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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Der demografische Wandel bringt Deutschland in Bewegung – aber nicht immer freiwillig. Während Pflegebedarfe explodieren und Unternehmen um Personal ringen, verschärfen sich politische, rechtliche und gesellschaftliche Konflikte. In der Justiz ringt der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob Blitzer-Messungen ohne Rohdaten als Beweis ausreichen. Die Versandapotheke DocMorris wird nach EuGH-Vorgaben in die Schranken gewiesen. Gleichzeitig müssen junge Familien mit unzureichender Unterstützung zurechtkommen, während die CDU ihren gesundheitspolitischen Kurs mit Experten wie Hendrick Streeck neu ausrichtet. Auch die Apotheken stehen an einem Wendepunkt: Neue Medikamente gegen Handekzem und Adipositas versprechen Fortschritt, doch der Druck auf das System bleibt.
Deutschland altert, Unternehmen schrumpfen, Pflegebedarf explodiert
Der demografische Wandel zwingt Wirtschaft und Gesundheitssystem zum Umdenken
Der Alltag diktiert den Takt, das Nächstliegende fordert das Meiste: Gerade Unternehmer haben kaum Gelegenheit, sich systematisch mit den langfristigen Wirkmechanismen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Das ist nachvollziehbar – und zugleich riskant. Denn insbesondere die großen demografischen Linien entscheiden darüber, wie sich Märkte entwickeln, wie tragfähig soziale Sicherungssysteme bleiben, wie Arbeits- und Absatzmärkte beschaffen sind – und nicht zuletzt, ob wirtschaftlicher Erfolg auch morgen noch möglich ist. Die Frage, wie viele Menschen künftig was konsumieren, wie gesund sie dabei sind, wo sie wohnen, arbeiten, geboren werden und sterben, ist keineswegs philosophisch. Sie ist betriebswirtschaftlich, politisch und sozial zentral – und verlangt Aufmerksamkeit über den Tag hinaus.
Unternehmerisch Denken heißt: Demografie verstehen. Denn wer sich in einem Ort mit sinkender Bevölkerung auf Dauer festlegt, wird andere Herausforderungen haben als in einer Region mit wachsender, womöglich überalterter Bevölkerung. Wer in eine Branche investiert, die auf junge Menschen angewiesen ist, sollte wissen, wie viele dieser jungen Menschen es in zehn oder zwanzig Jahren noch geben wird. Und wer auf staatliche Gesundheitsstrukturen setzt, muss deren Belastbarkeit in einer älter werdenden Gesellschaft realistisch einschätzen.
Dabei ist der Blick auf Deutschland allein zu kurz. Die großen Bewegungen – Migration, Alterung, Urbanisierung – sind global. Chinas Ein-Kind-Politik führt aktuell dazu, dass das Land in rasantem Tempo altert, die Bevölkerungszahl sinkt, das Erwerbspersonenpotenzial schrumpft. Prognosen sprechen bereits von einem dramatischen Rückgang der Bevölkerung bis zum Ende des Jahrhunderts. Ein Land, das lange als „Werkbank der Welt“ galt, wird womöglich zum größten Pflegeheim der Welt – mit allen sozialen, wirtschaftlichen und geopolitischen Konsequenzen. Der Satz „Demografie ist Schicksal“ wirkt in diesem Zusammenhang keineswegs antiquiert.
Auch Deutschland steht am Kipppunkt. Die Zahl der Menschen im Erwerbsalter sinkt rapide, während gleichzeitig die Zahl der Pflegebedürftigen und chronisch Kranken steigt. Das Gesundheitssystem, ohnehin stark belastet, wird in Zukunft mit weniger Personal, aber mehr Patienten auskommen müssen. Schon jetzt fehlen in vielen Regionen Hausärzte, Pflegekräfte und Fachpersonal in Krankenhäusern. Zugleich wächst der Bedarf an geriatrischer Versorgung, Prävention und Gesundheitskompetenz – insbesondere in Regionen mit alternder Bevölkerung und strukturellem Rückbau.
Dass die Zuwanderung eine notwendige, wenngleich umstrittene Antwort auf diesen Trend darstellt, liegt auf der Hand. Ohne Migration wäre das deutsche Arbeitsmarkt- und Sozialsystem schon heute kaum tragfähig. Doch die politische Debatte ist verfahren: Während ein Teil der Bevölkerung Migration als Bedrohung sieht, erkennen andere darin das Potenzial, wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität zu sichern. Derzeit fehlt es an einer kohärenten Strategie, die Migration gezielt als demografisches und wirtschaftliches Steuerungsinstrument nutzt – etwa durch eine aktive Anwerbung qualifizierter Fachkräfte, durch Integrationsangebote mit klaren Zieldefinitionen, durch flankierende Bildungs-, Sprach- und Infrastrukturmaßnahmen.
Unternehmer, die strategisch denken, können und müssen sich von der kurzatmigen Tagespolitik emanzipieren. Sie erkennen in der Demografie nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Der absehbare Fachkräftemangel etwa eröffnet unternehmerische Felder für Bildungsanbieter, Gesundheitsdienstleister, digitale Assistenzsysteme oder altersgerechtes Wohnen. Auch Apotheken etwa können sich auf eine alternde Kundschaft einstellen – mit stärkerer Spezialisierung, erweiterten Dienstleistungen, mobilen Angeboten oder Kooperationen mit Pflegeeinrichtungen. Wer auf diese Trends vorbereitet ist, hat einen unternehmerischen Vorsprung.
Der strategische Blick auf die Makrotrends ist keine akademische Spielerei, sondern unternehmerische Notwendigkeit. Denn wirtschaftlicher Erfolg entsteht nicht nur durch betriebsinterne Exzellenz, sondern auch durch ein Verständnis des Rahmens, in dem unternehmerisches Handeln stattfindet. Und dieser Rahmen verändert sich – unausweichlich, oft unbemerkt, aber mit dramatischer Wirkung.
Es gehört zur Ironie unserer Zeit, dass wir Zugang zu mehr Daten haben als je zuvor – und dennoch selten die grundlegenden Entwicklungen verstehen. Die Demografie ist ein solcher blinder Fleck: Wir messen, zählen, prognostizieren, doch wir handeln kaum. Dabei ist es gerade die langfristige Bevölkerungsentwicklung, die unsere Gesellschaft am stärksten prägt. Nicht die Schlagzeilen von heute, sondern die stillen Verschiebungen über Jahrzehnte hinweg bestimmen, wie wir leben, arbeiten, konsumieren und alt werden.
Die wirtschaftspolitische Brisanz ist offenkundig. Wer in einer schrumpfenden und alternden Gesellschaft noch wirtschaftliches Wachstum verspricht, muss entweder Wunder bewirken oder über die Realität hinwegtäuschen. Schon heute bröckeln tragende Pfeiler unseres Systems: Die Lohnersatzleistungen steigen, die Beitragseinnahmen sinken, der Gesundheitssektor gerät zunehmend in eine Überforderungsfalle. Migration wäre ein rationales Gegengewicht – doch sie wird ideologisch aufgeladen, statt pragmatisch gestaltet.
Es wäre an der Zeit, über den Tellerrand zu blicken, jenseits der hektischen Debatten über Einzelmaßnahmen. Was fehlt, ist eine ehrliche Bilanz: Wo steht unser Land demografisch? Was bedeutet das für Unternehmen, Sozialsysteme, Bildungswesen, Infrastrukturen? Wer jetzt handelt, wird gestalten. Wer nur reagiert, wird getrieben.
Für Unternehmer bedeutet dies: Demografie ist kein abstrakter Begriff, sondern eine hochkonkrete Planungsgröße. Wer nicht weiß, wie viele Menschen es morgen in seiner Zielgruppe noch gibt, läuft ins Leere. Wer nicht erkennt, dass eine alternde Gesellschaft auch veränderte Nachfragen mit sich bringt – nach Produkten, nach Dienstleistungen, nach medizinischer Versorgung –, wird überholt.
Wir brauchen Mut zur strategischen Perspektive. Und wir brauchen die Einsicht, dass es nicht reicht, auf das nächste Gesetz oder die nächste Reform zu warten. Die Struktur unseres Landes verändert sich – und nur wer das erkennt, wird erfolgreich sein.
Blitzer-Rohdaten, Beweisverwertung, BGH-Entscheidung
Ein Fall aus dem Saarland stellt das System der Geschwindigkeitsmessung infrage
Während Autofahrer bundesweit bei Tempokontrollen zunehmend auf digitale Präzision treffen, spitzt sich in der Justiz ein Konflikt um deren rechtliche Verwertbarkeit zu. Im Zentrum steht ein Verfahren aus dem Saarland, das der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe jetzt prüfen muss. Es geht um eine zentrale Frage: Darf ein Autofahrer allein auf Basis eines Blitzer-Messergebnisses verurteilt werden, wenn die bei der Messung generierten Rohdaten nicht gespeichert wurden? Die Auswirkungen könnten bundesweit sein – und das gesamte System der Verkehrsüberwachung in seinen Grundfesten erschüttern.
Hintergrund ist ein Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) vom 10. April 2025. Demnach sieht das Gericht in der fehlenden Speicherung der bei einer Geschwindigkeitsmessung erzeugten Rohdaten eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren. Die Folge: Im Saarland dürfen Betroffene nicht allein aufgrund des Messwertes verurteilt werden, wenn die Rohdaten fehlen – eine Situation, die in anderen Bundesländern völlig anders gehandhabt wird. Denn dort gelten die Ergebnisse sogenannter standardisierter Messverfahren in aller Regel als gerichtsfest, selbst wenn keine Rohdaten mehr verfügbar sind.
Die Wurzel der saarländischen Sonderstellung liegt in einem Urteil des dortigen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2019. Damals wurde entschieden, dass eine wirksame Verteidigung eines Betroffenen gegen den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht möglich sei, wenn die technischen Messdaten nicht gespeichert werden und somit eine nachträgliche Überprüfung ausgeschlossen ist. Anders ausgedrückt: Ohne Rohdaten keine Verteidigung, ohne Verteidigung kein faires Verfahren – und damit kein gültiges Urteil.
Während sich die saarländischen Instanzgerichte an dieses verfassungsrechtliche Verdikt gebunden sehen, lehnen andere Oberlandesgerichte eine solche Verpflichtung bislang ab. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2023, wonach es keine generelle Pflicht zur Speicherung von Rohmessdaten gebe, hat diesen Dissens nicht aufgelöst – im Gegenteil. Er hat ihn weiter verschärft. In der Praxis bedeutet dies eine massive Ungleichbehandlung: Was in Bayern zur Verurteilung führt, könnte im Saarland zur Einstellung des Verfahrens führen.
Um diesen Flickenteppich in der Rechtsprechung aufzulösen, hat das Saarländische OLG nun den BGH angerufen. Es geht um den Fall eines Autofahrers, der wegen angeblicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt wurde, obwohl keine Rohdaten gespeichert worden waren. Die Verteidigung argumentiert, dass dem Betroffenen dadurch keine Möglichkeit gegeben worden sei, die Richtigkeit der Messung selbstständig oder durch einen Sachverständigen zu überprüfen. Das OLG teilt diese Bedenken – und verweigert die einfache Bestätigung des Urteils. Stattdessen ruft es den BGH an und bittet um eine grundsätzliche Klärung.
Die Karlsruher Richter stehen nun vor einer schwierigen Entscheidung. Bestätigen sie die Linie des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs, könnten sie die bundesweite Messpraxis grundlegend verändern. Denn derzeit arbeiten viele Blitzersysteme ohne dauerhafte Rohdatenspeicherung. Vor allem mobile Geräte sind oft so konzipiert, dass sie lediglich das Endergebnis liefern – aber nicht die Rohdaten, aus denen sich dieses ableiten lässt. Eine solche Entscheidung würde also nicht nur juristische, sondern auch technische und wirtschaftliche Folgen haben.
Andererseits steht dem der Anspruch der Justiz auf Verlässlichkeit und Praktikabilität gegenüber. Würde man sämtliche Geschwindigkeitsmessungen auf ihre vollständige Nachprüfbarkeit verpflichten, könnten zahllose Bußgeldverfahren ins Wanken geraten. Auch die oft bemühte Annahme des sogenannten standardisierten Messverfahrens – also die pauschale Annahme, dass ein ordnungsgemäß geeichtes Gerät ein korrektes Messergebnis liefert – würde damit erheblich an Gewicht verlieren.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung 2023 noch zurückgehalten, die fehlende Speicherung als verfassungswidrig einzustufen. Es verwies auf die Fachgerichte, die im Einzelfall zu prüfen hätten, ob ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren vorliege. Der aktuelle Vorlagebeschluss des OLG Saarbrücken hebt nun aber gerade diese Einzelfallprüfung auf ein neues Niveau. Es zwingt den BGH zur Klarstellung: Gilt der Grundsatz der Nachprüfbarkeit künftig bundesweit – oder bleibt er ein saarländisches Sonderrecht?
Die Auswirkungen eines solchen Urteils wären kaum zu überschätzen. Allein der Blitzer-Marathon zu Ostern 2025 hatte zehntausende Fälle von Geschwindigkeitsverstößen dokumentiert. Die betroffenen Fahrer könnten im Falle einer Entscheidung zugunsten der saarländischen Linie auf neue Verteidigungsmöglichkeiten hoffen – oder gar auf Verfahrenseinstellungen. Gleichzeitig müsste der Staat entweder auf speicherfähigere Systeme umstellen oder alternative Kontrollmethoden entwickeln. Schon jetzt warnen Juristen vor einem drohenden Kollaps der Ordnungswidrigkeitenverfahren.
In den betroffenen Amtsgerichten, Bußgeldstellen und Behörden wächst die Unsicherheit. Einige Verfahren wurden bereits ausgesetzt, andere werden mit dem Hinweis auf die ausstehende Entscheidung des BGH geführt. Selbst unter Richtern herrscht keine Einigkeit: Während einige auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verweisen und das fehlende Datenmaterial als unschädlich bewerten, sehen andere in der vollständigen Überprüfbarkeit einen nicht verhandelbaren rechtsstaatlichen Standard.
Ob der BGH dem folgt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Klar ist nur: Der Streit um Blitzer-Rohdaten ist längst mehr als eine technische Spitzfindigkeit – er ist ein Testfall für das rechtsstaatliche Fundament im digitalen Zeitalter.
Der Rechtsstaat zeigt sich nicht in der Effizienz seiner Bußgeldverfahren, sondern in der Unerschütterlichkeit seiner Prinzipien. Der aktuelle Streit um die Speicherung von Rohdaten bei Geschwindigkeitsmessungen ist ein Paradebeispiel für diesen Grundsatz – und gleichzeitig eine Mahnung an Politik, Justiz und Verwaltung, digitale Technik nicht zum blinden Erfüllungsgehilfen bürokratischer Vereinfachung zu machen.
Im Zentrum steht die schlichte, aber fundamentale Frage: Muss ein Verfahren überprüfbar sein, um rechtmäßig zu sein? Die Antwort darauf kann nur ein klares Ja sein. Wer dem Staat das Recht einräumt, auf Basis technischer Messungen Bußgelder zu verhängen, Punkte zu vergeben oder gar Fahrverbote auszusprechen, der muss auch sicherstellen, dass diese Messungen überprüfbar sind. Alles andere wäre ein rechtsstaatlicher Offenbarungseid.
Dass der Saarländische Verfassungsgerichtshof diesen Punkt so entschieden aufgegriffen hat, ist ein Glücksfall für die verfassungsrechtliche Kultur dieses Landes. Es zeigt, dass föderale Strukturen nicht nur Ballast, sondern auch Korrektiv sein können. Denn während viele Bundesländer auf die Praktikabilität des standardisierten Messverfahrens vertrauen, erinnert das Saarland daran, dass Technik nur so gut ist wie ihre Überprüfbarkeit – und dass Transparenz keine technische Option, sondern ein rechtsstaatliches Muss ist.
Die Kritik an dieser Haltung ist oft von Pragmatismus getrieben: Man könne doch nicht alle Verfahren platzen lassen, weil ein Messgerät keine Rohdaten speichert. Doch dieser Einwand zielt ins Leere. Denn genau diese Haltung hat in der Vergangenheit immer wieder zu rechtsstaatlichen Erosionsprozessen geführt – sei es beim Einsatz von Überwachungstechnologien, bei algorithmischer Entscheidungsunterstützung oder eben im Verkehrsrecht. Die Messlatte für staatliches Handeln darf nicht das technisch Mögliche sein, sondern das rechtlich Gebotene.
Der BGH steht jetzt vor einer historischen Entscheidung. Er kann entweder das Fundament des Rechts auf ein faires Verfahren stärken – oder dem Verwaltungspraktiker das letzte Wort über die Ausgestaltung rechtsstaatlicher Standards überlassen. Die Vorlage des OLG Saarbrücken ist daher nicht nur ein juristischer Fall, sondern ein Prüfstein für die Zukunft des Verfahrensrechts im digitalen Staat. Es geht um mehr als um Tempolimits – es geht um Recht und Gerechtigkeit.
Familien unter Druck, Kinder ohne Platz
Was junge Eltern wirklich brauchen, wenn der Staat versagt
Elternschaft beginnt nicht erst mit der Geburt eines Kindes, sondern mit der Verantwortung, die werdende Eltern bereit sind zu übernehmen – gesundheitlich, finanziell, emotional. Doch in einem sozialen Klima wachsender Unsicherheiten und bürokratischer Hürden wird das sichere Aufwachsen von Kindern zunehmend zur Herausforderung. Frühförderung, Präventionsmedizin, sichere Wohnräume und stabile wirtschaftliche Verhältnisse sind keine Selbstverständlichkeiten mehr, sondern errungene Schutzräume, die politisch, gesellschaftlich und individuell verteidigt werden müssen.
Insbesondere Familien mit Kleinkindern stehen im Fokus sozialer Fehlentwicklungen: Steigende Kinderarmut, mangelnde Versorgung mit Hebammenleistungen, fehlende Kitaplätze und lange Wartezeiten in der kinderärztlichen Versorgung werfen Schatten auf das gesellschaftliche Ideal der „familienfreundlichen Nation“. Zwar gibt es auf Bundes- und Länderebene zahlreiche Unterstützungsprogramme – von Elterngeld über Frühe Hilfen bis hin zu kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen – doch in der Realität zeigen sich oft Lücken im Zugang, in der Qualität oder in der Kontinuität.
Ein wachsendes Problem sind psychische Belastungen bei jungen Familien. Postnatale Depression, Überforderung im Alltag, soziale Isolation – viele Eltern fühlen sich in entscheidenden Phasen alleingelassen. Während Kinderärzte überlaufen sind und das Gesundheitssystem ächzt, zeigen Studien, dass eine enge Betreuung und präventive Maßnahmen wie Hausbesuche, Eltern-Kind-Gruppen oder interdisziplinäre Familienzentren nachhaltige Effekte auf Gesundheit und Bindung haben.
Auch die Frage nach finanzieller Sicherheit ist zentral: Inflation, Mietdruck und explodierende Energiekosten treffen besonders Familien, die in der Übergangsphase zwischen Elterngeldbezug, Teilzeitjob und Berufsrückkehr ihre Existenz absichern müssen. Der Kinderzuschlag, das Bürgergeld oder steuerliche Freibeträge greifen oft zu spät oder erreichen nicht die Haushalte mit akutem Bedarf. Gleichzeitig zeigt sich in den Sozialdaten: Je stabiler das familiäre Umfeld, desto gesünder entwickeln sich Kinder – körperlich wie psychisch.
Eine moderne Familienpolitik muss daher mehr sein als Symbolpolitik. Sie muss garantieren, dass jedes Kind unabhängig von Herkunft oder Einkommen das Recht auf geschützte Entwicklung, frühzeitige Förderung und medizinische Grundversorgung hat. Und sie muss Eltern entlasten – nicht mit Worten, sondern mit verlässlichen Strukturen, die mitwachsen, wenn Familien wachsen.
Ein sicherer Start ins Leben darf kein Luxus sein. Doch genau darauf läuft es hinaus, wenn sich soziale Absicherung und kindgerechte Versorgung zunehmend in die Mittelschicht zurückziehen. Der Anspruch, dass jedes Kind in Deutschland in guten Händen aufwachsen kann, scheitert nicht an der Erkenntnis, sondern am politischen Willen, diese Erkenntnis in verbindliche Infrastruktur zu übersetzen.
Was fehlt, ist nicht Einsicht, sondern Verbindlichkeit. Familien brauchen keine Alibiprogramme mit Stichtagsregelungen und Zugangsbarrieren, sondern flächendeckende Netzwerke aus Beratung, Prävention und Versorgung. Kindergesundheit beginnt nicht in der Notaufnahme, sondern in der Schwangerschaft, in einer Wohnung ohne Schimmel, in einer Kita mit genug Personal, in einer Grundschule mit psychosozialer Betreuung.
Der Staat muss Eltern ermöglichen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Bindung, Nähe, Vertrauen. Das gelingt nur, wenn wirtschaftliche Existenzangst, Versorgungsengpässe und psychische Überforderung nicht zum Alltag gehören. Wer es ernst meint mit Kinderschutz, muss Familie als Systemdenken – und endlich aufhören, sie als Privatsache zu behandeln.
DocMorris verliert vor Landgericht Freiburg
25-Euro-Einlösebonus für E-Rezept gilt als rechtlich unzulässig
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 27. Februar 2025 eine neue Leitplanke im Spannungsfeld zwischen Heilmittelwerberecht und Digitalmarketing gesetzt. Er stellte klar, dass Apotheken Gutscheine bei der Rezepteinlösung für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel nur dann anbieten dürfen, wenn diese nicht den Verbrauch solcher Produkte fördern. Im Zentrum der rechtlichen Debatte steht dabei das Werbeverhalten von DocMorris, einem der bekanntesten Akteure im Versandapothekenmarkt.
Kurz nach dem EuGH-Urteil entbrannte eine juristische Auseinandersetzung über ein bereits zuvor gestartetes Rabattangebot des Unternehmens: DocMorris hatte Anfang des Jahres per E-Mail einen 25-Euro-Sofortrabatt für die erste Einlösung eines E-Rezepts in der firmeneigenen App beworben. Die Apothekerkammer Nordrhein, vertreten durch den spezialisierten Wettbewerbsrechtler Dr. Morton Douglas, beantragte vor dem Landgericht Freiburg eine einstweilige Verfügung gegen dieses Angebot. Die Argumentation: Auch dieser Rabatt animiere gezielt zum Mehrgebrauch rezeptfreier Arzneimittel und verstoße damit gegen die Vorgaben des Heilmittelwerbegesetzes in Verbindung mit der neuen EuGH-Rechtsprechung.
DocMorris hingegen verwies darauf, dass es sich beim Angebot nicht um einen Gutschein für spätere Käufe handle, sondern um einen direkten Preisnachlass im Rahmen einer erstmaligen Einlösung. Solche Rabatte seien nach § 7 HWG durchaus zulässig und dienten der Verbraucherbindung, nicht dem Arzneimittelkonsum.
Am 4. April 2025 entschied die Kammer für Handelssachen am Landgericht Freiburg jedoch gegen die Sichtweise von DocMorris (Az.: 12 O 9/25 KfH). Das Gericht folgte der Argumentation der Kammer Nordrhein und stellte in seiner Entscheidung erstmals auf nationaler Ebene einen Zusammenhang zwischen der EuGH-Entscheidung und konkreter Rabattausgestaltung her. Der gewährte Sofortrabatt verstoße, so das Urteil, gegen das Ziel, den gesundheitsbezogenen Konsum nicht durch finanzielle Anreize zu beeinflussen. Damit werde das Urteil des EuGH sinngemäß auf nationale Sachverhalte übertragen – obwohl der Bundesgerichtshof zu dieser Frage noch keine abschließende Entscheidung getroffen hat.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann durch Berufung angefochten werden. Dennoch setzt es ein deutliches Signal an den gesamten Markt, dass auch einmalige Sofortrabatte im Rahmen der E-Rezept-Einlösung unter heilmittelwerberechtlichen Gesichtspunkten als problematisch eingestuft werden können. Gerade weil DocMorris durch digitale Angebote und aggressive Kundenansprache Marktanteile gewinnen will, wird die weitere juristische Entwicklung mit Spannung erwartet – nicht zuletzt, weil auch andere Versand- und Präsenzapotheken über vergleichbare Werbemaßnahmen nachdenken.
Die Entscheidung des Landgerichts Freiburg markiert einen ersten konkreten Richtungsentscheid für das digitale Apothekenmarketing unter dem Einfluss europäischer Rechtsprechung. Auch wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, entfaltet sie bereits präventive Wirkung. Sie zeigt, dass die Gerichte willens sind, gesundheitsrechtliche Leitlinien restriktiv auszulegen, wenn finanzielle Anreize den Arzneimittelkonsum beeinflussen könnten – selbst dann, wenn diese nur im Rahmen einer Erstnutzung angeboten werden.
DocMorris argumentiert mit dem Instrument des Sofortrabatts – ein juristisches Feintuning, das in der Praxis nicht mehr zwischen Preisnachlass und Konsumanreiz unterscheidbar bleibt. Die Vorstellung, dass ein 25-Euro-Geschenk bei der ersten E-Rezept-Einlösung keinen Einfluss auf das Verbraucherverhalten hat, wirkt geradezu naiv oder bewusst formalistisch. Denn in einem Gesundheitssystem, in dem Arzneimittelsicherheit, Therapietreue und Wirtschaftlichkeit als Einheit gedacht werden sollen, bleibt kaum Raum für Rabattschlupflöcher.
Die Apothekerkammer Nordrhein hat mit ihrer Initiative nicht nur einen juristischen Präzedenzfall geschaffen, sondern ein inhaltliches Gegengewicht zu einem zunehmend entgrenzten Gesundheitsmarkt gesetzt. Die Frage ist nun, ob sich andere Kammern und auch der Bundesgerichtshof dem Kurs anschließen – oder ob eine liberalere Lesart Einzug hält, die digitale Werbeformen im Namen der Modernisierung großzügiger interpretiert. Solange aber der Patientenschutz als Primat des Heilmittelwerbegesetzes gilt, bleiben auch Einmalrabatte auf dünnem Eis.
Union setzt auf Wissenschaft und Wandel im Ausschuss Gesundheit
CDU formiert Team mit Borchardt und Streeck für gesundheitspolitische Kurskorrektur
Die CDU hat ihr gesundheitspolitisches Team im Bundestag neu aufgestellt. Nachdem Simone Borchardt bereits zur gesundheitspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion ernannt wurde, ist nun auch die vollständige Besetzung der CDU im Gesundheitsausschuss bekannt. Zehn Abgeordnete vertreten künftig die Partei im Ausschuss, darunter mit dem Virologen Hendrick Streeck ein prominenter Neuzugang. Die CDU setzt damit auf eine personelle Neuausrichtung, nachdem mehrere bisherige Ausschussmitglieder wie Tino Sorge und Georg Kippels in das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gewechselt sind.
Borchardt, die Sorge als Sprecherin nachfolgt, wird künftig auf ein stark verändertes Team setzen müssen. Nur Anne Janssen und Axel Müller bleiben aus der vergangenen Legislatur als ordentliche Mitglieder erhalten. Mit Sascha van Beek, Matthias Hiller, Thomas Pauls, Axel Knoerig, Sebastian Schmidt, Maria-Lena Weiss und Streeck rücken gleich mehrere neue oder bislang stellvertretende Kräfte ins Zentrum der gesundheitspolitischen Entscheidungsfindung der CDU. Drei weitere Sitze im Gesundheitsausschuss entfallen auf die CSU, deren Personalien jedoch getrennt geführt werden.
Auffällig ist die thematische Bandbreite der neuen CDU-Vertreter – von Kommunalpolitikern über erfahrene Landesparlamentarier bis hin zu einem international bekannten Wissenschaftler. Streeck dürfte dabei nicht nur wegen seiner Fachkompetenz in Fragen der Infektiologie besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern auch als Stimme wissenschaftsnaher Politik innerhalb der Union neue Akzente setzen.
Mit dem personellen Umbau verfolgt die CDU im Bundestag offenbar das Ziel, ihre gesundheitspolitische Handschrift neu zu schärfen. Angesichts anhaltender Debatten um Klinikreformen, Arzneimittelversorgung, Prävention und Digitalisierung steht das neue Team unter Beobachtung – sowohl von Fachkreisen als auch von der eigenen Parteibasis. Ob es gelingt, neue inhaltliche Impulse zu setzen, bleibt abzuwarten.
Die CDU hat ihre gesundheitspolitische Mannschaft sichtbar umgebaut – und sie sendet damit ein deutliches Signal. Die Berufung von Hendrick Streeck in den Gesundheitsausschuss ist nicht weniger als ein politisches Statement: Kompetenz soll künftig stärker sichtbar sein, Wissenschaftsnähe ersetzt parteiinternes Verwaltungskalkül. Dass mit Simone Borchardt eine profilierte Sozialpolitikerin aus Mecklenburg-Vorpommern die Sprecherrolle übernimmt, verleiht dem Team zugleich eine pragmatische Bodenhaftung.
Nach Jahren der Kontinuität unter Tino Sorge und Georg Kippels markiert die Neuaufstellung auch eine Abkehr von der klassischen Funktionärsaufstellung. Dass sich unter den Neuen Namen wie van Beek, Hiller oder Pauls finden, zeigt, wie breit die Partei ihr Spektrum aufstellen will – regional wie fachlich. Doch damit steigen auch die Erwartungen. Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind akut: eine angeschlagene Krankenhausstruktur, chronisch unterfinanzierte Versorgung und stockende Digitalisierungsprozesse erfordern nicht nur neue Gesichter, sondern mutige Inhalte.
Wenn die CDU nicht länger nur reagieren, sondern wieder mitprägen will, muss das neue Team über Ausschussarbeit hinaus politisch durchdringen. Der Weg dahin beginnt mit klaren Positionen – und endet nicht bei Personalien.
24-Stunden-Messung bleibt Standard, Smartwatches liefern Ergänzungen, Präzision entscheidet
Neue Technik für den Blutdruck – doch valide Diagnostik braucht verlässliche Geräte
Die 24-Stunden-Blutdruckmessung gilt als Goldstandard zur Diagnose und Verlaufskontrolle der arteriellen Hypertonie. Sie erlaubt es, die natürlichen tageszeitlichen Schwankungen zu erfassen und somit zwischen dauerhaft erhöhtem Blutdruck, Weißkittelhypertonie und nächtlicher Normotonie zu unterscheiden. Traditionell erfolgt die Messung mit einem tragbaren Gerät, das über eine Oberarmmanschette tagsüber alle 15 bis 30 Minuten und nachts alle 30 bis 60 Minuten automatisch misst. Doch mit dem technischen Fortschritt rücken nun auch kontinuierlich messende Geräte wie smarte Blutdrucksensoren, Fitnessuhren oder optoelektronische Pflaster in den Fokus. Die Frage ist: Ersetzen sie den bisherigen Standard – oder ergänzen sie ihn nur?
Mediziner warnen vor zu großen Erwartungen. Während die klassische Langzeitmessung validiert, verlässlich und kassenärztlich abrechenbar ist, erfüllen viele smarte Alternativen bislang nicht die Anforderungen für eine klinische Bewertung. Sie liefern zwar dichte Datenreihen und ermöglichen individuelle Trendbeobachtungen, doch es fehlt oft an standardisierter Kalibrierung, ausreichender Genauigkeit und der Fähigkeit, auch unter Bewegung oder nachts konsistent zu messen. Studien weisen auf erhebliche Messabweichungen hin – vor allem bei starkem Armumfang, Bewegung oder unregelmäßigem Herzrhythmus. Besonders die in Smartwatches verbauten optischen Sensoren zeigen laut Kardiologen in der Praxis erhebliche Abweichungen von den Referenzwerten der Manschettentechnik.
Trotz dieser Einschränkungen gewinnen neue Messformen an Popularität. Patienten schätzen den höheren Tragekomfort, die ununterbrochene Aufzeichnung und die diskrete Handhabung. Auch Ärzte erkennen den Zusatznutzen – etwa bei der Therapieüberwachung oder bei der Identifikation stressabhängiger Blutdruckanstiege. In der klinischen Praxis behalten aber Geräte mit validierter Manschettentechnologie weiterhin die Oberhand. Für die Langzeitdiagnostik bleibt die Kombination aus Regelmessung und individueller Lebenssituation der Maßstab – mit klarem Fokus auf Nachvollziehbarkeit, Standardisierung und medizinischer Aussagekraft.
Die Begeisterung über smarte Gesundheitsgadgets ist groß – doch sie darf nicht über medizinische Standards hinwegtrösten. Die zunehmende Selbstvermessung in Form von Wearables liefert zwar beeindruckende Datenmengen, aber keine belastbaren medizinischen Diagnosen. Wer eine Hypertonie sicher ausschließen oder therapieren will, braucht valide Daten – keine Spielerei. In der 24-Stunden-Blutdruckmessung ist die klassische Oberarmmanschette aus gutem Grund das Maß der Dinge: reproduzierbar, vergleichbar, standardisiert. Innovationen sind willkommen, aber sie müssen die klinischen Hürden auch nehmen – und das tun sie bislang nur selten. Eine medizinisch relevante Technik darf nicht am Lifestyle scheitern. Erst wenn Smartwatches in randomisierten Studien bestehen und als Medizinprodukt zugelassen werden, verdienen sie ihren Platz neben der klassischen Diagnostik. Bis dahin gilt: Fortschritt ja, aber bitte mit Verantwortung.
Delgocitinib schlägt Alitretinoin bei Handekzem
Topische JAK-Hemmung zeigt bessere Wirksamkeit und weniger Nebenwirkungen
Ein topischer Wirkstoff schlägt die systemische Therapie: Neue Studiendaten zur Behandlung des schweren chronischen Handekzems zeigen, dass die lokal angewendete Delgocitinib-Creme (Anzupgo®) dem bislang etablierten oralen Alitretinoin hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit überlegen ist. Die Ergebnisse der multizentrischen, randomisierten DELTA-FORCE-Studie wurden kürzlich im Fachjournal Lancet publiziert und markieren einen potenziellen Paradigmenwechsel in der Therapie des schwer behandelbaren Handekzems.
Die Studie umfasste rund 500 Erwachsene mit mittelschwerem bis schwerem chronischem Handekzem, das nicht ausreichend auf topische Glucocorticoide ansprach oder bei denen diese kontraindiziert waren. Die Patienten wurden per Zufall in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe erhielt zweimal täglich eine topische Behandlung mit Delgocitinib-Creme 20 mg/g, die andere einmal täglich 30 mg Alitretinoin oral. Über den Zeitraum von zwölf Wochen wurde die Veränderung des HECSI-Werts (Hand Eczema Severity Index) als primärer Endpunkt herangezogen.
Die Auswertung ergab, dass die Delgocitinib-Gruppe eine signifikant stärkere Besserung erzielte als die Vergleichsgruppe unter Alitretinoin. Der mittlere Rückgang des HECSI-Scores betrug -67,6 unter Delgocitinib gegenüber -51,5 unter Alitretinoin. Noch deutlicher war der Unterschied bei den Nebenwirkungen: Während unter Delgocitinib 49 Prozent der Teilnehmenden unerwünschte Ereignisse meldeten, waren es unter Alitretinoin 76 Prozent. Insbesondere Kopfschmerzen traten unter Alitretinoin deutlich häufiger auf (32 vs. 4 Prozent), ebenso Übelkeit (6 vs. <1 Prozent). Die Verträglichkeit spricht damit klar für die topische JAK-Inhibition.
Delgocitinib ist ein pan-JAK-Hemmer, der alle vier Januskinasen (JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2) hemmt. Durch die Blockade des JAK-STAT-Signalwegs wird die inflammatorische Kaskade unterbrochen, die wesentlich zur Pathogenese des chronischen Handekzems beiträgt. Das Präparat Anzupgo® von Leo Pharma ist in Deutschland seit 2023 zugelassen für Erwachsene mit chronischem Handekzem, sofern Corticoide nicht ausreichend wirken oder ungeeignet sind.
Mit den jetzt vorliegenden Daten könnte sich Delgocitinib als neue Therapieoption für viele Patienten etablieren, denen bislang nur systemische Optionen mit problematischem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung standen. Auch aus gesundheitsökonomischer Sicht erscheint die lokale Therapie attraktiver – mit reduzierter systemischer Belastung, einfacherer Anwendung und potenziell besserer Adhärenz.
Diese Daten markieren einen wichtigen Fortschritt in der Behandlung des chronischen Handekzems, einer Erkrankung, die viele Patienten in ihrer Lebensqualität massiv einschränkt. Dass eine lokal angewendete Creme einem systemischen Retinoid wie Alitretinoin überlegen ist, stellt nicht nur die bisherige Therapielogik infrage, sondern eröffnet auch eine neue Perspektive auf entzündliche Hauterkrankungen generell. Das Sicherheitsprofil von Delgocitinib ist ein starkes Argument, gerade in der Langzeittherapie, in der systemische Retinoide häufig an Grenzen stoßen.
Besonders bedeutsam ist der Wechsel des Paradigmas: weg von systemischer Belastung, hin zu gezielter lokaler Immunmodulation. Damit könnte Delgocitinib auch ein Modell für andere chronisch-entzündliche Hauterkrankungen werden, bei denen JAK-Inhibitoren bislang vor allem oral zum Einsatz kommen. Die dermatologische Praxis steht damit vor einer strategischen Neuausrichtung, die Patienten wie Behandelnde gleichermaßen entlasten könnte.
Tirzepatid reduziert Gewicht stärker, verringert Bauchumfang, wirkt besser als Semaglutid
Studie zeigt überlegene Fettreduktion, vergleichbare Nebenwirkungen, Vorteile bei Blutdruck
In einer direkten Vergleichsstudie zweier etablierter Medikamente zur Adipositastherapie hat sich Tirzepatid als signifikant wirksamer als Semaglutid erwiesen. Die multizentrische Phase-IIIb-Studie SURMOUNT-5, durchgeführt an 751 nicht-diabetischen Probanden mit starkem Übergewicht, zeigte über 72 Wochen hinweg deutliche Unterschiede beim Gewichtsverlust, bei der Reduktion des Bauchumfangs sowie bei kardiometabolischen Parametern.
Teilnehmende, die wöchentlich Tirzepatid in einer Dosierung von 10 oder 15 mg erhielten, verloren im Schnitt 20,2 Prozent ihres Ausgangsgewichts – rund 22,8 Kilogramm. Die Vergleichsgruppe mit Semaglutid (1,7 oder 2,4 mg wöchentlich) erreichte eine Reduktion von 13,7 Prozent beziehungsweise 15 Kilogramm. Auch beim Bauchumfang lag Tirzepatid mit einer durchschnittlichen Abnahme von 18,4 Zentimetern deutlich vor Semaglutid mit 13,0 Zentimetern. Die Wahrscheinlichkeit, eine Gewichtsreduktion von mindestens 10, 15, 20 oder 25 Prozent zu erreichen, war unter Tirzepatid jeweils um den Faktor 1,3 bis 2,0 höher als unter Semaglutid.
Ein besonders bemerkenswerter Befund: 19,7 Prozent der Tirzepatid-Anwender erreichten sogar einen Verlust von mindestens 30 Prozent des Körpergewichts, während dies bei Semaglutid nur auf 6,9 Prozent zutraf. Frauen profitierten in beiden Gruppen etwas stärker als Männer.
Die Studiendaten unterstreichen die pharmakologische Besonderheit Tirzepatids. Es handelt sich um einen sogenannten Twinkretin, der sowohl den GLP-1- als auch den GIP-Rezeptor stimuliert. Diese doppelte Inkretinwirkung unterscheidet es grundlegend vom GLP-1-Agonisten Semaglutid. Vor allem GIP-Rezeptoren, die auch in Fettzellen exprimiert sind, könnten eine Schlüsselrolle bei der stärkeren Fettmobilisation spielen.
Neben der Gewichtsreduktion zeigten sich unter Tirzepatid auch metabolische Vorteile: Der systolische Blutdruck sank im Mittel um 10,2 mmHg (Semaglutid: 7,7 mmHg), auch der diastolische Blutdruck sowie die Blutzucker- und Lipidwerte verbesserten sich.
Die Verträglichkeit war insgesamt gut. In beiden Gruppen berichteten rund drei Viertel der Probanden über gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfall – vorwiegend zu Therapiebeginn. Tirzepatid führte häufiger zu Injektionsreaktionen (8,6 versus 0,3 Prozent), die Abbruchrate aufgrund unerwünschter Wirkungen lag mit 6,1 Prozent unter jener der Semaglutid-Gruppe mit 8,0 Prozent. Schwere Nebenwirkungen wurden bei 4,8 Prozent der Tirzepatid- und bei 3,5 Prozent der Semaglutid-Anwender dokumentiert, darunter ein Fall von Pankreatitis unter Semaglutid.
Die Ergebnisse der SURMOUNT-5-Studie bestätigen damit die klinische Überlegenheit von Tirzepatid gegenüber Semaglutid bei der Behandlung adipöser Patienten ohne Diabetes. Sie markieren einen bedeutenden Fortschritt in der pharmakologischen Gewichtsreduktion und deuten darauf hin, dass Twinkretin-basierte Wirkstoffe künftig eine zentrale Rolle in der Adipositastherapie spielen könnten.
Der Markt für Adipositastherapien ist in Bewegung geraten, und Tirzepatid setzt neue Maßstäbe. Die klinische Überlegenheit gegenüber Semaglutid ist mehr als ein statistisches Ergebnis – sie verweist auf eine pharmakodynamische Weiterentwicklung, die auch die Versorgungsrealität verändern könnte. Während Semaglutid mit seiner GLP-1-Mimetik als Durchbruch galt, stellt Tirzepatid mit der zusätzlichen GIP-Komponente eine neue Generation dar. Dass Patienten unter Tirzepatid durchschnittlich über 20 Prozent ihres Ausgangsgewichts verlieren, unterstreicht die potenzielle Relevanz des Medikaments weit über kosmetische Erwägungen hinaus – es geht um handfeste metabolische Risikoreduktion.
Besonders bemerkenswert ist, dass Tirzepatid seine Wirkung ohne signifikant erhöhte Nebenwirkungsrate entfaltet. Zwar sind gastrointestinale Beschwerden häufig, aber das Nebenwirkungsprofil unterscheidet sich nicht gravierend von jenem anderer Inkretin-Mimetika. Dass selbst schwere Nebenwirkungen vergleichbar selten blieben, ist ein Sicherheitsindikator, der die Anwendung in der Breite wahrscheinlicher macht.
Der klinische Vorteil muss jedoch auch regulatorisch und wirtschaftlich eingelöst werden. Noch ist unklar, wie die Kostenerstattung in verschiedenen Gesundheitssystemen erfolgt – und ob der Preisaufschlag gegenüber Semaglutid gerechtfertigt wird. Wenn jedoch metabolische Folgeerkrankungen signifikant gesenkt werden können, wäre der therapeutische Nutzen kaum zu leugnen. Für viele Patienten mit schwerer Adipositas könnte Tirzepatid nicht nur ein Hoffnungsträger sein, sondern ein echter Wendepunkt.
Trockene Augen, falscher Tränenfluss, stille Entzündung
Die Apotheke wird zur Schlüsselstelle bei Sicca-Syndrom und Office-Eye-Erkrankungen
Die Träne ist mehr als nur ein Ausdruck von Gefühlen. Sie ist essenziell für die Augengesundheit – und in ihrer Abwesenheit beginnt oft ein Teufelskreis aus Reizung, Entzündung und Sehverschlechterung. Das sogenannte Sicca-Syndrom, besser bekannt als „trockenes Auge“, ist längst keine Randerscheinung mehr, sondern betrifft Millionen Menschen in Deutschland – mit steigender Tendenz. Besonders in der Apotheke suchen Betroffene früh Rat, oft bevor ein Augenarzt konsultiert wird. Umso wichtiger ist fundiertes Wissen über Anatomie, Pathophysiologie und Prävention dieses komplexen Beschwerdebildes.
Der Tränenapparat umfasst neben den Haupt- und Nebentränendrüsen auch die ableitenden Strukturen bis hin zum Tränennasengang. Ein intaktes System produziert und verteilt Tränenflüssigkeit regelmäßig über die Augenoberfläche, unterstützt durch den Lidschlag. Der Tränenfilm besteht aus einer Mucinschicht zur Haftung, einer wässrigen Phase für Befeuchtung und einer Lipidschicht zur Stabilisierung und Verdunstungsschutz. Gerät dieses Gleichgewicht ins Wanken, droht ein Sicca-Syndrom. Die häufigste Ursache ist dabei nicht etwa ein Mangel an Tränenflüssigkeit selbst, sondern eine Störung der Lipidkomponente – meist bedingt durch eine Funktionsstörung der Meibomdrüsen.
Symptome wie brennende, rote, juckende Augen, Sandkorngefühl, morgendliche Verklebung oder verschlechterte Sehfähigkeit sollten nicht bagatellisiert werden. Vielmehr können sie auf eine entzündliche Erkrankung hinweisen, die differenzialdiagnostisch abzuklären ist. Neben Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen gelten auch äußere Einflüsse wie Klimaanlagen, Bildschirmarbeit und Tabakrauch als Risikofaktoren. Besonders bei langer Computerarbeit sinkt die Lidschlagfrequenz dramatisch – das sogenannte Office-Eye-Syndrom wird zum Volksleiden.
Die aktuelle Leitlinie der Augenärzte differenziert zwischen einer hyposekretorischen, einer hyperevaporativen und einer kombinierten Form des trockenen Auges. Bei der häufigeren hyperevaporativen Form ist der Lipidfilm gestört – die Tränen verdunsten schneller, obwohl die Produktion intakt ist. Paradoxerweise reagieren Betroffene häufig mit vermehrtem Tränenfluss – jedoch fehlt den Tränen die nötige Stabilität durch Lipide. In der Folge sind die Augen ungeschützt, entzündet und überempfindlich.
Die Apotheke kann im Rahmen der Selbstmedikation bei leichten Fällen wichtige Hilfestellung leisten: Künstliche Tränen, konservierungsmittelfreie Augentropfen, warme Kompressen zur Anregung der Meibomdrüsen, Tipps für die Bildschirmarbeit und Hinweise zur Ernährung können helfen. Doch auch Risiken wie die Nebenwirkungen von Medikamenten – insbesondere Betablocker und konservierungshaltige Tropfen – dürfen nicht übersehen werden. Entscheidend bleibt der Hinweis auf die augenärztliche Kontrolle, denn bei entzündlichen Prozessen, Lidanomalien oder chronischer Symptomatik ist eine weiterführende Diagnostik unerlässlich.
Das Sicca-Syndrom ist das Ergebnis eines allmählichen Funktionsverlusts eines fein ausbalancierten Systems – oft befördert durch moderne Lebensumstände, die dem Auge alles abverlangen, aber wenig bieten. Zu selten wird erkannt, dass das Problem weniger in der wässrigen Phase liegt, sondern im schleichenden Versagen der Lipidproduktion. Dass Betroffene auf dieses Ungleichgewicht oft mit tränenden Augen reagieren, verstärkt die Verwirrung – und führt nicht selten zu Fehleinschätzungen oder falscher Selbstbehandlung.
Gerade in der Apotheke muss die Beratung über die reine Abgabe von Tropfen hinausgehen. Die Funktionsweise des Tränenfilms, die Risikofaktoren und vor allem die entzündliche Komponente des trockenen Auges müssen verständlich erklärt werden. Denn die medizinische Sichtweise hat sich gewandelt: Nicht das „trockene“, sondern das „entzündete“ Auge steht im Fokus. Damit erhält auch die Apotheke eine neue Rolle – nicht nur als Versorgerin, sondern als aufklärende Instanz in der Früherkennung und in der gezielten Begleitung der Patienten.
Studie zeigt Alzheimer-Schutz durch Antidiabetika
GLP-1-RA und SGLT2-I senken laut US-Daten das Demenzrisiko deutlich
Eine neue Auswertung aus den USA gibt Hinweise darauf, dass bestimmte Antidiabetika wie GLP-1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Inhibitoren das Risiko einer Alzheimer-Demenz senken könnten. Grundlage ist eine Zielversuchsemulationsstudie, bei der mit retrospektiven Daten eine randomisierte Studie simuliert wurde. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) zeigt sich interessiert, mahnt aber zur wissenschaftlichen Vorsicht. Die in „JAMA Neurology“ veröffentlichten Ergebnisse basieren auf der Langzeitbeobachtung von über 90.000 Menschen mit Typ-2-Diabetes im Alter über 50 Jahren. Bei Studieneinschluss lagen keine Anzeichen für eine Alzheimer-Erkrankung vor.
In drei Kohorten wurden Wirkungen verglichen: Patienten, die mit GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid oder Dulaglutid behandelt wurden, zeigten ein signifikant niedrigeres Risiko für Alzheimer als Patienten unter anderen blutzuckersenkenden Medikamenten. Ähnliches ergab sich für SGLT2-Inhibitoren wie Empagliflozin und Dapagliflozin. Zwischen den beiden Wirkstoffklassen selbst zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Schutzeffekt. Eine parallel veröffentlichte Metaanalyse unterstreicht jedoch die größere Evidenz für GLP-1-RA bei der Demenzprävention.
Die Mechanismen sind bislang unklar. DGN-Pressesprecher Prof. Dr. Peter Berlit verweist auf die mögliche Hemmung neuroinflammatorischer Prozesse sowie eine Verbesserung der Gefäßfunktion. Beides könne das Alzheimer-Risiko beeinflussen. Dennoch sei Zurückhaltung geboten: Die Studien basieren nicht auf randomisierten klinischen Studien, sondern auf Beobachtungsdaten. Daher seien die Erkenntnisse zunächst nur hypothetisch und nicht in Therapieempfehlungen überführbar.
Aktuell laufen mehrere Phase-III-Studien zur Langzeitwirkung von GLP-1-RA auf das Demenzrisiko. Solange deren Ergebnisse nicht vorliegen, warnt Berlit vor voreiligen Rückschlüssen. Zudem sei nicht geklärt, wie sich Gewichtsschwankungen im höheren Alter auf das Risiko auswirken. Gerade GLP-1-RA, die als „Abnehmspritzen“ eingesetzt werden, führen bei Absetzen häufig zu Gewichtszunahme, wenn keine nachhaltige Lebensstiländerung erfolgt.
Die DGN empfiehlt zur Demenzprävention primär bewährte Maßnahmen: regelmäßige Bewegung, ausgewogene Ernährung, soziale Aktivität sowie die Behandlung von Hör- und Sehdefiziten. Diese Interventionen könnten laut Studien das Risiko um bis zu 45 Prozent senken – ganz ohne medikamentöse Risiken.
Die aktuellen Daten zur potenziellen Schutzwirkung von GLP-1-RA und SGLT2-I gegenüber Alzheimer-Demenz verdeutlichen, wie rasant sich unser Verständnis für neurodegenerative Erkrankungen wandelt. Was einst reine Stoffwechseltherapie war, gerät nun in den Fokus neurologischer Prävention. Dennoch bleibt kritische Zurückhaltung geboten. Die Hoffnung auf eine medikamentöse Alzheimer-Prophylaxe ist verständlich, aber retrospektive Analysen können keine klinischen Empfehlungen ersetzen. Solange randomisierte Daten fehlen, dürfen GLP-1-RA und SGLT2-I nicht als Wundermittel gegen Demenz dargestellt werden – schon gar nicht in der breiten Bevölkerung.
Zumal sich viele Fragen stellen: Was passiert bei Absetzen der Medikamente? Ist der Schutzeffekt unabhängig vom Gewicht? Und sind mögliche Langzeitrisiken wie Pankreatitis oder Sehstörungen vernachlässigbar? Bis Antworten vorliegen, gilt: Der Königsweg zur Demenzprävention bleibt ein gesunder Lebensstil. Prävention braucht keine Spritze, sondern Aufklärung, Struktur und Zeit – Ressourcen, die im heutigen Gesundheitssystem leider häufig fehlen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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