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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
In einer Zeit ökonomischer Belastungen, regulatorischer Warnsignale und globaler Verunsicherung setzen Apotheken stille, aber wirksame Akzente: Wer Kleinschäden überlegt selbst reguliert, statt sie automatisch zu melden, schützt nicht nur seine Versicherungsstruktur, sondern stärkt zugleich die betriebliche Resilienz. Wer delegiert, statt zu dominieren, etabliert ein Betriebsklima, das Eigenverantwortung fördert und Bindung erzeugt. Und wer bei der Integration ausländischer PTA auf Initiative statt Bürokratie setzt, ermöglicht mehr als nur Anerkennung – er gestaltet Integration. Während die GKV in milliardenschwere Defizite stürzt, die WHO an Finanzierung und Funktionalität verliert und die Evidenz für Betahistin bröckelt, entstehen auf anderer Ebene tragfähige Konzepte: Generika als strategisches Rückgrat, mRNA-Vakzine als Hoffnungsträger der Krebsmedizin, Impfstrategien gegen immunflüchtige Varianten. Apotheken werden zu Wegmarken in einem System, das Vertrauen, Wissen und Verantwortung neu verorten muss.
Kostenstrategie mit Verantwortung, Prävention mit Profil, Vertrauensmanagement mit Weitsicht
Wie Apotheken durch selbstregulierte Kleinschäden, intelligente Prävention und konsequentes Risikomanagement Versicherungsaufwendungen senken können
In der ökonomisch angespannten Realität vieler Apotheken zählt jeder Euro. Besonders im Bereich der Versicherungen offenbart sich eine oft übersehene Möglichkeit zur dauerhaften Entlastung: die bewusste, selektive Nichtmeldung von Bagatellschäden. Wer jeden kleineren Schaden reflexartig an seine Versicherung weitergibt, riskiert mittelfristig steigende Prämien und den Verlust günstiger Schadensfreiheitsrabatte. Die Strategie der Selbstregulierung im Schadensfall – also die eigenständige Kostenübernahme bei geringen Schäden – gilt daher als Schlüsselinstrument eines verantwortungsvollen und vorausschauenden Apothekenbetriebs.
Entscheidend ist die konsequente Analyse: Steht der potenzielle Rückerstattungsbetrag in einem sinnvollen Verhältnis zur drohenden Prämienerhöhung? Lässt sich der Schaden vielleicht sogar durch innerbetriebliche Mittel beheben? Hier greift ein zentrales Element modernen Risikomanagements: Nicht allein die Schadenshöhe, sondern das Verhältnis zur Selbstbeteiligung, zur Schadenhistorie und zum Vertragsverlauf muss berücksichtigt werden. Mit jeder Schadenmeldung rückt die Apotheke im Risikoprofil der Versicherung ein Stück weiter nach oben – mit potenziell teuren Folgen.
Gerade deshalb wird die Schadensprävention zur zweiten Säule dieses Ansatzes. Wer Schäden vermeiden will, muss sie antizipieren. Ob defekte Kühlschränke, Sturzgefahren in Kundenbereichen oder Leckagen bei Kommissionierautomaten: Regelmäßige Wartungen, dokumentierte Sicherheitsbegehungen, Mitarbeiterschulungen und technische Frühwarnsysteme senken nicht nur das tatsächliche Risiko, sondern verbessern auch die Außensicht der Versicherer auf die jeweilige Apotheke. Eine solche aktive Sicherheitskultur erhöht die Chancen auf bessere Konditionen bei Vertragsverhandlungen und langfristige Stabilität im Prämiengefüge.
Die dritte Achse eines erfolgreichen Modells ist die systematische Kommunikation mit dem Versicherungsanbieter. Wer zeigt, dass er Risiken kontrolliert und minimiert, etabliert Vertrauen. Apotheken, die eigenständig kleine Schäden bewältigen und dies nachvollziehbar dokumentieren, gelten als verlässliche Partner – was sich in Rabatten, erweiterten Deckungen oder besseren Selbstbeteiligungsmodellen niederschlagen kann. Die Selbstregulierung ist in diesem Kontext kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Beweis unternehmerischer Stärke.
Der betriebswirtschaftliche Gewinn liegt auf der Hand: geringere Prämienbelastung, geringere Abhängigkeit von Versicherungsentscheidungen, bessere Planbarkeit. Aber auch der kulturelle Effekt ist nicht zu unterschätzen: Wer Verantwortung übernimmt, prägt ein Klima von Eigeninitiative, Voraussicht und Qualität – nach innen wie nach außen.
Die Handhabung von Bagatellschäden ist damit weit mehr als eine Versicherungstaktik. Sie ist Ausdruck eines betriebsstrategischen Denkens, das Selbstverantwortung mit intelligenter Prävention kombiniert – und Apotheken hilft, nicht nur günstiger, sondern auch sicherer und stabiler durch einen zunehmend risikobehafteten Betriebsalltag zu navigieren.
Die betriebswirtschaftliche Reflexion über Versicherungskosten in Apotheken ist längst überfällig. Was im Privatbereich seit Jahrzehnten praktiziert wird – kleine Schäden selbst zu tragen, um langfristig günstiger zu fahren – findet in vielen Betrieben immer noch zu selten Anwendung. Dabei offenbart sich hier ein Hebel mit erheblicher Wirkung.
Apotheken sind keine Industriekonzerne mit Schadenssummen in Millionenhöhe, sondern präzise kalkulierte Versorgungseinheiten mit überschaubaren Risikofeldern. Wenn ein Mitarbeiter versehentlich ein Regal beschädigt oder ein Kunde über eine zu Boden gefallene Packung stolpert, ist nicht zwangsläufig die Versicherung der effizienteste Problemlöser. Vielmehr geht es um die Frage, ob der Schaden die Erhöhung der künftigen Beiträge rechtfertigt oder durch kluge interne Organisation ausgeglichen werden kann.
Doch diese Entscheidung verlangt Weitsicht – und Mut. Denn wer sich gegen die automatische Schadenmeldung entscheidet, muss vorbereitet sein: auf klare Zuständigkeiten, dokumentierte Präventionsmaßnahmen, transparente Kostenaufstellungen und den Willen, Verantwortung zu übernehmen. Das ist unbequem – aber lohnend. Die langfristige Wirkung eines solchen Systems zeigt sich nicht nur auf dem Kontoauszug, sondern in einer Unternehmenskultur, die Sicherheitsdenken, Verlässlichkeit und Professionalität in den Mittelpunkt stellt.
Das eigentliche Ziel ist daher nicht die Selbstregulierung als Selbstzweck, sondern die Etablierung eines umfassenden Schadensbewusstseins: ein Denken in Wahrscheinlichkeiten, ein Handeln aus Verantwortung – und ein Umgang mit Risiken, der nicht durch Versicherungsformulare, sondern durch betriebliche Intelligenz bestimmt wird.
System unter Schock
Warum Beitragserhöhungen, politische Untätigkeit und Finanzlücken die GKV in den Ausnahmezustand treiben
Mit ungewohnter Deutlichkeit hat die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, ein sofortiges politisches Eingreifen gegen die eskalierende Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen verlangt. Im Gespräch mit der Rheinischen Post sprach sie von einem akuten Handlungsbedarf, um die drohende Beitragsexplosion zum Jahreswechsel abzuwenden. Innerhalb von nur drei Monaten hätten acht gesetzliche Krankenkassen bereits ihre Zusatzbeiträge erhöhen müssen – ein alarmierendes Zeichen dafür, wie tiefgreifend das Defizit von 6,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 nachwirkt.
Pfeiffer appellierte eindringlich an die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), ein Vorschaltgesetz noch vor der Sommerpause durchzusetzen. Darin enthalten: ein sofortiges Ausgabenmoratorium für alle Leistungsbereiche. Preis- oder Honorarsteigerungen, die über die bereits vorhandenen Einnahmen hinausgehen, müssten bis auf Weiteres ausgesetzt werden. „Es braucht jetzt eine Akuttherapie“, so Pfeiffer. Ziel sei es, die Beitragssätze zumindest kurzfristig zu stabilisieren – alles andere würde bedeuten, die finanzielle Schieflage weiter zu verschärfen und das Vertrauen der Versicherten in das Solidarsystem zu beschädigen.
Warken wiederum deutete in ihrer ersten Bundestagsrede an, dass sie nicht auf langfristige Kommissionsprozesse warten wolle. Sie befürworte kurzfristige Maßnahmen, um das System zu stabilisieren. Ihre Gesprächsbereitschaft mit der Selbstverwaltung, so Pfeiffer, sei ein wichtiges Signal – allerdings müsse diesen Worten nun auch schnelle gesetzgeberische Umsetzung folgen.
Die Reformkommission, die laut Koalitionsvertrag von Union und SPD bis 2027 Vorschläge für eine strukturelle Neuaufstellung der GKV erarbeiten soll, kann aus Sicht der Kassen nicht als Antwort auf die derzeitige Schieflage dienen. Vielmehr müsse es eine klare Doppelstrategie geben: kurzfristige Beitragsstabilisierung und mittelfristige Strukturreformen. Dass die Politik in der Vergangenheit beides versäumt hat, rächt sich nun – und das mit Wucht.
Die politische Bequemlichkeit, strukturelle Systemfehler der GKV mit Mini-Korrekturen oder symbolischen Reformfenstern zu überdecken, ist am Ende ihres Handlungshorizonts angekommen. Wenn die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands Doris Pfeiffer öffentlich ein Ausgabenmoratorium fordert – also faktisch den sofortigen Stillstand jeder leistungsbezogenen Dynamik –, dann ist das nicht nur ein Weckruf an das politische Berlin, sondern ein Eingeständnis systemischer Überforderung.
Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken mag gute Absichten formulieren, doch Absichten reichen nicht. Die GKV braucht keine Ankündigungspolitik, sondern eine exekutive Durchsetzung realer, wenn auch unpopulärer Entscheidungen. Dass Pfeiffer in ihrer Wortwahl von „Akuttherapie“ spricht, ist bezeichnend – das System ist nicht mehr ambulant behandelbar.
Doch es braucht mehr als nur einen Moratoriumsparagraphen im Schnellverfahren. Es braucht ein Bewusstsein dafür, dass der aktuelle Beitragsschock kein singulärer Vorfall ist, sondern ein Symptom des tieferliegenden Strukturversagens. Wenn Ministerin Warken hier entschlossen handelt, wird sie nicht nur das erste realpolitische Ausrufezeichen ihrer Amtszeit setzen – sie wird auch beweisen, dass politische Führungsstärke nicht an Parlamentsfristen scheitert.
Führen heißt vertrauen, nicht kontrollieren
Wie Apotheken mit Delegation, Klarheit und Bindung das Betriebsklima revolutionieren
Vertrauen als Führungsprinzip, Delegation als Erfolgsstrategie, Mitarbeiterbindung als Fundament: In zahlreichen deutschen Apotheken erweist sich eine moderne Form der Unternehmensführung als wegweisend, die sich konsequent von hierarchischem Denken abkehrt. Statt Kontrolle und Mikromanagement steht das Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbeitenden im Zentrum – flankiert von klaren Abläufen, definierter Verantwortung und gezielter Förderung von Eigeninitiative. Wer delegiert, entlastet nicht nur sich selbst, sondern stärkt die gesamte Organisation. Diese Praxis zeigt: Gute Führung beginnt mit dem Loslassen.
Die beobachteten Erfolge reichen von effizienteren Arbeitsabläufen bis hin zu einer hohen Loyalität im Team – ein Umstand, der in Zeiten des Fachkräftemangels besonders relevant ist. Führungskräfte, die auf Selbstverantwortung und Verlässlichkeit setzen, berichten nicht nur von stabilen Betriebsstrukturen, sondern auch von einer Arbeitsatmosphäre, die geprägt ist von Respekt, Zutrauen und Gestaltungsspielraum. Mitarbeitende wachsen in diesen Strukturen über sich hinaus, entwickeln Lösungskompetenz und tragen messbar zur Unternehmensentwicklung bei.
Dabei bleibt Delegation kein Selbstzweck, sondern wird bewusst als strategisches Führungsinstrument eingesetzt. Die Risiken möglicher Fehlentscheidungen werden durch transparente Kommunikation, kontinuierliches Feedback und ein stabiles Unterstützungsnetzwerk aufgefangen. Führung bedeutet in diesem Modell nicht Allwissenheit, sondern das bewusste Ermöglichen von Verantwortung in einem Rahmen, der Sicherheit und Entwicklung zugleich bietet. Die geringe Fluktuation in diesen Apotheken unterstreicht, dass Vertrauen nicht nur motiviert, sondern auch langfristig bindet – ein Erfolgsfaktor, der nicht im Organigramm steht, aber die Praxis entscheidend prägt.
Führen heißt nicht Befehligen – es heißt Ermöglichen. In einer Branche, die unter akutem Personalmangel, wirtschaftlichem Druck und zunehmender Komplexität leidet, entscheidet nicht mehr allein das betriebswirtschaftliche Kalkül über Erfolg oder Misserfolg. Es sind die weichen Faktoren, die zunehmend harte Wirkung entfalten. Vertrauen und Delegation gelten dabei nicht länger als Idealbilder von Unternehmensführung, sondern als operative Notwendigkeiten im Alltag moderner Apotheken.
Dabei geht es nicht um naive Harmoniephantasien, sondern um ein realistisches Verständnis von Führung als Strukturarbeit: Klare Rollen, nachvollziehbare Verantwortlichkeiten und die Bereitschaft zur Reflexion machen Delegation erst wirksam. Die Führungskraft tritt nicht zurück, sondern wechselt die Perspektive – vom Entscheider zum Befähiger. Diese Haltung verändert nicht nur das Betriebsklima, sondern auch die strategische Schlagkraft des Unternehmens.
Es ist höchste Zeit, dass dieser Führungsstil nicht mehr als Ausnahme gilt, sondern als Standard diskutiert wird. Wer den Wandel gestalten will, muss ihn leben – und das beginnt mit der Haltung gegenüber dem eigenen Team.
Anerkennen statt abwarten
Wie Apotheken, Onlinekurse und Engagement den Weg für ausländische PTA ebnen
Yana Vakulik betritt die Apotheke am Thie im niedersächsischen Holle, wo sie ein Namensschild und einen weißen Kittel bekommt. Sie schaut sich kurz um, entdeckt eine Kiste mit Waren, wirft einen fragenden Blick in Richtung Apothekeninhaber Niels Buthe – und erhält ein bestätigendes Nicken. Minuten später ist die Aufgabe erledigt. Was wie ein einfacher Einstieg wirkt, ist in Wahrheit der Anfang eines langen Weges zurück in einen Beruf, den sie bereits fast zwei Jahrzehnte in der Ukraine ausgeübt hat: pharmazeutisch-technische Assistentin. Seit ihrer Flucht nach Deutschland lebt die 40-Jährige mit ihren zwei Kindern in Niedersachsen. Doch ihre berufliche Qualifikation gilt hier nicht automatisch. Bis zur offiziellen Anerkennung darf sie lediglich als Hilfskraft arbeiten.
Der Anerkennungsprozess ist lang, fragmentiert und mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden. Dass sie sich dennoch durchbeißt, liegt nicht nur an ihrem Willen, sondern an der konkreten Unterstützung durch ihren Arbeitgeber. Buthe begleitet sie bei jedem Schritt – vom Sprachkurs über die Kindergartensuche bis hin zur Auswahl der passenden PTA-Schule. Seine Motivation ist dabei keine ideologische, sondern eine ganz praktische: „Ich freue mich auf den Tag, an dem Frau Vakulik mit PTA-Urkunde hier steht.“ Was in deutschen Apotheken längst Realität ist, zeigt der Fall Vakulik exemplarisch. Trotz akutem Fachkräftemangel – bestätigt durch die Fachkräfte-Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit – stoßen ausländische PTA bei der Anerkennung auf eine Mauer aus Formularen, Nachweisen und Fristen. In Niedersachsen etwa sind Identitätsnachweis, Lebenslauf, Zeugnisse, Ausbildungsnachweise, Sprachzertifikat B2, ärztliche Bescheinigung sowie ein Führungszeugnis aus dem Herkunftsstaat vorzulegen. Die Unterlagen müssen häufig amtlich beglaubigt sein, der Vorgang zieht sich über Monate.
Nach Prüfung durch das Landesamt für Soziales in Lüneburg bekam Vakulik eine Auflage: Sie müsse pharmazeutische Gesetzeskunde und praktische Apothekenerfahrung nachholen – Inhalte, die in einem regulären Anerkennungskurs vermittelt werden. Gemeinsam mit Buthe suchte sie nach einer geeigneten Schule und besuchte den Tag der offenen Tür einer PTA-Schule in Hannover. Doch das vorgestellte Konzept überzeugte nicht – die Schule wollte keine Unterstützungsstruktur für Betriebe anbieten. Auch Apothekerin Marieke Mundt aus Hannover berichtet von ähnlichen Hürden: Ihre Apotheke wollte einer ukrainischen Kollegin helfen, doch an der Finanzierung scheiterte es. Denn für die Kostenübernahme durch die Arbeitsagentur ist eine sogenannte AZAV-Zertifizierung der Schule nötig – eine Maßnahme, die nicht nur hohe Kosten, sondern auch langwierige Beantragungsprozesse mit sich bringt. Vielen Schulen fehlt genau diese Zertifizierung.
Eine Ausnahme bildet die Völker-Schule Osnabrück. Sie bietet einen modularen Onlinekurs mit AZAV-Zertifikat an, der in Deutschland bislang einzigartig ist. Die Schule gewann 2023 den Apostart-Award, weil sie ein flexibles Format für genau jene Zielgruppe entwickelte, die sonst oft durch das Raster fällt: Geflüchtete, Mütter, ausländische Fachkräfte mit Betreuungspflichten. Die Onlinekurse dauern elf Monate und beinhalten vier Präsenzwochen vor Ort. Unterstützt wird das Modell aktuell von der Arbeitsagentur – doch auch hier tickt die Uhr. Die Maßnahmenzertifizierung, die für den Kursstart im August erforderlich ist, läuft aus und muss erneuert werden. Die Bearbeitungsdauer beträgt bis zu drei Monate. Ohne rechtzeitige Genehmigung müsste der Kurs entfallen – oder die Teilnehmerinnen müssten bis zu 11.000 Euro Eigenleistung aufbringen.
Für Vakulik wäre das nicht leistbar gewesen. Das Osnabrücker Modell ermöglichte es ihr, den Unterricht digital zu verfolgen und parallel in der Apotheke mitzuarbeiten. Die Vormittagskurse lassen sich mit Kinderbetreuung vereinbaren – eine Voraussetzung, die viele andere Schulen nicht erfüllen können. Während Apothekerin Mundt eine standortnahe Lösung bevorzugt hätte, sieht Vakulik ihren Weg durch den Praxisbezug in Holle bestätigt. Ihre Deutschkenntnisse verbessert sie im täglichen Austausch, Fragen aus dem Unterricht bespricht sie mit Buthe, der längst zum beruflichen Mentor geworden ist. Für ihn steht fest: Wer heute als Apotheker auf die Rückkehr qualifizierter Fachkräfte wartet, ohne aktiv zu unterstützen, wartet vergebens. Integration beginnt nicht mit Anerkennungsbescheiden, sondern mit Vertrauen – und mit der Bereitschaft, konkrete Wege zu ebnen.
In einem Gesundheitssystem, das an zu wenigen Fachkräften leidet und gleichzeitig über zu viele Hürden für qualifizierte Zuwanderer stolpert, zeigt sich exemplarisch die Diskrepanz zwischen politischer Realität und humaner Verantwortung. Die Geschichte von Yana Vakulik ist keine Ausnahme, sondern ein Sinnbild: für integrationswillige Fachkräfte, für überforderte Bürokratien und für eine Apothekerschaft, die längst mehr leistet, als ihr offiziell zugestanden wird.
Dass Menschen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung in Hilfsrollen gedrängt werden, nur weil Formulare fehlen oder Förderbescheide ausbleiben, ist ein Systemversagen mit Ansage. Besonders zynisch wird es, wenn AZAV-Zertifizierungen fehlen, weil Schulen den immensen Aufwand nicht stemmen können – während Ministerien über Fachkräftestrategien sprechen. In dieser Gemengelage wird jeder Apothekeninhaber, der Verantwortung übernimmt, zu einem Stabilisator für das, was Politik und Verwaltung nicht leisten.
Dabei geht es längst nicht mehr um „nur“ Anerkennung, sondern um Teilhabe, Selbstständigkeit und gesellschaftliche Mitverantwortung. Es sind Apotheken wie jene in Holle, die das leben – ohne PR, ohne Bühne, aber mit Wirkung. Und es sind Menschen wie Vakulik, die zeigen, dass Integration dann funktioniert, wenn sie nicht an Bedingungen, sondern an Beziehungen gebunden ist.
Mehr Hoffnung als Evidenz
Wie Betahistin bei Schwindel eingesetzt wird, obwohl die Studienlage ernüchtert
Seit über fünf Jahrzehnten begleitet Betahistin die medizinische Praxis bei der Behandlung von Schwindelzuständen, besonders im Zusammenhang mit Morbus Menière. Der Arzneistoff gilt als etabliertes, aber auch umstrittenes Mittel, das in vielen Haus- und Facharztpraxen zum Einsatz kommt – nicht selten auf Basis klinischer Erfahrung, weniger wegen gesicherter wissenschaftlicher Evidenz. Die Diskussion um Wirkung, Verträglichkeit und Einsetzbarkeit von Betahistin hält bis heute an – mit wachsendem Blick auf potenzielle Nebenwirkungen, therapeutische Alternativen und die sich wandelnde Versorgungsrealität in der Schwindelmedizin.
Sein zentrales Anwendungsgebiet liegt bei vestibulären Schwindelformen, insbesondere dem Symptomkomplex des Morbus Menière. Die typischen Beschwerden reichen dabei von rotatorischen Anfällen über eine einseitige Hörminderung bis hin zu belastendem Tinnitus. Auch bei Hydrops cochleae – einer pathologischen Endolymphansammlung im Innenohr – kommt Betahistin zum Einsatz.
Der Wirkmechanismus des Arzneistoffs ist pharmakologisch nur unzureichend verstanden. Betahistin wirkt partiell agonistisch auf H1-Rezeptoren und antagonistisch auf H3-Rezeptoren im zentralen Nervensystem. Dadurch wird eine gesteigerte Histaminfreisetzung vermutet, die eine verbesserte Mikrozirkulation im Innenohr und Hirngewebe bewirken soll. Diese vasodilatatorische Wirkung, insbesondere über eine Relaxation der glatten Gefäßmuskulatur, bildet die theoretische Grundlage für den therapeutischen Ansatz. Parallel soll Betahistin die synaptische Signalverarbeitung in den Gleichgewichtszentren modulieren und dadurch Symptome wie Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen lindern.
Doch die Evidenz ist durchwachsen. In der kontrollierten BEMED-Studie zeigte Betahistin bei 221 Menière-Patienten lediglich einen geringen Vorteil gegenüber Placebo. Die daraus resultierende Kontroverse prägt seither die Debatte um die klinische Relevanz des Präparats.
Verabreicht wird Betahistin als Dihydrochlorid oder Dimesilat, jeweils oral in Tropfen- oder Tablettenform. Die Tagesdosen schwanken je nach Formulierung zwischen 6 und 48 mg, verteilt auf bis zu drei Einzeldosen. Für einen möglichen Therapieerfolg ist Geduld notwendig: Die Wirkung setzt oft erst nach mehreren Wochen ein, weshalb eine mehrmonatige Einnahme die Regel ist.
Pharmakologisch relevant sind mögliche Interaktionen mit MAO-Hemmern wie Tranylcypromin oder Rasagilin, die den Abbau von Betahistin behindern können. Zudem schwächt Betahistin als partieller H1-Agonist die Wirkung klassischer Antihistaminika ab – eine therapeutisch problematische Konstellation, insbesondere bei Patienten mit Allergien oder Schlafstörungen. Eine sequentielle Umstellung sollte daher stets mit einer Ausschleichphase erfolgen.
Auch wenn keine Interaktionen mit weiteren Menière-Medikamenten wie Vasodilatanzien oder Tranquilizern beschrieben sind, bleibt Vorsicht geboten. Die Evidenzlage zu Polypharmazie-Szenarien ist unzureichend. Gegenanzeigen betreffen vor allem Patienten mit Phäochromozytom oder Asthma bronchiale sowie Schwangere, Stillende und Minderjährige – bei letzteren fehlt es an belastbaren Sicherheitsdaten. Magen-Darm-Ulzera gelten als relative Kontraindikation.
Häufige Nebenwirkungen umfassen Kopfschmerzen, Benommenheit, Palpitationen, Dyspepsie und Hautreaktionen wie Exantheme oder Flush. Brustenge wurde in seltenen Fällen berichtet. Viele unerwünschte Wirkungen lassen sich durch Einnahme zu den Mahlzeiten mildern oder durch Anpassung der Dosierung minimieren.
Für ältere Patienten ist Betahistin kritisch zu betrachten. Die PRISCUS-Liste führt den Wirkstoff als potenziell inadäquat, da sedierende Effekte auftreten können. Auch wenn klinische Studien dies selten zeigten, bleibt die individuelle Risikobewertung zentral – insbesondere im Kontext von Komorbiditäten und Multimedikation.
Die Fahrtüchtigkeit ist offiziell nicht eingeschränkt, dennoch müssen individuelle Reaktionen berücksichtigt werden. Denn weniger das Medikament selbst als vielmehr die zugrunde liegende Erkrankung kann die Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Die Entscheidung über das Führen eines Fahrzeugs sollte daher ärztlich begleitet werden.
Betahistin bleibt damit ein Paradebeispiel für einen Arzneistoff im Grenzbereich zwischen tradiertem Einsatz, therapeutischer Unsicherheit und wachsender Notwendigkeit zu evidenzbasierten Entscheidungen in der Schwindeltherapie.
Der Einsatz von Betahistin stellt die moderne Medizin vor ein altes Dilemma: Wenn ein Medikament seit Jahrzehnten Anwendung findet, ohne dass sein Nutzen eindeutig bewiesen ist, entsteht ein Spannungsfeld zwischen ärztlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Strenge. Betahistin wird nach wie vor breit verordnet, obwohl randomisierte Studien nur eine geringe Überlegenheit gegenüber Placebo zeigen. Das mag in Einzelfällen gerechtfertigt sein – etwa bei Patienten, die subjektiv gut darauf ansprechen. Doch die pauschale Anwendung ohne kritische Indikation wird dem therapeutischen Anspruch nicht gerecht.
Gerade in der heutigen Zeit, in der der medizinische Nutzen immer häufiger an Studienkriterien gemessen wird, sollte auch für Betahistin gelten: Was wirkt, muss belegbar sein. Der Rückgriff auf pharmakologische Hypothesen reicht nicht aus, um eine Langzeittherapie zu rechtfertigen – zumal das Nebenwirkungsprofil in sensiblen Gruppen wie älteren Menschen nicht trivial ist. Die Einordnung auf der PRISCUS-Liste sollte nicht als abstrakte Empfehlung abgetan werden, sondern Anlass sein, Therapien individuell zu hinterfragen.
Betahistin gehört zu jenen Medikamenten, deren Evidenzbasis in keinem Verhältnis zur Verordnungsrealität steht. Statt den Wirkstoff als Standardlösung zu betrachten, sollte er nur in reflektierten, gut dokumentierten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen – eingebettet in ein umfassendes Schwindelmanagement, das Vestibulartraining, psychologische Betreuung und differentialdiagnostische Präzision einschließt.
Preis, Prinzip, Patentschutz
Wie Generika-Hersteller den Kipppunkt im Arzneimittelmarkt markieren und gegen Engpässe auf Systemniveau intervenieren
Während Arzneimittelengpässe in Europa zur strukturellen Dauerbelastung geworden sind, meldet sich der Geschäftsführer des Branchenverbands Pro Generika mit einer fundamentalen Forderung zu Wort: Bork Bretthauer verlangt eine tiefgreifende strategische Neuausrichtung im Umgang mit Generika – als Rückgrat der medizinischen Versorgung. Die bisherigen Maßnahmen, warnt Bretthauer, seien fragmentiert, kurzatmig und an Symptombekämpfung orientiert.
Im Zentrum seiner Kritik stehen zwei politische Reflexe, die sich in den vergangenen Monaten zunehmend durchgesetzt haben: erstens die Überlegung, Patentschutzfristen für neue Wirkstoffe zu verlängern, und zweitens der Versuch, die automatische Substitution von Biopharmazeutika stärker zu fördern. Beide Instrumente seien, so Bretthauer, „nicht geeignet, die Versorgung zu sichern, sondern gefährden vielmehr die Wirtschaftlichkeit, Innovationskraft und Verfügbarkeit im Generikasektor.“
Stattdessen plädiert Bretthauer für ein belastbares, auf Dauer tragfähiges Systemmodell, das nicht auf Kostenminimierung um jeden Preis setze, sondern auf nachhaltige Refinanzierung, Standortstabilität und Produktionssicherheit. Im Klartext: Die Preise für Generika in Deutschland müssten angehoben werden – nicht punktuell, sondern systemisch. Eine politische Debatte, die sich nur auf den kurzfristigen Preisaspekt kapriziere, blendet laut Bretthauer die eigentlichen Versorgungsrisiken aus. Ein Centprodukt sei am Ende keines mehr, wenn niemand es mehr herstelle.
Die Lage sei längst kein Ausnahmezustand mehr, sondern strukturell manifest. Produktionsverlagerungen, Lieferkettenrisiken, nicht mehr refinanzierbare Herstellkosten und politisch erzwungene Preisverzichte hätten aus dem deutschen Generikamarkt ein Hochrisikofeld gemacht. „Wenn wir über Versorgung reden, müssen wir über Geschäftsmodelle reden“, betont Bretthauer – und nennt als Beispiel den EU-weit einheitlichen Mindestpreis für lebenswichtige Standardmedikamente.
Vor allem aber fordert Pro Generika, die Gesundheitspolitik müsse endlich erkennen, dass Marktmechanismen allein keine Grundversorgung sicherstellen. Notwendig sei eine strategische Rahmensetzung mit planvoller Bevorratung, kontrollierten Rücklageresystemen, Förderanreizen für Produktionskapazitäten in Europa und einem entschlossenen Preisumbau für altbewährte Arzneien.
Was aus Sicht von Pro Generika jetzt zählt, ist ein Paradigmenwechsel: Weg vom Abrechnungsdenken, hin zu einer resilienten Strukturpolitik. Die automatische Substitution von Biosimilars in Apotheken könnte – wenn überreguliert – in das Gegenteil umschlagen und Hersteller aus dem Markt drängen. Patentschutzverlängerungen wiederum würden die Markteintrittsbarrieren weiter erhöhen, statt die Breite der Versorgung zu stabilisieren. Für Bretthauer ist klar: Wer Arzneimittelengpässe tatsächlich lösen will, muss den Preis wieder als Funktionsfaktor begreifen – nicht als politisches Reizthema.
Was als Centartikel beginnt, endet häufig als Systemrisiko. Die seit Jahren politisch forcierte Marginalisierung von Generika-Herstellern über rigide Preisdeckel, Rabattsysteme und pauschale Retaxierungen rächt sich nun in Form einer nie dagewesenen Versorgungsinstabilität. Doch anstatt dieses Grundproblem anzuerkennen, klammert sich die Gesundheitspolitik an Placebolösungen: längere Patente hier, mehr Austauschregelungen da – mit kalkulierter Ignoranz gegenüber den Folgen.
Dass Pro Generika nun eine ganzheitliche Strategie fordert, ist kein Lobbyismus, sondern eine Notwendigkeit. Die Generikabranche versorgt Deutschland – nicht die Konzerne mit patentgeschützten Blockbustern. Und sie kann das nur, wenn sich Herstellung rechnet, wenn Logistik abgesichert ist, wenn Preise marktgerecht und nicht politisch gedrückt sind. In einem Markt, der Wirkstoffe wie Ibuprofen oder Amoxicillin über Jahrzehnte hinweg unter Einstandspreis verschleudert, ist keine Redundanz, keine Sicherheit und keine Dynamik mehr möglich.
Ein funktionsfähiger Generikamarkt braucht nicht mehr Kontrolle, sondern mehr Verlässlichkeit. Was er nicht braucht: politische Maßnahmen, die auf Branchenfremdheit beruhen. Engpässe löst man nicht mit noch mehr Automatismus, sondern mit Rückgrat. Die Politik hat sich zu lange hinter Einsparzielen versteckt – jetzt ist Systemverantwortung gefragt.
EMA setzt neue Impfrichtung mit LP.8.1
Wie die EU auf Virusdrift, Immunflucht und regulatorische Beschleunigung reagiert
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) stellt die Weichen für die kommende Impfsaison: In einer neuen Empfehlung spricht sich die Emergency Task Force (ETF) der Behörde für eine gezielte Anpassung der antigenen Zusammensetzung aller in der EU zugelassenen Covid-19-Impfstoffe aus. Für die Saison 2025/2026 sollen Vakzine künftig auf Basis der Omikron-Sublinie LP.8.1 entwickelt werden. Diese Entscheidung folgt einer umfassenden Auswertung aktueller virologischer, immunologischer und epidemiologischer Daten, die auf eine beschleunigte globale Verbreitung und hohe Immunfluchtfähigkeit dieser Variante hinweisen.
Die Empfehlung beruht auf einer breit abgestimmten Analyse, in deren Rahmen neben der WHO auch internationale Zulassungsinhaber von Covid-19-Vakzinen eingebunden wurden. Ausschlaggebend waren insbesondere tierexperimentelle Daten zur Immunogenität, molekulare Vergleichsanalysen und epidemiologische Sequenztrends. LP.8.1 entstammt der JN.1-Abstammung und hat sich in den vergangenen Monaten gegenüber der vormals dominanten XEC-Variante durchgesetzt. Letztere, eine Rekombinante aus KS.1.1 und KP.3.3, prägte bis Anfang 2025 die europäische Infektionslage, wurde jedoch von LP.8.1 innerhalb weniger Wochen verdrängt.
LP.8.1 unterscheidet sich nicht nur durch sechs zusätzliche Spike-Mutationen, sondern auch durch eine deutlich erhöhte Bindungsaffinität zum menschlichen ACE2-Rezeptor, was eine gesteigerte Übertragbarkeit vermuten lässt. Gleichzeitig weist die Variante eine erhebliche humorale Immunflucht auf, die sie immunologisch resilienter gegen bisherige Impfstoffe macht. Auch innerhalb der JN.1-Familie ist LP.8.1 durch ihre genetischen und immunologischen Eigenschaften derzeit konkurrenzlos führend.
Mit der EMA-Empfehlung erhalten Impfstoffhersteller nun die Möglichkeit, ihre Produkte auf Basis dieser Variante weiterzuentwickeln oder neu zuzulassen. Dabei soll das Zulassungsverfahren im Sinne der Pandemievorsorge beschleunigt erfolgen: Neben Qualitäts- und Produktionsdaten genügt der Nachweis molekularer Vergleichbarkeit mit bestehenden Impfstoffen. Immunogenitäts- und Wirksamkeitsdaten werden im Rahmen der sogenannten „Rolling Review“ sukzessive nachgereicht.
Bis entsprechende LP.8.1-basierte Impfstoffe verfügbar sind, sollen weiterhin Vakzinen mit Antigenprofilen aus der JN.1- oder KP.2-Linie zum Einsatz kommen. Auch Alternativen innerhalb der JN.1-Abstammung bleiben grundsätzlich zulässig, sofern ihre Auswahl wissenschaftlich begründet wird. Um den Zulassungsprozess effizient zu gestalten, fordert die EMA die Hersteller auf, die Produktinformationen entsprechend zu aktualisieren und deren Struktur zu vereinfachen. Für Impfstoffkandidaten außerhalb des empfohlenen Antigenprofils ist eine gesonderte Rücksprache mit der Behörde notwendig.
Die Entscheidung markiert einen strategischen Wendepunkt in der Pandemieprävention und zeigt, wie dynamisch die Impfstoffpolitik der EMA auf neue evolutionäre Entwicklungen reagiert. Zugleich wird deutlich: Die Ära starrer Impfstoffzyklen ist vorbei – das Wettrennen mit dem Virus bleibt eine permanente Herausforderung für Wissenschaft, Industrie und Regulatorik zugleich.
Mit der klaren Empfehlung für LP.8.1 sendet die EMA ein Signal an Wissenschaft und Industrie, das zweierlei ist: ein Appell zur Präzision und ein Eingeständnis der eigenen Lernkurve. Während noch vor wenigen Jahren Impfstoffstrategien mit monatelangen Vorläufen und klinischen Phasen operierten, wird heute die Realität viraler Evolution mit regulatorischer Agilität beantwortet. Dass eine präklinisch validierte Variante bereits auf dem Radar der europäischen Zulassungsbehörde zum Standard erhoben wird, ist Ausdruck einer postpandemischen Reaktionsfähigkeit – und zugleich Mahnung, dass auch der Impfstoffmarkt dynamischer, unberechenbarer und schneller geworden ist als je zuvor.
Die Wahl von LP.8.1 ist keine bloße Folge virologischer Modezyklen, sondern basiert auf einem rationalen Abgleich zwischen Mutationsprofil, realweltlicher Durchsetzungskraft und immunologischer Relevanz. Wer hier noch auf XBB-Immunität oder frühere BA.2-Profile vertraut, unterschätzt die Driftkraft, mit der SARS-CoV-2 seinen evolutionären Vorteil ausbaut. Dass LP.8.1 bereits dominante Stellung in den USA erreicht hat, ist kein Fernereignis, sondern ein Frühindikator für das, was Europa erwartet.
Dass die EMA zugleich die Möglichkeit alternativer JN.1-Linien einräumt, ohne dogmatisch auf LP.8.1 zu bestehen, zeugt von einer wohltuenden regulatorischen Offenheit. Doch diese Offenheit verlangt wissenschaftliche Begründung – und setzt einen Standard, der nicht nur auf Laborwerten, sondern auf Immunwirklichkeit beruht.
Die Impfsaison 2025/2026 beginnt nicht im Herbst – sie hat längst begonnen: im Labor, im Zulassungssystem, in der Debatte über Akzeptanz und Anpassung. Die Richtung ist klar – aber sie verlangt, dass alle Akteure auf Sicht navigieren, mit Weitblick und ohne den Irrtum vergangener Gewissheiten.
WHO streicht, kürzt und kämpft
Wie Milliardenlücken, Personalabbau und politische Blockaden die Weltgesundheitsorganisation destabilisieren
In Genf herrscht diplomatischer Krisenton. Der Auftakt der 77. Weltgesundheitsversammlung steht unter dem Schatten eines beispiellosen Finanzdefizits: Der WHO fehlen für den Zeitraum 2025 bis 2027 rund 1,7 Milliarden US-Dollar. Damit droht der globalen Gesundheitsarchitektur die operative Handlungsfähigkeit zu entgleiten – zur Unzeit. Denn mit dem geplanten Pandemievertrag und dem wachsenden Druck auf internationale Gesundheitsvorsorge hat die Weltgemeinschaft längst Themen auf dem Tisch, die stabile Institutionen erfordern.
Die Lage ist angespannt. Zwei Staaten – die USA und Argentinien – haben ihren Rückzug erklärt. Besonders schwer wiegt dabei der angekündigte Austritt der Vereinigten Staaten, die bislang mit rund 20 Prozent die größte Beitragslast schultern. Die Konsequenz: Die WHO sah sich gezwungen, ihr geplantes Zweijahresbudget für 2026/27 auf 4,2 Milliarden US-Dollar zu reduzieren – eine Kürzung um rund 20 Prozent. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sprach von einem „historischen Einschnitt“, verwies auf die globale Rüstungsausgaben im Vergleich – und lieferte ein bitteres Rechenbeispiel: Was der Welt für zwei Jahre WHO-Arbeit zur Verfügung steht, fließe in der Welt alle acht Stunden in militärische Systeme.
Dramatisch sind nicht nur die Zahlen, sondern auch die strukturellen Einschnitte: Die Zahl der WHO-Abteilungen soll von 76 auf 34 sinken, das oberste Führungsgremium wird von 14 auf sieben Personen halbiert. Der international bekannte Nothilfekoordinator Mike Ryan kündigte bereits seinen Rückzug an. Insgesamt wird mit einem Personalabbau von 20 Prozent gerechnet. Inmitten dieser Sparspirale verkündet Gesundheitsministerin Nina Warken in Genf eine symbolische Rückendeckung Deutschlands: Zehn Millionen Euro zusätzlich sollen fließen – nicht als Ersatz, sondern als Zeichen.
Zugleich will die WHO mit einem neuen Pandemievertrag verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Der Vertrag, der diese Woche beschlossen werden soll, soll künftig sicherstellen, dass bei globalen Ausbrüchen kein Land mehr ohne Schutzmaterial dasteht und Impfstoffverteilungen nicht erneut in nationalem Egoismus ersticken. Doch auch hier liegt der Stolperstein im Detail: Ein ganzer Abschnitt zu Herkunftsviren, Patentrechten und fairer Belieferung wurde vorerst ausgelagert – weil Einigung fehlt.
Was bleibt, ist ein symbolisch starkes, aber praktisch lückenhaftes Vertragswerk. Und eine WHO, die sich personell halbiert, finanziell amputiert und politisch an den Rand gedrängt sieht – ausgerechnet in einer Ära, in der globale Gesundheitsrisiken nicht weniger, sondern mehr geworden sind.
Was wie ein technokratischer Finanzplan klingt, ist in Wahrheit eine fundamentale Zäsur: Die Weltgesundheitsorganisation verliert nicht nur Geld, sondern auch Einfluss, Personal, Stabilität – und das Vertrauen, das sie in der Pandemie mühsam zurückgewinnen wollte.
Der angekündigte Rückzug der USA, ergänzt durch den geordneten Rückmarsch Argentiniens, ist keine haushaltstechnische Randnotiz. Er markiert eine geopolitische Umwertung von Global Health Governance, bei der nationale Interessen wieder vor multilateraler Solidarität stehen. Dass Deutschland nun mit zehn Millionen Euro ein Zeichen setzt, ist zweifellos gut gemeint – aber nicht ansatzweise in der Lage, die entstandene Lücke zu schließen.
Die WHO soll künftig mit 2,1 Milliarden Dollar pro Jahr auskommen – eine Summe, die im internationalen Maßstab beinahe zynisch wirkt. Dass gleichzeitig 20 Prozent der Beschäftigten gehen sollen, verschärft die Fragilität der Organisation zusätzlich. Gerade das macht die aktuelle Lage so paradox: Während die Welt einen Pandemievertrag formuliert, droht die Institution, die ihn umsetzen müsste, in ihrer Funktionalität zu erodieren.
Noch gravierender ist das politische Signal, das mit der Verschiebung zentraler Vertragsinhalte einhergeht. Fragen nach Zugangsgerechtigkeit zu Impfstoffen, nach dem Umgang mit Virenproben oder mit Patentrechten wurden auf unbestimmte Zeit vertagt. Das ist keine strategische Zurückhaltung, sondern vertagte Verantwortung.
Es ist Zeit, dass die Mitgliedstaaten nicht nur über Verträge, sondern über die Existenzgrundlage der WHO selbst debattieren. Und zwar nicht als Geste, sondern als sicherheitspolitische Notwendigkeit.
CED-Tag, Therapiehürden, Beratungsanspruch
Wie Apotheken zwischen Supplementen, Wechselwirkungen und Versorgungslücken navigieren
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa stellen nicht nur medizinisch eine Herausforderung dar, sondern verlangen im Alltag von Betroffenen ein fein abgestimmtes Zusammenspiel aus medikamentöser Therapie, Ernährung und ergänzender Versorgung. Anlässlich des heutigen Welt-CED-Tags rückt die Gastro-Liga genau diese Aspekte in den Fokus – und betont insbesondere die Bedeutung niedrigschwelliger Beratung in Apotheken, die mehr leisten müssen als nur Arzneimittelabgabe.
Denn Patientinnen und Patienten mit CED stehen häufig vor einem undurchsichtigen Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln, Probiotika, Schmerz- oder Antidiarrhoika, wobei viele Präparate potenziell interagieren oder in entzündlichen Schüben kontraindiziert sein können. Gleichzeitig zeigt die Forschung, dass Vitaminmängel – etwa bei B12, D3 oder Eisen – häufiger auftreten, weil Resorptionsstörungen und Diarrhöen die Nährstoffaufnahme hemmen.
„Apotheken sind zentrale Ansprechpartner in der multiprofessionellen Versorgung“, betont die Gastro-Liga in ihrer Mitteilung. „Gerade im Bereich der Selbstmedikation und ergänzenden Präparate drohen Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden Folgen.“ Besonders kritisch sei der unkontrollierte Einsatz von NSAR oder die parallele Einnahme von Immunsuppressiva und OTC-Präparaten ohne ärztliche Rücksprache.
Hinzu kommt der Trend zu spezialisierten Diäten – von Low-FODMAP bis ballaststoffreduziert – die wiederum durch individuelle Krankheitsverläufe, chirurgische Eingriffe oder Medikationen weiter modifiziert werden müssen. Die beratende Apotheke steht damit in einer Doppelrolle: als Sicherheitsinstanz bei Arzneimittelinteraktionen und als Lotsin durch den Dschungel an Zusatzangeboten.
Auch digital wächst die Herausforderung. Immer häufiger bringen CED-Betroffene Produkte aus Onlinequellen mit, deren Qualität nicht standardisiert ist oder deren Deklarationen irreführend sind. Die Apotheke als Vor-Ort-Institution bleibt damit essenziell – nicht nur zur Risikoabklärung, sondern auch als faktisches Schutzschild gegen falschverstandene Selbstoptimierung im Gesundheitsbereich.
Die Botschaft des heutigen Aktionstags ist eindeutig: CED-Patientinnen und -Patienten brauchen verlässliche, kontinuierliche und sensible Begleitung. Eine gut geschulte Apotheke ist dafür keine Ergänzung, sondern Grundbedingung einer sicheren und alltagsnahen Versorgung.
Es geht längst nicht mehr nur um die richtige Salbe, das passende Schmerzmittel oder den Hinweis zur Einnahmezeit. Wer heute mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in die Apotheke kommt, bringt oft ein medizinisches Gesamtpaket mit, das weit über die Grenzen klassischer Versorgung hinausgeht – und im Regelfall unvollständig kommuniziert wird.
Denn nicht jede Vitaminampulle, nicht jedes Nahrungsergänzungsmittel ist bei entzündlicher Aktivität harmlos. Oft entscheiden Nuancen über Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit – Nuancen, die Apothekenpersonal in Fortbildungen lernen muss, aber im Alltag oft unter Zeitdruck entscheidet.
Gleichzeitig erwartet der oder die Betroffene von der Apotheke nicht nur Produktkenntnis, sondern auch Mitdenken. Ist das neue Eisenpräparat mit dem Immunsuppressivum verträglich? Wird das Probiotikum nach einer OP noch sinnvoll aufgenommen? Kann die neue Diät unbemerkt einen Mangel verschärfen? Diese Fragen sind komplex, aber sie sind alltäglich.
Ein Apotheker oder eine PTA, die hier kompetent aufklärt, schützt nicht nur vor Fehlern – sie stabilisiert Versorgung in einem System, das andernorts längst überlastet ist. Deshalb ist der heutige CED-Tag auch ein Appell: nicht an die Betroffenen, sondern an die Institution Apotheke. Wer chronische Erkrankungen ernst nimmt, muss auch Beratung ernst nehmen.
Impfen gegen Tumore, forschen gegen Illusionen, therapieren mit Präzision
Wie mRNA-Vakzine, personalisierte Antigene und klinische Realität die Krebsmedizin neu justieren
Die Idee, Krebs mit einer Impfung zu verhindern oder gar zu therapieren, bewegt seit Jahrzehnten die Medizin – zwischen Hoffnung, Fehleinschätzungen und bahnbrechenden Fortschritten. Der Begriff „Krebsimpfung“ ist dabei doppeldeutig und wird teils missverständlich verwendet: Während prophylaktische Impfungen wie jene gegen HPV und HBV tatsächlich Virusinfektionen abwehren, aus denen sich bestimmte Krebsarten entwickeln können, zielt die eigentliche Vision einer therapeutischen Tumorimpfung darauf, das körpereigene Immunsystem gegen bereits bestehende Krebszellen zu mobilisieren.
Zwei Realitäten treffen hier aufeinander: Einerseits gibt es die bewährte Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV), die vor allem bei jungen Menschen das Risiko für Gebärmutterhalskrebs, aber auch für andere HPV-assoziierte Tumoren drastisch senken kann. Auch Hepatitis-B-Impfungen sind etablierte Präventionsinstrumente, um das Risiko für Leberzellkarzinome zu senken. Diese Impfstoffe schützen jedoch gegen virale Auslöser – nicht direkt gegen Krebs selbst.
Andererseits wird fieberhaft an aktiven Immunisierungen geforscht, die Tumorzellen gezielt angreifen. Dabei stehen mRNA-Plattformen im Fokus, wie sie aus der Corona-Pandemie bekannt sind. BioNTech etwa hat bereits erste Studienergebnisse zu patientenspezifischen Tumorimpfstoffen vorgelegt – mit vielversprechenden Signalen bei schwarzem Hautkrebs. Der therapeutische Ansatz basiert auf dem Prinzip, dem Immunsystem per Impfung die mutierten Antigene des individuellen Tumors zu präsentieren und so eine Immunreaktion zu erzwingen. Doch dieser Ansatz steht noch am Anfang: Die Entwicklung ist teuer, personalisiert und technisch extrem aufwendig.
Hinzu kommt ein Grundproblem: Tumore sind meist keine Fremdkörper, sondern entartete körpereigene Zellen. Das Immunsystem erkennt sie nicht automatisch als gefährlich. Auch die Fähigkeit der Tumore, sich dem Immundruck durch Mutation zu entziehen oder immunsuppressive Mikromilieus zu erzeugen, erschwert die Entwicklung. Viele Studien scheiterten bislang an schwachen oder nicht nachhaltigen Effekten.
Dennoch: Der Durchbruch scheint greifbar. Klinische Studien mit mRNA-Impfstoffen gegen Pankreas-, Lungen- und Kolorektalkarzinome laufen. Auch Vakzine auf Basis dendritischer Zellen oder Peptidplattformen werden erforscht. Dabei zeigt sich: Die Impfung ist kein Ersatz, sondern potenziell ein Bestandteil multimodaler Therapiekonzepte – ergänzend zu Operation, Chemotherapie und Immun-Checkpoint-Blockade.
Ob die Vision einer echten Tumorimpfung flächendeckend Realität wird, entscheidet sich nicht nur im Labor, sondern auch an der Schnittstelle von Regulierung, Finanzierung und klinischer Umsetzbarkeit. Klar ist: Der Weg ist noch weit – aber er ist nicht mehr utopisch.
Die Sehnsucht nach einem Impfstoff gegen Krebs ist ebenso verständlich wie gefährlich, wenn sie sich in Wunschdenken verliert. Es wäre fatal, die prophylaktische Wirkung einer HPV-Impfung mit dem Versprechen zu verwechseln, Krebs generell „wegimpfen“ zu können. Das ist nicht nur medizinisch irreführend, sondern öffnet auch Spekulationen, Fehlanreizen und Überschätzungen Tür und Tor.
Gleichzeitig wäre es ein Fehler, die aktuelle Forschung als Science-Fiction abzutun. Die Fortschritte in der mRNA-Technologie, die personalisierte Tumorprofilierung und der wachsende Erkenntnisstand über tumorassoziierte Antigene bilden eine wissenschaftliche Grundlage, die vor zehn Jahren undenkbar war. Was heute in klinischen Studien getestet wird, könnte morgen in Leitlinien auftauchen – vorausgesetzt, die Erwartungen werden klug gesteuert und die medizinische Komplexität nicht unter den Teppich gekehrt.
Weder naive Euphorie noch chronischer Skeptizismus helfen der Krebsmedizin weiter. Was es braucht, ist ein nüchterner Blick auf das Machbare, ein ehrlicher Umgang mit Grenzen – und die Bereitschaft, Impfstoffforschung als Teil einer viel breiteren onkologischen Strategie zu verstehen.
Wenn das Schweigen krank macht
Warum Scham bei CED-Diagnosen zur heimlichen Gefahr wird und psychosoziale Hilfe lebenswichtig ist
Die Angst vor Ablehnung, gesellschaftliche Tabus rund um den Stuhlgang und das Schweigen aus Scham: Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa wird die persönliche Hürde zur ärztlichen Diagnose nicht selten zur gefährlichsten Barriere. Am heutigen Welt-CED-Tag warnt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) vor den schwerwiegenden Folgen des sozialen Stigmas, das viele Patientinnen und Patienten zum Rückzug zwingt – mit ernsten medizinischen und psychischen Konsequenzen.
Durchfall, Bauchkrämpfe, unkontrollierbarer Stuhldrang – es sind Symptome, die das Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigen, gleichzeitig aber so sehr tabuisiert sind, dass sie häufig nicht einmal im engsten Umfeld offen benannt werden. Privatdozentin Dr. Anne Thomann von der Universitätsmedizin Mannheim erklärt: „Die gesellschaftliche Tabuisierung von Darmfunktionen lähmt die Betroffenen. Viele schweigen zu lange, weil sie Angst vor Entwertung oder Missachtung haben.“ Die Folge: Verzögerte Diagnosen, unnötige Krankheitslast und zunehmende psychische Belastung.
Die DGVS weist darauf hin, dass ein früher Behandlungsbeginn entscheidend für den Krankheitsverlauf ist. Wer Symptome zu lange ignoriert oder verschweigt, riskiert nicht nur schwer kontrollierbare Krankheitsschübe, sondern auch dauerhafte Folgeschäden im Darm. Dabei ist die körperliche Belastung oft nur ein Teil des Problems. Auch psychisch geraten viele CED-Betroffene in eine Abwärtsspirale: Der Druck, Symptome zu verbergen, der Stress im Alltag und die Angst vor Kontrollverlust verstärken die Krankheit zusätzlich. Professor Dr. Birgit Terjung, Mediensprecherin der DGVS, erklärt das Wechselspiel so: „Die Erkrankung erzeugt Stress – und der Stress kann Krankheitsschübe auslösen oder verschlimmern.“
Trotzdem fehlen vielerorts Angebote zur psychologischen Begleitung. Verhaltenstherapie, Stressbewältigung, Gruppenprogramme – all das wäre verfügbar, wird aber selten verschrieben, finanziert oder wahrgenommen. Umso wichtiger sei es, so Terjung, die psychosoziale Versorgung als integralen Bestandteil der CED-Therapie zu etablieren. Das gelte sowohl für Arztpraxen als auch für Krankenkassen und Selbsthilfeorganisationen.
Die DGVS ruft deshalb zu einem Umdenken auf. Nicht allein medizinische Versorgung, sondern auch Aufklärung, Enttabuisierung und soziale Unterstützung seien notwendig, um Menschen mit CED ganzheitlich zu helfen. „Es ist ein Befreiungsschritt, über die Erkrankung zu sprechen – viele erleben dies als erste echte Entlastung“, sagt Thomann. Plattformen wie die Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung bieten Austausch und Orientierung, digitale Foren senken die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme.
Auch Angehörige spielen eine entscheidende Rolle: Wer Verständnis zeigt, zuhört, sich informiert, kann Scham abbauen helfen – und den Betroffenen den Weg zur offenen Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit ebnen. Der Welt-CED-Tag solle nicht nur sensibilisieren, so die DGVS, sondern auch konkrete Veränderungen anstoßen – in der Kommunikation, in der Versorgung und im Bewusstsein einer Gesellschaft, die zu oft weghört, wenn der Darm spricht.
Die Tatsache, dass Menschen aus Scham über ihre Beschwerden schweigen, ist nicht nur ein soziales Symptom, sondern ein medizinisches Problem. Die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen führen seit Jahrzehnten ein Doppelleben: körperlich aggressiv, gesellschaftlich verdrängt. CED-Patientinnen und -Patienten sind gezwungen, Symptome zu verbergen, die jeder Mensch – auch ohne Krankheit – kennt. Das Problem ist nicht ihr Körper, sondern das gesellschaftliche Klima, das den Darm moralisch auflädt, statt medizinisch ernst zu nehmen.
Was sich ändern muss, ist nicht nur das ärztliche Angebot, sondern auch die Kommunikationskultur. Wenn Menschen wegen Durchfall schweigen wie andere wegen Suizidgedanken, zeigt das den fatalen Stellenwert, den der Schamkomplex eingenommen hat. Die Tabuisierung von Verdauung ist keine Peinlichkeit – sie ist eine systemische Schwäche. Wer das übersieht, verlängert Leidenswege und verhindert Früherkennung.
Psychosoziale Unterstützung ist dabei keine Wellnessleistung, sondern eine therapeutische Notwendigkeit. Verhaltenstherapie muss nicht hinter der verschlossenen Tür versteckt werden. Sie gehört in den Leistungskatalog der gesetzlichen Versorgung, sichtbar, niedrigschwellig, finanziert. Gleiches gilt für Selbsthilfeangebote – sie sind Lebenshilfe, keine Randnotiz.
CED ist kein Randphänomen. Was wir brauchen, ist kein Mitleid, sondern Mut zur Entstigmatisierung. Nur wenn Sprache, Versorgung und Umfeld Hand in Hand gehen, kann aus Scham Selbstwirksamkeit werden – und aus dem Schweigen endlich ein Gespräch, das heilt.
125 Jahre Forschung an der Front der Infektionen
Wie das BNITM zum globalen Bollwerk gegen tödliche Viren wurde
Bitte beachte unsere besondere Aufgabe: Seit einem Jahrhundert und einem Viertel ist das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg eine der zentralen Forschungsinstitutionen Europas zur Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten. Das Jubiläum im Jahr 2025 bietet nicht nur Anlass zur Rückschau, sondern verweist auf eine Institution, die sich von kolonialmedizinischen Anfängen zu einem global vernetzten Zentrum moderner Virusforschung gewandelt hat.
Gegründet am 1. Oktober 1900 infolge der verheerenden Choleraepidemie von 1892, war das ursprüngliche „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ Antwort auf eine wachsende Seeverbindung in einem weltoffenen Hafen, der Krankheiten in das Herz Europas trug. Die Verbindung zwischen medizinischer Forschung und maritimer Infrastruktur war der Ursprung einer Forschungsrichtung, die sich rasch professionalisierte.
Heute ist das BNITM Deutschlands bedeutendstes tropenmedizinisches Forschungsinstitut. Es agiert als Nationales Referenzzentrum für tropische Erreger, Konsiliarlabor für Bornaviren, WHO-Kooperationszentrum und Leibniz-Institut. In seinen Hochsicherheitslaboren der Stufen 3 und 4 werden Erreger wie Ebola-, Marburg- oder Lassaviren untersucht. Zudem stellt das BNITM mobile Labore bereit, um weltweit bei Epidemien einsatzbereit zu sein. Forschungsschwerpunkte sind neben hämorrhagischen Fiebern auch Malaria, armutsassoziierte Tropenkrankheiten (NTDs) und die Dynamik vektorübertragener Viren in Zeiten des Klimawandels.
Die Geschichte des Instituts beginnt mit der Person Bernhard Nochts, eines Marinearztes, der im Auftrag der Stadt Hamburg als Hafenarzt installiert wurde. Damals war der medizinische Handlungsdruck akut: Über das kontaminierte Trinkwassersystem verbreiteten sich eingeschleppte Erreger rasant. Die Reform des Abwassersystems und die Gründung des Instituts waren direkte Konsequenzen. In den ersten Jahren bestand der Patientenstamm fast zur Hälfte aus Seeleuten mit Malaria – eine Tatsache, die Forschung und medizinische Ausbildung gleichermaßen prägte.
Schon früh erkannten Hamburger Kaufleute, dass Tropenmedizin auch ökonomische Relevanz besaß: Nur gesunde Schiffsbesatzungen konnten Handelsrouten zuverlässig bedienen. Das Institut verband Forschung mit Lehre – eine Praxis, die bis heute fortbesteht. 1914 zog das Institut in den von Fritz Schumacher entworfenen Neubau an der Bernhard-Nocht-Straße, wo es sich bis heute befindet.
Zum 125-jährigen Bestehen plant das BNITM ein umfangreiches öffentliches Programm. In seinem historischen Hörsaal finden über das Jahr hinweg Veranstaltungen statt, in denen ehemalige Mitarbeitende über historische Forschung berichten und aktuelle Wissenschaftler:innen Einblick in heutige Projekte geben.
Darüber hinaus wird eine Ausstellung im Hamburger Rathaus organisiert, ebenso wie ein Jubiläumskonzert in der Elbphilharmonie. Den wissenschaftlichen Höhepunkt bildet der European Congress on Tropical Medicine and International Health (ECTMIH) ab dem 29. September 2025. Dieser Kongress wird vom BNITM gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) sowie der Federation of European Societies for Tropical Medicine and International Health (FESTMIH) ausgerichtet.
Die Geschichte des BNITM ist auch eine Geschichte der Transformation – von einem kolonialmedizinisch motivierten Institut hin zu einer international vernetzten Forschungseinrichtung mit klarer ethischer und globaler Ausrichtung. Der institutionelle Wandel steht exemplarisch für die gesamte infektionsmedizinische Forschung: Weg vom eurozentrischen Zugriff auf „exotische“ Krankheiten, hin zu einer solidarischen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit betroffenen Regionen.
Dass das Institut auch 125 Jahre nach seiner Gründung Relevanz besitzt, ist kein Zufall. Vielmehr ist es das Resultat kontinuierlicher Forschung, mutiger struktureller Entscheidungen und einer konsequenten Öffnung gegenüber globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Mobilität und Armut.
Was das BNITM heute leistet – vom Einsatz mobiler Hochsicherheitslabore in Epidemiegebieten über die Aufklärung neuer Übertragungsmechanismen vektorbasierter Erreger bis zur Ausbildung junger Forscher:innen aus aller Welt –, belegt eindrucksvoll: Die Rolle der Tropenmedizin endet nicht an den Rändern der Weltkarte, sondern beginnt im Zentrum gesellschaftlicher Verantwortung.
Im Schatten wachsender Pandemierisiken und der beschleunigten Zirkulation pathogener Erreger bleibt das BNITM ein wissenschaftlicher Leuchtturm – wach, agil, verantwortungsvoll.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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