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  • 11.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Demokratie zahlt an Radikale, Apotheken bluten für Rezeptbetrug, Medikamente verderben
    11.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Demokratie zahlt an Radikale, Apotheken bluten für Rezeptbetrug, Medikamente verderben
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Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Demokratie zahlt an Radikale, Apotheken bluten für Rezeptbetrug, Medikamente verderben

 

Drei strukturelle Fehlentwicklungen werfen Fragen nach Verantwortung und Absicherung auf

Während der Staat verfassungsfeindliche Parteien weiterhin mit Millionenbeträgen fördert, geraten Apotheken durch eine Welle gefälschter Rezepte zunehmend in Existenznot – gleichzeitig gefährden defekte Kühlsysteme die Wirksamkeit sensibler Arzneimittel. Was auf den ersten Blick wie eine zufällige Koinzidenz wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ausdruck eines tieferliegenden Systemversagens. In Berlin scheitert die Politik an der grundlegenden Frage, wie sie sich gegen Kräfte zur Wehr setzen soll, die ihre freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen – und überlässt die Entscheidung de facto dem Verfassungsgericht. Gleichzeitig sehen sich Apotheken mit professionell gefälschten Verordnungen konfrontiert, die gezielt auf teure Präparate wie Semaglutid oder Tirzepatid zielen. Die Krankenkassen übernehmen bei erkennbaren Fälschungen keine Verantwortung, sondern retaxieren rigoros – oft im fünfstelligen Bereich. Als wäre das nicht genug, kommt es in Apotheken immer wieder zu Unterbrechungen der Kühlkette, etwa bei der Lagerung von Impfstoffen oder Insulinen. Schon minimale Temperaturabweichungen können die Wirksamkeit beeinträchtigen – ohne dass das Personal dies auf den ersten Blick erkennt. Es ist ein Zusammenspiel aus politischer Feigheit, wirtschaftlicher Überforderung und technischer Sorglosigkeit, das in seiner Gesamtheit ein beunruhigendes Licht auf den Zustand zentraler Institutionen wirft. Die Frage ist nicht mehr, wo Einzelfehler passieren – sondern warum niemand grundlegende Verantwortung übernimmt.

 

Die Demokratie darf ihre Gegner nicht mitfinanzieren

Was sich an der Parteienförderung dringend ändern muss

In der politischen Debatte um die Zukunft der Demokratie ist ein Thema nach Jahren der Untätigkeit ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt: die staatliche Parteienfinanzierung. Der Umstand, dass auch verfassungsfeindliche Parteien mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, wird zunehmend als schwerwiegendes Versäumnis begriffen. Besonders die AfD steht im Fokus. Mehrere ihrer Landesverbände gelten laut Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“. Dennoch erhält die Partei weiterhin Zuwendungen aus Steuergeldern – legal, aber immer weniger legitim.

Diese Praxis beruht auf einem über Jahrzehnte gewachsenen Automatismus, wonach alle Parteien, die nicht verboten sind, Anspruch auf öffentliche Finanzierung haben. Die Regelung wurde einst als Ausdruck politischer Gleichbehandlung konzipiert. Heute jedoch zeigt sich, dass sie von extremistischen Akteuren als juristische Schutzmauer genutzt wird. Beobachtungen und Einstufungen des Verfassungsschutzes haben bislang keine unmittelbaren finanziellen Konsequenzen, solange das Bundesverfassungsgericht kein Verbot ausspricht – ein Verfahren, das bewusst hohe Hürden setzt, um politischer Willkür vorzubeugen.

Doch genau diese Schutzmechanismen werden von ihren Gegnern instrumentalisiert. Das zeigt nicht nur das Verhalten einschlägiger Funktionäre, sondern auch die strukturelle Strategie extremistischer Gruppen, sich unter dem Deckmantel parteilicher Legalität gesellschaftlich zu verankern. Der demokratische Rechtsstaat steht damit vor einem Dilemma: Er will offen bleiben, muss sich aber zugleich gegen seine Aushöhlung wehren. Die Finanzierungspraxis verfassungsfeindlicher Kräfte ist dabei kein Nebenschauplatz, sondern ein neuralgischer Punkt.

Mehrere Juristen, Politiker und zivilgesellschaftliche Organisationen fordern daher eine grundlegende Reform der gesetzlichen Grundlagen. Im Bundestag arbeitet eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe an einem Vorschlag, der die demokratische Integrität staatlicher Fördermittel sichern soll. Ein zentraler Gedanke: Die Einführung einer sogenannten Verfassungstreueklausel. Diese soll festlegen, dass nur solche Parteien staatlich unterstützt werden dürfen, die sich aktiv und dauerhaft zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen.

Ein konkreter Reformvorschlag sieht vor, dass Fördermittel automatisch ausgesetzt werden, sobald eine Partei vom Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestuft wird – allerdings nur für eine Übergangsfrist, in der eine gerichtliche Überprüfung zu erfolgen hätte. Kritiker warnen vor politisch motivierten Schnellentscheidungen, die Parteivielfalt gefährden könnten. Die Befürworter hingegen betonen, dass gerade diese Vielfalt nur geschützt werden kann, wenn Extremisten nicht länger von einem System profitieren, das sie im Kern ablehnen.

Rückhalt erhält die Reformdebatte durch das Bundesverfassungsgericht selbst. Bereits im Urteil zum NPD-Verbotsverfahren im Jahr 2017 machten die Richter deutlich, dass die Demokratie kein Selbstmordprogramm sei. Die politische Ordnung müsse sich wehrhaft zeigen, wenn sie von innen heraus angegriffen werde. Zwar reiche eine bloße Verfassungsschutzbeobachtung nicht für ein Parteiverbot aus, doch sei es legitim, bei der Verwendung öffentlicher Gelder andere Maßstäbe anzulegen.

Parallel dazu wächst auch der öffentliche Druck. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger lehnen die Finanzierung radikaler Parteien durch ihre Steuern ab. Sie fordern von der Politik ein klares Signal – nicht nur in Worten, sondern in gesetzlichen Konsequenzen. Die staatliche Parteienfinanzierung wird damit zum Gradmesser für die Wehrhaftigkeit des demokratischen Systems. Der Bundestag steht vor der Aufgabe, dem Vertrauen in die politischen Institutionen eine belastbare Grundlage zu geben. Dabei wird es darauf ankommen, rechtsstaatliche Standards nicht zu opfern, sondern mit präzisen Regelungen zu stärken.

Die Diskussion über die Neuordnung der Parteienfinanzierung ist deshalb mehr als eine Debatte über Geld. Sie ist ein Prüfstein für den demokratischen Selbstschutz in Zeiten zunehmender Polarisierung. Ein klarer gesetzlicher Rahmen könnte helfen, die politische Kultur vor ihrer systematischen Aushöhlung zu bewahren – nicht durch Ausgrenzung, sondern durch rechtsstaatliche Konsequenz.

Die Frage, ob verfassungsfeindliche Parteien öffentliche Gelder erhalten sollen, ist keine juristische Spitzfindigkeit, sondern ein Lackmustest für den Zustand unserer politischen Kultur. Der Staat kann sich nicht länger darauf zurückziehen, formale Gleichbehandlung mit demokratischer Neutralität zu verwechseln. Denn Gleichbehandlung ohne Unterscheidung zwischen Gegnern und Garanten der Verfassung ist keine Stärke, sondern eine Schwäche, die ausgenutzt wird.

Die derzeitige Praxis, selbst Parteien zu fördern, die offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agitieren, ist ein systemischer Fehler mit potenziell katastrophalen Folgen. Es geht nicht um Parteiverbote, sondern um Verantwortung bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Die Staatskasse darf nicht zur Brücke für den Marsch durch die Institutionen werden. Gerade weil die Demokratie wehrhaft sein muss, braucht sie klare Regeln, die politischen Missbrauch verhindern.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Unantastbarkeit öffentlicher Finanzierung ein Gebot der Neutralität sei. Vielmehr gerät diese Haltung zur Beihilfe an der eigenen Erosion. Die AfD zeigt exemplarisch, wie geschickt sich extremistische Akteure an die Regeln eines liberalen Systems anpassen, um dieses von innen heraus zu delegitimieren. Wer dies als bloße Meinungsvielfalt verharmlost, unterschätzt den strategischen Charakter des Angriffs.

Die Einführung einer Verfassungstreueklausel wäre kein Bruch mit der Tradition, sondern ihre Fortentwicklung im Licht aktueller Gefahren. Niemand fordert ideologische Säuberungen. Es geht um objektive Kriterien, die feststellen, ob eine Partei aktiv das Fundament der Verfassung respektiert. Wer dieses Fundament systematisch angreift, darf nicht länger alimentiert werden. Alles andere ist eine Einladung zur Selbstauflösung des Rechtsstaats im Namen falsch verstandener Toleranz.

Dass es für diese Erkenntnis eines zunehmenden gesellschaftlichen Drucks bedurfte, ist ein schlechtes Zeichen. Es zeigt, wie sehr sich Politik an juristische Automatismen gewöhnt hat, ohne deren politische Sprengkraft zu reflektieren. Doch nun ist die Stunde der Entscheidung gekommen. Der Gesetzgeber muss eine Linie ziehen, die der Realität Rechnung trägt. Nicht willkürlich, aber entschlossen.

Die Demokratie schuldet ihren Bürgerinnen und Bürgern keinen naiven Offenheitskult, sondern ein belastbares Versprechen: dass sie sich gegen ihre Feinde zu behaupten weiß. Dieses Versprechen einzulösen heißt auch, finanzielle Privilegien an verfassungsrechtliche Loyalität zu knüpfen. Die Zeit der Ausreden ist vorbei.

 

Rezeptbetrug erreicht neue Dimensionen

Gefälschte Verordnungen sorgen für massive Retaxschäden in Apotheken

Rezeptbetrug hat sich binnen weniger Monate zu einer ernsthaften Gefahr für Apotheken entwickelt. Besonders betroffen sind hochpreisige Medikamente wie Liraglutid, Semaglutid oder Tirzepatid – Präparate, die durch prominente Berichte in sozialen Netzwerken ins Zentrum eines gefährlichen Trends gerückt sind. Während der Bedarf an diesen Medikamenten steigt, wächst parallel die Zahl gefälschter Verordnungen, mit denen professionelle Täter Apotheken systematisch schädigen. Die Folgen sind oft existenzbedrohend – denn gesetzliche Krankenkassen verweigern die Erstattung, wenn sie die Fälschung als „erkennbar“ einstufen. Das Resultat: Nullretaxationen in vier- bis fünfstelliger Höhe, die betroffene Betriebe allein schultern müssen.

Nach Recherchen des Versicherungsexperten Roland Schütze, der für den Spezialversicherer PharmAssec arbeitet, ist die Fallzahl in einigen Regionen exponentiell angestiegen. Allein in Berlin und Brandenburg verzeichnet er wöchentlich bis zu sechs neue Schadensmeldungen – Tendenz steigend. Die Schadenssummen bewegen sich pro Fall durchschnittlich um 800 Euro, Ausreißer können jedoch bis zu 5.000 Euro betragen. Die Täter nutzen dabei gezielt Lücken im System: geschlossene Arztpraxen, aus denen echte Rezeptvordrucke in kriminelle Hände geraten sind, unzureichend kontrollierte Papierrezepte oder gestohlene Blankoformulare, die täuschend echt ausgefüllt werden.

Ein Blick nach Niedersachsen zeigt das Ausmaß: Die AOK registrierte seit Herbst 2023 mehr als 2.200 gefälschte Rezepte mit einem Schaden von rund 570.000 Euro. Die betroffenen Medikamente: Präparate zur Behandlung von Diabetes, die jedoch auch zum schnellen Abnehmen zweckentfremdet werden. Die Kombination aus hohem Marktwert, medialem Hype und fehlender Kontrolle bildet ein perfektes Einfallstor für Betrugsversuche.

Die Reaktion der Krankenkassen ist eindeutig: Bei eindeutig erkennbaren Fälschungen gibt es keine Erstattung. Die Definition dessen, was als „erkennbar“ gilt, bleibt jedoch schwammig – und wird letztlich vor Gericht entschieden. Apotheken sind daher gezwungen, auf Verdachtsmomente mit besonderer Sensibilität zu reagieren. Dazu gehören etwa abweichende Arzt- und Betriebsstättennummern, fehlende oder unplausible Adressangaben, falsch genutzte Rezeptmuster oder auffällige Patientendaten. Besonders problematisch: Viele Täter treten zu Stoßzeiten oder an Wochenenden auf, wenn Rückfragen bei Praxen nicht möglich sind. Oft wird das gewünschte Medikament vorbestellt, um seine Verfügbarkeit sicherzustellen – ein typisches Verhaltensmuster.

Neben dem wirtschaftlichen Risiko droht Apotheken auch eine juristische Verantwortung: Laut Apothekenbetriebsordnung und Arzneiversorgungsvertrag müssen sie bei erkennbaren Fälschungen oder Missbrauch die Abgabe verweigern. Ein Verstoß kann nicht nur finanziell, sondern auch rechtlich schwer wiegen. Dabei stehen Apotheker vor einem Dilemma: Einerseits dürfen sie Kunden nicht grundlos unter Generalverdacht stellen, andererseits machen sie sich bei Missachtung auffälliger Details angreifbar. Hinzu kommt das Problem der Schweigepflicht: Eine Strafanzeige gegen Betrüger ist zwar rechtlich möglich, aber heikel – die Weitergabe personenbezogener Daten ist grundsätzlich verboten.

Ein praktikabler Weg ist laut Experten die gezielte Verzögerung: „Das Medikament ist nicht vorrätig – wir bestellen es bis heute Abend“, kann bereits genügen, um Täter zu verunsichern und Zeit für eine Prüfung zu gewinnen. Auch der Vorschlag, die Ware ins Hotel zu liefern, hat schon für spontane Fluchten gesorgt. Entscheidend ist die Prävention: Apotheken müssen ihr Personal konsequent schulen und sensibilisieren. Denn die Zahl der Betrugsversuche wird weiter steigen – und mit ihr das Risiko hoher Verluste.

Versicherungstechnisch sind die meisten Apotheken für solche Fälle unzureichend gewappnet. Klassische Policen decken weder Rezeptfälschungen noch gezielte Nullretaxationen ab. Nur wenige Anbieter wie PharmAssec bieten branchenspezifische Zusatzlösungen, die auch bei mutmaßlich erkennbaren Fälschungen greifen. Entscheidend ist dabei der Abschluss vor dem Schadensfall – denn nachträglich lässt sich der Verlust nicht absichern. Angesichts der zunehmenden Professionalisierung der Täter sollte eine kombinierte Police aus Rezeptfälschungs- und Retaxschutz künftig zur Pflichtausstattung jeder Apotheke gehören.

Das Ausmaß der Rezeptfälschungen, das sich seit Mitte 2024 abzeichnet, ist mehr als ein betriebliches Ärgernis – es ist ein systemisches Risiko für die flächendeckende Arzneimittelversorgung. Die Täter agieren immer professioneller, die Medikamente immer teurer, die Apotheken immer verletzlicher. Es ist die Mischung aus technischen Schwachstellen, organisatorischen Lücken und rechtlichen Grauzonen, die den idealen Nährboden für diese Art von Betrug schafft. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Gesetzgeber den Apotheken kaum Instrumente zur Hand gibt, sich effizient zu schützen – obwohl man sie im Gegenzug haftbar macht, wenn sie nicht präventiv genug agieren.

Ein Apotheker, der ein vermeintlich gültiges Rezept einlöst, übernimmt damit das volle Risiko – wirtschaftlich und rechtlich. Die Regelung zu „erkennbar gefälschten Verordnungen“ ist unpräzise, die Praxis der Krankenkassen oft rückwirkend und erbarmungslos. Die Nullretax kommt oft Monate später und trifft mit voller Härte – ungeachtet der Sorgfalt des Apothekenpersonals. Dass dabei die Versicherungsbranche zögert, das Risiko pauschal zu decken, ist aus ihrer Sicht verständlich, aber für den Apothekenmarkt gefährlich. Wer keine Spezialpolice hat, spielt wirtschaftlich mit dem Feuer.

Der eigentliche Skandal liegt jedoch in der strukturellen Verantwortungslosigkeit, mit der Politik und Kassen agieren. Anstatt gemeinsam mit den Apotheken Schutzmechanismen zu entwickeln, verlagert man das Problem dorthin, wo die Verteidigung am schwächsten ist – an den HV-Tisch. Die Apotheken stehen allein zwischen Kasse, Kunde und Kriminellen. Es ist höchste Zeit, dass sich das ändert. Wer auf ein funktionierendes Gesundheitssystem setzt, muss seine Apotheken nicht nur kontrollieren, sondern auch schützen.

 

Unsichtbare Gefahr im Kühlschrank

Warum eine gestörte Kühlkette in Apotheken die Patientensicherheit massiv gefährdet

Die sichere Lagerung temperaturempfindlicher Arzneimittel gehört zu den zentralen Aufgaben jeder Apotheke. Doch trotz technischer Fortschritte stellt die Einhaltung der Kühlkette ein systemisches Risiko dar, das oft unterschätzt wird. Impfstoffe, Insuline und biotechnologisch hergestellte Medikamente sind zunehmend auf eine konstante Kühlung zwischen zwei und acht Grad Celsius angewiesen. Bereits kleine Abweichungen können dazu führen, dass die Präparate ihre Wirksamkeit verlieren – mit potenziell gravierenden Folgen für die Gesundheit der Patienten.

Die Problematik ist tückisch, weil äußere Merkmale nicht zwangsläufig auf eine Beeinträchtigung hinweisen. Anders als bei verdorbenen Lebensmitteln lässt sich eine beschädigte Medikamentencharge weder sehen noch riechen. Wenn Apotheken aus Unkenntnis wirkungslose Präparate abgeben, steigen die Risiken fehlerhafter Therapien und schwerer Folgekomplikationen. Um dies zu verhindern, investieren viele Betriebe in hochsensible Kühlsysteme, die Temperaturdaten lückenlos protokollieren und bei Abweichungen Alarm schlagen. Einige Modelle ermöglichen sogar Fernzugriffe, um auch außerhalb der Öffnungszeiten reagieren zu können.

Doch auch diese Technik hat Grenzen. Stromausfälle, Softwareprobleme oder defekte Sensoren können dazu führen, dass die Kühlkette unbemerkt unterbrochen wird. Besonders an Wochenenden oder in der Nacht sind Apotheken verletzlich. Ein unbemerkter Ausfall kann eine komplette Charge unbrauchbar machen, was nicht nur gesundheitliche, sondern auch wirtschaftliche Folgen nach sich zieht. Der finanzielle Schaden kann je nach Medikament mehrere Tausend Euro betragen.

Hinzu kommt der organisatorische Druck. Die gesetzlichen Vorgaben verlangen eine lückenlose Dokumentation aller Kühlvorgänge. Temperaturprotokolle müssen archiviert, nachvollziehbar und jederzeit überprüfbar sein. Verstöße können empfindliche Bußgelder nach sich ziehen. Für inhabergeführte Apotheken stellt dies eine zusätzliche Belastung dar, denn sie müssen die Anforderungen neben dem laufenden Betrieb stemmen – ohne eigene IT-Abteilung oder Notfallmanagement.

Ein weiteres Problem ist die begrenzte Absicherung durch Versicherungen. Viele Policen verlangen den konkreten Nachweis, dass eine Temperaturabweichung ursächlich für den Wirkverlust war – ein Beweis, der in der Praxis kaum zu erbringen ist. Die Folge: Schäden bleiben unversichert, Apotheken auf den Kosten sitzen. Dies ist besonders in Zeiten steigender Energiekosten und sinkender Margen ein ernstzunehmender Risikofaktor.

Die Lage verschärft sich durch den medizinischen Fortschritt. Immer mehr Medikamente, insbesondere Biopharmazeutika, erfordern durchgehende Kühlung. Der Anteil dieser Präparate steigt kontinuierlich, was die logistischen Anforderungen erhöht. Während klassische Tabletten vergleichsweise robust sind, hängt die Sicherheit moderner Therapien zunehmend von exakter Temperaturkontrolle ab.

Die Apothekenbranche steht damit unter doppeltem Druck. Einerseits sind moderne Kühlstrategien unverzichtbar, um regulatorische und therapeutische Sicherheit zu gewährleisten. Andererseits fehlt es an politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die eine flächendeckende, sichere Lagerung auch in kleineren Betrieben gewährleisten. Ohne strukturelle Entlastung droht eine Schwächung der öffentlichen Arzneimittelversorgung – mit nicht absehbaren Folgen für die Patientensicherheit.

Hinter der Theke ist es oft kühler als man denkt – und gefährlicher. Die Kühlkette in Apotheken ist mehr als eine technische Herausforderung. Sie ist ein sensibles, oftmals unterschätztes Element der Arzneimittelsicherheit, das unmittelbar über den Therapieerfolg entscheidet. Dabei gilt: Kühlung ist nicht gleich Kontrolle. Selbst modernste Systeme bieten keinen absoluten Schutz, wenn Notfallstrategien fehlen oder nicht funktionieren.

Der Zustand gleicht einem paradoxen Wettlauf: Die pharmazeutische Forschung liefert immer mehr Präparate, die nur bei stabiler Kühlung wirksam bleiben. Gleichzeitig werden die technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Ressourcen vieler Apotheken immer knapper. Die Bürokratielast wächst, die Strompreise explodieren, und der Erstattungsdruck nimmt zu. Was bleibt, ist ein System, das im Stillen funktioniert – bis es plötzlich nicht mehr funktioniert.

Versicherungen, die sich im Schadensfall auf Nachweispflichten berufen, verschärfen die Problemlage. Wie soll eine Apotheke zweifelsfrei beweisen, dass ein Medikament seine Wirkung durch eine Temperaturspitze verloren hat, wenn dies analytisch kaum nachweisbar ist? Solche Konditionen wirken wie ein Placebo – beruhigend im Schrank, wirkungslos im Ernstfall.

Auch die regulatorischen Rahmenbedingungen brauchen ein Update. Natürlich ist eine lückenlose Dokumentation notwendig – aber nicht um den Preis einer vollständigen Überlastung. Es braucht digitale Lösungen, automatische Schnittstellen und vor allem ein besseres Zusammenspiel zwischen Apotheken und Kontrollbehörden. Sonst wird aus der Pflicht zur Sicherheit ein bürokratischer Hindernislauf.

Die Politik darf sich nicht länger auf das Funktionieren der Apothekeninfrastruktur verlassen, ohne sie aktiv zu stabilisieren. Förderprogramme für Kühltechnik, steuerliche Erleichterungen bei Energiemehrkosten und transparente Versicherungsstandards sind keine Luxusforderungen – sie sind notwendig, um den Versorgungsauftrag langfristig zu sichern.

Denn eines ist klar: Wer in einem System lebt, das auf temperaturstabile Wirkstoffe angewiesen ist, kann sich keine labilen Kühlketten leisten. Die flächendeckende Arzneimittelversorgung wird an dieser stillen Schwachstelle scheitern, wenn sie nicht rechtzeitig politisch gestützt, wirtschaftlich entlastet und technisch weiterentwickelt wird. Die Kälte darf nicht zum blinden Fleck der Gesundheitspolitik werden – denn sie entscheidet über wirksame Therapien und sichere Patientenversorgung.

 

Therapie beginnt im Gespräch

Wie Sprache, Perspektive und Rollenbilder über den Behandlungserfolg entscheiden

Gelingende Kommunikation im Gesundheitswesen ist kein Selbstläufer. Obwohl der Satz »Man kann nicht nicht kommunizieren« in Fachkreisen beinahe sprichwörtlich geworden ist, bleibt die Qualität dieser Kommunikation oft fraglich – mit spürbaren Konsequenzen für Patientenversorgung, Therapiesicherheit und interprofessionelles Vertrauen. Beim ADKA-Jahreskongress in Berlin widmete sich ein Symposium genau diesem Spannungsfeld. Professor Dr. Sibylle C. Roll vom Varisano Klinikum Frankfurt Höchst machte dort unmissverständlich klar: Kommunikation erfordert beiderseitige Bereitschaft – artikulationsfähige Sender, zuhörende Empfänger und wechselseitigen Respekt. Erst wenn diese Elemente zusammenkommen, können Inhalte nicht nur vermittelt, sondern auch angenommen werden.

In der Interaktion zwischen Heilberufler und Patient ist diese Balance besonders entscheidend. Verständliche Sprache, aktives Zuhören und das Einfühlen in mögliche kognitive Einschränkungen entscheiden hier häufig über den therapeutischen Erfolg. Der Patient ist auf eine klare, sachgerechte und auf Augenhöhe geführte Kommunikation angewiesen. Dies gilt umso mehr, wenn Erkrankungen wie Schizophrenie vorliegen, bei denen – wie Professor Dr. Bernhard Baune von der Universitätsmedizin Münster ausführte – kognitive Einschränkungen frühe und anhaltende Symptome sein können. Oftmals gehen schulische Leistungsabfälle und Kommunikationsprobleme einem psychotischen Schub voraus. Antipsychotika können hier zwar Symptome lindern, verbessern aber die kognitiven Defizite meist nur begrenzt.

Dass Missverständnisse aber nicht nur im Patientengespräch lauern, sondern auch im professionellen Austausch, wurde ebenfalls deutlich. So betonte Roll, wie wichtig es sei, interdisziplinär nicht nur zu sprechen, sondern sich auch als gleichwertige Gesprächspartner zu respektieren. Besonders zwischen Ärzten und Apothekern entstünden häufig Spannungen, wenn Kompetenzen nicht anerkannt oder Warnungen überbewertet würden. Dies gelte etwa für Wechselwirkungen oder Kontraindikationen, bei denen sich Arzt und Apotheker auf verschiedene Informationssysteme stützen. Während der Apotheker auf Leitliniendaten und Interaktionslisten zurückgreift, hat der Arzt das Privileg, den Patienten zu sehen – und bewertet klinisch oft anders. Professorin Dr. Martina Hahn von der Universitätsmedizin Frankfurt plädierte deshalb für Zurückhaltung seitens der Krankenhausapotheker, wenn die klinische Gesamtsicht auf den Patienten fehlt.

Dass beide Referentinnen – Roll als Ärztin, Hahn als Apothekerin – selbst seit Jahren interprofessionell arbeiten, war dabei mehr als eine Fußnote. Ihre langjährige Zusammenarbeit als Autorinnen und Referentinnen zeigt, wie fruchtbar Kommunikation auf Augenhöhe sein kann – wenn man die Perspektive des anderen als Ergänzung und nicht als Konkurrenz begreift. Denn in einem zunehmend spezialisierten Medizinbetrieb ist niemand mehr in der Lage, alle Entwicklungen im Blick zu behalten. Synergien entstehen dort, wo Kommunikation Raum für die Kompetenz des anderen lässt.

Der Vortrag machte klar, wie vielschichtig gelungene Kommunikation sein muss – und wie groß das Defizit in der täglichen Praxis bleibt. Für Apotheken bedeutet dies konkret: Interne Abläufe, Beratungsgespräche und die Zusammenarbeit mit Ärzten müssen mehr sein als reibungslose Routine. Es braucht Strukturen, die Kommunikation fördern, Rollenbilder, die Verantwortung teilen, und Systeme, die nicht nur technisch, sondern auch menschlich synchronisiert sind.

Kommunikation ist der blinde Fleck im Gesundheitswesen. Sie wird vorausgesetzt, aber selten gepflegt. Sie gilt als selbstverständlich, aber wird selten bewusst praktiziert. Die Beiträge des ADKA-Symposiums zeigen deutlich, wie groß die Kluft ist zwischen Anspruch und Realität. In einer Branche, die wie keine zweite auf exakte Information, korrektes Verstehen und präzises Handeln angewiesen ist, bleibt die Kommunikation zwischen den Beteiligten oft erstaunlich unpräzise, fehleranfällig oder schlichtweg respektlos.

Besonders bedenklich ist, dass selbst unter hochqualifizierten Heilberuflern Missverständnisse eher Regel als Ausnahme sind. Wenn ein Apotheker eine schwerwiegende Interaktion meldet und der Arzt diese mit Hinweis auf seine persönliche Patienteneinschätzung zurückweist, prallen zwei Perspektiven aufeinander, die sich gegenseitig ergänzen könnten – und es doch nicht tun. Hier scheitert nicht das Wissen, sondern das Zuhören. Nicht die Technik, sondern die Haltung.

Für Apotheken ergibt sich daraus eine doppelte Verantwortung. Sie müssen nicht nur kommunizieren, sondern auch Brücken schlagen – zwischen Patient und Arzt, zwischen Fachinformation und Lebenswirklichkeit, zwischen klinischer Datenlage und emotionaler Akzeptanz. Das gelingt nur, wenn Kommunikation als Kompetenz verstanden wird – und nicht als Nebengeräusch im Betriebsalltag.

Der Vorschlag, sich in interdisziplinären Teams regelmäßig auch ohne Anlass auszutauschen, ist dabei mehr als ein freundlicher Appell. Es ist ein Gebot medizinischer Verantwortung. Wer die Synergien einer multiprofessionellen Versorgung nutzen will, muss sich der Realität stellen, dass gute Medizin mit guter Kommunikation beginnt – und mit Respekt endet.

Was dabei gerne übersehen wird: Sprache ist nicht neutral. Sie transportiert Hierarchie, Erfahrung, Zweifel und Macht. Und genau deshalb darf Kommunikation im Gesundheitswesen nie bloß formal korrekt sein, sondern muss immer auch den Menschen meinen, nicht nur den Fall.

 

Hersteller verweist auf Versandapotheken

Astra-Zeneca rät Patienten zum Onlinebezug von Lokelma bei Lieferschwierigkeiten vor Ort

Astra-Zeneca hat mit einem Schreiben an Arztpraxen eine neue Debatte über die Lieferfähigkeit des Kaliumbinders Lokelma® ausgelöst. Während sich der Konzern öffentlich zur uneingeschränkten Verfügbarkeit des Präparats bekennt, berichten Apotheken von anhaltenden Schwierigkeiten im Bezug über den pharmazeutischen Großhandel. In dem internen Schreiben, das der Pharmazeutischen Zeitung vorliegt, verweist das Unternehmen nicht nur auf eine alternative Bestellplattform, sondern nennt auch drei Versandapotheken als Bezugsquelle – ein ungewöhnlicher Schritt, der das Verhältnis zur stationären Apotheke belastet.

Lokelma®, das den Wirkstoff Natrium-Zirconium-Cyclosilicat enthält und zur Behandlung der Hyperkaliämie bei Erwachsenen eingesetzt wird, ist laut Astra-Zeneca vollumfänglich lieferbar. Dennoch erreichten den Hersteller vermehrt Beschwerden über eine fehlende Verfügbarkeit in Apotheken. Dies führte nach Angaben einer Unternehmenssprecherin zu der Entscheidung, die Arztpraxen direkt über alternative Bestellmöglichkeiten zu informieren – inklusive der Option, das Arzneimittel über Sanicare, DocMorris oder Shop-Apotheke direkt an die Patienten liefern zu lassen.

Der Schritt kommt für viele überraschend, da der Pharmakonzern gleichzeitig betont, der vollsortierte Großhandel bleibe der bevorzugte Vertriebsweg. Tatsächlich habe man kontinuierlich mehr Ware als rechnerisch notwendig in den Markt gegeben. Die Klage über fehlende Verfügbarkeit sei nicht auf unzureichende Produktion zurückzuführen, sondern vielmehr auf Kommunikationslücken oder Probleme in der Verteilung. Mit dem Hinweis auf die Versandapotheken will der Konzern laut eigenen Angaben eine kontinuierliche Versorgung der Patienten sichern, sofern Apotheken selbst keine Direktbestellung über Pharmamall tätigen möchten.

Besonders brisant ist die namentliche Nennung der Versender. Astra-Zeneca erklärt, dass gerade diese Apotheken Lokelma direkt beim Hersteller bezögen und deshalb auch dann lieferfähig seien, wenn der Großhandel nicht liefern könne. Für viele Apotheker stellt dies jedoch eine klare Missachtung ihrer Rolle dar – nicht nur als Versorger, sondern auch als Verbindungsinstanz zwischen Patient, Arzt und Industrie. Der Eindruck, dass der Hersteller angesichts logistisch schwankender Großhandelsprozesse auf Online-Versender zurückgreife, lässt Zweifel an der tatsächlichen Priorisierung des Vor-Ort-Kanals aufkommen.

Hinzu kommt, dass aus Sicht vieler Apotheken die Botschaft in sich widersprüchlich wirkt: Einerseits fordert der Hersteller eine bedarfsgerechte Allokation durch den Großhandel, andererseits befeuert er mit Versandempfehlungen eine Marktverlagerung. In der Konsequenz entsteht eine faktische Zweiteilung des Vertriebs: Wer als Apotheke nicht direkt über die Plattform bestellt, riskiert die Unzufriedenheit der Patienten – oder überlässt diese dem Versand.

Wie groß der Imageschaden für Astra-Zeneca am Ende sein wird, hängt auch davon ab, wie offensiv die Apotheken das Thema aufgreifen. Das Schreiben an die Arztpraxen belegt jedenfalls, dass ein strategischer Rollenwechsel im Pharmavertrieb bevorstehen könnte – mit weitreichenden Folgen für das Selbstverständnis der Vor-Ort-Apotheke.

Dass ein weltweit agierender Pharmakonzern wie Astra-Zeneca im Jahr 2025 explizit Versandapotheken als Beschaffungsweg für ein rezeptpflichtiges Arzneimittel nennt, ist ein Paradigmenwechsel – einer, der nicht bloß auf logistische Engpässe hinweist, sondern auf eine schleichende strategische Umlenkung. Die offizielle Linie bleibt zwar der Verweis auf den bevorzugten Vertrieb über den vollsortierten Großhandel. Doch der Weg über den Versand wird nun mit Nachdruck an Arztpraxen kommuniziert – und mit konkreten Namen unterfüttert.

Dieser Schritt ist nicht nur ungewöhnlich, sondern in seiner Symbolik deutlich: Der stationären Apotheke wird offen suggeriert, dass sie bei Nichtverfügbarkeit des Großhandels nicht zur ersten Lösung gehört. Stattdessen verweist der Hersteller auf Anbieter, die direkt beim Unternehmen ordern – und damit auf strukturell bevorteilte Mitbewerber. Die stationäre Apotheke wird zur Ausweichoption degradiert. Dass der Versand diese Rolle längst strategisch ausfüllt, ist bekannt. Neu ist jedoch, dass ein Hersteller das öffentlich mitträgt.

Der Verweis auf Pharmamall als Direktbestellplattform für Apotheken ist dabei kaum mehr als ein flankierendes Feigenblatt. Die eigentliche Schlagrichtung bleibt: Wenn der Großhandel nicht liefert – und die Apotheke nicht über alternative Wege bezieht – dann wird der Patient zum Kunden der Versandapotheke. Und das mit Segen des Herstellers. Die Frage ist: Will man diesen Weg zur Regel erheben?

Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks auf Vor-Ort-Apotheken wirkt das Verhalten von Astra-Zeneca wie eine Verschiebung von Verantwortung. Anstatt sich für eine strukturelle Verbesserung der Lieferkette einzusetzen, entzieht man sich dem Konflikt, indem man den Online-Weg propagiert. Die Folge ist eine systemische Aushöhlung des Apothekenprinzips – nicht in der Theorie, sondern im praktischen Alltag.

Bleibt zu hoffen, dass dieser Vorfall nicht Schule macht. Denn wenn Hersteller beginnen, den Weg der Patienten aktiv zu dirigieren, verschiebt sich nicht nur das Kräfteverhältnis im Arzneimittelmarkt. Es verschiebt sich auch die Frage, wer in der Gesundheitsversorgung künftig das letzte Wort hat.

 

Heilung als Ausnahmefall

Phagentherapie bleibt Ultima Ratio, weil das Arzneimittelrecht nicht mitkommt

In der therapeutischen Sackgasse multiresistenter Infektionen gewinnt ein längst bekannter biologischer Gegenspieler neue Aufmerksamkeit: Bakteriophagen, Viren mit hochspezifischer Wirtsbindung, die gezielt einzelne Bakterienstämme eliminieren können. Während in osteuropäischen Ländern Phagentherapie längst Teil des medizinischen Alltags ist, bleibt ihr Einsatz in Deutschland auf eine rechtliche Ausnahmeregelung beschränkt. Der Grund liegt nicht in fehlender Wirksamkeit, sondern in einer regulatorischen Struktur, die mit der biologischen Realität dieser Therapieform unvereinbar scheint.

Beim Jahreskongress der ADKA skizzierte der Jurist und Molekularbiologe Dr. Timo Faltus von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die zentralen Hürden: Phagen gelten im deutschen und europäischen Arzneimittelrecht nicht als universell einsetzbare Wirkstoffe, sondern als hochspezifische Einzelkomponenten. Jeder Phagenstamm wird als individueller Wirkstoff behandelt. Sobald sich ein Bestandteil eines Phagenpräparats ändert – was bei der Anpassung an mutierende Bakterien praktisch unvermeidlich ist –, wäre nach geltendem Recht eine vollständige Neuzulassung erforderlich, inklusive präklinischer und klinischer Studien. Die Kombination mehrerer Phagen zu einem sogenannten Cocktail verschärft das Problem zusätzlich: Auch bei Austausch nur eines einzigen Phagen wird ein neues Zulassungsverfahren notwendig.

Vor diesem Hintergrund ist die Herstellung zugelassener Fertigarzneimittel auf Phagenbasis für Pharmaunternehmen wirtschaftlich unattraktiv. Die Folge: Phagentherapie wird in Deutschland ausschließlich als magistrale Rezeptur in Krankenhausapotheken ermöglicht. Diese Rechtslücke erlaubt eine patientenindividuelle Herstellung ohne formale Zulassung nach § 21 Abs. 2 AMG. Doch auch hier gibt es Einschränkungen: Nur sogenannte Wildtyp-Phagen, also nicht genetisch veränderte Organismen, dürfen ohne gesonderte Herstellungserlaubnis eingesetzt werden. Sobald genetische Modifikationen vorgenommen werden – beispielsweise zur Erhöhung der Stabilität oder Wirksamkeit –, greift das Gentechnikrecht. Dann wird aus einer funktionalen Rezeptur eine genehmigungspflichtige Gentherapie.

Diese rechtlichen Feinheiten bleiben für betroffene Patienten jedoch wenig tröstlich. Phagentherapien sind oft die letzte Hoffnung, wenn alle gängigen Antibiotika versagen. Doch die Rezepturherstellung ist komplex, zeitaufwendig und teuer – und wird bislang nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Die finanzielle Last tragen die Betroffenen oder deren Angehörige. Damit bleibt der Zugang zur potenziell lebensrettenden Therapie nicht nur medizinisch, sondern auch sozial selektiv.

Die Krankenhausapotheken spielen in dieser Grauzone eine Schlüsselrolle: Sie halten das Wissen und die technische Infrastruktur für die Herstellung bereit, übernehmen aber gleichzeitig die rechtliche Verantwortung für Einsatz und Qualität der Phagenpräparate. Ein Spagat, der angesichts wachsender Antibiotikaresistenzen nicht nur medizinisch relevant, sondern gesundheitsökonomisch brisant ist.

Solange der Gesetzgeber keine rechtssicheren und praktikablen Rahmenbedingungen schafft, bleibt die Phagentherapie eine Ultima-Ratio-Maßnahme – eine Ausweichlösung für den Notfall, keine reguläre Option. Und das in einer Zeit, in der der therapeutische Werkzeugkasten gegen bakterielle Infektionen stetig leerer wird.

Der medikamentöse Notstand bei multiresistenten Keimen ist längst kein düsteres Zukunftsszenario mehr, sondern klinische Realität. Jährlich sterben in Deutschland Tausende an Infektionen, für die es keine wirksamen Antibiotika mehr gibt. Umso schwerer wiegt die Erkenntnis, dass eine vielversprechende Behandlungsoption wie die Phagentherapie an formalen Hürden scheitert, die in ihrer jetzigen Form eher juristisch als medizinisch begründbar sind.

Das deutsche und europäische Arzneimittelrecht ist auf standardisierte Wirkstoffe und stabile Formulierungen ausgelegt. Doch Phagen sind naturgemäß dynamisch, evolutiv und individuell. Jeder Stamm besitzt eine hochspezifische Bakterienbindung, wodurch sich die Therapien zwangsläufig verändern müssen – ein Widerspruch zu den bestehenden Zulassungslogiken. Hier prallen zwei Systeme aufeinander: ein regulatorischer Formalismus, der auf Gleichheit setzt, und eine Therapieform, die auf biologische Variabilität angewiesen ist.

Dass Krankenhausapotheken mit viel Aufwand individuelle Rezepturen herstellen, ist ein Beleg für pharmazeutisches Verantwortungsbewusstsein. Doch die finanzielle und rechtliche Last wird vollständig auf die Einrichtungen abgewälzt. Gleichzeitig bleibt die Erstattung durch die Krankenkassen aus – obwohl es sich um einen begründeten, oft lebensrettenden Einsatz handelt. Die dadurch entstehende Versorgungslücke ist nicht nur medizinisch problematisch, sondern auch ethisch kaum vertretbar.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein System, das täglich mit der Realität therapeutischer Sackgassen konfrontiert ist, eine so hochpotente Therapieform wie die Phagentherapie weiter als rechtliches Randphänomen behandelt. Was fehlt, ist eine sachgerechte Neubewertung im Arzneimittelgesetz – eine Art Sonderregelung, die den biologischen Eigenheiten von Phagen gerecht wird, ohne dabei auf Sicherheitsstandards zu verzichten.

Der Gesetzgeber ist gefordert, einen regulatorischen Rahmen zu schaffen, der Innovationen nicht erstickt, sondern verantwortungsvoll ermöglicht. Sonst droht ausgerechnet dort, wo eine letzte Hoffnung bestehen könnte, ein endgültiger Stillstand.

 

Wenn der Bauch rebelliert

Verdauungsprobleme wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung sind oft vermeidbar – doch kaum jemand spricht darüber

Blähungen, Verstopfung, Durchfall – drei Symptome, die jeder kennt und doch viele verdrängen. Während das Herz Aufmerksamkeit bekommt und die Lunge politische Debatten entfacht, führt der Darm ein Schattenleben. Dabei ist seine Bedeutung für die körperliche und psychische Gesundheit enorm. Millionen Menschen in Deutschland leiden regelmäßig unter funktionellen Darmbeschwerden. Die Ursachen reichen von Fehlernährung über Bewegungsmangel und Stress bis hin zu Medikamentennebenwirkungen. Trotz der weiten Verbreitung wird das Thema in der Gesellschaft nach wie vor tabuisiert. Dabei ist gerade diese Scham ein Teil des Problems – und nicht selten ein Hindernis für eine rechtzeitige Behandlung.

Das Verdauungssystem ist ein hochsensibles Netzwerk aus Muskeln, Nerven und Mikroorganismen. Gerät es aus dem Gleichgewicht, machen sich Störungen bemerkbar – nicht nur durch Schmerzen oder Blähungen, sondern auch durch Leistungsabfall, Konzentrationsprobleme und Gereiztheit. Der Darm ist mehr als nur ein Verdauungsorgan. Er ist eng mit dem Immunsystem und dem Hormonhaushalt verknüpft. Seine mikrobielle Besiedlung – das Mikrobiom – entscheidet maßgeblich mit, ob Nährstoffe gut aufgenommen werden, Entzündungen entstehen oder sogar Autoimmunprozesse angestoßen werden.

Im Alltag jedoch sind Verdauungsbeschwerden oft Resultat schleichender Lebensstilveränderungen: zu wenig Ballaststoffe, zu viel Zucker, zu hektisches Essen, zu wenig Bewegung. Gleichzeitig herrscht große Verunsicherung darüber, was wirklich hilft. Fastenkuren, Darmspülungen oder hochdosierte Probiotika werden von manchen als Allheilmittel angepriesen, entbehren aber häufig einer tragfähigen wissenschaftlichen Basis. Andere meiden bestimmte Lebensmittelgruppen komplett – aus Angst vor Intoleranzen –, was nicht selten zu neuen Mangelzuständen führt.

Besonders in der Selbstmedikation zeigt sich eine wachsende Lücke: Viele Menschen greifen bei Symptomen wie Durchfall oder Verstopfung spontan zu frei verkäuflichen Mitteln – oft ohne Abklärung der Ursachen. Apothekerinnen und Apotheker sind deshalb mehr denn je gefragt, fundiert aufzuklären und zwischen harmlosen Alltagsbeschwerden und behandlungsbedürftigen Problemen zu unterscheiden. Dabei ist Sensibilität gefragt, denn das Gespräch über Verdauung verlangt Taktgefühl. Gleichzeitig bietet sich gerade hier eine Chance für pharmazeutische Prävention: mit niedrigschwelliger Beratung, gezielter Produktempfehlung und dem Hinweis auf ärztliche Abklärung, wenn Symptome länger anhalten oder sich verschärfen.

Die Apothekenpraxis zeigt, dass viele Betroffene nach wie vor Hemmungen haben, über ihre Beschwerden zu sprechen. Eine offene Gesprächsatmosphäre und geschultes Personal können hier viel bewirken. Auch die Zusammenarbeit mit Ernährungsberatung und psychosomatischer Versorgung ist ein wertvoller Bestandteil einer ganzheitlichen Betreuung. Denn funktionelle Magen-Darm-Störungen sind nicht selten Ausdruck einer tieferliegenden psychischen Belastung – sie verschwinden nicht durch Tabletten, sondern verlangen Aufmerksamkeit und Veränderung.

Gleichzeitig stellen die Beschwerden wirtschaftlich wie gesundheitspolitisch ein ernstzunehmendes Thema dar. Arbeitsausfälle, wiederholte Arztkontakte und Kosten für Diagnostik und Selbstmedikation summieren sich. Umso wichtiger ist es, den Blick zu weiten: Nicht jedes Flatulenzmittel, nicht jedes Abführmittel kann das Gleichgewicht wiederherstellen. Eine umfassende Darmgesundheit beginnt mit Bildung, begleitet von struktureller Beratung und medizinischer Achtsamkeit – und sie endet nicht bei der letzten Tablette, sondern bei einem Lebensstil, der auf den Bauch hört.

Die Unfähigkeit, über Verdauungsprobleme offen zu sprechen, ist mehr als nur ein kulturelles Kuriosum. Sie ist ein Versäumnis mit gesundheitlichen Folgen. Dass Flatulenzen, Durchfall oder Verstopfung mit Peinlichkeit behaftet sind, verhindert oft, dass Betroffene rechtzeitig Hilfe suchen. Dabei könnte die Apotheke als erste niedrigschwellige Anlaufstelle für Aufklärung, Unterstützung und gegebenenfalls die Weiterleitung in ärztliche Hände dienen. Doch um dieses Potenzial zu nutzen, braucht es mehr als ein Regal mit „Darmwohl“-Produkten. Es braucht ein Bewusstsein, dass Verdauung ein systemisches Thema ist, kein randständiges.

Wer den Darm ernst nimmt, kann Krankheitsverläufe verkürzen, Diagnosen beschleunigen und vor allem verhindern, dass Beschwerden chronisch werden. Doch dafür müssen Apotheken, Praxen und auch Bildungseinrichtungen einen neuen Umgang mit dem Thema etablieren: offen, differenziert, lebensnah. Und auch politisch ist Handlungsbedarf sichtbar: Die Ernährungserziehung in Schulen ist mangelhaft, die Versorgung mit darmrelevanter Beratung liegt oft im Graubereich der Kostenerstattung, und die Forschung zum Mikrobiom wird in Deutschland zu wenig strategisch gefördert.

Es genügt nicht, Produkte zu verkaufen, die kurzfristig Symptome unterdrücken. Was gebraucht wird, ist ein systemischer Ansatz: der Zusammenhang von Ernährung, Stress, Bewegung, Medikamentenwirkung und psychischem Befinden muss stärker in die pharmazeutische Beratung integriert werden. Dabei geht es auch um ökonomische Verantwortung: Millionen Euro fließen jedes Jahr in ungezielte Selbstmedikation bei funktionellen Darmbeschwerden. Die systematische Beratung in Apotheken könnte helfen, diese Ausgaben zu reduzieren – und gleichzeitig den gesundheitlichen Nutzen deutlich zu steigern.

Wer heute über Darmgesundheit spricht, spricht über den Kern eines gesunden Lebens. Es ist höchste Zeit, diesen Diskurs zu enttabuisieren.

 

Köpfchen schlägt Instinkt

Intelligente Männchen bei Moskitofischen zeugen signifikant mehr Nachkommen

Die Evolution bevorzugt nicht immer die Stärkeren, sondern gelegentlich auch die Klügeren. Das legt eine neue Studie über das Paarungsverhalten von Moskitofischen nahe. Demnach haben Männchen, die sich durch kognitive Fähigkeiten wie räumliches Denken und Entscheidungsstärke auszeichnen, deutlich häufiger Geschlechtspartnerinnen gefunden und signifikant mehr Nachkommen gezeugt als weniger intelligente Artgenossen. Die Untersuchung, veröffentlicht von einem Forscherteam der University of Washington, liefert damit neue Hinweise darauf, dass bei der sexuellen Selektion nicht nur körperliche Merkmale, sondern auch Hirnleistung eine entscheidende Rolle spielt.

Die Wissenschaftler unterzogen rund 200 Moskitofisch-Männchen mehreren Lern- und Verhaltenstests, bevor sie sie in Kontakt mit Weibchen brachten. In einem Labyrinth sollten die Fische nicht nur schnell den Ausgang finden, sondern auch strategisch vorausschauend navigieren. Zudem wurden Impulskontrolle und Entscheidungsfähigkeit getestet. Die anschließende Vaterschaftsanalyse bei insgesamt fast 2500 Jungtieren ergab ein deutliches Muster: Jene Männchen, die sich durch bessere Lernleistung und weniger impulsives Verhalten auszeichneten, waren bei der Reproduktion erfolgreicher.

Das Ergebnis überrascht auch deshalb, weil in der Biologie lange Zeit äußerliche Merkmale wie Körpergröße, Färbung oder aggressives Werbeverhalten als Hauptfaktoren für den Paarungserfolg galten. Diese Studie rückt nun das Verhalten und insbesondere die kognitive Dimension ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Wer in der Lage war, sein Verhalten an die Situation anzupassen, sich strategisch zu orientieren und zielgerichtet zu handeln, hatte demnach die Nase vorn – oder besser gesagt: die Kieme.

Interessant ist zudem die Differenzierung zwischen Impulskontrolle und Handlungsplanung. Die Forscher beobachteten, dass eine hohe Anfangskontrolle von Impulsen – also zögerliches Verhalten ohne Zielorientierung – mit weniger Reproduktionserfolg einherging. Nur jene Männchen, die nicht nur abwarteten, sondern zugleich zielstrebig vorgingen, schienen bei der Partnerwahl erfolgreicher gewesen zu sein. Das impliziert eine subtile, aber bedeutende Unterscheidung zwischen bloßer Selbsthemmung und kognitivem Handeln mit Perspektive.

Nicht abschließend klären konnte die Studie, ob die Weibchen gezielt auf intelligente Männchen reagierten oder ob diese schlicht effizienter darin waren, sich Gelegenheiten zur Fortpflanzung zu verschaffen. Hinweise auf Letzteres finden sich in der Biologie mehrfach, etwa bei Singvögeln, bei denen Männchen mit größerem Repertoire an Balzgesängen attraktiver erscheinen – was ebenfalls mit kognitiver Leistungsfähigkeit korreliert.

Die Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die Dynamik von Fortpflanzung und Selektion in der Tierwelt. Auch wenn der Begriff »Intelligenz« bei Tieren mit Vorsicht zu genießen ist, zeigen die Ergebnisse doch: Die Evolution belohnt nicht nur Muskelkraft und Pracht, sondern auch Strategie, Anpassung und Denkvermögen. Der Reproduktionserfolg der klügeren Moskitofische legt nahe, dass kognitive Fähigkeiten ein bislang unterschätzter Faktor im Kampf um Fortpflanzungschancen sind.

Die Studie über die Paarungserfolge intelligenter Moskitofisch-Männchen liefert mehr als nur eine amüsante Randnotiz aus der Welt der Zoologie. Sie stellt zentrale Annahmen über sexuelle Selektion infrage und fordert ein Umdenken darüber, was Attraktivität und Fortpflanzungsvorteile in der Tierwelt tatsächlich ausmacht. Lange galt der Leitsatz: Wer am auffälligsten balzt, gewinnt. Wer muskulös, farbenprächtig oder lautstark ist, bekommt den Zuschlag. Nun scheint sich eine leisere, strategischere Variante der Fortpflanzung durchzusetzen – zumindest bei den Moskitofischen. Und womöglich nicht nur dort.

Der Befund, dass durchdachtes Verhalten, Lernfähigkeit und zielgerichtete Strategie zu höherem Fortpflanzungserfolg führen, hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis von biologischer Fitness. Er deutet darauf hin, dass nicht nur die Gene, sondern auch die Fähigkeit, situationsbedingt zu handeln und sich an neue Herausforderungen anzupassen, in der Evolution belohnt werden. Die Natur scheint nicht nur auf Instinkte zu setzen, sondern auch auf Denkprozesse – im Rahmen dessen, was ein Fischgehirn leisten kann.

Dabei liegt ein bemerkenswerter Unterschied in der Differenzierung der Impulskontrolle. Während man landläufig annimmt, dass Zurückhaltung per se eine Tugend sei, zeigt die Studie: Nicht das bloße Abwarten, sondern das kluge, zielgerichtete Handeln bringt Erfolg. Es ist nicht der stille Denker, der triumphiert, sondern der planende Akteur. Evolutionär gesehen gewinnt also nicht der, der zögert, sondern der, der mit klarem Ziel agiert – ein subtiler, aber bedeutsamer Unterschied.

Was die Attraktivitätsfaktoren betrifft, bleibt ein Rest Rätsel. Reagieren die Weibchen tatsächlich auf intelligentes Verhalten oder sind die klügeren Männchen schlichtweg effizienter im Flirten? In jedem Fall verschiebt sich das Bild vom reinen Instinkt gesteuerten Tier zu einem differenzierteren Verständnis von Verhalten, Lernen und Anpassung. Selbst wenn die kognitive Leistung in der Tierwelt naturgemäß Grenzen hat, zeigt sich hier eine evolutionäre Logik, die weit über den Fischteich hinausweist.

 

Farmacia Vaticana: Dienst für Körper und Seele

Was die Papstwahl für eine der exklusivsten Apotheken der Welt bedeutet

Mit der Wahl von Papst Leo XIV., dem US-Amerikaner Robert F. Prevost, beginnt nicht nur eine neue Ära für die römisch-katholische Kirche – auch die Farmacia Vaticana schaut mit besonderem Interesse auf diesen Wechsel. Die einzige Apotheke des Vatikanstaats spielt eine Sonderrolle im globalen Apothekenwesen: als religiös geprägte, steuerbefreite und international stark frequentierte Institution mit ethischen Leitplanken und wirtschaftlicher Sonderstellung. Ihr Betrieb steht exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen medizinischer Versorgung, moralischer Haltung und geopolitischer Ausnahmestellung.

Als am Donnerstagabend um 18 Uhr der weiße Rauch aus der Sixtinischen Kapelle stieg, bedeutete das für viele Gläubige weltweit Hoffnung, Richtung – und für eine Apotheke im Zentrum Roms eine Art Aufbruch. Denn der neue Papst beeinflusst nicht nur Glaubensfragen, sondern auch organisatorische und wirtschaftliche Abläufe innerhalb der Vatikanstadt. Die Farmacia Vaticana, mit täglich über 2000 Kundinnen und Kunden eine der umsatzstärksten Apotheken der Welt, ist dabei ein neuralgischer Punkt. Mehr als die Hälfte der Besucher kommt von außerhalb des Kleinstaats, dessen Fläche laut Enzyklopädie Britannica nur 0,44 Quadratkilometer misst.

Das Angebot der Apotheke ist umfassend: Auf über 1000 Quadratmetern bietet sie rund 40.000 Produkte an, darunter Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und Pflegeprodukte. Zugleich ist sie ethisch limitiert – so sind Verhütungsmittel und andere Präparate, die der katholischen Morallehre widersprechen, dort nicht erhältlich. Diese klare Grenze macht die Farmacia Vaticana zu einem Sonderfall im internationalen Apothekenwesen: Sie folgt nicht allein ökonomischen, sondern auch theologischen Prinzipien.

Zudem profitiert die Apotheke von strukturellen Vorteilen: Der Vatikan erhebt keine Mehrwertsteuer, was Medikamente dort deutlich günstiger macht als in italienischen Offizinen. Auch Arzneimittel aus Nicht-EU-Ländern, etwa aus den USA, finden sich im Sortiment – obwohl sie in Europa keine Zulassung besitzen. Diese Mischung aus Marktzugang und regulatorischer Eigenständigkeit macht den Standort besonders attraktiv für preisbewusste Patienten mit Zugang zu einem Vatikan-Ausweis.

Dieser ist nicht frei erhältlich: Wer dort einkaufen will, braucht einen gültigen Personalausweis und gegebenenfalls ein Rezept. Am Passbüro wird ein Besucherausweis ausgestellt, mit dem man Zugang zur Apotheke erhält. Vor Ort herrscht Hochbetrieb, Einlass gibt es nur mit Wartemarke vom Automaten. Die Institution ist gut organisiert, stark ausgelastet – und in ihrer Funktion für die Vatikanverwaltung essenziell.

Gegründet wurde sie 1874 vom Mönch Eusebio Ludvig Fronmen, zunächst zur Versorgung der Kurie. Nach mehreren Umzügen befindet sie sich seit 1929 im Belvedere-Palast. Bis heute wird sie von den Barmherzigen Brüdern geführt, einer Ordensgemeinschaft mit Schwerpunkt in der Gesundheitsversorgung. Derzeitiger Direktor ist Bruder Binish Thomas Mulackal aus Indien – ein Zeichen für die internationale Ausrichtung des Vatikans auch in der Pharmazie.

Mit ihrem 150-jährigen Bestehen im Jahr 2024 gehört die Farmacia Vaticana zu den traditionsreichsten pharmazeutischen Einrichtungen Europas. Sie verkörpert eine Verbindung von medizinischem Dienst, ethischer Orientierung und politischer Sonderstellung, wie sie weltweit einzigartig ist. Die Wahl eines neuen Papstes ist daher nicht nur ein spirituelles Ereignis – sie ist auch ein Signal an jene, die im Kleinstaat an der Schnittstelle von Glauben, Gesundheit und Globalpolitik arbeiten.

Dass sich eine Apotheke über die Wahl eines neuen Papstes freut, mag auf den ersten Blick kurios erscheinen – doch im Fall der Farmacia Vaticana ist es Ausdruck einer komplexen Verschränkung von Religion, Ökonomie und Versorgungspolitik. Diese Apotheke ist mehr als eine Einrichtung zur Medikamentenabgabe. Sie ist ein Symbol für das Selbstverständnis des Kirchenstaats: als souveräne, eigenständige und zugleich weltweit vernetzte Instanz, die ihre moralischen Prinzipien auch im medizinischen Alltag durchsetzt.

Die ethische Auswahl der Produkte verweist auf eine tiefe Verwurzelung kirchlicher Dogmen im praktischen Betrieb. Gleichzeitig bedient sich die Apotheke wirtschaftlicher Mechanismen, um ein attraktives Preisniveau zu halten – steuerliche Sonderregeln, internationale Bezugsquellen, Exklusivität durch Zugangskontrollen. Dieses Modell funktioniert, solange es durch die Institution des Papsttums gestützt wird. Jeder neue Pontifex bringt implizit neue Akzente in Verwaltung und Ausrichtung ein – sei es durch Personalentscheidungen oder ideologische Schwerpunktsetzungen. Daher ist die Papstwahl auch für die Apothekenleitung von Bedeutung.

Gleichzeitig wirft der Erfolg der Farmacia Vaticana Fragen auf: Was bedeutet es für europäische Gesundheitssysteme, wenn ein religiöser Kleinstaat ohne Mehrwertsteuer Medikamente günstiger anbieten kann als nationale Offizinen? Und was sagt es über den Arzneimittelmarkt, wenn Produkte verkauft werden dürfen, die in der EU keine Zulassung besitzen? Die Antwort liegt im System selbst: Der Vatikan agiert als extraterritoriale Einheit mit umfassenden Rechten – und nutzt diesen Status gezielt. Das ist legitim, aber nicht unproblematisch.

Denn in einer Zeit, in der Apotheken in Deutschland unter wirtschaftlichem Druck stehen, könnte der Blick auf den Vatikan auch eine Mahnung sein: Versorgungssicherheit, ethische Prinzipien und betriebswirtschaftliche Effizienz müssen kein Widerspruch sein – wenn sie strategisch klug aufeinander abgestimmt werden. Die Farmacia Vaticana zeigt, wie ein religiös geführtes Gesundheitsunternehmen wirtschaftlich florieren kann, ohne seine Grundsätze aufzugeben. Gerade das macht sie zu einem politischen Modellfall – weit über Rom hinaus.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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