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  • 22.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Forschung braucht Sicherheit, Versorgung braucht Vertrauen, Preislogik braucht Richtung
    22.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Forschung braucht Sicherheit, Versorgung braucht Vertrauen, Preislogik braucht Richtung
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Apotheken werden durch Hochpreispräparate, digitale Blockaden und fehlenden Versicherungsschutz strategisch entkernt. Während Reimporte ...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Forschung braucht Sicherheit, Versorgung braucht Vertrauen, Preislogik braucht Richtung

 

Wie das SVR-Gutachten Innovationen steuern will, Krankenkassen stärkt und Risiken neu verteilt

Wenn sich Arzneimittelpreise ins Sechsstellige schieben, Versicherungen versagen und Apotheken in die betriebswirtschaftliche Zwangslage geraten, reicht eine gute Versorgung nicht mehr aus – es braucht politische Steuerung, systemische Haftungslogik und operative Resilienz. Die neuesten ABDA-Daten zu den 100 teuersten Medikamenten zeigen eine Realität, in der Preisdynamiken längst den Versorgungsalltag erreichen. Ein Präparat wie Cerdelga kann mit einem einzigen Rezept eine Apotheke an ihre wirtschaftliche Grenze bringen. Reimporte, einst als Entlastungsinstrument gedacht, kehren sich durch Marktverzerrungen ins Gegenteil, während spezialisierte Großhändler wie Pharmore mit Intransparenz und Preisirritationen ganze Bilanzkreise sprengen. Parallel zum Preisdruck versagen digitale Versorgungsversprechen: Das E-T- und E-BtM-Rezept hängen trotz technischer Machbarkeit in der Warteschleife – ein Fall von Symbolpolitik, der Apotheken zur Geduld zwingt, obwohl Präzision gefragt wäre. Auf rechtlicher Ebene setzen Gerichte neue Maßstäbe: Impfstoffklagen ohne Fehlernachweis scheitern ebenso wie der Versuch, systemische Risiken auf Hersteller zu übertragen. Es zeigt sich: Die gesundheitspolitische Landschaft ist nicht nur fragil, sondern widersprüchlich – Versorgung, Verantwortung und Vertrauen stehen in einer gefährlichen Unwucht. Dazwischen: Phoenix, der Pharmagroßhändler, feiert Rekorde, ohne aufzutrumpfen – und das SVR-Gutachten legt offen, wie dramatisch sich die Preisbildung vom Nutzen entfernt hat. Die Systemfrage ist nicht mehr abstrakt, sie ist konkret: Wer trägt Verantwortung, wenn die Kosten schneller steigen als die Wirkung?

 

Wenn Biotech den Preis diktiert, Reimporte keine Entlastung bringen und Apotheken wirtschaftlich taumeln

Wie Hochpreispräparate Versorgungslinien sprengen, die Importpflicht paradoxe Folgen hat und die Praxis überfordert wird

Wenn eine einzelne Packung Arzneimittel mehr kostet als ein Mittelklassewagen, stellt sich nicht nur die Frage nach dem medizinischen Nutzen, sondern auch nach dem gesellschaftlichen Umgang mit pharmazeutischer Innovation. In Deutschland führt das Preisranking der Medikamente längst nicht mehr nur zu klinischen, sondern zu systemischen Debatten – in Apotheken, bei Krankenkassen, im politisch-regulatorischen Raum. Die aktuellen ABDA-Daten zu den 100 teuersten Arzneimitteln zeichnen ein Bild von einer Hochpreislandschaft, die sich nicht mehr nur auf Einzelfälle in Spezialkliniken beschränkt, sondern bis in den Versorgungsalltag reicht.

Im Zentrum der Liste stehen Präparate wie Fabhalta, Berinert, Xenpozyme oder Spinraza, die nicht selten sechsstellige Summen pro Packung erreichen. Besonders auffällig ist: Viele dieser Medikamente werden bei seltenen Erkrankungen eingesetzt – oft sogenannten „Orphan Diseases“, für deren Behandlung kaum Alternativen existieren. Das rechtfertigt nach Meinung der Hersteller den hohen Preis. Doch diese Argumentation greift in der Praxis zu kurz. Denn Apotheken, die zur Versorgung verpflichtet sind, stehen vor logistischen und finanziellen Herausforderungen, die weit über das Maß üblicher Betriebsführung hinausgehen. Die Lagerung, die Bestellung, die Abrechnung – alles wird zur Hochrisikozone, wenn Einzelpackungen mehr kosten als der Monatsumsatz einer durchschnittlichen Vor-Ort-Apotheke.

Man könnte meinen, der Preis eines Medikaments sage alles über dessen Wert aus – doch das Gegenteil ist der Fall. Die Preislisten der teuersten Arzneimittel in Deutschland zeigen nicht, wie wertvoll eine Therapie ist, sondern wie fragil ein Versorgungssystem geworden ist, das Innovation finanzieren soll, ohne dabei unterzugehen. Was als Fortschritt gefeiert wird, endet im Alltag oft als finanzielle Zumutung für die Leistungserbringer. Die Apotheke vor Ort ist kein Hochsicherheitslabor mit Millionenbudget. Sie ist das Rückgrat einer wohnortnahen, niedrigschwelligen Versorgung – und wird gleichzeitig mit Präparaten konfrontiert, deren Einzelpreis ganze Monatsgehälter übersteigt. Wer hier noch von betriebswirtschaftlicher Planbarkeit spricht, ignoriert die Realität. Apotheken werden mit Hochpreisprodukten zu unfreiwilligen Risikoträgern eines Systems, das Innovation fördert, aber Absicherung versäumt.

Hinzu kommt ein Paradoxon der Rabattlogik: Reimporte, eigentlich vorgesehen zur Kostenminderung, bieten in vielen Fällen kaum finanzielle Vorteile. Im Gegenteil: Bei Fabrazyme liegt der Preis des Reimports von Orifarm sogar über dem des Originals von Sanofi-Aventis. Trotzdem zwingt die gesetzliche Importquote viele Apotheken dazu, genau diesen Weg zu gehen – unabhängig vom wirtschaftlichen Nutzen. Das Resultat ist ein System, in dem Ökonomie auf bürokratischen Zwang trifft, in dem Versorgung zur Rechenoperation wird und in dem jede Abgabe ein wirtschaftliches Risiko birgt.

Gleichzeitig versagen die gesetzgeberischen Instrumente: Importquoten, Rabattverträge, Retaxregelungen – all das wirkt wie aus einer Welt, in der Medikamente wenige hundert Euro kosten und nicht Hunderttausende. Die Absurdität, dass ein Reimport teurer ist als das Original, und dennoch aus rechtlicher Verpflichtung abgegeben werden muss, ist kein Einzelfall mehr, sondern Alltag. Das Vertrauen in die Versorgungslogik erodiert.

Unter den Herstellern finden sich nicht nur Nischenanbieter, sondern auch alle großen Pharmaunternehmen. Viele haben gezielt Geschäftsbereiche für Therapien seltener Erkrankungen aufgebaut – wie etwa Alexion bei AstraZeneca. Das bedeutet: Die Entwicklung und Vermarktung solcher Medikamente ist längst ein zentraler Bestandteil globaler Konzernstrategien. Innovation wird gezielt auf hohe Preise hin kalkuliert – mit Aussicht auf langfristige Monopolrenditen. Gleichzeitig schützt die Orphan-Drug-Verordnung Hersteller bis zu zehn Jahre vor Wettbewerb – ein Zeitraum, in dem keine günstigeren Alternativen zugelassen werden dürfen.

Was es jetzt braucht, ist eine politische Antwort, die dieser Entwicklung nicht nur mit Appellen, sondern mit Reformen begegnet. Wer Arzneimittelpreise in dieser Größenordnung zulässt, muss auch eine Struktur schaffen, in der Apotheken wirtschaftlich überleben können. Es geht nicht um Luxus – es geht um Stabilität, Versorgungssicherheit und die Glaubwürdigkeit eines Gesundheitssystems, das allen zugutekommen soll. Der Preis dafür darf nicht allein von denen getragen werden, die an vorderster Front stehen.

Auch die Darreichungsformen geben Einblicke in den Charakter der Hochpreispräparate: Meist handelt es sich um Injektions- oder Infusionslösungen, oft mit aufwändiger Rekonstitution verbunden. Aber auch Tabletten, Kapseln und sogar Augentropfen wie Akantior mit einem Preis von über 34.000 Euro tauchen auf. Einige Präparate sind generisch verfügbar, etwa Nilotinib oder Treprostinil, doch auch hier bleiben die Preise hoch. Ein struktureller Preisverfall, wie man ihn bei anderen Generika kennt, bleibt bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten oft aus.

Für Apotheken ergibt sich daraus ein vielschichtiges Dilemma: Sie tragen die Verantwortung für die Versorgung, ohne über die Preisgestaltung oder deren Refinanzierung mitentscheiden zu können. Die Krankenkassen bezahlen – aber unter engen Bedingungen, deren Auslegung im Falle von Retaxationen rückwirkend existenzbedrohend sein kann. Und Patienten? Sie stehen vor einem System, das zwar formal Versorgung verspricht, praktisch aber immer häufiger an seine finanziellen und logistischen Grenzen gerät.

In dieser Gemengelage steht der Arzneimittelpreis nicht mehr nur für die Bewertung einer Therapie, sondern für eine strukturelle Reibung zwischen medizinischer Innovation, gesetzlicher Regulierung und ökonomischer Realität. Es ist ein Spannungsfeld, das längst nicht nur Fragen an die Hersteller aufwirft, sondern auch an Politik, Kassen und nicht zuletzt an die Apotheken selbst, die täglich an der Grenze zwischen Versorgung und Insolvenz balancieren.

 

Preis springt, Vertrauen sinkt, Recht ersetzt Kulanz

Wie Apotheken auf Hochpreislücken reagieren, Pharmore die Verantwortung verweist und juristische Absicherung zum Standard wird

Ein Preis, zwei Realitäten – und null Verständnis für Transparenz: In der Apotheke von Dr. David Rönsberg sorgt eine neuerliche Differenz von 6.000 Euro beim Hochpreiser Miglustat für blankes Entsetzen. Das Präparat zur Therapie von seltenen Stoffwechselkrankheiten wurde wie gewohnt über den Spezialgroßhändler Pharmore bestellt – doch trotz gesicherter Preisabsenkung stellt der Zwischenhändler den alten, deutlich höheren Preis in Rechnung. Die Apotheke sieht sich zum wiederholten Mal mit dieser Praxis konfrontiert. „Das ist nicht der erste Vorfall dieser Art“, sagt Rönsberg, der den Eindruck gewinnt, dass Systematik hinter der Intransparenz steckt. Dabei geht es nicht um Bagatellen, sondern um Beträge, die in einzelnen Fällen das monatliche Betriebsergebnis einer ganzen Apotheke verschieben können.

Doch der Fall steht exemplarisch für ein strukturelles Problem im Hochpreissegment. Der Markt für Arzneimittel mit extremen Kosten pro Packung ist längst kein fester Rahmen mehr, sondern ein volatiles Labyrinth aus sich überschneidenden Zuständigkeiten, schlecht dokumentierten Preisänderungen und intransparenten Lagerbewegungen zwischen Großhandel, Speziallogistik und Hersteller. Dabei wird ausgerechnet das Glied in der Mitte – die Apotheke – regelmäßig zum Adressaten von Regressforderungen oder zu einer Art Ausfallpuffer für kommerzielle Verschiebungen im Markt. Wer trägt also das Risiko, wenn eine Preissenkung nicht zeitgleich auf allen Ebenen ankommt? Wer haftet, wenn Systeme asynchron reagieren?

Der Kommentar ist eindeutig: Apotheken dürfen in dieser Gemengelage nicht die Leidtragenden einer Marktarchitektur sein, die immer öfter an ihrer eigenen Komplexität scheitert. In einem Umfeld, in dem Preisbindung, Rabattverträge und Mehrwertsteuerunterschiede aufeinanderprallen, sind klare rechtliche Spielräume und verbindliche Preisangaben nicht nur wünschenswert, sondern zwingend. Das bedeutet auch: Apotheken müssen ihren Schutz aktiv einfordern. Ein branchenspezifischer Rechtsschutz ist längst kein optionaler Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit – insbesondere bei juristisch schwer greifbaren Vorgängen wie Preisabweichungen, Lieferverzögerungen oder Haftungsfragen im Rückerstattungsverfahren. Wer hier ohne anwaltliche Rückendeckung agiert, riskiert nicht nur seine wirtschaftliche Stabilität, sondern auch seine Handlungsfähigkeit im Patienteninteresse.

Denn Rönsberg will das nicht auf sich sitzen lassen. „Wir ziehen rechtliche Schritte in Betracht“, sagt er – nicht aus Prinzip, sondern weil Wiederholung kein Zufall mehr ist. Der Vertrauensbruch liegt offen. Pharmore weist die Schuld von sich, spricht von einem „Missverständnis in der internen Preisübermittlung“. Doch das hilft der Apotheke nicht weiter. Die Differenz bleibt – genauso wie die Unsicherheit im Umgang mit Spezialgroßhändlern. Das Vertrauen in faire Preisstrukturen ist erschüttert. Und wo Vertrauen endet, beginnt juristische Klärung – oder der Rückzug aus einem Geschäftsbereich, der ohne Schutzmechanismen nicht mehr zu verantworten ist.

 

Digital blockiert, Versorgung verzögert, Vertrauen verspielt

Wie das E-T-Rezept an Symbolpolitik scheitert, Apotheken im Wartezustand verharren und Digitalisierung zum Stillstand wird

Die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen bleibt ein fragiles Versprechen. Während das E-Rezept in der Regelversorgung langsam Tritt fasst, stagnieren zentrale Sonderformate: Die Einführung des elektronischen T-Rezepts – entscheidend für die Verordnung teratogener Wirkstoffe wie Lenalidomid und Thalidomid – wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Geplant war eine parallele Implementierung mit dem E-BtM-Rezept für Betäubungsmittelverordnungen. Doch beide Vorhaben bremsen sich gegenseitig aus. Die Spezifikationen sind unvollständig, die technischen Systeme nicht freigegeben, und finanzielle Mittel für eine stufenweise Einführung fehlen.

Obwohl die Gematik ihre Aufgaben im Rahmen der T-Rezept-Digitalisierung bereits weitgehend abgeschlossen hatte, entschied das Bundesgesundheitsministerium, beide Formate gleichzeitig in Kraft zu setzen – ohne jedoch die strukturellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Technisch wäre das E-T-Rezept also nutzbar, politisch aber bleibt es blockiert. Die vermeintlich pragmatische Entscheidung zur Bündelung wird so zum Hemmschuh für den Fortschritt.

Gerade für Apotheken bedeutet diese Verzögerung eine praktische Belastung: Sie müssen die aufwendige analoge Rezeptprüfung weiterführen, Papierdokumente archivieren und bei Sicherheitsverordnungen doppelte Prüfroutinen einhalten. Gleichzeitig fehlt es an Schnittstellen, um diese Rezepte in moderne Warenwirtschaftssysteme oder Archivlösungen zu integrieren. In einer Zeit, in der die Digitalisierung im Gesundheitswesen als Lösung für Bürokratie und Patientensicherheit gepriesen wird, wirkt diese Realitätsverweigerung paradox.

Was als koordinierter Digitalisierungsakt angekündigt war, entpuppt sich als Symbolpolitik mit destruktiven Nebenwirkungen. Die Absicht, beide Verordnungsformate auf einer gemeinsamen technischen Grundlage zu bündeln, wäre nachvollziehbar – wenn diese Grundlage tatsächlich vorhanden wäre. Doch Spezifikationen wurden erst in Teilen veröffentlicht, Testläufe fehlen, und nicht einmal eine belastbare Zeitplanung liegt vor. Der Rückgriff auf die analoge Rezeptwelt ist kein Übergang, sondern eine Rückabwicklung.

Statt die Versorgung digital zu entlasten, werden Apotheken mit alten Prozessen allein gelassen. Das Ergebnis ist keine koordinierte Umstellung, sondern ein fortgesetzter Ausnahmezustand im Verordnungsalltag. Ein Blick auf den politischen Kontext zeigt: Die Digitalisierung wird nicht am technischen Unvermögen, sondern am strategischen Zögern ausgebremst. Die Blockade folgt keiner Systemlogik, sondern dem Muster einer politischen Risikovermeidung.

Insgesamt zeigt sich: Die von Ministerium und Gematik propagierte Digitalstrategie verliert dort ihre Glaubwürdigkeit, wo sie sich durch taktisches Abwarten selbst entleert. Der Stillstand beim E-T-Rezept ist nicht Folge unüberwindbarer Hürden, sondern Ausdruck einer Priorisierungsschwäche. Statt realistisch Etappenziele zu definieren, setzt man auf den großen Wurf – und erreicht nicht einmal das Naheliegende. Leidtragende sind jene, die tagtäglich mit Rezepten arbeiten müssen: Apotheken, Ärzt:innen, Patient:innen. Sie verdienen mehr als politische Verzögerungstaktik. Sie verdienen Funktion – jetzt.

 

Kein Fehler, kein Anspruch, kein Ersatz

Wie das Landgericht Saarbrücken Impfstoffklagen abweist, Beweislast fordert und rechtliche Maßstäbe setzt

In einem der ersten wegweisenden Urteile zu mutmaßlichen Impfschäden im Zusammenhang mit den Corona-Impfstoffen hat das Landgericht Saarbrücken sämtliche Klagen gegen die Hersteller Biontech, Moderna und AstraZeneca abgewiesen. Es ist ein Urteil, das juristisch auf Klarheit setzt – und emotional auf Distanz geht. Denn obwohl die betroffenen Kläger teils gravierende gesundheitliche Beschwerden geltend machten, darunter Herzmuskelentzündungen, neurologische Ausfälle oder chronische Erschöpfung, fehlte es nach Ansicht der 16. Zivilkammer an einem entscheidenden Element: dem Nachweis eines Produktfehlers im Sinne des Arzneimittelgesetzes.

Das Gericht verweist in seiner Urteilsbegründung explizit darauf, dass eine Haftung gemäß AMG §84 nur dann in Betracht komme, wenn ein Arzneimittel fehlerhaft ist – also entweder nicht die erforderliche Qualität besitzt, nicht korrekt gekennzeichnet ist oder eine fehlerhafte Fach- oder Gebrauchsinformation enthält. Für alle drei Varianten konnte die Kammer nach eingehender Prüfung keine ausreichende Grundlage erkennen. Insbesondere sei der Vorwurf, die Hersteller hätten über mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen unzureichend informiert, nicht haltbar. Myokarditis, Perikarditis und andere ernste Nebenwirkungen seien ausdrücklich in den jeweiligen Produktinformationen aufgeführt worden – und das teils bereits zu Beginn der Massenimpfkampagnen.

Doch damit nicht genug: Das Gericht griff auch einen weiteren zentralen Punkt auf, der in der öffentlichen Debatte häufig übersehen wird – nämlich die hypothetische Kausalität. Selbst wenn die Informationen unvollständig gewesen wären, müsse der Kläger glaubhaft machen, dass er sich im Fall vollständiger Aufklärung nicht hätte impfen lassen. Genau daran scheiterte ein Großteil der Klagen. Die Kammer konnte nicht erkennen, dass die individuelle Impfentscheidung durch andere Hinweise tatsächlich verhindert worden wäre. Juristisch gesprochen: Eine bloß mögliche Kausalität reicht nicht aus – erforderlich ist ein konkreter und glaubhafter Ursachenzusammenhang zwischen dem Informationsdefizit und dem Gesundheitsschaden.

Diese Herangehensweise offenbart ein Dilemma: Während die Kläger auf eine moralische oder gesundheitliche Anerkennung ihrer Situation hoffen, verlangt das Recht messbare, belastbare Nachweise. Und diese sind gerade bei komplexen biologischen Systemen, wie dem menschlichen Körper, in Verbindung mit neuartigen biotechnologischen Arzneimitteln schwer zu erbringen. Viele Symptome treten erst Wochen oder Monate nach der Impfung auf, was die Abgrenzung zu anderen Ursachen nahezu unmöglich macht. Die Gerichte ziehen sich dabei nicht aus der Verantwortung – aber sie machen deutlich, dass der Maßstab der Beweislast nicht ausgesetzt werden kann, nur weil es um einen emotional aufgeladenen gesellschaftlichen Kontext geht.

Ein weiterer Aspekt verdient besondere Beachtung: Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Kläger tatsächlich durch die Impfstoffe verursacht wurden. Dies ist mehr als ein juristischer Nebensatz. Es bedeutet, dass die Frage nach der medizinischen Kausalität bewusst nicht entschieden wurde – und dass das Urteil keineswegs impliziert, es habe keine Nebenwirkungen gegeben. Vielmehr sagt das Gericht: Selbst wenn es Nebenwirkungen gab, führt dies nicht automatisch zu einer rechtlichen Haftung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ein feiner, aber entscheidender Unterschied, der in der öffentlichen Wahrnehmung oft verschwimmt.

Der gesellschaftspolitische Kontext macht diese Entscheidung besonders sensibel. Die Impfkampagnen wurden mit staatlicher Unterstützung beworben, zum Teil verpflichtend für bestimmte Berufsgruppen, begleitet von Solidaritätsappellen und – je nach Phase der Pandemie – auch von politischem und sozialem Druck. Die individuelle Impfentscheidung war damit nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich aufgeladen. Dass Gerichte in diesem Spannungsfeld auf formale Nachweise pochen, mag für manche wie ein Mangel an Empathie erscheinen – tatsächlich aber ist es ein Ausdruck rechtsstaatlicher Prinzipientreue. Emotionen dürfen Urteile nicht ersetzen.

Der Weg der Berufung steht den Klägern offen. Es bleibt abzuwarten, ob das Saarländische Oberlandesgericht die Argumentation der Zivilkammer bestätigen wird oder ob es zumindest punktuell eine Neubewertung vornimmt. In jedem Fall zeigen die Urteile, dass die juristische Aufarbeitung der Pandemie nicht mit moralischer Kompensation zu verwechseln ist. Gerichte urteilen nicht über politische Entscheidungen, sondern über konkrete Rechtsverhältnisse – und das unter strengen Bedingungen. Diese Realität trifft auf die Hoffnung vieler Menschen, irgendwo im System Gerechtigkeit zu finden. Doch das Rechtssystem ist kein Resonanzraum für Gefühle – es ist ein Raster für Nachweise.

Dass viele der Betroffenen dieses Raster nicht durchbrechen können, bedeutet nicht, dass ihre Erfahrungen irrelevant oder unberechtigt sind. Es heißt lediglich, dass die Schwelle für eine rechtlich erfolgreiche Klage hoch ist – zu hoch für viele, die keine wissenschaftliche, dokumentierte Kausalkette zwischen Impfung und Schaden vorlegen können. Dies wirft zwangsläufig Fragen auf: Sollte das Produkthaftungsrecht für biotechnologische Arzneimittel angepasst werden? Müssten staatlich empfohlene Impfungen in Sonderfällen unter eine andere Haftungsregelung fallen? Oder ist es gerade im Sinne von Verlässlichkeit und Vertrauen, dass die gleichen Maßstäbe für alle gelten – auch für Impfstoffe, auch in Krisenzeiten?

Die Entscheidungen des Landgerichts Saarbrücken markieren in jedem Fall einen rechtlichen Wendepunkt: Sie beenden die Hoffnung, allein durch subjektiv erlebtes Leid eine juristische Anerkennung zu erzwingen. Sie stellen klar, dass Risikoaufklärung nicht gleichbedeutend mit Risikofreiheit ist. Und sie erinnern an ein Fundament des Rechtsstaats: Wer fordert, muss belegen – auch und gerade in der Pandemie.

 

Apotheken tragen Hochpreisrisiken, verlieren Versicherungsschutz, brauchen neue Strategien

Wie Cerdelga-Versorgungen die Betriebswirtschaft sprengen, Policen systemisch scheitern und gezielte Risikoanalysen überfällig werden

Als in einer Frankfurter Apotheke ein Rezept eingelöst wurde, das zwei Packungen des Arzneimittels Cerdelga (Eliglustat) umfasste, war der finanzielle Schock programmiert: 88.900 Euro pro Einheit, zusammen 178.000 Euro Warenwert – ein einziger Patient, ein regulärer Vorgang, eine kaum tragbare Belastung für eine durchschnittlich aufgestellte Apotheke. Was formal korrekt ablief, entpuppt sich im betriebswirtschaftlichen Rückspiegel als strategisches Risiko – denn mit der Abgabe enden weder die Verantwortung noch die Gefahr. Vielmehr beginnt sie in einem System, das Arzneimittelrisiken nach außen delegiert, aber betriebliche Schutzmechanismen bestenfalls fakultativ behandelt.

Dass solche Hochpreisverordnungen keine Ausnahme mehr sind, sondern in zunehmender Frequenz Realität werden, ist kein Betriebsunfall, sondern ein Ausdruck medizinischen Fortschritts bei gleichzeitigem Strukturversagen der wirtschaftlichen Sicherungssysteme. Die Apotheken sind gezwungen, Arzneimittel mit sechsstelligen Rechnungsbeträgen vorzuhalten, ohne im Vorfeld wissen zu können, ob und wann eine Rücknahme erforderlich wird – und ob die Krankenkasse im Zweifelsfall beanstandungsfrei erstatten wird. Selbst kleinste Formfehler im Rezepttext, falsche Betriebsstättennummern oder technische Übertragungsfehler im E-Rezept-Modul können zur Retaxation führen. In der Praxis bedeutet das: Totalverlust. Keine Rücknahme, keine Erstattung, kein Ersatz. Die Apotheke bleibt auf dem Schaden sitzen.

Diese Form wirtschaftlicher Hochrisikoversorgung wird verschärft durch eine Versicherungslage, die den Namen Schutz nur bedingt verdient. Viele Apotheken agieren heute noch mit Policen aus der Prä-Digitalzeit – einem Versicherungskorsett, das keinerlei Hochpreisdynamiken abbildet. Es fehlen spezifische Lösungen für Rückgabeprozesse, Rückstellkosten, temperaturgeführte Hochpreislogistik, Rezeptfälschungsschutz oder gezielte Retaxversicherungen. Der Status quo lautet: Standardversicherung – unabhängig davon, ob die Apotheke OTC, Rezepturen, E-Rezepte oder Biologika im Millionenwert bewegt. Das ist ökonomischer Leichtsinn, verstärkt durch strukturelle Intransparenz, wachsende Komplexität und einen Versicherungsmarkt, der nur zögerlich auf die realen Bedürfnisse der Apothekenlandschaft reagiert.

Dabei liegt die Verantwortung nicht allein bei den Versicherern. Auch Apothekeninhaber selbst haben vielfach keine Zeit, keine Schulung oder keine Kraft mehr, sich proaktiv mit Versicherungsdetails zu befassen. Die betriebliche Risikoanalyse wird zwischen Botendienst, Personalmangel und AMTS-Dokumentation verschoben – mit teils fatalen Folgen. Wer heute 178.000 Euro in eine Versorgung steckt, ohne eine passgenaue Versicherungsschnittstelle hinterlegt zu haben, handelt unter Druck – nicht aus Fahrlässigkeit, sondern aus Überforderung. Doch das schützt nicht vor dem Kollaps, wenn die Rückforderung kommt.

Und genau hier beginnt die politische Verantwortung: Apotheken, die systemrelevant agieren, dürfen nicht länger im Versicherungsvakuum operieren. Es braucht eine sektorenspezifische Lösung – mit verpflichtenden Standards, branchengerechten Policen und struktureller Rückendeckung. Die Diskussion muss raus aus dem Hinterzimmer der Betriebswirtschaft und rein in die gesundheitspolitische Agenda. Denn was heute als Ausnahme behandelt wird, ist in Wirklichkeit bereits Alltag: Arzneimittelverordnungen, die die wirtschaftliche Substanz von Apothekenbetrieben angreifen, weil niemand bereit ist, das reale Risiko zu tragen.

Cerdelga steht in diesem Kontext nicht nur für ein Medikament gegen Morbus Gaucher. Es steht für eine Systemschwäche, die sich nicht durch Einzelmaßnahmen beheben lässt, sondern einen Paradigmenwechsel verlangt. Solange die Apotheken das ökonomische Restrisiko der Arzneimittelversorgung allein tragen, wird jeder Hochpreiser zur existenziellen Frage – nicht nur für die betroffene Apotheke, sondern für die Stabilität eines ganzen Versorgungssegments. Der Zeitpunkt, an dem wir handeln müssen, ist nicht „bald“. Es ist jetzt.

 

Wenn Packungspreise explodieren, Apotheken ins Risiko rutschen und Reimporte teurer werden

Wie Hochpreispräparate Versorgung sprengen, gesetzliche Pflichten realitätsfern bleiben und wirtschaftliche Sicherung versagt

Wenn Medikamente sechsstellige Summen pro Packung erreichen, steht nicht mehr nur die medizinische Wirksamkeit zur Debatte – sondern auch die Systemfrage: Wie viel Kostenbelastung kann ein Gesundheitswesen tragen, das den Anspruch auf solidarische Versorgung erhebt? In der Liste der hundert teuersten Arzneimittel, basierend auf Abdata-Daten, offenbart sich eine Marktlogik, in der nicht mehr Therapien, sondern Preismodelle dominieren. Die Medikamente mit Preisen über 10.000 Euro – einige davon weit jenseits der 100.000-Euro-Grenze – sind längst nicht mehr nur klinische Sonderfälle. Viele stehen in ganz normalen Apothekenregalen – mitsamt aller Konsequenzen für Lagerung, Finanzierung und Risikoabsicherung.

Im oberen Preissegment finden sich vor allem Biologika, Gentherapien und Enzymersatzstoffe: Fabhalta, Spinraza, Xenpozyme, Cerdegla oder Skyclarys markieren die Spitze einer Entwicklung, bei der Innovation mit exklusiven Preisstrukturen einhergeht. Die Indikationen? Zumeist seltene Erkrankungen wie paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, Morbus Gaucher oder hereditäres Angioödem. Das klingt nach Ausnahmefällen – doch genau darin liegt die strukturelle Falle. Denn was als therapeutischer Fortschritt für wenige beginnt, mündet in eine wirtschaftliche Herausforderung für viele: für Apotheken, für Kassen, für die Versorgung selbst.

Der Versorgungsalltag in Apotheken ist geprägt von Rechenoperationen, nicht von Forschungserzählungen. Eine einzige Abgabe kann zur existenzbedrohenden Entscheidung werden – nicht nur wegen des Preises, sondern wegen der Bürokratie. Denn neben dem wirtschaftlichen Risiko drohen Retaxationen, Importpflichten und dokumentatorischer Kleinkrieg. Die gesetzlich vorgeschriebene Importquote zwingt Apotheken oft dazu, auf Reimporte zurückzugreifen – selbst dann, wenn diese teurer sind als das Originalpräparat. Bei Fabrazyme etwa kostet der Import von Orifarm mehr als das Original von Sanofi-Aventis. Doch die Regel ist blind gegenüber der ökonomischen Logik, die sie eigentlich stützen soll.

Diese Absurditäten zeigen: Das System ist auf die Preisentwicklung dieser Präparate nicht vorbereitet. Apotheken werden zu unfreiwilligen Risikoträgern einer Marktarchitektur, die sie weder beeinflussen noch absichern können. Der Rückhalt durch die Politik bleibt dabei aus. Die Orphan-Drug-Verordnung, einst eingeführt zur Förderung der Innovation, hat sich zur Monopolgarantie entwickelt. Bis zu zehn Jahre Marktexklusivität für eine Indikation – bei gleichzeitigem Verzicht auf Preisverhandlungen und Wettbewerb. Was gut gemeint war, endet in einer Einbahnstraße der Kostenexplosion.

Man könnte meinen, dass Preise in dieser Höhe automatisch mit ethischer oder therapeutischer Unantastbarkeit einhergehen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Je höher der Preis, desto schärfer wird die Frage nach Transparenz, nach Verhältnismäßigkeit und nach Verantwortung – nicht nur der Hersteller, sondern auch der Regulierer. Denn mit jedem Packungspreis über 50.000 Euro steigt nicht nur das Risiko, sondern auch die politische Bringschuld, für ein funktionierendes, faires und handhabbares Erstattungssystem zu sorgen.

Die Herstellerliste liest sich wie das Who’s Who der globalen Pharmaindustrie: Novartis, Sanofi-Aventis, Takeda, Biogen, Alexion. Einige haben gezielt Tochtergesellschaften aufgebaut, um sich auf Orphan-Drugs zu spezialisieren. Andere führen generische Varianten – etwa Nilotinib – mit Preisen, die kaum unterhalb der Originale liegen. Der Effekt: Selbst der Generikamarkt verliert seinen Entlastungseffekt. Die Preisspirale bleibt ungebrochen – und mit ihr die Belastung für die Leistungserbringer im System.

Darreichungsformen wie Infusionslösungen, Injektionspräparate oder Spezialkapseln machen die praktische Handhabung noch anspruchsvoller. Viele dieser Präparate müssen gekühlt, rekonstituiert oder unter besonderen Bedingungen abgegeben werden. Das bedeutet: zusätzliche Anforderungen an Infrastruktur, Personal und Schulung – Kosten, die in keiner Abrechnung reflektiert werden.

Und dann steht da noch die Patientin, der Patient – mit Rezept in der Hand und der Erwartung, versorgt zu werden. Die Apotheke kann nicht „nein“ sagen, darf nicht selektieren, muss leisten. Doch sie steht allein – zwischen Krankenkasse, Hersteller, Gesetzeslage und ökonomischer Schwerkraft. Diese strukturelle Überforderung ist kein Nebenschauplatz. Sie ist das Kernproblem einer Preisentwicklung, die schneller ist als jede politische Reaktion.

Was es jetzt braucht, ist kein weiterer Innovationsanreiz für die Industrie, sondern eine entschlossene Kurskorrektur der Rahmenbedingungen. Es braucht ein System, das Hochpreistherapien nicht ausbremst – aber auffängt. Das Verantwortung nicht nur verteilt, sondern klar zuweist. Das Apotheken, die an vorderster Front stehen, nicht alleinlässt mit der Last, die der Fortschritt verursacht. Denn solange das Gesundheitssystem jeden medizinischen Durchbruch auch als ökonomische Bürde behandelt, bleibt jede Innovation eine potenzielle Zumutung.

 

Zahlen schreiben Geschichte, Verantwortung verlangt Haltung, Marktführung braucht Kontrolle

Wie Phoenix im Jubiläumsjahr Rekorde feiert, politische Ambitionen formuliert und sich still zur europäischen Gesundheitsmacht entwickelt

Ohne große Worte, aber mit umso lauteren Zahlen hat die Phoenix Group ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert – ein Jubiläum ohne Inszenierung, das dennoch Bände spricht. Während die Konkurrenz durch Fusionen und Rückzüge geschwächt wurde, hat sich Phoenix zur strategisch tonangebenden Kraft im europäischen Pharmagroßhandel entwickelt. Die Bilanz des Geschäftsjahres 2024/25 ist Ausdruck dieses Aufstiegs – und zugleich ein stilles Machtbekenntnis.

Mit einer Gesamtleistung von 61,3 Milliarden Euro – das entspricht einem Anstieg um 7,2 Prozent – und einem Umsatz von 49,7 Milliarden Euro legt der Konzern Rekordzahlen vor. Besonders auffällig ist dabei der Gewinnsprung: Trotz um 82 Millionen Euro gestiegener Abschreibungen, bedingt durch die Einstellung eines kostspieligen IT-Projekts, kletterte der Jahresüberschuss auf 335 Millionen Euro – ein Plus von 44 Prozent. Ein derartiger Zuwachs in einem regulierten, wettbewerbsarmen Markt ist mehr als wirtschaftlich relevant: Er markiert die neue Rolle des Unternehmens als systemgestaltender Akteur.

Diese Rolle betont auch CEO Sven Seidel, der Phoenix nicht mehr als bloßen Händler, sondern als führenden Gesundheitsdienstleister Europas positioniert. Das klingt nüchtern – und ist doch ein politisches Statement. Denn wer sich als Träger von Resilienz im Gesundheitswesen versteht, verlässt die Logistik und betritt das Feld der Systemverantwortung. Genau hier liegt die eigentliche Verschiebung: Phoenix beansprucht kein Wachstum durch Übernahmen – im Gegenteil, im Jubiläumsjahr gab es lediglich eine gezielte Integration in Irland, wo 32 McCabes-Apotheken übernommen und die Marke Lloyds in eine neue Struktur überführt wurde. Wachstum wird neu gedacht – nicht durch Expansion, sondern durch strategische Konsolidierung.

Dabei ist es nicht nur das Ausmaß der Zahlen, das Aufmerksamkeit verdient, sondern die Art, wie Phoenix mit diesen Zahlen umgeht. Die Entwicklung vom deutschen Großhändler mit 19 Standorten und 5400 Beschäftigten hin zu einem europäischen Netzwerk mit 210 Niederlassungen und 49.000 Mitarbeitenden ist imposant – aber gerade deshalb wird sie mit fast demonstrativer Bescheidenheit vorgetragen. Die Geschichte des Erfolgs wird nicht ins Rampenlicht gezerrt, sondern beiläufig erzählt. Genau darin liegt das eigentliche Narrativ: Stärke zeigt sich im Verzicht auf Übertreibung.

Und doch bleibt eine Leerstelle – oder genauer: eine Erwartung. Denn ein Konzern, der Verantwortung für die Gesundheitssysteme Europas reklamiert, wird sich künftig nicht allein an Effizienz und Ertrag messen lassen können. Er muss transparent agieren, politisch Stellung beziehen und systemische Solidarität beweisen – nicht als PR-Motiv, sondern als Haltung. Die stille Dominanz, die Phoenix heute ausstrahlt, muss sich in eine nachvollziehbare, überprüfbare Verantwortung überführen lassen. Das ist die eigentliche Herausforderung des nächsten Jahrzehnts – und zugleich der Maßstab, an dem sich Phoenix künftig wird messen lassen müssen.

 

Preise ohne Wirkung, Versorgung ohne Reserve, System ohne Rückhalt

Wie der SVR die Arzneimittelpreisbildung kritisiert, echte Reformen einfordert und das AMNOG neu denken will

Während die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von Jahr zu Jahr neue Höchstwerte erreichen, legt der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege (SVR) den Finger auf eine strukturelle Wunde: die Preisbildung bei neuen Arzneimitteln. In seinem aktuellen Gutachten warnt der SVR vor einer gefährlichen Schieflage in der Versorgung und prognostiziert eine Systemüberlastung, sollte der gegenwärtige Preistrend ungebremst fortschreiten. Im Zentrum der Kritik steht das aus Sicht des Rates unzureichende Zusammenspiel zwischen Innovationswert und Preisfestsetzung – mit drastischen Konsequenzen für die Finanzstabilität des Gesundheitswesens.

Demnach verzeichnen besonders Onkologika, seltene Therapien und neuartige Biologika eine Preisentwicklung, die sich vom medizinischen Zusatznutzen zunehmend entkoppelt. Der SVR fordert deshalb eine Neuausrichtung des AMNOG-Verfahrens: Statt Listenpreis und Verhandlungsmarathon soll künftig der konkrete Mehrwert für die Patientinnen und Patienten Ausgangspunkt der Preisbildung sein. Das GKV-System dürfe nicht länger den Primat der Industrie akzeptieren, sondern müsse gesundheitspolitische Steuerungskompetenz zurückgewinnen. Der Vorschlag: ein gestuftes Bewertungsmodell, das realen Behandlungserfolg quantifiziert und in ökonomische Verhandlungsmasse überführt – unter Einbindung unabhängiger Daten, Langzeitbeobachtungen und Versorgungsrealitäten.

Die Feststellung, dass der medizinische Fortschritt zunehmend zur finanziellen Zumutung wird, ist kein Alarmismus, sondern bittere Realität. Was der SVR offenlegt, ist keine Zukunftsprognose, sondern eine Gegenwart, in der sich gesundheitliche Versorgung vom solidarischen Prinzip zu einem Markt der Zahlungsfähigen verschiebt. Wenn der Innovationsbegriff nicht mehr an Wirksamkeit, sondern an Investorenrenditen gebunden wird, hat das System seine innere Balance verloren. Die Rückkehr zur Nutzenorientierung ist kein technisches Feintuning, sondern eine existenzielle Voraussetzung für Gerechtigkeit. Ohne politische Klarheit verliert das AMNOG nicht nur seine Wirkung – sondern das Gemeinwesen seine Handlungsfähigkeit.

Die Brisanz der Einschätzung liegt weniger in der Diagnose – denn diese teilen viele Fachgesellschaften – als in der Offenheit der Worte. Der SVR spricht von einem drohenden „Vertrauensverlust in die Finanzierbarkeit innovativer Versorgung“ und verweist auf die Schwelle, an der ökonomische Rationalität in soziale Ungleichheit kippt. Gerade chronisch Erkrankte, multimorbide Patientinnen oder Therapieverweigerer aus finanzieller Not würden durch überhöhte Preise indirekt diskriminiert. Die Lenkungsfunktion des Arzneimittelrechts müsse, so die Gutachter, wieder politische Relevanz gewinnen – statt bloß technokratische Maßgabe zu sein.

Diese Forderung zielt auch auf ein strukturelles Umdenken bei den Verhandlungspartnern: Der GKV-Spitzenverband müsse den Mut entwickeln, über Preisabschläge hinaus qualitative Kriterien durchzusetzen. Und der Gesetzgeber solle das AMNOG modernisieren – nicht durch kosmetische Reformen, sondern durch ein Modell, das Wirkung mit Wirtschaftlichkeit versöhnt. Eine solche Neuordnung wäre kein Systembruch, sondern ein überfälliger Schritt zur Stabilisierung einer Kostenkurve, die sonst ihre Träger überrollt. Gerade in Zeiten multipler Krisen – von demografischem Wandel bis zu globalen Lieferverwerfungen – ist die Zahlungsfähigkeit der GKV kein technisches Detail, sondern demokratische Infrastruktur.

Was im Gutachten als technische Reform formuliert wird, ist in Wirklichkeit ein gesellschaftspolitischer Appell: Die Frage, wie viel ein Medikament kosten darf, ist nicht nur eine ökonomische, sondern eine ethische. Ein Gesundheitssystem, das Innovation nicht mehr finanzieren kann, verliert nicht nur seine Leistungsfähigkeit – sondern auch seine Glaubwürdigkeit.

 

Pflegefinanzen geraten außer Kontrolle, Ministerin fordert Ausgleich, Opposition warnt vor Reformstau

Wie Warken Milliarden sucht, Kassen Alarm schlagen und Leistungskürzungen wieder Thema werden

Die deutsche Pflegeversicherung steht unter massivem Finanzdruck – ein Defizit von 1,65 Milliarden Euro im laufenden Jahr, im Jahr 2026 drohen sogar 3,5 Milliarden Euro Minus. Es ist ein Warnsignal, das nicht nur Zahlen betrifft, sondern den innersten Kern staatlicher Verlässlichkeit. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), erst wenige Wochen im Amt, reagiert schnell und kündigt eine kurzfristige Finanzspritze an. Gleichzeitig will sie eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen, die strukturelle Reformen vorbereiten soll – doch Ergebnisse aus dieser Runde werden erst in mehreren Monaten erwartet. So dringend die Finanzlage ist, so sehr droht erneut politischer Leerlauf.

Das Muster ist nicht neu. Schon ihr Vorgänger Karl Lauterbach (SPD) hatte Reformen angekündigt, ohne diese umzusetzen. Warken greift das Thema nun auf – mit dem Fingerzeig auf eine überfällige Kompensation: Mehr als fünf Milliarden Euro, so ihre Forderung, schulde der Bund den Pflegekassen für coronabedingte Sonderausgaben. Diese Zahl mag politisch plausibel sein, doch löst sie nicht das eigentliche Dilemma: Die Finanzarchitektur der Pflegeversicherung ist strukturell unterdimensioniert. Steigende Leistungsansprüche, demografischer Wandel, Fachkräftemangel und versicherungsfremde Leistungen treiben das System in Richtung Kollaps – auch ohne Pandemie.

Der DAK-Pflegereport liefert dazu alarmierende Projektionen: Die Zahl der Leistungsempfänger könnte bis 2055 auf bis zu 7,6 Millionen steigen – ein Anstieg um rund 36 Prozent. Zugleich wächst der Beitragssatz schleichend. Schon heute zahlen Eltern mit einem Kind 3,6 Prozent ihres Bruttoeinkommens, bald könnten es 0,3 Prozentpunkte mehr sein. Kassenchef Andreas Storm sieht keine Alternative, wenn keine frischen Mittel kommen – und er steht mit dieser Position nicht allein. Auch Patientenschützer und Sozialverbände mahnen Sofortmaßnahmen an und fordern vor allem eins: ein Ende der politischen Hinhaltetaktik.

Denn was bislang als politisches Verschieben gilt, wird für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen zur existenziellen Unsicherheit. Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz kritisiert scharf die Zweckentfremdung der Kassenbeiträge und verlangt ein Einnahmesystem mit Bestandsschutz. Der Verweis auf Kommissionen sei eine Absage an Verantwortung. Auch der SoVD fordert einen klaren Schutz der Beitragszahler – nicht zuletzt, weil jede neue Belastung direkt bei jenen ankommt, die Pflege benötigen oder erbringen. Und Bayern setzt sich öffentlich gegen weitere Beitragserhöhungen ein: Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) will die Bürger nicht erneut zur Kasse bitten – doch ohne Gegenfinanzierung bleibt das ein Lippenbekenntnis.

In diesem Spannungsfeld meldet sich die Wirtschaftsweise Veronika Grimm mit einer unbequemen Wahrheit: Die bisherigen Leistungen seien nicht dauerhaft finanzierbar. Leistungskürzungen und höhere Selbstbeteiligung seien keine Provokation, sondern ökonomische Notwendigkeit. Sie fordert, die Pflegeversicherung auf ein realistisches Niveau zurückzuführen – und riskiert damit politischen Widerspruch, aber trifft einen wunden Punkt. Denn genau diesen Diskurs scheuen große Teile der Politik. Alle wissen, dass es nicht so weitergehen kann – doch keiner will der Erste sein, der das System auf neue Füße stellt.

Nina Warken steht nun an der Schwelle zur Entscheidung: zwischen Soforthilfe und Systemreform, zwischen Haushaltstreue und Daseinsvorsorge. Ob sie diese Herausforderung meistert, wird nicht daran gemessen, wie viele Arbeitsgruppen sie einsetzt, sondern ob sie der Pflege ein verlässliches Fundament gibt – gegen Widerstände, gegen Lobbydruck, gegen politische Bequemlichkeit. Was jetzt gebraucht wird, ist kein Aufschub, sondern eine klare Haltung. Und die Bereitschaft, sich unbeliebt zu machen, wenn es der Sache dient.

 

Forschung braucht Sicherheit, Versorgung braucht Vertrauen, Preislogik braucht Richtung

Wie das SVR-Gutachten Innovationen steuern will, Krankenkassen stärkt und Risiken neu verteilt

Die Arzneimittelpreisgestaltung in Deutschland steht erneut im Brennpunkt gesundheits- und wirtschaftspolitischer Auseinandersetzungen. Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege (SVR) schlägt vor, Preise künftig noch strenger an Evidenz und Zusatznutzen zu koppeln und zugleich neue Kontrollinstrumente wie ein Arzneimittel-Gesamtbudget einzuführen. Während gesetzliche Krankenkassen diesen Vorstoß als überfällig begrüßen, warnen Industrieverbände vor einem gefährlichen Systembruch. Denn hinter der nüchternen Sprache der Effizienz steckt eine strukturelle Machtverschiebung, die den Innovationsraum verengt.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) betont, dass viele der empfohlenen Maßnahmen – etwa die Orientierung am Zusatznutzen und die Nachbewertung neuer Evidenz – längst durch das AMNOG geregelt seien. Problematisch sei jedoch die Idee eines festen Gesamtbudgets für neue Arzneimittel: Dies widerspreche dem nutzenbasierten Vergütungssystem und führe zwangsläufig zu Rationierung, vor allem bei seltenen Erkrankungen. Han Steutel, Präsident des vfa, verweist auf das bestehende AMNOG-Verfahren als international anerkanntes Modell mit klarer Nutzenbewertung und verhandeltem Erstattungsbetrag. Dass nun eine Budgetgrenze ins Spiel gebracht werde, sei nicht nur systemfremd, sondern sendet auch ein verheerendes Signal an die Innovationsbereitschaft der Industrie. Wer therapeutischen Fortschritt fordert, muss ihn auch strukturell absichern – durch Planungssicherheit, Investitionsfreundlichkeit und einen Verzicht auf pauschale Kostendeckelung.

Diese Forderung teilt auch Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland. Sie kritisiert die einseitige Ausrichtung des Gutachtens auf kostenträgernahe Perspektiven und warnt vor einem Rückzug industrieller Investitionen. Forschung und Entwicklung seien auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen – nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich. Wo Versorgung auf hohem Niveau gelingen soll, brauche es mehr als Sparappelle: Es brauche strategische Steuerung, rechtssichere Erstattungslogik und Preissignale, die Vertrauen schaffen. Die ökonomische Realität dürfe nicht ausgeblendet werden, wenn der Anspruch auf medizinische Innovation gewahrt bleiben soll. In einer Phase globaler Investitionskonkurrenz entscheidet nicht die Sparquote über die Zukunft eines Standorts, sondern die Klarheit seiner Rahmenbedingungen. Wenn Preislogiken entkoppelt von Versorgungszielen diskutiert werden, verliert das System seine Integrität.

Anders bewerten die Krankenkassen die Vorschläge des SVR. Die AOK-Gemeinschaft lobt insbesondere die Einführung eines rückwirkend angepassten Interimspreises, mit dem sich Hersteller und Kassen auf neutralem Boden begegnen sollen. Auch die Möglichkeit, bei fehlender Einigung keinen Erstattungsbetrag festzulegen, wird als Stärkung der Verhandlungsposition der GKV gesehen. Zugleich betont die AOK, dass wirkstoffübergreifende Ausschreibungen, wie sie international praktiziert werden, die Versorgung breiter und wirtschaftlicher absichern könnten – ohne jede Therapie zu jedem Preis zu garantieren.

Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) hebt die Bedeutung transparenter Nutzenkopplung hervor. Gerade bei Hochpreis-Therapien wie Gen- und Zelltherapien sei eine enge Korrelation von belegtem Nutzen und Preis essenziell. Die Preisgestaltung müsse Fehlanreize systematisch ausschließen und sich auf nachweisbare Wirksamkeit stützen. Neben der kurzfristigen Ausgabendämpfung setzt der BKK-Verband auf strukturelle Reformen wie die Stärkung der Dateninfrastruktur und die konsequente Re-Evaluation älterer Präparate.

Was sich in der Debatte abzeichnet, ist mehr als ein Verteilungskonflikt – es ist eine Richtungsentscheidung: zwischen einem System, das medizinischen Fortschritt als Investitionsgut versteht, und einem System, das Innovation durch Budgetkontrolle domestiziert. Die entscheidende Frage ist dabei nicht, ob wirtschaftliche Steuerung notwendig ist, sondern ob sie so gestaltet ist, dass sie nicht die Grundlagen der Versorgung unterminiert. Denn was als Gesundheitsökonomie beginnt, wird schnell zur Versorgungsethik – mit allen Konsequenzen für Qualität, Gleichheit und Zukunftsfähigkeit. Ein lernendes Gesundheitssystem braucht keine neuen Sparformeln, sondern die Fähigkeit, Komplexität zuzulassen, Zielkonflikte auszubalancieren und wirtschaftliche Realität als Teil gesundheitlicher Verantwortung zu begreifen. Die Stärke eines Systems zeigt sich nicht in seiner Kontrolle, sondern in seiner Fähigkeit, Fortschritt zu ermöglichen, ohne Vertrauen zu zerstören.

 

Fentanyl breitet sich aus, Städte handeln strukturiert, Leben werden geschützt

Wie Hannover, Essen und Berlin mit Tests, Krisenplänen und Aufklärung gegen eine unsichtbare Gefahr vorgehen

Inmitten eines wachsenden Drogenproblems mit synthetischen Substanzen wie Fentanyl versuchen drei deutsche Städte, die Krise nicht nur zu dokumentieren, sondern ihr strukturiert entgegenzutreten. Hannover, Essen und Berlin bilden den Kern eines Modellprojekts, das auf den Namen „so-par“ hört und mit einem Mix aus Frühwarnsystem, Konsumkontrolle und gesundheitspolitischer Aufklärung Antworten auf eine Bedrohung sucht, die lange unterschätzt wurde. Fentanyl, ein synthetisches Opioid mit um ein Vielfaches höherer Wirksamkeit als Heroin, wird zunehmend Heroin beigemischt – oftmals ohne Wissen der Konsumierenden. Allein diese Dynamik erklärt, warum 75 Prozent aller erfassten Drogennotfälle in Europa mittlerweile auf synthetische Opioide zurückgehen. Die Zahl der Todesfälle steigt parallel: Im Jahr 2023 registrierte die Bundesrepublik 2.227 drogenbedingte Todesopfer – ein signifikanter Anstieg gegenüber dem Vorjahr.

Was in der Öffentlichkeit bislang diffus blieb, erhält durch das Modellprojekt erstmals Konturen. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay bringt es auf den Punkt: „Wir müssen Strukturen schaffen, um Leben zu retten – durch Aufklärung, durch Tests, durch verbindliche Notfallabläufe.“ Bereits seit März bietet Hannover Selbsttests an, mit denen Konsumierende ihre Substanzen vor dem Gebrauch analysieren können. In 20 Prozent der untersuchten Proben wurde Fentanyl nachgewiesen. Das ist mehr als eine Zahl – es ist ein Warnschuss. Denn die Möglichkeit, mit einem Test eine tödliche Überdosis zu verhindern, macht Prävention zur Notwendigkeit – nicht zur Option. Dass diese Tests gleichzeitig auch epidemiologisch nutzbare Erkenntnisse liefern, ist ein strategischer Vorteil: Sie helfen, die Verbreitung synthetischer Opioide in Echtzeit zu erfassen – eine Erkenntnis, die in der Drogenpolitik bislang häufig fehlte.

Doch das Projekt bleibt nicht bei Tests stehen. Vielmehr geht es darum, städtische Reaktionssysteme aufzubauen, die in akuten Krisensituationen sofort greifen. Dazu gehören geschulte Fachkräfte, klare Kommunikation zwischen Notfallmedizin, Suchthilfe, Polizei und Sozialdiensten sowie der gezielte Einsatz von Naloxon – dem Antidot gegen opioidbedingte Atemdepressionen. Sylvia Bruns, Sozialdezernentin in Hannover, spricht von einem „Zusammenspiel zwischen Rettungswesen, Drogenhilfe und Konsumierenden“, das dringend professionalisiert werden müsse. Dieses Zusammenspiel ist keine abstrakte Forderung, sondern die Grundlage einer neuen Drogenpolitik, die nicht mehr zwischen „abhängig“ und „verloren“ unterscheidet, sondern konsequent auf Risikominimierung setzt.

Gerade in Zeiten, in denen sich staatliches Handeln oft auf Gesetzesverschärfungen und Kontrollrhetorik beschränkt, ist der Ansatz der drei Modellstädte bemerkenswert: Hier wird weder verharmlost noch kriminalisiert – sondern strukturell gehandelt. Dass sich die Deutsche Aidshilfe und das Deutsch-Europäische Forum für urbane Sicherheit als Partner beteiligen, unterstreicht die strategische Tiefe des Projekts. Es geht nicht um punktuelle Hilfe, sondern um kommunale Resilienz gegen ein Problem, das rasant eskaliert – in Straßen, auf Bahnhöfen, in Hinterzimmern, im Alltag.

Wer den Erfolg dieses Projekts nur an sinkenden Todeszahlen messen will, verkennt seinen eigentlichen Wert: Es ist der Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen – nicht nur durch Daten, sondern durch Haltung. Die Frage ist daher nicht, ob „so-par“ funktioniert, sondern ob andere Städte bereit sind, diesen Weg mitzugehen. Denn solange Fentanyl in dunklen Ecken wirkt und politische Antworten im Hellen ausbleiben, bleibt das Risiko tödlich real. Die drei Städte zeigen, dass Verantwortung vor Ort beginnt – mit Mut zur Erkenntnis, Bereitschaft zur Vernetzung und der Entscheidung, dass kein Mensch an einer testbaren Substanz sterben sollte. Es ist Zeit, das als Maßstab zu setzen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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