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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Rezeptfälschung, Kapitalschlachten, Infrastrukturversagen und politische Lähmung – was derzeit in deutschen Apotheken geschieht, ist mehr als ein Branchenproblem. Es ist ein Symptom struktureller Überforderung, die sich an verschiedenen Fronten gleichzeitig entlädt. In Konstanz flieht ein mutmaßlicher Betrüger, nachdem ein Apotheker ihn bei der Vorlage eines gefälschten Mounjaro-Rezepts zur Rede stellt. In Zürich ringt DocMorris um das Vertrauen seiner Aktionäre und will den Markt mit frischem Kapital im Gegenwert von 200 Millionen Franken aggressiv aufrollen. Währenddessen sind in Georgsmarienhütte nicht einmal mehr E-Rezepte möglich, weil ein beschädigtes Kabel die digitale Existenzgrundlage einer Apotheke auslöscht. Und auf der politischen Bühne? Dort steht Gesundheitsminister Karl Lauterbach unter Druck, während das CDU-geführte Wirtschaftsministerium die Honorarreform mit zögerlicher Koordination verschleppt. Die versprochene Fixum-Erhöhung ist noch immer nicht umgesetzt. Im Schatten all dessen geraten Apotheken nicht nur operativ, sondern auch symbolisch unter Druck: von verbitterten Kunden, unberechenbaren politischen Konstellationen und der Marktmacht digitaler Großakteure. Der Apothekenmarkt steht vor einer Zerreißprobe.
Glosse: Marktpflege mit der Brechstange
Weil die Formulierung das paradoxe Zusammenspiel von Sanftsprech und Marktgewalt präzise auf den Punkt bringt.
Es gibt Sätze, die bleiben hängen. „Den Markt so aggressiv wie möglich bearbeiten“ gehört zweifellos dazu – nicht etwa aus dem Munde eines Rüstungslobbyisten, sondern aus jenem eines Mannes, der Verantwortung für den Vertrieb rezeptpflichtiger Medikamente trägt. Dass diese Kampfansage ausgerechnet aus dem pharmazeutischen Paralleluniversum einer Plattformapotheke stammt, macht sie nicht weniger bemerkenswert. Im Gegenteil: Sie offenbart das, was in anderen Branchen längst zum Alltag gehört – die Markteroberung als Kriegserklärung, nur eben mit Blistern statt Bajonetten.
Dabei ist Aggressivität ja keineswegs verpönt – zumindest nicht in jenen Kreisen, in denen Investitionen nur dann als sinnvoll gelten, wenn sie jemanden verdrängen. Wer zuckt heute noch zusammen, wenn ein Gesundheitsdienstleister sich aufführt wie ein Hedgefonds mit Arzneimittelversand? Womöglich niemand mehr, denn die Sprachwahl signalisiert Souveränität. Wer den Markt bearbeitet wie ein Feld, der hat den Pflug in der Hand – und wer den Kapitalmarkt gleich mitbedient, darf das Unkraut notfalls mit Millionenbeträgen niederwalzen.
Die Apotheke vor Ort, liebevoll geführt, fachlich versiert, menschlich verlässlich – sie stört da eher. Nicht, weil sie schlecht wäre, sondern weil sie nicht skalierbar ist. Der Mensch in der Offizin kostet Gehalt, braucht Pausen, stellt Fragen. Der Algorithmus hingegen fragt nicht, er verarbeitet. Er empfiehlt, bewertet, bindet Kunden – und sortiert dabei gnadenlos nach ökonomischer Ergiebigkeit. Es ist dieser stille Wandel, der sich hier vollzieht: Weg von Beratung, hin zu Steuerung. Nicht pharmazeutisches Wissen ist die Währung der Zukunft, sondern Klicks, Konversion und Kapitalrendite.
Dass für diese Vision 200 Millionen Franken mobilisiert wurden, ist kein Zufall. Wer den Markt aggressiv bearbeiten will, braucht eine passende Kriegskasse. Diese Mittel sollen nicht etwa in Lagerhaltung, Versorgungssicherheit oder medizinische Qualität fließen – das wäre ja noch halbwegs altmodisch. Nein, sie fließen ins Marketing, in Plattformen, in Kundenbindung und die große Zukunftsfrage: Wie lässt sich der Mensch noch besser datengetrieben versorgen? Die Antwort ist einfach: durch Entfernen des Menschen.
Was übrig bleibt, ist eine Plattform mit Apothekenlizenz. Und ein Präsident, der sich nicht scheut, die Sprache des Finanzmarkts ins Gesundheitssystem zu importieren. Man müsse jetzt mit Härte auftreten, heißt es sinngemäß – man dürfe sich nicht aufhalten lassen von Regulierung, Moral oder Gewohnheiten. Es geht um Marktanteile. Und um das Recht des Stärkeren, das sich in Kapital messen lässt.
Vielleicht ist es nur eine Phase. Vielleicht wird man eines Tages zurückblicken und sagen: Das war die Zeit, als die Gesundheitsversorgung vom Stilmittel zur Strategie wurde. Als Apotheken zu Marken wurden und Patienten zu Profilen. Oder vielleicht ist es der Anfang vom Ende – nicht nur für die Apotheke, sondern für die Idee, dass Gesundheit etwas anderes sein könnte als ein Markt, den man möglichst aggressiv bearbeiten muss.
Rezeptbetrug wird zur Gefahr
Apotheker warnt nach Verfolgungsjagd vor neuen Mounjaro-Fälschungen
Ein dreister Fall von Rezeptbetrug sorgt derzeit in Konstanz für Aufsehen. Murat Baskur, Inhaber der Apotheke im Seerheincenter, berichtet von einer besonders perfiden Fälschung, die nicht nur ihn, sondern auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen in höchste Alarmbereitschaft versetzt hat. Die Täter hatten offenbar ein Rezept für das begehrte Abnehmpräparat Mounjaro mit einem täuschend echten Stempel einer lokalen diabetologischen Praxis versehen – eine Fälschung mit System, wie Baskur vermutet. Als ihm beim Blick auf das Rezept Details auffielen, die nicht zur üblichen Ausstellungspraxis der betroffenen Praxis passten, wurde er misstrauisch und sprach den vermeintlichen Patienten an. Doch der zeigte sich keineswegs einsichtig – im Gegenteil: Er ergriff sofort die Flucht, woraufhin Baskur die Verfolgung aufnahm. Über mehrere Straßenzüge hinweg hetzte er dem mutmaßlichen Betrüger hinterher, ohne jedoch dessen Identität feststellen oder die Polizei rechtzeitig alarmieren zu können.
Besonders brisant: Der gefälschte Stempel wurde offenbar so professionell nachgeahmt, dass selbst aufmerksame Apothekenmitarbeitende zunächst keine Unregelmäßigkeit vermuteten. Erst das Zusammenspiel mehrerer kleiner Hinweise – darunter Format, Stempelfarbe und die ungewöhnliche Darreichung des Rezepts – ließ in der Seerhein-Apotheke die Alarmglocken schrillen. Baskur warnt nun eindringlich: „Die Masche ist ausgefeilt, die Fälschungen wirken auf den ersten Blick echt. Wer hier nicht genau hinschaut, reicht ein Hochrisiko-Arzneimittel an Unbefugte weiter – mit allen haftungsrechtlichen Konsequenzen.“
Die Polizei ermittelt inzwischen in mehreren Fällen ähnlicher Rezeptfälschungen. Im Fokus stehen insbesondere Rezepte für Mounjaro, das nicht nur wegen seines Einsatzes bei Diabetes, sondern auch durch seine Gewichtsreduktionseffekte unter Nicht-Erkrankten extrem gefragt ist. In sozialen Netzwerken kursieren Berichte über Schwarzmarktpreise im dreistelligen Bereich pro Injektion – ein lukratives Geschäft für Fälscherbanden, das zunehmend auch organisierte Strukturen vermuten lässt.
Für Apotheken bedeutet das nicht nur erhöhte Wachsamkeit, sondern auch operative Belastung: Verdachtsfälle müssen dokumentiert, Rücksprachen mit Arztpraxen geführt und die Polizei eingeschaltet werden. Jeder einzelne Betrugsversuch kann den Tagesablauf massiv stören, das Vertrauen in den Versorgungsprozess erschüttern und zu schwerwiegenden Haftungsrisiken führen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Schaden – viele Apotheken bleiben im Falle nicht gedeckter Rezeptbetrügereien auf ihren Kosten sitzen. Auch der betroffenen diabetologischen Praxis dürfte der Schaden bewusst sein: Dort reagierte man laut Baskur entsetzt auf den Vorfall und prüft nun, ob das Original des Stempels in irgendeiner Weise kompromittiert wurde.
Der Fall zeigt: Die Welle an Rezeptfälschungen mit hochpreisigen Arzneimitteln ist längst kein Ausnahmephänomen mehr – sie ist Teil eines strukturellen Problems, das den Apothekenalltag immer stärker durchdringt. Für Murat Baskur war der Vorfall nicht nur ein Risiko, sondern auch ein Weckruf. Er fordert mehr Rückhalt durch die Behörden und konsequente Ermittlungen gegen die Täter: „Solange Rezeptbetrug nicht mit aller Härte verfolgt wird, bleibt jede Apotheke potenzielles Ziel – und wir als Inhaber tragen das volle Risiko.“
Was sich derzeit in Konstanz und anderen Städten abzeichnet, ist mehr als ein lokaler Kriminalfall – es ist das Symptom eines Systems, das sich selbst nicht mehr schützen kann. Der Missbrauch von Rezeptformularen, die Fälschung von Stempeln und die gezielte Erschleichung hochpreisiger Medikamente wie Mounjaro sind keine Einzelfälle mehr, sondern Ausdruck eines Marktversagens mit Ansage. Wer glaubt, dass sich das Problem mit ein paar polizeilichen Ermittlungen oder Warnschreiben an Apotheken eindämmen lässt, unterschätzt die Dynamik eines Schwarzmarktes, der durch Mangel, Regulierungslücken und gesellschaftlichen Druck auf Körperideale befeuert wird.
Dass sich ein Apotheker selbst zur Verfolgung aufmacht, ist einerseits bewundernswert – andererseits ein Armutszeugnis für ein System, das seine Schutzmechanismen an der Ladentheke enden lässt. Dass Betrüger überhaupt ungestraft Rezeptformulare in Umlauf bringen können, offenbart nicht nur Lücken im Kontrollsystem, sondern auch eine gefährliche Normalisierung krimineller Energie im Gesundheitswesen. Der Staat überlässt die Sicherung seiner Versorgungsstrukturen de facto den Apothekerinnen und Apothekern – mit der Erwartung, sie mögen die Verantwortung schon schultern, wenn wieder jemand mit gestohlenen Rezepten, falschen Stempeln oder dreisten Forderungen anrückt.
Die strukturelle Ohnmacht wird dabei durch digitale Abhängigkeit und den massiven Zeitdruck im Alltag noch verschärft. Wer heute in einer Offizin steht, muss innerhalb weniger Sekunden entscheiden, ob ein Rezept authentisch ist – und trägt bei einem Fehler die volle Last. Es braucht dringend bessere technische Erkennungssysteme, standardisierte Rückfrageprozesse mit Arztpraxen und vor allem: ein politisches Bekenntnis, das Betrugsprävention nicht mehr als Nebenaufgabe am HV-Tisch betrachtet. Der Fall aus Konstanz ist ein Signal, das gehört werden muss – bevor aus einzelnen Tätern ein organisierter Schattenmarkt mit System wird.
DocMorris will Markt aggressiv bearbeiten
Kapitalspritze von 200 Millionen Franken soll Expansion auf Kosten der Konkurrenz beschleunigen
DocMorris will seine Marktstellung offenbar mit aller Macht ausbauen und hat dafür eine neue Kapitalrunde in Höhe von 200 Millionen Franken abgeschlossen. Wie Verwaltungsratspräsident Walter Oberhänsli gegenüber Investoren erklärte, gehe es nun darum, „den Markt so aggressiv wie möglich zu bearbeiten“. Die Mittel sollen in Maßnahmen fließen, die auf die Stärkung der Marktposition und die nachhaltige Skalierung des Geschäftsmodells ausgerichtet sind. Damit setzt der Konzern erneut auf massive Investitionen in Logistik, Plattform-Technologie und Werbedruck – ganz im Stil eines Plattformunternehmens, das auf Expansion um jeden Preis setzt.
Dass diese Strategie auf dem Rücken der Aktionäre umgesetzt wird, ist dabei kein Geheimnis. Bereits in den letzten Jahren hatte sich DocMorris durch massive Kapitalmaßnahmen finanziert, um sich mit Preisaktionen, Plattformbindung und aggressiver Kundenwerbung einen festen Platz im deutschen Apothekenmarkt zu sichern. Während lokale Apotheken unter Personalmangel und regulatorischen Auflagen leiden, will DocMorris seine Marktpräsenz weiter ausbauen – unter anderem durch neue Versorgungsmodelle, stärkere Integration ins E-Rezept-System und die vertikale Einbindung in den Medikationsprozess.
Oberhänsli betont die Notwendigkeit, mit entschlossener Marktbearbeitung auf neue gesetzliche und technologische Rahmenbedingungen zu reagieren. Dies sei kein Rückzug, sondern eine Offensive – auch mit Blick auf mögliche Marktbereinigungen. Dass solche Formulierungen unter Vor-Ort-Apothekern als Drohgebärde empfunden werden, ist offensichtlich. Zumal sich DocMorris nicht auf die Rolle eines Versandhändlers beschränken will, sondern zunehmend als digitale Plattform mit pharmazeutischem Zugang positioniert.
Intern wird betont, dass die Mittel nicht nur für organisches Wachstum, sondern auch für mögliche Übernahmen oder Partnerschaften eingesetzt werden könnten. Ein Signal an kleinere Wettbewerber, dass der Markt sich weiter konsolidieren dürfte – unter digitalem Vorzeichen und mit den Mitteln eines börsennotierten Akteurs. Auch in der Politik dürften die Ankündigungen genau registriert werden: Der Druck auf inhabergeführte Apotheken steigt, während DocMorris gezielt Freiräume im regulatorischen Graubereich nutzt, um neue Geschäftsmodelle zu testen.
Mit der jüngsten Kapitalspritze sichert sich DocMorris erneut strategischen Handlungsspielraum. Dass das Unternehmen dabei auf Kosten der Marge agiert und Verluste in Kauf nimmt, wird in Kauf genommen – solange Wachstum, Plattformmacht und Marktanteil steigen. Die Frage, wie weit diese Strategie trägt, bleibt jedoch offen. Während DocMorris auf Systemumbruch setzt, wächst der Unmut in der Branche über ungleiche Bedingungen, mangelnde Regulierung und die schleichende Aushöhlung des Präsenzsystems. Der Konflikt um die Zukunft der Arzneimittelversorgung ist damit wieder ein Stück eskaliert.
Der Ton ist gesetzt: Wenn der Verwaltungsratspräsident von DocMorris offen erklärt, man werde den Markt „so aggressiv wie möglich bearbeiten“, dann ist das mehr als eine betriebswirtschaftliche Ankündigung. Es ist eine Machtdemonstration – gegenüber der Konkurrenz, der Politik und letztlich auch gegenüber der Gesellschaft, die sich fragen muss, in welche Richtung sich die Arzneimittelversorgung entwickeln soll. Während Vor-Ort-Apotheken um Personal, Betriebskosten und Bürokratie kämpfen, werden in Zug dreistellige Millionenbeträge mobilisiert, um den Wettbewerb zu verzerren.
Diese Marktbearbeitung folgt keinem fairen Spiel. Sie ist Teil einer Plattformlogik, die auf Disruption setzt – koste es, was es wolle. Dass dies auf dem Rücken von Apotheken geschieht, die Tag für Tag für Patienten vor Ort da sind, scheint in der Unternehmenslogik keine Rolle zu spielen. Die Aktionäre werden zur Kasse gebeten, um weiter Anteile zu gewinnen, als wäre der Apothekenmarkt ein Spielplatz für skalierende Geschäftsmodelle. Doch der Preis dieser Strategie ist hoch: Der soziale Auftrag der Arzneimittelversorgung droht durch marktradikale Fantasien ersetzt zu werden.
Auch politisch wirft die Ankündigung Fragen auf. Während über die Apothekenreform gestritten wird, die Versorgungssicherheit betont wird und Gleichpreisigkeit als zentraler Pfeiler gilt, untergräbt ein börsennotiertes Unternehmen durch seine Expansion genau diese Prinzipien. Die Politik wirkt dabei hilflos – oder willens, diese Entwicklung bewusst zu tolerieren. Denn DocMorris agiert nicht im rechtsfreien Raum, sondern nutzt Spielräume, die ihm gewährt wurden. Was fehlt, ist ein regulatorischer Rahmen, der dieser aggressiven Expansionslogik Einhalt gebietet.
Dass DocMorris offen mit Kampfbegriffen wie Marktverdrängung, Skalierung und Wachstum auftritt, ist kein Zufall. Es zeigt, wie sich der Pharmamarkt verändert hat – weg von Heilberufen, hin zu Plattformstrategien. Dass diese Realität nicht länger ausgeblendet werden kann, muss auch den Standesvertretungen klar sein. Wer den Wandel nicht politisch rahmt, wird ihn wirtschaftlich erleiden. DocMorris hat seine Strategie klargemacht. Nun ist es an der Politik, zu zeigen, ob sie noch handlungsfähig ist.
Frisches Geld, verbranntes Vertrauen
DocMorris ringt um Zustimmung zur Kapitalerhöhung, doch die Kritik eskaliert
In Zürich spitzte sich am gestrigen Tag eine Entwicklung zu, die viele Beobachter bereits seit Monaten befürchtet hatten: Der Frust der Aktionäre über den kontinuierlichen Kursverfall der DocMorris-Aktie mündete in offener Empörung. Doch trotz massiver Vorbehalte stimmten die Anteilseigner der angekündigten Kapitalerhöhung über 200 Millionen Schweizer Franken zu – nicht aus Überzeugung, sondern aus purer Not. Denn ohne dieses Geld droht dem einstigen Hoffnungsträger der europäischen Versandapotheken buchstäblich der Stecker gezogen zu werden.
Die Debatte während der Hauptversammlung geriet zur Zerreißprobe für das Management. Der Vertrauensvorschuss, den sich das Unternehmen in den letzten Jahren teuer erkauft hatte, scheint aufgebraucht. Die wiederholten Versprechen, das Wachstum nachhaltig zu gestalten und die Profitabilität zu erreichen, haben sich nicht eingelöst. Stattdessen kämpft DocMorris mit rückläufigen Erträgen, einem sinkenden Börsenwert und einer zunehmend fragwürdigen Marktstrategie, die immer wieder neue Finanzierungsschübe benötigt – zuletzt bereits 2023. Auch damals versprach das Management, es werde das letzte Mal sein.
Die Aussagen des Vorstands, man sei „nun endgültig auf dem richtigen Weg“, wirkten auf viele Teilnehmende wie ein müder Abklatsch vergangener Erklärungen. Kritik kam nicht nur von institutionellen Investoren, sondern auch von kleineren Aktionären, die ihren Anteilwert seit Jahren schrumpfen sehen. „Wie oft wollen Sie uns noch zur Kasse bitten?“, lautete eine Wortmeldung, die symptomatisch für den Ton der Versammlung stand.
Dabei blieb es nicht bei rhetorischer Kritik: Mehrfach wurde der Rücktritt des Vorstands offen gefordert. Das Management verteidigte sich mit dem Verweis auf schwierige Marktbedingungen, die regulatorischen Herausforderungen im deutschen Apothekenwesen und auf die wachsenden Investitionen in Plattformtechnologie. Doch diese Argumente griffen nicht mehr. Zu viele Enttäuschungen hatten sich aufgestaut, zu viele Erwartungen waren unerfüllt geblieben.
Die Kapitalerhöhung, die nun über eine Bezugsrechtsemission abgewickelt werden soll, bringt kurzfristig Luft. Doch sie löst kein einziges strukturelles Problem. Noch immer ist unklar, wie DocMorris die hochgesteckten Wachstumsziele erreichen will, ohne dabei das operative Geschäft weiter zu belasten. Noch immer fehlt ein überzeugendes Konzept zur Integration der Apothekenplattform, das über bloße Skaleneffekte hinausgeht. Und noch immer bleibt offen, ob das Unternehmen jemals Gewinne erzielen kann, die dem Risiko des Engagements gerecht werden.
An der Börse wurde die Nachricht mit einem kurzen Zwischenhoch quittiert, das jedoch rasch wieder abbröckelte. Das Vertrauen in die strategische Steuerung ist so erschüttert, dass selbst gute Nachrichten kaum noch Wirkung entfalten. Der Aktienkurs bleibt im Keller, die Perspektive unklar.
Die zentrale Frage nach diesem Tag lautet nicht mehr, ob DocMorris noch einmal Kapital bekommt. Sie lautet, wie lange sich Investoren dieses Spiel noch leisten wollen – und ob das Management die Geduld seiner Anteilseigner nicht endgültig überstrapaziert hat.
DocMorris hat ein Problem. Und es ist nicht primär finanzieller Natur. Die Zustimmung zur Kapitalerhöhung sichert zwar das Überleben auf Zeit – aber sie ist das Symptom einer tieferen Krise: des verlorenen Vertrauens. Ein Unternehmen, das wiederholt zur Kapitalspritze greifen muss, wirkt nicht mehr wie ein Visionär, sondern wie ein Sanierungsfall im Dauerloop. Und genau diesen Eindruck hat DocMorris in den letzten Jahren zementiert.
Zweifelsohne operiert das Unternehmen in einem schwierigen Umfeld. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet schleppend voran, politische Rahmenbedingungen ändern sich zäh, der stationäre Apothekenmarkt ist träger als gedacht. Doch die Misere lässt sich nicht allein auf externe Faktoren zurückführen. Die aggressive Plattformstrategie, die sich als Übernahmeangebot an eine ganze Branche verstand, hat die Bindung zur Realität verloren. Anstelle des versprochenen Wachstumsmodells wurde ein Kapitalvernichtungsapparat etabliert, der seine eigene Logik nicht mehr hinterfragt.
Die jetzige Situation ist das Resultat einer verfehlten Strategie, die auf die Behauptung setzte, Marktanteile seien wichtiger als Gewinn. Nun zeigt sich, dass beides nicht eintritt. Der Markt honoriert keine Vision, die ständig nachfinanziert werden muss. Und er straft ein Management ab, das sich weigert, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Wenn das Wort „endgültig“ heute noch irgendeine Bedeutung haben soll, dann in einem einzigen Zusammenhang: Es wäre an der Zeit, dass das Führungsteam selbst erkennt, wann ein Projekt nicht mehr zu retten ist – zumindest nicht mit denselben Köpfen, die es an diesen Punkt geführt haben.
Ohne Netz kein Rezept
Die Antonius-Apotheke erlebt den Albtraum jeder Digitalisierung – durch einen Bagger
Am Montagnachmittag wurde in Georgsmarienhütte ein Glasfaserkabel beschädigt – ein Vorfall, wie er vielerorts vorkommt, doch in diesem Fall hatte er weitreichende Folgen: Die Antonius-Apotheke im Stadtteil Holzhausen wurde mit einem Schlag vollständig vom digitalen Versorgungssystem abgetrennt. Kein Internet, kein Zugang zu den zentralen Warenwirtschaftssystemen, keine E-Rezepte, kein EC-Cash – der komplette Betrieb war auf einen Schlag handlungsunfähig.
Die Inhaberin Evelyn Geiter und ihr Team standen vor einem Szenario, das sich mit dem Begriff „Digitalstillstand“ kaum hinreichend beschreiben lässt. „Ohne Internet läuft hier schlicht gar nichts“, sagt eine Mitarbeiterin. Was früher mit Telefon und Fax noch irgendwie lösbar war, ist heute ohne Online-Anbindung schlicht nicht mehr durchführbar. Besonders kritisch: Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Rezepturarzneien und akuten Medikamenten stockte, weil weder Verfügbarkeiten abgefragt noch Bestellungen getätigt werden konnten.
Die Ursache für den Ausfall war schnell gefunden: Bei Bauarbeiten wurde in unmittelbarer Nähe zur Apotheke ein Glasfaserkabel durchtrennt. Der Schaden betraf nicht nur die Apotheke, sondern auch mehrere Praxen, eine Bäckerei und Privatanschlüsse. Doch während andere Betriebe eingeschränkt weiterarbeiten konnten, bedeutete der Ausfall für die Antonius-Apotheke den kompletten funktionellen Stillstand.
Erst das beherzte Eingreifen des Hausmeisters brachte eine Wende. Mit improvisiertem IT-Know-how und einem Ersatzrouter organisierte er eine Notlösung, über die der Betrieb zumindest teilweise wiederhergestellt werden konnte. Ein mobiler LTE-Hotspot brachte nach Stunden der Unsicherheit rudimentäre Funktionen zurück: Zugriff auf das Apotheken-System, zumindest teilweise Rezeptabwicklung, eingeschränkte Kommunikation mit Großhändlern.
Trotzdem dauerte es mehrere Tage, bis die volle Funktionsfähigkeit wiederhergestellt war. In dieser Zeit war die Apotheke auf analoge Methoden, Kulanzregelungen und viel Geduld der Kundschaft angewiesen. Dass es dabei zu keinem Versorgungsengpass kam, ist nicht nur einem motivierten Team zu verdanken, sondern auch der engen Zusammenarbeit mit benachbarten Apotheken, die im Notfall aushalfen.
Der Vorfall zeigt exemplarisch, wie fragil die digitalisierte Infrastruktur des Gesundheitswesens ist. Die vermeintliche Effizienzsteigerung durch Digitalisierung offenbart bei einem einzigen physischen Schaden ihre Achillesferse. Eine simple Baggerbewegung genügte, um den Betrieb einer ganzen Apotheke für Tage lahmzulegen – mit potenziell dramatischen Folgen für die Patientensicherheit.
Die Apotheke selbst denkt nun über dauerhafte Redundanzlösungen nach – etwa eine zweite Internetleitung über einen anderen Anbieter oder fest installierte Notfall-Hotspots. „Wir waren vorbereitet – aber nicht genug“, resümiert Inhaberin Evelyn Geiter. Ihre Erfahrung dürfte in vielen Apotheken Anklang finden, denn sie ist kein Einzelfall.
Die Digitalisierung der Apotheken ist politisch gewollt, ökonomisch gefordert und technologisch vorangetrieben worden – doch sie bleibt gefährlich verletzlich. Der Fall der Antonius-Apotheke in Georgsmarienhütte offenbart mit schmerzhafter Deutlichkeit, was in der täglichen Gesundheitsversorgung oft verdrängt wird: Die vollständige Abhängigkeit von einem einzigen Systemweg ist nicht nur betriebswirtschaftlich riskant, sondern auch patientengefährdend.
Dass eine Baggerbewegung ausreicht, um die Medikamentenversorgung im Stadtteil temporär auszuschalten, ist ein strukturelles Warnsignal. Es geht nicht um Schuld – es geht um Systemdesign. Wer Digitalisierung ohne Redundanz betreibt, spielt mit der Grundversorgung. Die Apotheke in Holzhausen hatte Glück im Unglück: eine handlungsfähige Inhaberin, ein technikaffiner Hausmeister, und ein engagiertes Team. Doch was, wenn diese Elemente nicht verfügbar sind?
Der Zwischenfall ist ein Lehrstück über die Illusion moderner Effizienz. Vernetzung, Automatisierung, Cloudbasierung – all diese Schlagworte klingen nach Fortschritt, verlieren aber in der Praxis ihre Substanz, wenn es keine Rückfallebenen gibt. Besonders im Gesundheitswesen, das zu jeder Zeit funktionsfähig sein muss, sind solche Unterbrechungen mehr als nur lästig: Sie gefährden Vertrauen, Versorgungssicherheit und im Ernstfall auch Leben.
Es braucht einen politischen und technischen Paradigmenwechsel. Notfallkonzepte dürfen nicht nur als interne Betriebsanweisung existieren, sie müssen infrastrukturell erzwungen werden. Der Gesetzgeber sollte verpflichtende Backup-Systeme für Apotheken, Arztpraxen und andere kritische Einrichtungen vorsehen – inklusive Fördermöglichkeiten für technische Resilienz.
Wer Digitalisierung predigt, muss auch ihre Folgen absichern. Die Antonius-Apotheke hat gezeigt, dass Improvisation helfen kann. Aber eine resiliente Gesundheitsversorgung darf sich nicht auf Glück, Hausmeister und Ad-hoc-Lösungen verlassen.
Lauterbach am Wendepunkt
Karl Lauterbachs Apothekenpolitik steht vor der endgültigen Bewährungsprobe
Während der Gesundheitsminister erneut öffentlich um Verständnis wirbt, mehren sich in der Apothekerschaft Zweifel, ob Karl Lauterbach seine eigenen Reformversprechen überhaupt noch erfüllen kann. Der Ton ist rauer geworden, die Geduld dünner. Apotheken in ganz Deutschland ächzen unter den Folgen politischer Versäumnisse: steigende Betriebskosten, unzureichende Honoraranpassung, lähmende Bürokratie und ein Reformgesetz, das mehr Fragen aufwirft als es Antworten gibt. Die versprochene Erhöhung des Fixums steht noch immer aus, obwohl der Koalitionsvertrag längst unterschrieben und der Minister im Amt bestätigt wurde. In den Apotheken, die tagtäglich den Betrieb aufrechterhalten, wächst das Gefühl, abermals hingehalten zu werden.
In Berlin wiederum setzt das Bundesgesundheitsministerium auf Beschwichtigung. Es verweist auf laufende Gespräche mit dem BMWK, das offiziell für die Honorierung zuständig sei. Doch zwischen Ressortzuständigkeit und politischer Verantwortung klafft eine Lücke, die das Vertrauen der Berufsgruppe nachhaltig erschüttert. Statt klarer Entscheidungen hagelt es vage Zeitpläne, Prüfaufträge und Zuständigkeitsverweise. Und währenddessen ziehen sich immer mehr Apothekerinnen und Apotheker aus dem Beruf zurück, schließen Filialen oder übergeben notgedrungen ihre Betriebe.
Die Lage spitzt sich zu. Im Umfeld der Standesvertretungen wird hinter vorgehaltener Hand bereits diskutiert, ob der letzte Reformversuch aus dem BMG als gescheitert gelten muss. Dass Lauterbach sich mit seinem ursprünglichen Plan einer Apotheke ohne Apotheker verrannt hat, ist mittlerweile Konsens. Der Begriff ist verbrannt – selbst innerhalb der Koalition. Doch ein tragfähiges Alternativkonzept steht nicht in Sicht. Stattdessen werden an zentralen Stellen Versorgungsstrukturen destabilisiert, die eigentlich gestärkt werden müssten.
Gleichzeitig wüten in den Apotheken administrative Stürme. Die elektronische Verordnung, einst als Fortschritt gefeiert, wird im Alltag zum Risiko. Technikversagen, Abrechnungsprobleme und fehlende Notfalllösungen machen das E-Rezept zu einem Stolperstein, nicht zu einem Schritt nach vorn. Parallel dazu explodieren die Null-Retaxationen – manche Apotheken berichten von vier- bis fünfstelligen Schadenssummen durch formale Fehler, etwa bei Impfungen oder digitalen Übermittlungen. Die Lage wird so zum betriebswirtschaftlichen Risiko, das Existenzen gefährdet.
Zunehmend zeigt sich auch, dass Lauterbach die kommunikative Verbindung zur Apothekerschaft verloren hat. Der Deutsche Apothekertag, politische Besuchstermine, öffentliche Foren – überall fehlen konkrete Signale. Was bleibt, ist ein strukturelles Vakuum: ein Ministerium, das sich mit Übergangslösungen und Appellen behelfen will, und ein Berufsstand, der das Gefühl hat, ausbluten zu müssen, bis endlich gehandelt wird.
Das eigentliche Problem liegt dabei nicht nur im Inhalt, sondern in der politischen Haltung. Statt gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, wirkt die Kommunikation des BMG oft einseitig, selbstreferenziell und defensiv. Es fehlt der Wille, Verantwortung auch dort zu übernehmen, wo sie unbequem ist – etwa bei der Honorierung, bei der Finanzierung pharmazeutischer Dienstleistungen oder beim Schutz der Betriebe vor digitalen Risiken.
Die große Frage lautet also: War das Reformvorhaben der große Wurf oder doch nur ein missglückter Versuch? Für viele Apotheken ist die Antwort längst gefallen. Die Welle der Betriebsaufgaben ist nicht nur Ausdruck ökonomischen Drucks, sondern auch ein klares politisches Signal. Wer Strukturen nicht schützt, verliert sie – und mit ihnen das Vertrauen einer ganzen Berufsgruppe. Insofern ist der Moment gekommen, in dem Lauterbachs Vorschläge entweder zur zweiten Chance werden – oder zur letzten Ausfahrt.
Wenn Karl Lauterbachs Apothekenreform eine letzte Ausfahrt sein soll, dann führt sie bisher nur im Kreis. Zwischen Zuständigkeitswirrwarr, politischen Nebelkerzen und realitätsferner Digitalagenda ist eine gefährliche Dynamik entstanden: Während das Ministerium mit Ankündigungen beschäftigt ist, verlieren Apotheken ihre betriebliche Handlungsfähigkeit. Das ist keine Reformpolitik, das ist Zermürbung.
Der Minister hat das politische Kapital verspielt, das ihm nach der Corona-Pandemie noch zur Verfügung stand. Statt Nähe zur Versorgungsrealität signalisiert sein Ressort technokratische Distanz. Es ist ein Paradoxon, dass ein Gesundheitspolitiker, der sich einst als Anwalt der Patientensicherheit inszenierte, nun dabei zusieht, wie wohnortnahe Versorgung ausgerechnet durch politische Untätigkeit gefährdet wird.
Auch der jüngste Verweis auf das BMWK als zuständiges Ministerium für das Fixum entlastet Lauterbach nicht. Die strategische Verantwortung liegt bei ihm – und mit ihr die Pflicht, steuernd einzugreifen. Ein Minister, der ein Reformgesetz wie das ApoRG nicht mit breitem Rückhalt und klaren Umsetzungsschritten flankieren kann, steht nicht für Neuanfang, sondern für Orientierungslosigkeit.
Die Apothekerschaft hat ihrerseits längst eine Haltung gefunden: Forderung, Widerstand, Rückzug. Diese Reaktionen sind nicht nur emotional, sondern ökonomisch begründet. Wenn Versorgungssicherheit allein am unternehmerischen Selbstausbeutungsgrad hängt, ist das kein Systemfehler mehr – das ist Staatsversagen.
Dabei wäre ein Neuanfang noch möglich. Nicht mit Placebos und Prüfaufträgen, sondern mit klaren politischen Entscheidungen. Eine sofortige Honoraranpassung, rechtssichere Retaxregelungen, verlässliche Digitalinfrastruktur und ein ernst gemeinter Dialog mit der Standesvertretung – das wäre die zweite Chance. Ob sie genutzt wird, entscheidet sich jetzt.
Fixum soll auf 9,50 Euro steigen
CDU-Wirtschaftsministerium steht unter Zugzwang zur Apothekenhonorarreform
Mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler und der Vereidigung der neuen Minister hat die politische Übergangsphase in Deutschland offiziell ihr Ende gefunden. Der unterzeichnete Koalitionsvertrag zwischen CDU, FDP und Grünen markiert den formellen Startpunkt einer Legislaturperiode, deren gesundheitspolitische Brisanz bereits jetzt deutlich zutage tritt. Ein zentrales Vorhaben darin: die Erhöhung des Fixums für Apotheken auf 9,50 Euro pro abgegebenem verschreibungspflichtigem Medikament. Während Gesundheitsministerin Marie-Luise Schütz (FDP) als ressortverantwortliche Ansprechpartnerin für das System der Arzneimittelversorgung firmiert, liegt die haushaltsrechtliche Zuständigkeit für die Honorierung der Apotheken formal beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter der neuen Leitung von Katherina Reiche (CDU). In Berlin ist man sich einig: Ohne enge Abstimmung zwischen den beiden Häusern ist das Projekt nicht umzusetzen.
Hinter den Kulissen wurden bereits in den Wochen vor der Kanzlerwahl die entscheidenden Linien gezogen. Denn das Apothekenfixum ist kein symbolpolitischer Akt, sondern zentraler Bestandteil der wirtschaftlichen Existenzsicherung für über 17.000 öffentliche Apotheken in Deutschland. Die Erhöhung um knapp 20 Prozent gegenüber dem bisherigen Fixbetrag von 8,35 Euro soll nicht nur die inflationsbedingten Mehrkosten abfedern, sondern auch die Versorgungsleistung der Apotheken im ländlichen Raum strukturell stützen. Im Bundeswirtschaftsministerium arbeitet eine eigens eingerichtete Projektgruppe unter Hochdruck an der Umsetzung des Koalitionsauftrags, flankiert von einer interministeriellen Koordinationsrunde, die zwischen BMWK und BMG regelmäßig tagt.
Die politische Brisanz ist unübersehbar. Während die Union in der Öffentlichkeit den Schulterschluss mit den Apotheken sucht, hat die FDP als Koalitionspartner ein erklärtes Interesse an haushaltspolitischer Disziplin – auch im Gesundheitsbereich. Es ist dieses Spannungsfeld, in dem die neue Wirtschaftsministerin agieren muss. Katherina Reiche bringt Verwaltungserfahrung und Industriekompetenz mit, aber auch ein erklärtes Ziel: wirtschaftspolitische Verlässlichkeit in krisenanfälligen Zeiten. Für die Apotheken heißt das: Warten auf konkrete Zahlen und Fristen. Denn bislang existiert kein Zeitplan zur Umsetzung der Fixumerhöhung, obwohl der politische Wille eindeutig festgehalten ist.
In Fachkreisen wächst unterdessen die Sorge, dass die Haushaltsverhandlungen zum Flaschenhals werden könnten. Die Berechnung der Mehrkosten für die gesetzliche Krankenversicherung liegt auf dem Tisch – ebenso ein alternatives Szenario, das eine Staffelung der Fixumerhöhung in mehreren Schritten vorsieht. Der Apothekerverband drängt auf schnelle Klarheit und verweist auf die wirtschaftliche Schieflage vieler Betriebe. Besonders Apotheken mit hohen Mietkosten oder Personalmangel hätten kaum Spielräume, um die nächste Wintersaison ohne Liquiditätsengpässe zu überstehen.
Auch juristisch ist die Lage nicht trivial. Die Honorierung der Apotheken ist durch das Arzneimittelpreisrecht geregelt und damit Bestandteil einer komplexen Rechtsstruktur, die nicht ohne gesetzliche Anpassung verändert werden kann. Neben einer Änderung der Arzneimittelpreisverordnung braucht es eine flankierende Abstimmung mit dem Bundesrat – insbesondere mit Blick auf die finanzielle Belastung der Bundesländer durch höhere Zuzahlungsanteile im Sozialwesen.
Hinter der Fixumdebatte steht jedoch mehr als ein Zahlenstreit. Es geht um die langfristige Ausgestaltung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung. Viele Apothekeninhaber sehen in der geplanten Fixumerhöhung nicht nur einen Inflationsausgleich, sondern ein überfälliges Signal der politischen Anerkennung für eine systemrelevante Berufsgruppe. Die neue Bundesregierung steht somit nicht nur vor einer haushaltstechnischen, sondern auch einer moralisch-gesellschaftlichen Bewährungsprobe.
Die Debatte um die Erhöhung des Apothekenfixums auf 9,50 Euro ist kein bloßes Randthema der neuen Bundesregierung – sie ist ein Lackmustest für die Glaubwürdigkeit ihres Koalitionsvertrags. Denn anders als viele andere politische Vorhaben ist dieser Punkt mit klarer Zuständigkeit, einem überschaubaren Budgetrahmen und hoher gesellschaftlicher Relevanz ausgestattet. Dass ausgerechnet das Wirtschaftsministerium mit der Umsetzung beauftragt ist, ist kein Zufall: Es geht hier nicht nur um gesundheitspolitische Symbolik, sondern um einen klar kalkulierbaren Beitrag zur strukturellen Stabilisierung eines Berufsstandes, dessen wirtschaftliches Fundament bröckelt.
Katherina Reiche übernimmt diese Aufgabe nicht unter neutralen Vorzeichen. Die Apothekenbranche erwartet nach Jahren der politischen Vertröstung und realen Ertragseinbußen keine weitere Runde der Prüfung, sondern endlich Vollzug. Dass das Gesundheitsministerium unter FDP-Führung signalisiert, man wolle „eng begleiten, aber nicht entscheiden“, zeigt bereits die Tendenz zur Verantwortungsverschiebung. Umso entscheidender wird sein, ob das BMWK in der Lage ist, den Koalitionsauftrag zügig und konfliktfrei umzusetzen.
Die politische Lage ist angespannt: Die Apothekerinnen und Apotheker haben ihren Vertrauensvorschuss durch zahllose Sonntagsdienste, Impfaktionen, Lieferengpassmanagement und Pandemiebewältigung längst eingelöst. Jetzt ist der Staat in der Bringschuld. Eine weitere Verzögerung – etwa durch haushaltstechnische Spitzfindigkeiten oder rechtliche Umwege – wäre nicht nur ein Bruch des Koalitionsvertrags, sondern auch eine Gefährdung der Versorgungsstabilität in der Fläche.
Wer jetzt auf Zeit spielt, wird in der Bevölkerung auf wenig Verständnis stoßen. Die wohnortnahe Apotheke ist ein Anker im Gesundheitssystem. Ihre wirtschaftliche Unterfinanzierung ist kein Betriebsunfall, sondern das Resultat jahrelanger politischer Ignoranz gegenüber realen Betriebskosten. Der Versuch, eine Fixumerhöhung mit haushalterischem Verweis zu torpedieren, wäre ein verheerendes Signal – nicht nur für die Branche, sondern auch für das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung.
Es liegt nun an Reiche, diesen ersten gesundheitspolitischen Prüfstein der Legislaturperiode nicht zur Hypothek werden zu lassen. Die Botschaft muss lauten: Vertrag gilt, Umsetzung folgt. Alles andere wäre politisches Versagen im ersten Akt.
Wer in der Apotheke arbeitet, wird zunehmend zum Blitzableiter
Der Fall einer PKA steht exemplarisch für ein strukturelles Problem
Ein Brief, zwei Seiten, mehrere Sätze voller Wut: Was für manche als Beschwerde beginnt, mündet in eine Tirade – mit Vorwürfen, die unter die Gürtellinie zielen. So geschehen in einer Apotheke in Hessen, wo eine pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) gemeinsam mit ihrem Team zur Zielscheibe einer verbitterten Kundin wurde. Der Vorwurf: angebliche Bloßstellung an der Kasse. Die Sprache: schroff, drohend, respektlos.
Statt den Vorfall still zu schlucken, entschied sich die betroffene Mitarbeiterin zu einem Schritt, der in der Branche selten ist: Sie veröffentlichte den Beschwerdebrief anonymisiert auf der Plattform Reddit – nicht als Akt der Anklage, sondern als dokumentiertes Beispiel für den rauer gewordenen Ton in Apotheken. „Damit wurden wir gestern bei der Arbeit begrüßt“, kommentierte sie nüchtern. Was folgte, war eine Welle der Solidarität – und eine Diskussion über das, was viele Apothekenangestellte täglich erleben, aber selten öffentlich machen.
Der Inhalt des Briefes spiegelt eine Haltung wider, die zunehmend Einzug in Apotheken hält: die Umkehr der Verantwortlichkeit. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die unter großem Druck arbeiten, werden in der Wahrnehmung mancher Kunden zu Feindbildern stilisiert, weil ein Ablauf nicht den persönlichen Erwartungen entspricht. Im vorliegenden Fall ging es offenbar um eine Zahlungsabwicklung, bei der sich die Kundin vor anderen bloßgestellt gefühlt haben will. Die Folge: pauschale Anschuldigungen gegen das Team, verbunden mit abwertenden Formulierungen zur Berufsauffassung der PKA.
Was wie ein Einzelfall klingt, ist in Wahrheit ein kollektives Muster. In vielen Kommentaren unter dem Reddit-Beitrag berichten Apothekenangestellte von ähnlichen Vorfällen: Kunden, die laut werden, wenn es zu Lieferengpässen kommt. Menschen, die mit Anwalt drohen, weil ein Rezept nicht sofort belieferbar ist. Patienten, die lautstark gegen Maskenpflicht oder digitale Prozesse protestieren – und dabei persönliche Grenzen überschreiten.
Das Schreiben selbst ist in seiner Rhetorik entlarvend. Es verbindet eine subjektive Kränkung mit einem moralischen Überlegenheitsanspruch, der aus der Apotheke eine Bühne für individuelle Empörung macht. Die Vorstellung, dass die eigene Unzufriedenheit ein Freibrief für herabsetzende Kommunikation sei, zeigt ein gesellschaftliches Klima, in dem Dienstleistende entpersonalisiert und entwertet werden.
Der Apotheke bleibt in solchen Momenten wenig Handlungsspielraum. Eine sachliche Klärung gerät unter die Räder emotionaler Eskalation. Und obwohl Apothekenteams gesetzlich zur Versorgung verpflichtet sind, wird ihre Autorität in vielen Alltagssituationen unterminiert – von der Terminvergabe über die Medikationsberatung bis hin zur Durchsetzung gesetzlicher Vorgaben.
Gerade die Einführung des E-Rezepts, die Zunahme bürokratischer Anforderungen und der anhaltende Personalmangel verschärfen die Situation. In der öffentlichen Wahrnehmung bleiben diese Belastungen jedoch oft unsichtbar – anders als die Verärgerung einer einzelnen Kundin, die sich mit einem scharf formulierten Brief Luft macht.
Die betroffene PKA hat mit ihrer Veröffentlichung nicht nur Mut bewiesen, sondern auch ein Bewusstsein geschaffen. Für das, was Apothekenpersonal tagtäglich leisten – und was sie dafür hinnehmen müssen. Der Fall aus Hessen ist kein Ausrutscher, sondern ein Brennglas. Er zeigt, wie viel Frust sich im Gesundheitswesen angestaut hat – und wo er abgeladen wird, wenn die Schwelle zum respektvollen Miteinander überschritten ist.
Wer sich auf einen Arbeitsplatz in der Apotheke einlässt, tut dies oft mit dem Wunsch zu helfen. Doch der zwischenmenschliche Rahmen, in dem diese Hilfe erbracht wird, hat sich dramatisch verändert. Der Fall aus Hessen illustriert eine Entwicklung, die längst über das Anekdotische hinausgeht: die Verrohung im Umgang mit Apothekenpersonal.
Die Veröffentlichung des Beschwerdebriefs durch die betroffene PKA ist kein Aufschrei, sondern eine stille, dokumentierte Anklage. Sie zwingt zur Auseinandersetzung mit einer Realität, die sich nicht mehr leugnen lässt: In vielen Apotheken ist der Umgangston rauer, die Toleranzgrenze gesunken, die Bereitschaft zur Eskalation gewachsen. Was früher als Ausnahme galt, ist heute Alltag.
Dabei geht es nicht nur um den Inhalt des Briefes, sondern um seine Selbstverständlichkeit. Die Kundin formuliert ihren Angriff so, als stünde ihr eine moralische Hoheit zu. Sie stellt sich über das Team, über die Arbeitsrealität und über das Maß. Dass dieser Brief überhaupt geschrieben und abgegeben wurde, ist bezeichnend für eine Gesellschaft, in der individuelle Kränkung wichtiger geworden ist als kollektives Verständnis.
In Apotheken verdichten sich viele der Probleme, die unser Gesundheitssystem durchziehen: Fachkräftemangel, digitale Überforderung, wirtschaftlicher Druck. Zugleich sind sie emotionale Brennpunkte für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Wer krank ist oder Angst hat, reagiert empfindlich. Doch Empfindlichkeit rechtfertigt keine Übergriffe – weder verbal noch psychisch.
Dass Apotheken diesen Schutzraum oft nicht haben, ist eine Folge politischer Vernachlässigung. Es fehlen nicht nur Honorare und Personal, sondern auch Schutzkonzepte. Es fehlt an klaren Regeln im Umgang mit übergriffiger Kundschaft, an rechtlicher Rückendeckung und an der Bereitschaft, den Arbeitsplatz Apotheke als sozial sensiblen Ort zu begreifen.
Der Brief aus Hessen zeigt nicht nur ein Problem – er offenbart ein Defizit an gesellschaftlicher Reife. Der Wunsch nach sofortiger Lösung, sofortiger Bestätigung, sofortiger Genugtuung wird mit einem Anspruch auf totale Kontrolle verwechselt. Dabei verlieren viele den Blick für das Gegenüber.
Was bleibt, ist die Hoffnung, dass solche Veröffentlichungen nicht vereinzelt bleiben, sondern eine Debatte anstoßen – über Respekt, über Kommunikation und über die Verantwortung, die auch Kundschaft trägt. Denn Apotheken sind keine Schauplätze für Frustabbau, sondern tragende Pfeiler einer Versorgung, die ohne menschliche Würde nicht funktionieren kann.
Treue im Takt der Zeit
Seit 50 Jahren steht die Warndt-Apotheke für Kontinuität und Herzblut im Apothekenberuf
In Völklingen, einer Stadt mit bewegter Geschichte, feiert ein Apothekenbetrieb ein stilles, aber bedeutendes Jubiläum. Die Warndt-Apotheke wird 50 Jahre alt – ein halbes Jahrhundert pharmazeutischer Versorgung, gelebter Ortstreue und kollegialer Stabilität. Die Inhaberin Astrid Roskothen, selbst erst vor 24 Jahren aus einem Nebenjob heraus zur Apotheke gekommen, führt das Haus heute mit bemerkenswerter Hingabe. Es ist ein Jubiläum, das weniger auf große Gesten als auf gelebte Kontinuität setzt – und doch über die Region hinausstrahlt.
Das Herz der Feierlichkeiten galt dabei nicht der Chefin, sondern einer Mitarbeiterin, die symbolisch für die Haltung des gesamten Betriebs steht: Elisabeth Heinemann. Die heute 74-jährige PKA ist seit der Gründung der Apotheke im Jahr 1974 mit an Bord – und arbeitet bis heute einmal pro Woche im Backoffice. Ihre jahrzehntelange Zugehörigkeit spiegelt nicht nur persönliche Loyalität, sondern auch die besondere Arbeitsatmosphäre wider, die in der Warndt-Apotheke offenbar herrscht. In einer Zeit, in der viele Betriebe mit Personalfluktuation kämpfen, ist diese Kontinuität fast eine stille Sensation.
Roskothen kam selbst über Umwege in den Betrieb. Nach der Geburt ihres Sohnes nahm sie ein Teilzeitangebot an, arbeitete zunächst nur samstags – heute leitet sie das Unternehmen. Ihre Geschichte ist die einer pragmatischen Leidenschaft: Keine klassische Karriere, sondern eine Entwicklung, getragen vom Ort, dem Team und dem Willen, in schwierigen Zeiten Verantwortung zu übernehmen. Seit elf Jahren führt sie die Apotheke – gemeinsam mit ihrem Mann, mit klarem Blick auf die Bedürfnisse vor Ort.
Denn die Herausforderungen haben sich verändert. Digitalisierung, Fachkräftemangel, E-Rezept-Pflichten – die Liste der Belastungen ist lang. Doch Roskothen bleibt optimistisch. Die Apotheke sei eng mit dem Ort verflochten, sagt sie, die Kundenbindung sei stark, man „lebe“ die Apotheke. Diese Nähe zum Menschen ist ihr wichtiger als jede Kennzahl. Sie weiß: Ohne die umliegenden Arztpraxen wäre das Modell kaum aufrechtzuerhalten. Die Warndt-Apotheke ist keine Insel, sondern Teil eines regionalen Versorgungsnetzes, das auf gegenseitigem Vertrauen beruht.
Dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird, zeigte sich am Jubiläumstag: Viele Kundinnen und Kunden kamen, teils mit eingeschränkter Mobilität, manche mit jahrzehntelanger Treue. Der Aktionstag war keine Werbeveranstaltung, sondern ein kollektives Innehalten. „Die Dankbarkeit kommt zurück“, sagt Roskothen – und meint damit auch ein stilles Verständnis dafür, dass Gesundheit nicht nur eine Frage von Verfügbarkeit, sondern auch von Verlässlichkeit ist.
Die Belegschaft der Warndt-Apotheke umfasst heute neun Personen – ein eingespieltes Team, generationsübergreifend, mit Blick für das Wesentliche. In einer Branche, in der viele Inhaber an Grenzen stoßen, ist die Warndt-Apotheke ein Beispiel für das, was durch Haltung, Beständigkeit und kollektive Erfahrung möglich bleibt. Roskothen blickt nach vorn – nicht blauäugig, aber mit Kraft: „Auf die nächsten 50 Jahre“, sagt sie. Und in dieser Stimme liegt mehr Überzeugung als Nostalgie.
Die Geschichte der Warndt-Apotheke ist keine Ausnahme im Sinne einer Utopie, sondern ein Beleg dafür, dass Beständigkeit und lokale Verankerung auch im heutigen Apothekenwesen eine Zukunft haben können. Was Astrid Roskothen und ihr Team zeigen, ist keine Rückbesinnung auf bessere Zeiten, sondern eine bewusste Haltung gegenüber dem Hier und Jetzt. Sie beweisen: Wer Ort, Menschen und Beruf ernst nimmt, schafft ein Fundament, das selbst regulatorischen, digitalen oder ökonomischen Umbrüchen standhält.
Die Ehrung der 74-jährigen PKA Elisabeth Heinemann ist dabei mehr als ein symbolischer Akt. Sie macht deutlich, dass es nicht nur auf neue Konzepte, sondern auch auf das stille Wissen derer ankommt, die jahrzehntelang den Beruf mitgetragen haben. Solche Biografien sind keine Relikte, sondern Kraftquellen – für Teams, Kunden und auch Inhaberinnen. In Zeiten von Fachkräftemangel ist es ein fatales Signal, Erfahrung als verzichtbar zu betrachten. Wer Mitarbeitende über Jahrzehnte bindet, zeigt, dass Loyalität nicht durch Boni, sondern durch Haltung entsteht.
Zugleich lässt sich aus dem Fall der Warndt-Apotheke auch eine leise Mahnung ableiten: Die Zukunft der Versorgung hängt nicht nur von politischem Willen oder technischer Ausstattung ab, sondern vom Menschenbild, das Apotheken prägt. Ist der Kunde bloß ein Abnehmer, ist der Arbeitsplatz bloß ein Kostenfaktor, dann geht verloren, was Betriebe wie dieser verkörpern: Verlässlichkeit, Nähe, Gemeinschaft. Astrid Roskothens Satz „Wir leben die Apotheke“ klingt schlicht – ist aber in seiner Konsequenz revolutionär.
Wer über die Zukunft des Berufsstandes spricht, sollte weniger in Modellen, sondern mehr in Haltungen denken. Die Warndt-Apotheke lebt davon, dass jemand hinsieht, mitgeht, bleibt – und manchmal auch einfach einmal in der Woche im Backoffice aushilft. Große Systeme scheitern oft am Detail. Hier zeigt sich, wie sie durch gelebte Praxis bestehen können.
95.000 Euro für falsche Heilung
Ein Sterbenskranker vertraute auf eine dubiose Therapie – jetzt ermittelt die Justiz
Ein 32-jähriger, unheilbar an Knochenkrebs erkrankter Familienvater stirbt nur drei Tage nach einer angeblich innovativen Immunzell- und Lichttherapie – ohne ärztliche Betreuung, ohne Zulassung, ohne nachgewiesene Wirkung. Nun stehen fünf Angeklagte vor dem Amtsgericht Düsseldorf. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem Betrug, gefährliche Körperverletzung und Verstöße gegen das Heilpraktikergesetz vor. Der zentrale Vorwurf: Sie sollen dem verzweifelten Mann mit falschen Versprechen rund 95.000 Euro abgepresst haben – für eine medizinisch haltlose Behandlung, die laut Anklage nicht nur wirkungslos, sondern potenziell gefährlich war. Trotz der Brisanz schweigen die meisten Beschuldigten oder winden sich mit zweifelhaften Aussagen. Der Hauptangeklagte, ein 64-jähriger Humangenetiker, bezeichnete das Verfahren in seiner Aussage als medizinischen Fortschritt, für das Versagen der Therapie machte er die Vorerkrankungen des Patienten verantwortlich. Die Familie des Verstorbenen erhielt von ihm lediglich 19.000 Euro zurück – wohl auch, um mögliche Regressforderungen abzufedern. Besonders erschütternd: Einer der Mitangeklagten sagte aus, er habe die Infusion, die angeblich Hoffnung bringen sollte, in Wahrheit ins Waschbecken geschüttet.
Der Fall zeigt eine perfide Masche, die sich gezielt an medizinisch austherapierte Patienten richtet – Menschen, denen die Schulmedizin keine Aussicht mehr geben kann und die sich in ihrer Hoffnungslosigkeit an fragwürdige Alternativen klammern. Genau diese emotionale Not soll hier systematisch ausgenutzt worden sein. Laut Anklage war keinem der Beteiligten eine heilkundliche Tätigkeit erlaubt, weder als Arzt noch als Heilpraktiker. Dennoch wurde dem Patienten eine angeblich personalisierte Immunzelltherapie in Aussicht gestellt – mit angeblich 80 Prozent Erfolgschance. Solche Behauptungen, so die Staatsanwaltschaft, seien frei erfunden gewesen. Der Ablauf selbst sei medizinisch nicht nachvollziehbar und die Qualität der eingesetzten Mittel unklar. Schon die erste Spritze habe laut Gutachten keinerlei medizinischen Nutzen gehabt. Die Hoffnung der Familie wich binnen Stunden der Gewissheit, dass der Gesundheitszustand rapide abbaute. Der Patient verstarb drei Tage später.
Für die Justiz ist der Fall komplex, auch wegen der unterschiedlichen Rollen der Beschuldigten. Während der eine die Therapie angeblich für bahnbrechend hält, will ein anderer sich gar nicht aktiv beteiligt haben. Eine Mitangeklagte, 67 Jahre alt, war laut Akte in die Organisation involviert, äußerte sich bislang jedoch nicht. Die Verteidigung zielt auf juristische Spitzfindigkeiten: Keine Heilkunde im eigentlichen Sinne betrieben, keine Körperverletzung mit Vorsatz, kein direkter Zusammenhang zwischen Behandlung und Tod. Doch die moralische Dimension steht jenseits jeder juristischen Finesse: Ein junger Vater in Todesangst wurde mit wissenschaftlich haltlosen Versprechen getäuscht, sein Vertrauen missbraucht, sein Geld kassiert. Die Ermittler sehen in dem Vorgang ein Geschäftsmodell auf dem Rücken sterbenskranker Menschen – mit schwerwiegenden Folgen für das Vertrauen in alternative Heilmethoden insgesamt.
Was als verzweifelter Hoffnungsschimmer begann, endete als medizinisches und moralisches Desaster. Der Tod des 32-jährigen Krebspatienten ist nicht nur tragisch, sondern in seiner Umstände auch zutiefst erschütternd. Dass medizinisch unqualifizierte Personen mit großspurigen Heilversprechen Krebskranke systematisch abzocken, ist an Skrupellosigkeit kaum zu überbieten. Der Fall steht exemplarisch für ein wachsendes Problem: In der Grauzone zwischen Alternativmedizin, medizinischer Innovation und juristischen Unklarheiten blüht ein Markt, auf dem sich Hoffnung als Geschäftsmodell missbrauchen lässt. Dabei ist es nicht die Alternativmedizin an sich, die hier diskreditiert wird, sondern die Art und Weise, wie in einem rechtsfreien Raum Erwartungen manipuliert, Schutzmechanismen umgangen und Verantwortlichkeiten verschleiert werden.
Besonders perfide erscheint, wie bewusst die emotionale Lage des Betroffenen ausgenutzt wurde. Wer sich in existenzieller Not befindet, ist bereit, auch scheinbar absurde Methoden zu versuchen – solange ein Fünkchen Hoffnung bleibt. Dies auszubeuten, um sich zu bereichern, ist nicht nur strafbar, sondern zutiefst verwerflich. Die juristische Einordnung als gefährliche Körperverletzung greift zu kurz. Es handelt sich hier um ein Systemversagen: Weder wurden die Therapien reguliert, noch gab es effektive Schutzmechanismen, um solche Fälle präventiv zu verhindern. Dass keiner der Beteiligten eine Heilerlaubnis hatte und dennoch Spritzen verabreicht wurden, sollte die staatliche Kontrolle aufrütteln.
Doch auch die gesellschaftliche Debatte muss geführt werden. Wie können wir verhindern, dass sich in einer von Kontrollverlust geprägten Krankheitsphase Scharlatane so leicht Zugang zu verzweifelten Menschen verschaffen? Die Antwort liegt nicht nur in schärferen Gesetzen, sondern auch in einer besseren Kommunikation seitens der etablierten Medizin – über Möglichkeiten, Grenzen und Risiken. Nur wenn Patienten wirklich verstehen, was medizinisch noch möglich ist und wo nicht, lässt sich ein solches Vakuum vermeiden. Der Fall Düsseldorf sollte nicht nur juristische Konsequenzen haben, sondern auch ein Weckruf für Gesundheitspolitik, Standesvertretungen und medizinische Ethik sein.
Gürtelrose-Impfung als Schlüssel zur Altersgesundheit
Langzeitdaten belegen breiten Schutz vor kognitivem und kardiovaskulärem Verfall
Die Gürtelrose-Impfung schützt nicht nur vor den typischen, schmerzhaften Symptomen der Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus, sondern könnte auch zwei der häufigsten Alterskrankheiten deutlich eindämmen: Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies belegt eine aktuelle Auswertung großer Kohortenstudien aus Wales und Südkorea. Demnach erkrankten Personen, die gegen Gürtelrose geimpft wurden, mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit an Demenz oder erlitten einen Herzinfarkt – ein Effekt, der sich insbesondere bei älteren Frauen bemerkbar macht. Die Wissenschaftler führten ihre Analysen anhand der Gesundheitsdaten von mehr als 280.000 Menschen durch, die zwischen 1925 und 1942 geboren wurden und zu Beginn der Untersuchung im Durchschnitt 78 Jahre alt waren. Innerhalb eines siebenjährigen Beobachtungszeitraums nach Einführung des Impfprogramms verringerte sich das Demenzrisiko der Geimpften um rund 20 Prozent gegenüber der ungeimpften Vergleichsgruppe. Dabei zeigte sich bei Frauen mit 25 Prozent eine signifikant stärkere Schutzwirkung als bei Männern, bei denen die Risikoreduktion nur etwa 16 Prozent betrug.
Auch aus Südkorea kommt Rückenwind für eine breitere Empfehlung: In einer Untersuchung mit über einer Million Teilnehmenden ab etwa 60 Jahren wiesen immunisierte Personen ein um 26 Prozent geringeres Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Schlaganfälle, Herzversagen oder Infarkte auf. Das Virus, das hinter der Gürtelrose steht, schlummert in den meisten Fällen jahrzehntelang unbemerkt im Körper und kann bei nachlassender Immunabwehr wieder aktiv werden. Dass ein solches Wiederaufflammen nicht nur schmerzhaft, sondern auch systemisch gefährlich ist, scheint zunehmend wissenschaftlich belegt. Durch die Entzündungsreaktionen, die mit der Virusreaktivierung einhergehen, könnten möglicherweise auch Prozesse ausgelöst oder beschleunigt werden, die neurodegenerative oder kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Impfung gegen Gürtelrose, insbesondere mit dem rekombinanten Impfstoff Shingrix, medizinisch wie gesundheitspolitisch an Bedeutung. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Immunisierung ohnehin seit Langem für alle Personen ab 60 Jahren sowie für bestimmte Risikogruppen bereits ab 50 Jahren. Die aktuellen Erkenntnisse dürften diesem Appell neues Gewicht verleihen – zumal die langfristigen Auswirkungen auf das Gesundheitssystem erheblich wären, sollte sich der präventive Nutzen in breiteren Studien bestätigen. Demenz gilt bislang als unheilbar und verursacht immense Belastungen für Pflege und Angehörige; ebenso führen Herzinfarkte und Schlaganfälle oft zu Pflegebedürftigkeit, Krankenhausaufenthalten und hohen Folgekosten. Eine vergleichsweise gut verträgliche Impfung mit doppeltem Präventionseffekt könnte sich damit als stille Revolution in der Altersmedizin entpuppen.
Der präventivmedizinische Durchbruch kommt selten mit lauten Ankündigungen, sondern oft im Schatten der großen gesundheitspolitischen Debatten. So auch im Fall der Gürtelrose-Impfung, die bislang primär als Schutz vor einem lokalen, schmerzhaften Hautausschlag galt – einer typischen Alterserscheinung mit unangenehmen, aber begrenzten Folgen. Nun jedoch zeichnet sich ab, dass diese Impfung ein viel größeres Potential birgt: Sie könnte Demenzrisiken senken und Herz-Kreislauf-Komplikationen verhindern – zwei der folgenschwersten Erkrankungen im höheren Lebensalter. Diese doppelte Wirkung müsste die öffentliche Aufmerksamkeit wie auch die gesundheitspolitische Prioritätensetzung verändern. Denn wo sonst sind mit einem einzigen Präventionsschritt gleich mehrere volkswirtschaftlich relevante Krankheitsrisiken gleichzeitig adressierbar?
Was bislang als individueller Schutz galt, rückt mit den aktuellen Studienergebnissen in eine neue Systemrelevanz. Wenn eine Impfung sowohl neurodegenerative als auch kardiovaskuläre Risiken senken kann – und das mit nur geringen Nebenwirkungen – entsteht ein gesellschaftlicher Handlungsauftrag. Die Impfrate gegen Gürtelrose liegt in Deutschland bislang auf eher mäßigem Niveau. Das hat auch mit der Wahrnehmung zu tun: Viele Menschen sehen in der Gürtelrose eine unangenehme, aber nicht gefährliche Erkrankung, deren Vermeidung keine Priorität besitzt. Die neuen Zahlen könnten diese Sichtweise fundamental verändern – vorausgesetzt, sie werden breit kommuniziert und in gesundheitspolitisches Handeln übersetzt.
Dabei muss die Impfkommunikation mit Fingerspitzengefühl geschehen. Die Aussicht, Demenz oder Herzinfarkt durch eine Impfung vorzubeugen, weckt hohe Erwartungen – aber auch Misstrauen, wenn zu marktschreierisch geworben wird. Es braucht nüchterne, faktenbasierte Aufklärung, die die wissenschaftliche Lage ernst nimmt, aber nicht überhöht. Wenn die gesundheitlichen wie ökonomischen Vorteile jedoch so deutlich sind wie die bisherigen Studien nahelegen, dann wäre es fahrlässig, das Thema in der Prioritätenliste der Präventionspolitik weiter unten einzuordnen. Die Gürtelrose-Impfung könnte der versteckte Champion der Altersvorsorge werden – vorausgesetzt, man erkennt endlich, dass Prävention nicht nur gegen Erreger, sondern auch gegen volkswirtschaftlichen Kollaps wirkt.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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