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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Bill Gates zieht einen Schlussstrich: Seine Stiftung wird bis 2045 aufgelöst, zuvor sollen über 200 Milliarden US-Dollar in weltweite Gesundheits- und Bildungsprojekte fließen. Parallel gerät das deutsche Apothekenwesen unter Druck: Die Zahl der Betriebe in Bayern sinkt drastisch, obwohl der Bedarf steigt. Der Bayerische Apothekertag fordert mehr politische Verantwortung und eine zügige Fixumerhöhung. Gleichzeitig zeigt ein großer Cyberangriff auf den Hessischen Apothekerverband, wie angreifbar die digitalen Infrastrukturen geworden sind. Inmitten dieses Ausnahmezustands entstehen neue Ansätze: Mit der Software BRRY schafft eine Apothekerfamilie digitale Unabhängigkeit für Vor-Ort-Apotheken. Bei Stada wird das Generikageschäft strategisch neu aufgestellt, während PharmaSGP durch einen Squeeze-out vor dem Abschied von der Börse steht. Und selbst auf sozialrechtlicher Ebene werden Lücken offensichtlich: Apothekerinnen im Mutterschutz sind strukturell unzureichend abgesichert. Der Bericht verknüpft diese Entwicklungen zu einem dichten Gesamtbild zunehmender Instabilität und Reformdringlichkeit.
Gates-Stiftung beschleunigt Ausgaben für Gesundheit und Bildung
Bis zum festgelegten Ende 2045 will Bill Gates sein gesamtes Vermögen spenden
Bill Gates zieht eine klare Linie für das Ende seiner philanthropischen Tätigkeit. Die Gates-Stiftung, seit einem Vierteljahrhundert eine der einflussreichsten privaten Hilfsorganisationen der Welt, wird ihre Arbeit im Jahr 2045 beenden. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen mehr als 200 Milliarden US-Dollar ausgeschüttet werden. Diese Summe übersteigt das derzeitige Vermögen der Stiftung deutlich und wird sukzessive aus dem Privatvermögen des Microsoft-Gründers gespeist.
Die Entscheidung geht einher mit einer Satzungsänderung, die den ursprünglich vorgesehenen Zeitplan nach Gates' Tod ersetzt. Ziel ist es, schneller auf akute Herausforderungen zu reagieren und die Mittel mit maximaler Wirkung einzusetzen. Die Stiftung will sich in den verbleibenden zwei Jahrzehnten verstärkt auf globale Gesundheitsprogramme, Bildungszugang und Armutsbekämpfung konzentrieren.
Neben der Förderung klassischer Impfprogramme könnten auch neue Themen wie digitale Gesundheitsplattformen oder Bildungsinfrastrukturen in Schwellenländern in den Fokus rücken. In den ersten 25 Jahren flossen bereits über 100 Milliarden US-Dollar in gemeinnützige Projekte, teilweise auch durch bedeutende Beiträge von Warren Buffett.
Gates, der in diesem Jahr 70 Jahre alt wird, setzt mit dem Strategiewechsel ein bewusstes Zeichen für eine neue Art der Vermögensverantwortung. Anstelle einer auf Dauer angelegten Institution tritt eine temporär wirksame Hilfsstruktur mit klar definiertem Ende. Der Wandel markiert nicht nur eine strategische Neuausrichtung, sondern auch eine biografische Etappe im Leben eines der reichsten Menschen der Welt.
Die Stiftung könnte damit Vorbildcharakter für andere Superreiche entwickeln, die bislang auf unbefristete Stiftungsmodelle setzen.
Die Entscheidung von Bill Gates, seine Stiftung mit einem festen Enddatum auszustatten und die Mittel beschleunigt auszuschütten, ist in ihrer Konsequenz ebenso bemerkenswert wie in ihrer Symbolik. In einer Zeit, in der viele Superreiche auf ewige Verwaltung ihrer Vermögen setzen, wählt Gates den radikalen Gegenentwurf: gezielte Umverteilung statt zeitlich unbefristeter Kapitalbindung. Er stellt die Wirkung über die Dauer, die Hilfe über die Repräsentation.
Diese Haltung ist nicht nur philanthropisch, sondern politisch. Denn sie wirft die Frage auf, ob große Privatvermögen überhaupt in dauerhaften Stiftungsmodellen gebunden sein sollten. Gates antwortet mit einer befristeten Struktur, die zur Rechenschaft zwingt und zugleich Wirksamkeit priorisiert.
Auch die wirtschaftspolitische Dimension ist nicht zu unterschätzen: Wenn Privatvermögen in Form beschleunigter Großspenden direkt in globale Versorgungsstrukturen fließen, stellt sich die Frage, wie öffentliche und private Verantwortung in Zukunft ausbalanciert werden sollen. Die Tatsache, dass Gates mit seinem Schritt bewusst keine ewige Gedenkinstitution, sondern eine kurzzeitig maximal wirksame Struktur hinterlässt, dürfte auch in Stiftungs- und Finanzkreisen aufhorchen lassen.
Dass diese Entscheidung ausgerechnet zum 70. Geburtstag des Gründers und im 25. Jahr der Stiftung erfolgt, verleiht ihr zusätzliche Tiefe. Es ist ein Vermächtnis, das nicht auf Ewigkeit, sondern auf Gegenwart zielt – und genau deshalb Wirkung entfalten könnte.
Wechsel an der Spitze des Generikageschäfts bei Stada
Basem Yazgi soll die kommerzielle Ausrichtung und Ausschreibungsperformance neu aufstellen
Stada ordnet sein Generikageschäft neu und überträgt Basem Yazgi die vollständige operative Verantwortung für das Segment. Der 38-jährige Manager übernimmt damit auch die Geschäftsführung von Aliud und berichtet direkt an das Executive Committee des Konzerns. Der Wechsel markiert nicht nur eine personelle Neuausrichtung, sondern steht auch für einen strategischen Kurswechsel im Generikamarkt. Yazgi soll mit analytischem Blick, tiefem Marktverständnis und einem klaren Fokus auf Preisgestaltung und Ausschreibungsmanagement neue Impulse setzen.
Mit seiner Karriere, die 2013 im Konzern begann, gilt Yazgi als Aufsteiger aus den eigenen Reihen. Nach verschiedenen Führungsstationen im Bereich Business Analytics und Commercial Affairs bringt er Erfahrung aus Schlüsselpositionen mit. Der Konzern setzt damit bewusst auf eine interne Lösung, die bereits mit den Herausforderungen und Besonderheiten des deutschen Generikamarkts vertraut ist.
Die Entscheidung folgt auf das plötzliche Ausscheiden von Melania Pahor, die das Generikasegment nur wenige Monate leitete. Pahor hatte selbst die Nachfolge von Ingrid Blumenthal angetreten und war zuvor in internationalen Konzernen tätig. Ihr kurzer Verbleib lässt auf strukturelle oder strategische Differenzen schließen, auch wenn sich der Konzern offiziell zurückhaltend äußert.
Mit Yazgi will Stada nun Kontinuität und Klarheit in die Führung bringen. Der Fokus soll auf einem integrierten Steuerungsansatz liegen, bei dem kommerzielle Strategie, Ausschreibungsprozesse, Preisentwicklung und funktionsübergreifende Kooperation zusammenwirken. Zusätzlich steht das Segment vor digitalen Herausforderungen, etwa bei der Nutzung von KI zur Marktanalyse und Angebotsoptimierung. Für Yazgi beginnt damit eine zentrale Aufgabe im Spannungsfeld von Margendruck, Verordnungsdynamik und wachsender technologischer Komplexität.
Die Besetzung der Generika-Führung bei Stada mit einem internen Kandidaten wie Basem Yazgi ist mehr als nur ein Personalwechsel – sie ist Ausdruck eines strategischen Selbstverständnisses. Während andere Pharmakonzerne externe Impulse suchen, setzt Stada auf gewachsene Strukturen, interne Erfahrung und analytische Kompetenz. Das kann sich als Stärke erweisen – wenn es gelingt, die bekannten Stellschrauben auch wirklich zu drehen. Denn der deutsche Generikamarkt ist längst kein reiner Verdrängungswettbewerb mehr, sondern ein hochregulierter, komplexer Steuerungsraum. Die Ausschreibungszyklen sind kurz, die Margen eng, der Preisdruck hoch – ein falscher Schritt kann Millionen kosten.
Gerade deshalb ist es klug, jemanden wie Yazgi nach vorne zu holen, der die internen Abläufe kennt und die externen Zwänge versteht. Seine Spezialisierung auf Business Analytics und kommerzielle Steuerung könnte der Schlüssel sein, um das Segment robuster und agiler zugleich aufzustellen. Ob die schnelle Ablösung von Pahor nun auf persönliche, strukturelle oder inhaltliche Gründe zurückgeht, bleibt Spekulation – entscheidend ist, ob die neue Führung nachhaltige Stabilität schafft. Und ob Stada es schafft, das Generikageschäft von der Defensive in die strategische Offensive zu überführen.
Apothekennetz in Bayern bröckelt trotz wachsender Nachfrage
Der Bayerische Apothekertag fordert mehr Verantwortung und finanzielle Sicherheit
Der Bayerische Apothekertag hat mit Nachdruck politische Maßnahmen eingefordert, um das Apothekensterben im Freistaat zu stoppen. Die Zahl der öffentlichen Apotheken liegt inzwischen bei nur noch 2674 – ein Rückgang um über 590 innerhalb eines Jahrzehnts, obwohl die Bevölkerung deutlich gewachsen ist. Angesichts dieser Diskrepanz fordern Kammer und Verband die neue Bundesregierung auf, die im Koalitionsvertrag vereinbarte finanzielle Stabilisierung zügig umzusetzen. Insbesondere die einmalige Erhöhung des Fixums müsse rasch erfolgen, um die wirtschaftliche Grundlage der Betriebe zu sichern.
Der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes betont, dass Apotheken seit über zwei Jahrzehnten von der Politik finanziell vernachlässigt wurden. Die aktuelle Lage lasse keinen weiteren Aufschub zu. Apotheken müssten unter stabilen Rahmenbedingungen arbeiten können, um ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Aufgabe der Arzneimittelversorgung gerecht zu werden. Parallel dazu fordern Vertreter der Apothekerschaft, den heilberuflichen Charakter des Berufs stärker zu berücksichtigen. Apotheken sollten nicht länger auf ihre Rolle als reine Abgabestellen reduziert werden. Vielmehr sei es geboten, sie stärker in eine moderne, patientenzentrierte Gesundheitsversorgung einzubinden.
Vorgeschlagen wird etwa der Ausbau präventiver Angebote in Apotheken, darunter niederschwellige Screenings und eine bessere Betreuung chronisch kranker Menschen. Auch eine Entlastung durch Bürokratieabbau und erweiterte Handlungsspielräume gehört zum Forderungskatalog. Allerdings, so der einhellige Tenor aus Bayern, sei die Erweiterung des Leistungsspektrums nur möglich, wenn diese Leistungen auch angemessen vergütet werden. Ohne ein gerechtes, leistungsbezogenes Honorarsystem werde es nicht gelingen, das Apothekennetz im ländlichen wie im urbanen Raum aufrechtzuerhalten.
Der Bayerische Apothekertag bringt in einer bemerkenswert klaren Sprache das auf den Punkt, was viele Apothekerinnen und Apotheker seit Jahren erleben: ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen Verantwortung, Leistung und politischer Wertschätzung. Dass ausgerechnet in einem Bundesland mit stetigem Bevölkerungswachstum die Apothekenzahlen rapide sinken, ist ein alarmierendes Zeichen für strukturelle Schieflagen. Der Ruf nach der Umsetzung längst zugesagter Maßnahmen ist deshalb keine Klage auf hohem Niveau, sondern ein Ausdruck realer Existenznot. Doch die Bedeutung dieses Appells geht über das Monetäre hinaus. Er zeigt, dass Apotheken mehr sein können und wollen als logistische Verteilstationen für Medikamente. Sie begreifen sich als integraler Bestandteil eines modernen Gesundheitssystems – vorausgesetzt, die Politik öffnet endlich die dafür notwendigen Wege.
Die vorgestellten Lösungsansätze wirken durchdacht und konstruktiv. Sie richten sich nicht gegen das System, sondern streben seine Modernisierung von innen heraus an. Prävention, individuelle Betreuung und Arzneimittelsicherheit sind keine Kostenfaktoren, sondern Investitionen in Versorgungsgerechtigkeit. Wer Apotheken schwächt, schwächt das gesamte Gesundheitswesen. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem aus wohlklingenden Koalitionsabsichten konkrete gesetzgeberische Taten folgen müssen – nicht irgendwann, sondern sofort.
MedEvac-Soldaten in Deutschland
Medikamente auf Privatrezept, Vergütung über das BVA
Seit dem Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind zahlreiche verletzte Soldat:innen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland evakuiert worden. Ihre Versorgung erfolgt außerhalb der regulären Sozialversicherungssysteme, unter anderem durch Apotheken, die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel bereitstellen. Die Zuständigkeit für die Abwicklung der Behandlungskosten liegt beim Bundesverwaltungsamt (BVA), das hierzu spezielle Verfahren implementiert hat.
Im Unterschied zur Versorgung ziviler Geflüchteter, die über die gesetzliche Krankenversicherung oder das Asylbewerberleistungsgesetz abgewickelt wird, erfolgt die Medikamentenversorgung der Soldat:innen auf Grundlage des MedEvac-Programms. Dieses sieht vor, dass ärztlich verordnete Mittel auf Privatrezepten ausgestellt werden. Bei Betäubungsmitteln ist das entsprechende BtM-Rezept erforderlich. Zuzahlungen fallen für die Betroffenen nicht an.
Apotheken rechnen die gelieferten Mittel direkt mit dem BVA ab. Die Grundlage für die Vergütung bilden die Vorschriften der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV), insbesondere § 22 BBhV für Arzneimittel. Für Heilmittel gelten die Anlagen 9 und 10 der BBhV. Die korrekte Rechnungsstellung an das Bundesverwaltungsamt in Hannover ist Voraussetzung für die Erstattung.
Der Sonderweg für die Versorgung ukrainischer Soldat:innen in Deutschland zeigt exemplarisch, wie medizinische Hilfeleistung jenseits der gewohnten GKV-Strukturen effizient organisiert werden kann. Gerade in einer Ausnahmesituation wie der kriegsbedingten Evakuierung verletzter Armeeangehöriger erfordert das System pragmatische Lösungen. Dass Apotheken hier eine zentrale Rolle übernehmen, ist nicht nur Ausdruck professioneller Verantwortung, sondern auch ein logistisches Kunststück: Die Verordnung auf Privatrezept, die Anwendung der BBhV und die direkte Abrechnung mit dem BVA verlangen hohe administrative Genauigkeit. Dieser Mehraufwand wird bislang geräuschlos bewältigt. Zugleich zeigt das Verfahren, dass der Staat in der Lage ist, schnell auf Sonderlagen zu reagieren, ohne Versorgungslücken zu riskieren. Es bleibt zu hoffen, dass auch künftig eine derartige Handlungsfähigkeit erhalten bleibt, wo es um Versorgungssicherheit in Krisenzeiten geht.
Hackerangriff erschüttert den Hessischen Apothekerverband
Spezialteams analysieren Schäden, Mitgliederkommunikation priorisiert, Systeme stabilisieren sich
Als am 27. April die Systeme des Hessischen Apothekerverbands plötzlich versagten, war rasch klar: Hier handelte es sich nicht um eine gewöhnliche Störung. Ein gezielter Cyberangriff hatte wesentliche Teile der IT-Infrastruktur des HAV sowie verbundener Einrichtungen wie der GVA und der Wirtschaftsakademie WDA lahmgelegt. Die digitale Abhängigkeit von Verwaltungs- und Kommunikationssystemen offenbarte sich in aller Deutlichkeit – mit unmittelbaren Folgen für Apotheken, Fortbildungsteilnehmende und die operative Arbeit des Verbands.
Der HAV reagierte prompt: Ein spezialisiertes IT-Forensik-Team wurde eingesetzt, um den Ursprung und das Ausmaß der Attacke zu analysieren. Parallel dazu wurde die Wiederherstellung durch eine zweite Expertengruppe koordiniert. Erste Erfolge waren schnell sichtbar – zentrale Dienste konnten durch vorausschauendes Backup-Management stabilisiert werden. Laut Verband gibt es derzeit keine Hinweise auf den Abfluss sensibler Mitgliederdaten. Doch die Unsicherheit bleibt. Die Mitglieder wurden umfassend informiert, um Spekulationen zu vermeiden und Sicherheit zu schaffen. Auch die Datenschutzbehörden und das Hessische Landeskriminalamt sind eingebunden.
Besonders betroffen ist die E-Mail-Kommunikation: Nachrichten, die am 26. oder 27. April versendet wurden, könnten verloren gegangen sein. Der HAV bat daher darum, diese erneut zu übermitteln. Der Vorfall zeigt: Je digitaler das Gesundheitswesen wird, desto härter trifft ein technischer Angriff. Und desto notwendiger wird es, die digitale Infrastruktur von Apothekenverbänden und deren Partnern auf ein krisenfestes Fundament zu stellen.
Der Angriff auf den Hessischen Apothekerverband ist kein Einzelfall, sondern ein systemischer Warnschuss. In einer Zeit, in der die Digitalisierung auch im Gesundheitswesen zur Normalität geworden ist, reicht ein einzelner Angriff aus, um eine gesamte Versorgungsstruktur temporär zu destabilisieren. Der HAV mag schnell und professionell reagiert haben – doch die eigentliche Schwachstelle liegt tiefer. Viele Akteure im Apothekenwesen verlassen sich noch immer auf veraltete IT-Architekturen, unzureichende Redundanzen und zu langsame Reaktionsmechanismen. Der Fall zeigt, wie schnell aus einem isolierten Sicherheitsvorfall ein strukturelles Problem werden kann. Wer Vertrauen schaffen will, muss digitale Widerstandskraft aufbauen – nicht in Reaktion auf Angriffe, sondern als dauerhafte Voraussetzung für Funktion und Verantwortung im Gesundheitswesen. Cybersicherheit ist längst kein IT-Thema mehr, sondern ein Prüfstein für organisatorische Reife.
Digitale Autonomie für Vor-Ort-Apotheken
Eine eigene CardLink-Lösung verschafft Inhabern Datenhoheit und reduziert Abhängigkeiten
Die Apothekerschaft steht im digitalen Umbruch, doch vielerorts erfolgt dieser auf Kosten der Souveränität. Während Plattformbetreiber, Konzerne und Großhändler zunehmend zentrale Schnittstellen wie CardLink kontrollieren, hat eine Apothekerfamilie aus Nordrhein-Westfalen einen radikal anderen Weg gewählt. Mit der Plattform BRRY, einer eigenentwickelten CardLink-Lösung, die seit kurzem im Echtbetrieb läuft, demonstrieren sie, wie digitale Unabhängigkeit aus dem Berufsstand selbst heraus entstehen kann. Die Software ist kein bloßes Verwaltungsinstrument, sondern eine strategische Antwort auf die wachsende Fremdbestimmung im Gesundheitswesen.
BRRY ermöglicht die vollständige Einlösung von E-Rezepten, inklusive automatisierter Rabattvertragsprüfung in Echtzeit, ohne dass externe Plattformen oder Anbieter in die Datenverarbeitung eingreifen. Damit wird nicht nur die Zahl der Rückfragen an Patienten minimiert, sondern auch das Apothekenteam entlastet. Technisch wurde die Lösung so konzipiert, dass sie ohne Systembruch in den laufenden Betrieb integrierbar ist – mit spürbarer Reduktion des Backoffice-Aufwands. Die gesamte Infrastruktur verbleibt dabei im Hoheitsbereich der Apotheke. Anders als bei marktüblichen Systemen bleibt die Kontrolle über Patientenkommunikation, Versorgungsentscheidungen und Kundendaten vollständig in Inhaberhand.
Die Plattform entstand aus einem akuten Handlungsimpuls: Die Apotheker, zugleich Gründer der Maxmo-Kooperation, wollten dem digitalen Strukturwandel nicht tatenlos zusehen. Statt sich an bestehende Anbieter zu binden, entwickelten sie mit einem IT-Partner eine eigene Lösung – praxisnah, skalierbar und unabhängig. Dass BRRY nicht nur in der eigenen Apotheke funktioniert, sondern auch anderen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung steht, verleiht dem Projekt eine überbetriebliche Dimension: Es zeigt, dass inhabergeführte Apotheken in der Lage sind, hochfunktionale digitale Infrastruktur selbst zu schaffen.
Auch die Versorgungsperspektive wurde neu gedacht. Die taggleiche Belieferung über den eigenen Botendienst macht BRRY zum direkten Bindeglied zwischen digitaler Rezeptannahme und analoger Zustellung. Die Apotheke wird so zum verlängerten digitalen Arm vor Ort – erreichbar, verlässlich, datensouverän. Wo einst der Vater der heutigen Betreiber Arzneimittel persönlich an die Haustür brachte, schafft BRRY nun einen zukunftsfesten Versorgungskanal, der auf direkter Patientenbindung statt technischer Fremdsteuerung basiert. Die Botschaft ist eindeutig: Die Apotheke bleibt nur dann systemrelevant, wenn sie ihre digitale Infrastruktur selbst gestaltet – nicht wenn sie sie abtritt.
BRRY ist mehr als eine neue Software. Die Plattform ist eine Kampfansage an das stillschweigend akzeptierte Dogma der Abhängigkeit. In einer Branche, die zunehmend von externen Infrastrukturen, standardisierten Schnittstellen und fremdbestimmter Technik geprägt ist, formuliert diese Apothekerfamilie einen Gegenentwurf: technologische Selbstermächtigung statt funktionaler Entmündigung. Es ist ein längst überfälliger Schritt, denn die Frage, wer über Datenflüsse, Kundenzugänge und Versorgungsentscheidungen entscheidet, ist längst zur Machtfrage geworden.
Der Digitalisierungsdiskurs im Apothekenwesen wurde zu lange von außen geführt. Politische Programme, Konzerninteressen und vermeintlich alternativlose Systeme haben die Vorstellung geprägt, dass technische Innovation nur zentralisiert, nur unter Konzernführung, nur über Plattformlogik möglich sei. BRRY widerlegt dieses Narrativ mit Nachdruck. Die Lösung ist weder defizitärer Kompromiss noch aufgesetztes Marketinginstrument, sondern funktionierender Alltag – geschaffen aus dem Wissen derer, die tagtäglich am HV-Tisch stehen.
Dabei geht es nicht um romantisierte Technikverweigerung, sondern um Rückgewinnung von Steuerungsfähigkeit. Die Plattform zeigt: Es ist machbar, dass Apotheken ihre Prozesse kontrollieren, ohne sich Konzernarchitekturen zu unterwerfen. BRRY steht damit exemplarisch für eine neue digitale Berufspolitik – eine, die Technik als Werkzeug und nicht als Kontrollmittel versteht. In einer Zeit, in der Versender mit Millionenbudgets digitale Souveränität simulieren, beweist eine inhabergeführte Apotheke, dass echte Autonomie nur dann möglich ist, wenn sie nicht käuflich, sondern gestaltbar bleibt.
Der Berufsstand muss diese Entwicklung als Weckruf verstehen. Nicht die lautesten Reformversprechen sichern die Zukunft der Vor-Ort-Apotheke, sondern die Fähigkeit, ihre Systeme, Schnittstellen und Kundenbeziehungen selbst zu gestalten. BRRY ist der Beweis, dass das geht – und dass es höchste Zeit ist, sich diese Kontrolle zurückzuholen.
PharmaSGP vor dem Squeeze-out
Der OTC-Hersteller könnte bald von der Börse verschwinden, da die Streubesitzquote weiter sinkt
Der OTC-Hersteller PharmaSGP steht vor einer strukturellen Zäsur: Der Ausstieg des Großinvestors Union Investment hat den Weg für einen Squeeze-out der verbliebenen Kleinaktionäre frei gemacht. Union Investment hielt zuletzt 5,4 Prozent der Anteile – eine Beteiligung, die nun veräußert wurde. Auch wenn der neue Eigentümer bislang nicht offiziell benannt wurde, spricht vieles dafür, dass Firmengründer Dr. Clemens Fischer seine Beteiligung weiter ausgebaut hat. Bereits zum Jahreswechsel hatte er mehr als 500.000 Aktien zugekauft und damit seine Position auf knapp 78 Prozent erhöht. Gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Madlena Hohlefelder kontrolliert er nun rund 85,6 Prozent der Unternehmensanteile. Rechnet man die 2023 zurückerworbenen eigenen Aktien hinzu, sinkt der Streubesitz unter fünf Prozent – die Schwelle, ab der ein Squeeze-out nach deutschem Aktienrecht rechtlich durchsetzbar wird. Die Voraussetzungen für einen Börsenrückzug sind damit faktisch erfüllt.
Parallel zur Umstrukturierung verzeichnet PharmaSGP eine positive operative Entwicklung. Im abgelaufenen Geschäftsjahr stieg der Umsatz um 17,5 Prozent auf 119 Millionen Euro. Besonders stark wuchs das Geschäft im Ausland, vor allem in Österreich und Italien. Die Kernmarken Rubaxx, Restaxil und Neradin blieben die wesentlichen Wachstumstreiber, ergänzt durch etablierte Produkte wie Spalt, Formigran und Kamol. Das operative Ergebnis übertraf die Erwartungen: Mit 37 Millionen Euro lag das bereinigte Ebitda um 9,2 Prozent über dem Vorjahr. PharmaSGP zeigt damit, dass auch ohne Zukäufe solides organisches Wachstum möglich ist. Die Strategie der Konzentration auf margenstarke OTC-Produkte und internationale Expansion dürfte mit dem anstehenden Delisting weiter intensiviert werden.
Die Entwicklung bei PharmaSGP zeigt, wie sich ein Börsengang strategisch rückgängig machen lässt, sobald die unternehmerische Kontrolle wiederhergestellt ist. Die Gründer nutzten die Pandemiezeit, um ihre Mehrheitsverhältnisse diskret zu stärken, und verfolgen nun konsequent die Option des Squeeze-out. Dass ein ehemaliger Großinvestor wie Union Investment aussteigt, deutet auf eine klare Rollenverlagerung hin: Von einem öffentlich kontrollierten Wachstumsunternehmen hin zu einer privat dominierten Struktur mit maximaler Entscheidungsmacht in wenigen Händen. Wirtschaftlich steht das Unternehmen auf solidem Fundament, die Expansionsstrategie funktioniert, die Margen stimmen. Ob der Börsenrückzug langfristig auch die Innovationskraft fördert oder zu einem Verlust an Transparenz führt, bleibt offen. Klar ist aber: Die Zeiten der Mitbestimmung für Kleinaktionäre bei PharmaSGP sind gezählt.
PharmaSGP vor dem Squeeze-out
Der OTC-Hersteller könnte bald von der Börse verschwinden, da die Streubesitzquote weiter sinkt
Der OTC-Hersteller PharmaSGP steht kurz vor einem strukturellen Umbruch, der in seiner Konsequenz einem Abschied von der Börse gleichkommt. Mit dem Ausstieg von Union Investment verliert das Unternehmen den letzten größeren unabhängigen Aktionär, der einem sogenannten Squeeze-out noch im Weg gestanden hatte. Die Fondsgesellschaft hielt zuletzt 5,4 Prozent der Anteile – ein Anteil, der entscheidend war, um die gesetzlich relevante Schwelle für die Zwangsabfindung zu halten. Nun wurde dieser Block verkauft, ohne dass bisher offengelegt wurde, wer die Aktien übernommen hat. Ein Pflichtvermerk im Aktionärsregister steht noch aus. Doch vieles spricht dafür, dass Firmengründer Dr. Clemens Fischer selbst erneut zugeschlagen hat.
Bereits kurz vor dem Jahreswechsel hatte Fischer 505.000 Aktien erworben und damit seine Beteiligung auf knapp 78 Prozent erhöht. Gemeinsam mit seiner Geschäftspartnerin Madlena Hohlefelder kontrollierte er zuletzt rund 85,6 Prozent der Gesellschaft. Hinzu kommt ein Aktienrückkauf aus dem Sommer 2023, durch den weitere vier Prozent formal dem Unternehmen selbst zugerechnet werden. Damit verbleiben rechnerisch weniger als fünf Prozent im Streubesitz – eine Konstellation, die den rechtlichen Weg für ein Squeeze-out der verbliebenen Kleinaktionäre ebnet. In diesem Fall kann der Hauptaktionär das Unternehmen vollständig übernehmen und die Minderheitsaktionäre gegen eine gesetzlich festgelegte Barabfindung ausschließen.
Bemerkenswert ist, dass dieser Prozess nicht unter Druck wirtschaftlicher Probleme stattfindet. Im Gegenteil: PharmaSGP konnte im Geschäftsjahr 2023 deutlich wachsen. Der Umsatz stieg um 17,5 Prozent auf knapp 119 Millionen Euro – ohne dass es Akquisitionen gegeben hätte. Haupttreiber war das organische Wachstum, insbesondere im Ausland. Märkte wie Österreich und Italien entwickelten sich überdurchschnittlich stark. Die Kernmarken Rubaxx, Restaxil und Neradin tragen weiterhin den Großteil zum Erfolg bei, ergänzt durch etablierte Produkte wie Spalt, Formigran, Baldriparan und Kamol.
Auch auf Ertragsseite konnte das Unternehmen überzeugen: Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) lag mit 37 Millionen Euro rund 9,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Damit wurde das obere Ende der Prognosebandbreite erreicht. PharmaSGP beweist damit nicht nur wirtschaftliche Robustheit, sondern auch eine klare strategische Ausrichtung: Statt auf Zukäufe zu setzen, forciert man die Marktdurchdringung eigener Marken und die Expansion in margenstarke Auslandsmärkte.
Mit dem wahrscheinlichen Rückzug von der Börse schließt sich ein Kreis. Im Juni 2020 hatte PharmaSGP den Gang aufs Parkett gewagt – ein Drittel der Unternehmensanteile wurde damals platziert. Zwar durchkreuzte die Pandemie zunächst viele Expansionspläne, doch die operative Entwicklung blieb stabil. Der damalige Ausgabepreis lag bei 31,50 Euro – deutlich über dem aktuellen Börsenkurs. Dennoch dürften die Gründer bilanziell gut gefahren sein: Sie haben nun die faktische Kontrolle zurückerlangt und können künftige Entscheidungen ohne Rücksicht auf Kleinaktionäre oder Kapitalmarktkommunikation treffen. Ob dieser Schritt auch langfristig den Interessen des Unternehmens dient, wird sich erst zeigen.
PharmaSGP steht exemplarisch für einen Trend, der sich an den Kapitalmärkten zunehmend beobachten lässt: Unternehmen, die einst unter dem Versprechen von Transparenz und Wachstumsfinanzierung an die Börse gingen, kehren dem öffentlichen Markt wieder den Rücken. Der Fall PharmaSGP ist dabei besonders vielschichtig. Was auf den ersten Blick wie eine einfache Machtkonsolidierung aussieht, offenbart bei genauerer Betrachtung ein strategisch präzise vorbereitetes Rückzugsmanöver.
Der Squeeze-out ist keine feindliche Übernahme, sondern eine rechtlich saubere Entflechtung – jedoch mit weitreichenden Folgen für die Eigentümerstruktur und Unternehmensführung. Die Gründer, allen voran Dr. Clemens Fischer, haben über Jahre hinweg ihre Position gestärkt, während der Streubesitz schleichend ausgedünnt wurde. Der Ausstieg von Union Investment ist dabei weniger ein Zufall als ein Signal: Der institutionelle Kapitalmarkt scheint kein Interesse mehr an einer Mitverantwortung für ein Unternehmen zu haben, dessen Kontrolle längst in wenigen Händen liegt.
Dass diese Entwicklung nicht aus einer Krisensituation heraus erfolgt, sondern auf Grundlage stabiler Geschäftszahlen und starker Marken, verleiht dem Vorgang ein eigenes Gewicht. Der Rückzug von der Börse erfolgt aus einer Position der operativen Stärke – das unterscheidet PharmaSGP von anderen Fällen. Doch genau hierin liegt auch ein Risiko: Der Verlust an Transparenz, der Wegfall der Marktprüfung durch Analysten und die Ausschaltung institutioneller Kontrollmechanismen könnten langfristig zu einem strategischen Tunnelblick führen.
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Zukunft des OTC-Markts in einem Umfeld, das durch regulatorische Verdichtung und verändertes Patientenverhalten geprägt ist. PharmaSGP hat es verstanden, mit vergleichsweise geringem Marketingaufwand ein profitables Portfolio zu etablieren. Die Margen stimmen, das Auslandsgeschäft floriert – doch wie lange noch? Gerade in einem Markt, in dem Vertrauen und Sichtbarkeit entscheidend sind, bleibt abzuwarten, ob ein privat gehaltenes Unternehmen die nötige Innovationskraft und Marktanbindung aufrechterhalten kann.
Kurzum: Der Squeeze-out bei PharmaSGP ist Ausdruck unternehmerischer Konsequenz – aber auch ein Risiko für die strategische Breite und gesellschaftliche Kontrolle. Wer am Ende davon profitiert, ist derzeit nur eine Frage der Eigentumsverhältnisse.
Wenn Apothekerinnen Kinder bekommen, bleibt der Betrieb nicht stehen
Vorausdenkende Personalplanung ist Schlüssel für sichere Versorgung und Vereinbarkeit
Der Mutterschutz gilt in Deutschland als gesetzlich verankertes Recht, das schwangere Frauen vor Gesundheitsrisiken und finanzieller Unsicherheit schützen soll. Doch was für Angestellte vergleichsweise klar geregelt ist, wird für selbstständige Frauen, insbesondere Apothekerinnen, zur Herausforderung mit vielen Unbekannten. Denn wo kein Arbeitgeber vorhanden ist, der Lohnfortzahlung und Vertretung organisiert, trifft jede Entscheidung zur Babypause unmittelbar auf den eigenen Betrieb. Inhaberinnen tragen nicht nur unternehmerisches Risiko, sondern auch die Verantwortung für Mitarbeitende, Patientensicherheit und die tägliche Versorgung. Der Mutterschutz wird so zur unternehmerischen Risikozone – ein Bereich, in dem emotionale, rechtliche und ökonomische Ebenen ineinandergreifen.
Apotheken sind systemrelevante Einrichtungen mit Betriebsverantwortung an sieben Tagen die Woche. Eine längere Abwesenheit der Inhaberin bedeutet nicht nur organisatorische Umstellung, sondern oft auch wirtschaftliche Unsicherheit. Besonders kritisch wird es, wenn kein Filialleiter oder keine approbierte Vertretung verfügbar ist. Denn ohne pharmazeutische Leitung kann eine Apotheke nicht betrieben werden. Der Mutterschutz droht damit in der Realität zur Betriebspause zu werden – mit all ihren rechtlichen, steuerlichen und versorgungsbezogenen Folgen.
Vorbereitung ist daher nicht nur wünschenswert, sondern essenziell. Apothekerinnen, die eine Schwangerschaft planen oder erleben, müssen in der Regel bereits Monate vor dem Geburtstermin beginnen, den Betrieb neu aufzustellen. Dazu gehören nicht nur die Delegation von Führungsaufgaben, sondern auch die vorausschauende Personalentwicklung. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es jedoch alles andere als einfach, eine adäquate Vertretung zu finden – insbesondere in ländlichen Regionen. Viele Inhaberinnen setzen deshalb auf die interne Stabilität ihres Teams und bauen gezielt Kompetenzen bei erfahrenen PTA oder langjährigen Approbierten aus. Die Einführung klarer Kommunikationsstrukturen, digitaler Übergabeprozesse und abgestimmter Arbeitsroutinen ist dabei entscheidend.
Doch auch mit perfekter Organisation bleibt die Belastung groß. Die wirtschaftliche Unsicherheit während der Auszeit, die psychologische Doppelbelastung durch Verantwortung für das eigene Kind und den Betrieb sowie die ständige Erreichbarkeit sind Teil einer Realität, die kaum Eingang in politische Debatten findet. Selbstständige Mütter agieren in einer Grauzone zwischen Fürsorgepflicht und Selbstverantwortung – ohne strukturelle Absicherung und mit wenig gesellschaftlicher Anerkennung. Der Mutterschutz als rechtliche Kategorie wird im selbstständigen Alltag zur Frage der individuellen Belastbarkeit und betrieblichen Resilienz.
Dennoch zeigen viele Apothekerinnen, dass es gelingen kann – wenn auch nicht ohne Preis. Der Schlüssel liegt in vorausschauendem Handeln, tragfähigen Personalstrukturen und einem klaren Verständnis der eigenen unternehmerischen Rolle. Mutterschutz in der Selbstständigkeit verlangt keine Sonderregelung, sondern strukturelle Anerkennung und betriebswirtschaftliche Unterstützung. Nur so kann die Chancengleichheit im Gesundheitswesen mehr sein als ein Versprechen auf dem Papier.
Der Mutterschutz für selbstständige Apothekerinnen offenbart ein Grundproblem des deutschen Sozialrechts: Es schützt vor allem abhängig Beschäftigte, während Unternehmerinnen weitgehend auf sich selbst gestellt bleiben. Die systematische Diskrepanz zwischen rechtlicher Anspruchsformulierung und praktischer Umsetzbarkeit ist eklatant. Inhaberinnen von Apotheken tragen nicht nur die Last der Versorgungssicherheit, sondern auch die volle wirtschaftliche Verantwortung – gerade in einer Phase, die eigentlich von Rückzug und Fürsorge geprägt sein sollte.
Dass ausgerechnet dort, wo Frauen medizinische Versorgung gewährleisten, ihre eigene Absicherung ins Leere läuft, zeigt die blinden Flecken in der politischen Wahrnehmung. Während über Honoraranpassungen und Strukturreformen im Apothekenwesen diskutiert wird, bleibt die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Betrieb im Schatten. Dabei ließe sich gerade hier die Glaubwürdigkeit sozialer Gleichstellungspolitik konkret prüfen.
Es ist Zeit, Mutterschutz nicht länger als statischen Rechtsanspruch zu verstehen, sondern als dynamisches Versorgungsthema mit wirtschaftlicher Dimension. Apothekerinnen brauchen keine Bevormundung, sondern operative Rahmenbedingungen, die eine Babypause ermöglichen, ohne dass die Existenz des Betriebs auf dem Spiel steht. Dazu gehören steuerliche Anreize für Vertretungsmodelle, flexible Übergangsfinanzierungen und gezielte Personalentwicklungsprogramme im Vorfeld der Geburt.
Der Mutterschutz muss auch in der Selbstständigkeit planbar, finanzierbar und lebbar sein. Solange dies nicht gegeben ist, bleibt das Ideal beruflicher Gleichberechtigung ein theoretisches Konstrukt – und Apothekerinnen zwischen Kind und Kundschaft eine strukturell übersehene Realität. Wer Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen fordert, darf das Thema Mutterschutz nicht länger ausklammern.
Mutterschutz ohne Auszeit – Apothekerinnen managen Beruf und Geburt parallel
Zwischen Verantwortung und Wochenbett wird die Führungsrolle zur Belastungsprobe
Mutterschutz ist in Deutschland ein gesetzlich verankerter Schutzmechanismus – jedoch nur für Angestellte. Selbstständige Frauen stehen beim Eintritt in eine Schwangerschaft strukturell weitgehend ungeschützt da. Für Apothekeninhaberinnen bedeutet das: Es gibt keine automatische Freistellung, keine Lohnfortzahlung durch die Krankenkasse, keine betriebliche Vertretung auf Knopfdruck. Während das System für angestellte Frauen Schutzräume bietet, stellt es Unternehmerinnen vor ein Dilemma zwischen persönlicher Fürsorge und betrieblicher Notwendigkeit.
Eine Apotheke ist nicht nur ein pharmazeutischer Betrieb, sondern eine organisatorisch und rechtlich hochkomplexe Einheit. Die Inhaberin trägt die Gesamtverantwortung – für Arzneimittelsicherheit, Beratungspflichten, Personalführung, gesetzeskonforme Abgabe und wirtschaftliche Stabilität. Mit dem Beginn einer Schwangerschaft steht diese Verantwortung nicht still. Sie verlangt stattdessen ein belastbares System, das auch ohne die Leitung funktioniert – oft monatelang.
Eine verlässliche Vertretung zu finden, ist dabei keine Formsache. Der Markt für qualifiziertes pharmazeutisches Personal ist angespannt, gerade in ländlichen Regionen herrscht massiver Fachkräftemangel. Eine Apothekerin mit Führungsbefugnis, ausreichend Erfahrung und unternehmerischem Verständnis ist nicht kurzfristig zu beschaffen. Wer seinen Betrieb weiterführen will, muss weit im Voraus planen, potenzielle Ausfälle simulieren, Arbeitsbereiche klar abgrenzen und Vertrauen in die Teamstruktur aufbauen.
Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Tragfähigkeit. Während angestellte Mütter gesetzliche Lohnersatzleistungen erhalten, müssen selbstständige Inhaberinnen für jede Einkommenseinbuße selbst aufkommen. Laufende Kosten für Miete, Gehälter, Warenlager, Versicherungen und Steuerzahlungen bleiben unberührt. Fehlende Einnahmen durch Arbeitsunfähigkeit wirken sich daher direkt auf die betriebliche Liquidität und damit auf die Überlebensfähigkeit der Apotheke aus.
Ein weiterer Aspekt ist die emotionale Doppelbelastung. Der Anspruch, für das ungeborene Kind da zu sein, kollidiert mit der Pflicht, den Betrieb am Laufen zu halten. Viele Frauen versuchen daher, ihre Schwangerschaft „durchzuarbeiten“, verschieben ärztlich empfohlene Schonzeiten oder kehren zu früh in den Betrieb zurück – nicht aus Ehrgeiz, sondern aus ökonomischem Zwang.
Diese strukturelle Schieflage ist kein Einzelfall, sondern betrifft tausende selbstständige Frauen im Gesundheitswesen – mit besonderer Härte in der Apothekerschaft, deren System auf persönlicher Verantwortung basiert. Der Mutterschutz bleibt für sie ein individueller Kraftakt, der allein mit Planung, personeller Verlässlichkeit und wirtschaftlicher Vorausschau bewältigt werden kann – aber nie mit Systemunterstützung. Wenn Mutterschutz zum Luxus wird, den sich nur Angestellte leisten können, dann hat das System versagt. Denn Schutz, der nicht für alle gilt, ist kein Schutz, sondern ein Privileg. Für selbstständige Apothekenleiterinnen ist die Schwangerschaft kein rechtlich abgesicherter Lebensabschnitt, sondern ein logistisches Hochrisikoprojekt mit persönlicher und betrieblicher Sprengkraft.
Die Vorstellung, dass man mit guter Vorbereitung und Teamgeist alles meistern kann, mag in Einzelfällen stimmen – aber sie verschleiert die systemische Ungleichheit. Wer kein gesetzliches Auffangnetz hat, wer für Ausfälle selbst haftet und wer mangels geeigneter Vertretung im siebten Monat noch am HV-Tisch steht, verdient nicht Respekt allein, sondern politische Rückendeckung. Doch die fehlt.
In einem Gesundheitsberuf, in dem fast 90 Prozent der Beschäftigten Frauen sind und zunehmend junge Frauen in die Selbstständigkeit streben, ist diese Lücke nicht nur ungerecht, sie ist strukturell blind. Während staatliche Förderprogramme, Mutterschaftsgeld und ElterngeldPlus für Angestellte existieren, bleibt die Unternehmerin auf private Rücklagen, Familieneinsatz und Disziplin angewiesen.
Das Problem liegt nicht im Verhalten der Betroffenen, sondern in der politischen Ignoranz gegenüber der Lebensrealität selbstständiger Frauen im Gesundheitswesen. Der Gesetzgeber betrachtet Mutterschutz als betriebsfremdes Thema – dabei ist er in Berufen wie der Pharmazie längst ein Risikofaktor für die Versorgungssicherheit. Eine ausgebrannte oder überforderte Inhaberin gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch den Fortbestand ihres Standorts.
Die Lösung ist keine einfache Ausweitung von Einzelleistungen, sondern eine strukturelle Neudefinition von Fürsorgepflichten – gerade für jene, die andere versorgen. Mutterschutz darf nicht von der Betriebsform abhängen. Wer Versorgung garantiert, wer Verantwortung trägt, muss auch geschützt sein – gesetzlich, wirtschaftlich, gesundheitlich.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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