gefolgt und hatte die Siegelvergabe untersagt. Das OLG jedoch stellte nun klar, dass das Verfahren zur Auswahl der ausgezeichneten Mediziner „transparent und methodisch hinreichend“ sei – ein Urteil, das juristisch präzise, aber gesellschaftlich brisant ist.
Denn der Fall rührt an ein grundsätzliches Problem in der Schnittmenge von Journalismus, Gesundheitsmarketing und Verbraucherschutz: Wie belastbar ist ein Siegel, das zugleich publizistische Reputation und ökonomischen Mehrwert erzeugt? Burda argumentiert, die Auswahl erfolge nach evidenzbasierten Kriterien, gestützt durch journalistische Recherche, Patientenbewertungen und Fachpublikationen. Doch genau hier beginnt die Grauzone – denn die Veröffentlichung im Magazin „Focus“ wirkt nicht nur informierend, sondern vermarktet zugleich das eigene Gütesiegel.
Der Schritt des OLG legitimiert somit eine Praxis, bei der redaktionelle Inhalte mit werblicher Verwertung verknüpft werden. Die juristische Zulässigkeit bedeutet jedoch nicht automatisch moralische Legitimität. Gerade in einer Gesundheitslandschaft, in der ärztliche Kompetenz als Vertrauensgut gilt, ist jede Form von käuflich erwirkter Auszeichnung ein Störfaktor. Es verwischt die Grenze zwischen geprüfter Qualität und bezahlter Sichtbarkeit, zwischen Auszeichnung und Marketing. Und es stellt Patient:innen vor eine schwierige Frage: Welcher Arzt ist tatsächlich „Top“, und wer hat einfach nur das bessere Budget?
Die Entscheidung des OLG wirft somit einen grellen Scheinwerfer auf ein strukturelles Dilemma: Wenn wirtschaftliche Interessen publizistische Qualitätssignale überlagern, wird aus Journalismus ein Geschäftsmodell – mit direktem Einfluss auf ärztliches Renommee und indirektem Effekt auf Patientenentscheidungen. Der Burda-Verlag hat nun freie Hand, das System fortzusetzen. Die Kritik wird dadurch nicht leiser – im Gegenteil, sie wird präziser. Denn was juristisch legal ist, kann gesellschaftlich umstritten bleiben.
Gefühle freilegen, Schmerz entschlüsseln, Versorgung verändern
Wie EAET chronische Leiden neu behandelt, emotionale Tiefe einfordert und systemische Widersprüche offenlegt
Wenn Schmerz nicht weicht und Therapien versagen, beginnt für viele Patientinnen und Patienten ein Teufelskreis aus körperlichem Leiden, seelischem Rückzug und medizinischer Resignation. Über 50 % der chronischen Schmerzfälle gehen mit Depressionen, Angststörungen oder sozialer Isolation einher – doch die therapeutischen Antworten auf diese Gemengelage bleiben häufig oberflächlich. Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT), einst als Goldstandard gepriesen, wirkt hier oft nur begrenzt. Sie zielt auf Denkprozesse, wo biografische Verwundungen, emotionale Erstarrung und unbewusste Schutzmechanismen dominieren. In diesem Spannungsfeld entwickelt ein Forscherteam an der Universität Sydney eine neue Perspektive – radikal, präzise und wirksam: „Emotional Awareness and Expression Therapy“, kurz EAET.
EAET setzt nicht auf Reframing, sondern auf emotionale Rekonstruktion. Patientinnen und Patienten lernen, unterdrückte Gefühle zuzulassen, alte Beziehungsmuster zu verstehen und unbewusste Konflikte zu integrieren – nicht als Katharsis, sondern als strukturelle Heilung. Die Methode ist unbequem, aber konsequent: Wo CBT funktionales Denken trainiert, stellt EAET die emotionale Wahrheit in den Mittelpunkt. In einer randomisierten Studie mit 259 Teilnehmern zeigte sich: EAET senkt die Schmerzintensität signifikant stärker, lindert depressive Symptome nachhaltiger und fördert die Selbstwirksamkeit messbar besser als CBT. Besonders eindrucksvoll ist der Befund, dass sich bei vielen Teilnehmenden erstmals seit Jahren eine emotionale Vitalität einstellte – ein Gefühl von Kontakt mit sich selbst, das jenseits von Symptomkontrolle liegt.
Gerade hier wird deutlich, dass der aktuelle Standard psychotherapeutischer Versorgung chronischen Schmerz vielfach verfehlt. Die verbreitete Annahme, kognitive Umstrukturierung reiche zur Symptomverbesserung aus, verkennt die Tiefe emotionaler Dissoziation, die viele Schmerzkarrieren prägt. Schmerz ist eben nicht nur eine Fehlwahrnehmung – er ist ein Ausdruck von Unversöhntheit, von innerem Ungleichgewicht, von emotionaler Verlassenheit. EAET erkennt diesen Zusammenhang nicht nur an, sondern macht ihn zur zentralen Achse der Behandlung. Das bedeutet: Schmerztherapie wird zu einer Form psychischer Rekonstruktion – mit Auswirkungen weit über das einzelne Symptom hinaus. Wer heilt, greift nicht nur ein, sondern stellt wieder her, was vorher nie aufgebaut wurde: ein stabiles, affektives Selbst.
In dieser Sichtweise liegt Sprengkraft – denn sie fordert nicht nur therapeutische Kompetenz, sondern systemisches Umdenken. EAET ist bislang nicht in den GKV-Katalog aufgenommen, findet sich in keiner deutschen Leitlinie, wird in keiner großen Psychotherapieausbildung systematisch gelehrt. Das ist nicht nur ein Versorgungsversäumnis, sondern ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber Tiefe: Emotionale Verfahren gelten als schwer messbar, schwer standardisierbar – und damit als schwer finanzierbar. Genau dieses Denken verhindert Fortschritt. EAET zeigt: Wenn psychische Nähe und emotionale Wahrhaftigkeit zur Wirksamkeit führen, ist nicht die Methode das Problem, sondern das Abrechnungssystem, das sie nicht abbilden kann.
In einer Zeit, in der psychotherapeutische Versorgung immer stärker formalisiert, digitalisiert und verkürzt wird, bringt EAET etwas zurück, das vielen Konzepten fehlt: Resonanz. Denn Schmerz ist keine Rechenaufgabe, sondern eine seelische Sprache. Und wer ihn wirklich behandeln will, muss ihn nicht nur dämpfen, sondern verstehen. Die Therapieform aus Sydney tut genau das – und sie tut es mit einem Menschenbild, das nicht auf Korrektur, sondern auf Beziehung setzt. Sie bringt Nähe dorthin, wo Distanz Routine geworden ist. In dieser Hinsicht ist EAET nicht nur innovativ – sie ist ein Paradigmenwechsel: weg von der Reparatur, hin zur Wiederverbindung.
Dass diese Form der Psychotherapie wirkt, weil sie berührt, ist keine Schwäche, sondern ihre größte Stärke. EAET ist keine Exotenmethode, sondern eine Einladung, Therapie wieder als Beziehungskunst zu verstehen. Und gerade für Menschen mit chronischem Schmerz, die oft jahrelang durch ein Raster rationaler Erklärung gefallen sind, ist das eine therapeutische Erlösung. Es ist an der Zeit, diese Methode nicht nur zu diskutieren, sondern zu implementieren – in Leitlinien, in Ausbildung, in Versorgungspraxis. Denn wo Worte scheitern, heilt oft das Gefühl. Und EAET gibt ihm endlich wieder Raum.
Sonnenschutz braucht Routine, Kinderschutz braucht Konsequenz, Eltern brauchen Verbindlichkeit
Warum UV-Prävention bei Kleinkindern scheitert, frühe Sonnenbrände zunehmen und Erfahrung zu spät wirkt
Sonnenschutz bei Kleinkindern ist kein Detailthema, sondern eine systemrelevante Gesundheitsfrage – und doch zeigt eine neue Erhebung, dass fast ein Drittel der Eltern von Kindern unter drei Jahren regelmäßig vergisst, Sonnenschutzmittel aufzutragen. In Zeiten zunehmender UV-Belastung durch Klimawandel und sinkender Ozonschichtdichte ist das mehr als ein individuelles Versäumnis: Es ist ein strukturelles Defizit mit langfristigen Folgen für Gesundheit, Prävention und pädagogische Verantwortung. Die Haut vergisst nicht – und sie verzeiht nicht. Vor allem nicht im frühkindlichen Alter.
Die aktuellen Zahlen stammen aus einer repräsentativen Umfrage des Industrieverbandes Körperpflege- und Waschmittel (IKW), die das Verhalten von Eltern zum Thema Sonnenschutz analysiert hat. Zwar geben über 80 Prozent der befragten Eltern an, über die Risiken von UV-Strahlung informiert zu sein. 71 Prozent setzen auf schützende Kleidung bei Kindern im Alter von vier bis sechs Jahren, 62 Prozent begrenzen die direkte Sonnenexposition, 40 Prozent verwenden Sonnenbrillen. Doch das tatsächliche Schutzverhalten bleibt lückenhaft. Fast 50 Prozent der Eltern von Sieben- bis Zehnjährigen berichten von Sonnenbränden ihrer Kinder, 31 Prozent auch bei Kleinkindern unter drei Jahren. Noch alarmierender: 30 Prozent der Eltern geben an, dass ihre Kinder im Sommer mehrfach Sonnenbrände erlitten haben.
Der entscheidende Unterschied liegt nicht im Informationsstand, sondern in der Konsequenz der Umsetzung. 27 Prozent der Eltern von Kleinkindern geben an, Sonnenschutz schlicht zu vergessen. Diese Zahl entlarvt nicht Nachlässigkeit, sondern eine alltagsbedingte Entkopplung von Wissen und Handlung. In einer Phase, in der Eltern täglich zwischen Wickeltasche, Termindruck und mentaler Erschöpfung navigieren, wird selbst die medizinisch dringendste Maßnahme zur Randnotiz. Aber genau hier beginnt das Systemversagen: Ein gesundheitsrelevanter Schutzmechanismus darf nicht von situativer Kapazität abhängig sein, sondern muss strukturell verankert sein – wie der Kindersitz im Auto oder die Pflicht zur U-Untersuchung. Prävention darf nicht vom Zufall abhängen.
Die dermatologische Faktenlage ist dabei eindeutig. Die Haut von Babys und Kleinkindern besitzt noch keinen voll ausgereiften Eigenschutz. Das Pigmentsystem ist unvollständig, der UV-Filter der Hornhaut schwach ausgeprägt, die Zellreparatur eingeschränkt. Bereits ein einzelner Sonnenbrand im frühen Kindesalter erhöht statistisch messbar das Risiko für späteren weißen oder schwarzen Hautkrebs. UV-Strahlen dringen tief in die Zellstruktur ein, schädigen die DNA und führen bei wiederholter Belastung zu irreversiblen Veränderungen – mitunter Jahrzehnte bevor die Erkrankung sichtbar wird. Dass fast jedes dritte Kleinkind einen Sonnenbrand erlitten hat, ist also keine harmlose Sommeranekdote, sondern ein stiller Alarmruf aus dem Körperinneren.
Besonders kritisch ist das Verhalten nach Wasserkontakt oder körperlicher Aktivität. Ein Drittel der Eltern trägt Sonnenschutzmittel nach dem Schwimmen oder Toben nicht erneut auf. Dabei ist der Wirkverlust von Sonnenschutzmitteln unter diesen Bedingungen längst dokumentiert – nicht nur bei klassischen Cremes, sondern auch bei als „wasserfest“ deklarierten Produkten. Die schützenden Filter können durch Wasserabrieb, Handtücher oder Hautreibung reduziert werden, ohne dass das äußerlich sichtbar ist. Der Glaube an den einmal aufgetragenen Schutz als Tageslösung ist eine gefährliche Illusion – zumal gerade beim Spielen und Schwimmen die Sonneneinstrahlung durch reflektierende Oberflächen wie Sand, Wasser oder Asphalt deutlich intensiver ist.
Erkennbar ist in der Umfrage auch ein elterlicher Lernprozess: 51 Prozent der Befragten geben an, beim zweiten oder dritten Kind häufiger Sonnenschutzmittel zu verwenden als beim ersten. Erfahrungen, ärztliche Hinweise und Austausch mit anderen Eltern scheinen eine korrigierende Wirkung zu haben. Doch diese Korrektur kommt zu spät. Das erste Kind wird zum empirischen Probelauf – mit realen gesundheitlichen Konsequenzen. Prävention darf nicht rückblickend verbessert werden, sondern muss bei Geburt vollständig greifen. Das Prinzip „Trial and Error“ ist bei UV-Schutz unzulässig. Ein Sonnenbrand ist kein pädagogischer Erfahrungswert – er ist ein biologischer Schaden.
Hinzu kommt eine asymmetrische Wahrnehmung von Risiko: Drei Viertel der Eltern geben an, dass sie mehr auf den Sonnenschutz ihrer Kinder achten als auf den eigenen. Diese Haltung wirkt auf den ersten Blick verantwortungsvoll, entlarvt aber ein pädagogisches Missverständnis: Schutzverhalten wird nicht durch Anweisungen, sondern durch Vorbild erzeugt. Wenn Eltern sich selbst nicht konsequent schützen, bleibt der Schutz beim Kind abstrakt. Kinder lernen durch Imitation. Wer sich selbst nicht eincremt, signalisiert, dass Schutz verzichtbar ist. Die nächste Generation wächst so mit einem verzerrten Bild auf: Schutz ist für Schwächere – nicht für alle. Dieses Narrativ schwächt die Wirkung jeder Kampagne.
Ein weiteres Problem ist die saisonale Schutzlogik. Nur 50 Prozent der Eltern nutzen Sonnenschutzmittel außerhalb des Sommers. Das ist gefährlich, denn UV-Strahlen sind nicht temperaturabhängig. Auch im Frühling, Herbst oder an bewölkten Tagen dringt UV-A-Strahlung in die Haut und kann Schäden verursachen. Besonders trügerisch ist das diffuse Licht an bedeckten Tagen – viele Eltern lassen dann den Schutz weg, obwohl die Strahlung durch Reflexionen oder Wolkenlücken verstärkt werden kann. Der Sonnenschutz wird zu sehr mit Wärme statt mit Strahlung assoziiert – ein Missverständnis mit handfesten Folgen.
Die Verantwortung endet jedoch nicht im Privaten. Auch Kindergärten und Kitas tragen eine Schutzpflicht – sowohl juristisch als auch pädagogisch. In vielen Einrichtungen sind Schutzmaßnahmen jedoch unsystematisch geregelt: mal durch Elternvereinbarungen, mal durch Erzieherengagement, selten durch institutionalisierte Standards. Dabei ist gerade die Zeit im Freien – Spielplatz, Ausflüge, Hofzeit – von hoher Expositionsdauer geprägt. Nur wenige Bundesländer geben bislang verbindliche Richtlinien vor. In der Realität bedeutet das: Der Sonnenschutz hängt vom Engagement einzelner Fachkräfte ab – nicht von einem gesicherten System.
Die Politik könnte hier korrigierend eingreifen – etwa durch verpflichtende Sonnenschutzkonzepte in Kitas, Steuererleichterungen auf Kinder-Sonnenpflegeprodukte, UV-Index-Informationen im Kita-Informationssystem oder durch Integration von Schutzroutinen in den frühpädagogischen Bildungsplan. Prävention darf nicht nur durch Elternhäuser getragen werden, sondern muss Teil der öffentlichen Gesundheitsverantwortung werden – in Analogie zur Impfprävention, Unfallvermeidung oder Zahnhygiene.
Auch der Markt trägt Verantwortung. Viele Eltern berichten von Unsicherheit bei der Produktauswahl: Lichtschutzfaktor, UVA-/UVB-Balance, wasserfest oder nicht, Inhaltsstoffe, Applikationsformen – all das führt zu Verwirrung. Eine standardisierte, kindgerechte Kennzeichnung, abgestimmt mit Dermatologen und Pädiatern, wäre ein entscheidender Schritt. Wenn Sonnenschutz im Regal zum Ratespiel wird, verfehlt er seine Funktion.
Was bleibt, ist der dringende Appell an die Gesellschaft, den Sonnenschutz von Kleinkindern nicht als optionale Familienroutine zu betrachten, sondern als grundlegende Schutzkultur – ähnlich der Verkehrssicherheit oder Infektionsprophylaxe. Denn der Schutz beginnt nicht mit der Sonnencreme, sondern mit dem Bewusstsein. Wer ihn vergisst, riskiert viel mehr als einen Sommerfleck. Er setzt Gesundheit aufs Spiel – leise, schleichend, aber unumkehrbar.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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