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  • 13.05.2025 – Apotheken-News: Gesundheitsversorgung zwischen Pflicht und Politik
    13.05.2025 – Apotheken-News: Gesundheitsversorgung zwischen Pflicht und Politik
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Ein Apotheker ohne Nachfolger, globale Preisreformen aus den USA, politische Neubesetzungen im Gesundheitsausschuss und psychische Krisen ...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Gesundheitsversorgung zwischen Pflicht und Politik

 

Wie Apotheker, Kassen und Parteien an der Grenze operieren

Ein Apotheker in Dresden arbeitet ohne Gehalt, weil kein Käufer für seine Offizin gefunden wird. Die US-Regierung drängt unterdessen auf internationale Preisbegrenzungen für Medikamente, was deutsche Hersteller und globale Versorgungsketten gleichermaßen bedroht. Gleichzeitig versucht die SPD, mit einer neu aufgestellten Delegation im Gesundheitsausschuss gestalterische Kompetenz zu beweisen, während Krankenkassen mit milliardenschweren Zwangsrabattforderungen an die Politik herantreten. Und im Hintergrund verändert sich auch die Wahrnehmung der Offizin: Apotheken werden zunehmend zu Brennpunkten psychischer Krisen, weil Patientinnen und Patienten mit Panik, Suizidgedanken oder akuten psychotischen Schüben zuerst dort Rat suchen. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verschiebungen zeigen sich exemplarisch am Mikrokosmos der Arzneimittelversorgung – und verlangen mehr als operative Flickschusterei. Diese Ausarbeitung verbindet Akteursgeschichten mit Systemanalysen und zeigt, wo das Gesundheitssystem strukturell unter Spannung steht.


Bertram Spiegler steht jeden Morgen in seiner Carus-Apotheke in Dresden, pünktlich, zuverlässig, ohne Gehalt. Er ist 68 Jahre alt, hat sein Leben in den Dienst der Arzneimittelversorgung gestellt und wollte sich nach drei Jahrzehnten in den Ruhestand zurückziehen. Doch es fand sich kein Nachfolger. Gespräche gab es viele, Interesse auch, aber Zusagen blieben aus. Die Offizin liegt direkt neben dem Universitätsklinikum, einem eigentlich attraktiven Standort. Trotzdem: Der Markt spielt nicht mit. Und so arbeitet Spiegler weiter – unbezahlt, aber nicht aus Pflichtgefühl allein. Für seine Angestellten, die er übertariflich bezahlt, für die Patientinnen und Patienten, für den Fortbestand einer Institution, die offenbar nur noch am Idealismus ihres Inhabers hängt. Es ist eine stille, eindrucksvolle Geschichte – und zugleich ein exemplarischer Fall für die Zerreißproben, denen das deutsche Gesundheitswesen heute ausgesetzt ist.

Während einzelne Apotheker um das nackte Überleben ihrer Betriebe kämpfen, rücken globale Dynamiken die Branche zusätzlich unter Druck. Die US-Regierung unter Donald Trump hat angekündigt, verschreibungspflichtige Medikamente künftig einer strikten Preisbindung zu unterwerfen. Die Maßnahme soll sich an den niedrigsten internationalen Referenzpreisen orientieren – ein drastischer Eingriff in bestehende Marktstrukturen. Trump preist das Vorhaben als Revolution zugunsten der amerikanischen Patienten. In Deutschland schrillen die Alarmglocken. Die Pharmabranche warnt vor einer Kettenreaktion: Wenn die USA ihre Marktpreise an Ländern wie Kanada oder Deutschland ausrichten, sinkt der Spielraum für forschungsbasierte Unternehmen. Investitionen drohen zu stocken, Produktionsverlagerungen werden wahrscheinlicher, ganze Lieferketten könnten ins Wanken geraten. Schon heute zeigen sich erste Engpässe bei Wirkstoffen, deren Herstellung längst aus Kostengründen ins außereuropäische Ausland ausgelagert wurde. Die neue US-Politik könnte das Gleichgewicht endgültig zerstören – mit Folgen bis in die Versorgung deutscher Apotheken hinein.

Diese Spannungen treffen auf ein politisches Klima, das vielerorts von hektischer Reparaturarbeit geprägt ist. Im Bundestag hat die SPD-Fraktion ihre personellen Entscheidungen für den Gesundheitsausschuss bekannt gegeben: Sechs ordentliche Mitglieder und fünf stellvertretende Vertreter sollen die gesundheitspolitische Linie der Partei in der neuen Legislaturperiode prägen. Die Auswahl zeigt ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz – viele der Genannten verfügen über berufliche Erfahrung im Gesundheitswesen. Es ist ein erkennbarer Versuch, Gestaltungskraft zu beweisen. Doch die Herausforderungen, denen sich die Ausschussmitglieder stellen müssen, sind struktureller Natur. Die Frage, wie eine zukunftssichere Arzneimittelversorgung in einem alternden Land finanziert, organisiert und politisch abgesichert werden kann, bleibt drängend. Dabei wird die parlamentarische Arbeit zunehmend überlagert von kurzfristigen Krisenbewältigungen.

Eine davon betrifft die gesetzliche Krankenversicherung. Die DAK-Gesundheit hat angekündigt, angesichts eines prognostizierten Defizits von fünf Milliarden Euro im Arzneimittelsektor auf Sofortmaßnahmen zu drängen. Vorstandschef Andreas Storm fordert ein Vorschaltgesetz, das die Erhöhung des Zwangsrabatts für Hersteller um fünf Prozentpunkte vorsieht. Das könne kurzfristig 1,3 Milliarden Euro einsparen und den Druck auf die Beitragssätze verringern. Die Forderung ist nicht neu – doch die Dringlichkeit steigt. Krankenkassen stehen unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Gleichzeitig nimmt die Zahl teurer Neuentwicklungen zu. Zwischen Finanzrealität und therapeutischem Fortschritt entsteht eine Schere, die weder durch bloße Rabattierung noch durch politische Rhetorik zu schließen ist. Die Apotheke vor Ort wird dabei zur Schnittstelle zwischen ökonomischer Berechnung und menschlichem Bedarf.

Auch in der freien Wirtschaft stehen Zeichen auf Veränderung. Der Berliner Spezialpharmakonzern Medios meldet den Rückzug zweier zentraler Vorstandsmitglieder: Vorstandsvorsitzender Matthias Gärtner sowie Vorständin Mi-Young Miehler verlassen das Unternehmen. Offiziell erfolgt der Wechsel im besten Einvernehmen, doch der Zeitpunkt irritiert. Gerade jetzt, da Medios seine internationale Expansion vorantreiben und die Profitabilität steigern will, entsteht ein Führungsvakuum. Der Konzern versichert, dies sei Teil einer strategischen Neuausrichtung – doch in einer Branche, in der Vertrauen und Stabilität essenziell sind, wirken solche Umbrüche wie systemische Störsignale.

Parallel verschieben sich die Aufgaben der Apotheken selbst. Immer häufiger geraten sie in das Zentrum psychischer Ausnahmesituationen. Menschen mit Panikattacken, suizidalen Gedanken oder akuten psychotischen Zuständen suchen Hilfe in der Offizin – oft, weil der Weg zum Facharzt zu lang, der Zugang zur Therapie versperrt ist. Die Apotheke wird zum ersten Ansprechpartner in Notlagen, die eigentlich andere Institutionen auffangen müssten. Es fehlt an Struktur, an Schnittstellen, an rechtlichen Klarheiten. Gleichzeitig steigt der Erwartungsdruck auf das pharmazeutische Personal, dem in der Ausbildung kaum psychologische Krisenkompetenz vermittelt wurde. Es ist eine stille Überforderung, die in keiner Verordnung auftaucht, aber im Alltag brennt.

Was sich hier verdichtet, ist keine zufällige Gleichzeitigkeit. Es sind Symptome eines Systems, das seine tragenden Strukturen überdehnt hat. Die Geschichte von Bertram Spiegler steht dafür exemplarisch: Ein Mann, der gegen die Marktlogik anarbeitet, weil er Verantwortung spürt. Die US-Preisoffensive, die Kassenforderungen, das politische Personalrücken, die Führungswechsel bei Konzernen – all das sind Facetten eines Gesundheitswesens im Übergang. Doch die Richtung dieses Übergangs bleibt unklar. Weder die politischen Institutionen noch die wirtschaftlichen Akteure haben bislang einen übergeordneten Plan vorgelegt, wie die Versorgung unter den Bedingungen von Alterung, Globalisierung und psychischer Last aufrechterhalten werden kann.

Ein System, das auf individuellem Engagement basiert, ist nicht krisenfest. Wenn Apotheker ohne Lohn arbeiten, weil kein struktureller Nachfolger in Sicht ist, wenn Hersteller unter Preisdruck Lieferketten kürzen, wenn Apotheken zu Auffangstationen gesellschaftlicher Überforderung werden, dann liegt der Fehler nicht bei Einzelnen – sondern im Design des Ganzen. Es braucht mehr als punktuelle Gesetze, mehr als mediale Symbolpolitik, mehr als kurzfristige Finanztricks. Es braucht ein neues Verständnis von Daseinsvorsorge, das dem Wandel standhält. Sonst wird aus der Summe der Einzelfälle ein Systemkollaps.


Kommentar:

Was wie eine Aneinanderreihung individueller Krisen erscheint, ist in Wahrheit ein tiefgreifendes Strukturversagen des deutschen Gesundheitswesens. Dass ein Apotheker wie Bertram Spiegler ohne Gehalt weitermacht, während er übertarifliche Löhne für seine Angestellten zahlt, ist kein heroischer Einzelfall. Es ist ein Symptom eines Systems, das sich auf persönliches Aufopfern verlässt, weil tragfähige politische, wirtschaftliche und organisatorische Lösungen fehlen. Der Fall Spiegler ist weder kurios noch sentimental. Er ist eine stille, aber messerscharfe Kritik an einer Versorgungsordnung, die keine Perspektiven für die Übergabe, keine Anreize für junge Selbstständige und keine Sicherheit für Betriebsnachfolger bietet. Wo Nachfolge zu einem Risiko statt zu einer Option wird, liegt der Fehler nicht bei den Jungen oder Alten – sondern im Systemdesign.

Während in Deutschland Apotheker aus Verantwortung weitermachen, diktiert jenseits des Atlantiks der politische Wille einer Supermacht die ökonomischen Rahmenbedingungen. Trumps Preisregulierungspläne treffen nicht nur amerikanische Hersteller. Sie drohen, den internationalen Arzneimittelmarkt in ein künstliches Gleichgewicht zu zwingen, das auf Kosten von Innovation, Qualität und Versorgungssicherheit geht. Das Argument sozialer Entlastung in den USA ist berechtigt – aber seine Umsetzung greift tief in internationale Produktions- und Lieferketten ein. Und ausgerechnet jene Länder, die bisher mit Qualitätsstandards, forschungsintensiven Produkten und zuverlässiger Arzneimittelversorgung überzeugt haben, sollen nun als Dumpingreferenz herhalten. Die politische Logik solcher Maßnahmen ignoriert wirtschaftliche Realitäten. Eine nachhaltige Arzneimittelversorgung lässt sich nicht durch symbolische Preisgrenzen sichern, sondern durch integrative, multilaterale Strategien, die Innovation und Zugänglichkeit zugleich ermöglichen.

In dieser Gemengelage versucht die SPD-Fraktion, mit einer professionell aufgestellten Delegation im Gesundheitsausschuss Einfluss zu nehmen. Fachlich versierte Abgeordnete, viele mit Berufserfahrung im Gesundheitswesen, sollen politische Gestaltung glaubhaft verkörpern. Doch der Ausschuss ist kein Exekutivorgan. Er diskutiert, berät, begleitet. Die Entscheidungsmacht liegt bei der Regierung, und dort scheinen kurzfristige Medienwirksamkeit und haushaltspolitische Nothilfen oft wichtiger zu sein als langfristige Strukturpolitik. Selbst wenn die SPD ihre Ausschussarbeit substanziell aufstellt – der entscheidende Hebel bleibt die politische Verantwortung des Gesundheitsministeriums. Dort aber ist man längst damit beschäftigt, das eigene Reformpaket gegen Widerstände aus Ländern, Verbänden und Praxen zu verteidigen. Strategisches Gestalten sieht anders aus.

Noch eindrücklicher ist die Sprachlosigkeit gegenüber den wachsenden psychischen Belastungen in Apotheken. Dass Menschen mit Suizidgedanken, Panikattacken oder psychotischen Episoden ausgerechnet die Apotheke aufsuchen, ist nicht nur eine Überforderung des pharmazeutischen Systems – es ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Notstands. Die Offizin als letzte erreichbare Instanz, als realer Ort inmitten virtueller Beratungsangebote und blockierter Facharztpraxen, wird zur Anlaufstelle der Verzweifelten. Dabei fehlt es an rechtlicher Klarheit, an psychosozialer Kompetenzvermittlung, an interdisziplinären Schnittstellen. Und trotzdem begegnet das pharmazeutische Personal diesen Situationen mit Empathie, mit Improvisation, mit Haltung. Doch Empathie ist keine Struktur. Sie darf nicht der Ersatz für fehlende Systeme sein.

Das strukturelle Defizit lässt sich auch am Beispiel Medios beobachten. Ein wachstumsorientierter Konzern, der zugleich Personalveränderungen an der Spitze und eine strategische Neuausrichtung verkündet – das ist kein Zeichen von Stabilität, sondern von Turbulenz. In einer Zeit, in der Vertrauen und Berechenbarkeit die Grundwährungen des Gesundheitsmarkts sind, wirken solche Umbrüche wie Alarmzeichen. Die Branche befindet sich in Bewegung – aber nicht entlang einer klaren Linie. Vieles wirkt getrieben, vieles defensiv, vieles zufällig.

Und über allem schwebt der finanzielle Druck der Krankenkassen. Die Forderung nach höheren Zwangsrabatten mag kurzfristig helfen, die Haushaltslage zu stabilisieren. Doch sie verschiebt das Problem nur. Hersteller werden reagieren – mit Preisanpassungen, mit Rückzug aus unrentablen Märkten, mit Kürzungen in der Forschung. Der politische Impuls, eine fünfprozentige Rabattierung als Zwischenlösung zu deklarieren, zeigt, wie wenig strategischer Atem vorhanden ist. Was fehlt, ist ein Finanzierungsmodell, das dauerhaft tragfähig ist, ohne dabei die Innovationsfähigkeit und Verfügbarkeit zu untergraben.

Der gemeinsame Nenner all dieser Phänomene ist nicht Chaos, sondern Kontrollverlust. Ein System, das weder seine ökonomische Basis noch seine politische Steuerung noch seine sozialen Aufgaben sicher im Griff hat, wird anfällig für Überforderung, Unwucht und Desintegration. Dass sich dieser Kontrollverlust bislang nur in Einzelfällen wie dem von Bertram Spiegler manifestiert, ist kein Trost – es ist ein Warnsignal. Denn mit jedem weiteren Fall, mit jeder weiteren Entscheidung unter Zwang, mit jeder weiteren Improvisation in der Offizin nähert sich das System einem Kipppunkt. Wenn keine Strategie erkennbar ist, wird jedes Engagement zur individuellen Ersatzhandlung. Doch wer dauerhaft auf Selbstaufopferung setzt, betreibt keine Daseinsvorsorge – er betreibt Verschleiß.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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