
Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken in Deutschland stehen unter massivem Druck: Während die Abda gezielte Fördermaßnahmen und eine Notdienststärkung fordert, geraten Betriebe durch Retaxationen wie im Fall Mounjaro zunehmend in wirtschaftliche Bedrängnis. Parallel spitzt sich die Sicherheitslage in den Offizinen zu – Übergriffe und psychische Belastungen nehmen zu. Kritik an Versandapotheken wie DocMorris wächst, nicht zuletzt wegen unzureichender Kühlketten. Auch wirtschaftlich geraten Apotheken ins Wanken: Während rezeptfreie Produkte stabilisieren, sinkt der Rx-Absatz weiter. In Sachsen berät der Landtag über strukturelle Gegenmaßnahmen zum Apothekensterben. Daneben sorgen rechtliche Entscheidungen zur Teilschuld bei Verkehrsunfällen und zur Krankenversicherung der Rentner für Aufsehen. Hoffnungsschimmer gibt es indes aus der Medizin: Bewegung wird zunehmend als integraler Bestandteil moderner Krebstherapien anerkannt.
Versorgung unter Druck: Abda fordert gezielte Apothekenförderung und warnt vor Kollaps im Notdienst
Am Donnerstagabend versammelten sich im Berliner Apothekerhaus Vertreterinnen und Vertreter der Apothekerschaft, Politik und Ärzteschaft zu einer zentralen Diskussionsrunde auf Einladung der Abda. Thema war das „Zukunftskonzept für die öffentliche Apotheke“ – ein Konzept, das angesichts der angespannten Versorgungslage zunehmend an Dringlichkeit gewinnt. Die Debatte fiel in eine Zeit politischer Weichenstellungen: Die künftige Bundesregierung unter CDU-Führung hat erste Inhalte ihres Koalitionsvertrags vorgelegt, darunter auch vage Absichtserklärungen zur Stabilisierung der Arzneimittelversorgung.
Abda-Präsident Thomas Preis eröffnete die Runde mit einer deutlichen Warnung: „Wir stehen kurz davor, in weiten Teilen des Landes die Apothekenversorgung zu verlieren, wenn die Politik jetzt nicht handelt.“ Besonders strukturschwache Regionen stünden kurz vor dem kippen, viele Apotheken dort arbeiteten längst nicht mehr kostendeckend. Preis kündigte an, dass die Abda konkrete Modelle für eine gezielte finanzielle Förderung dieser Standorte entwickeln werde. Im Zentrum stünden dabei ein bonifiziertes Fixhonorar für ländliche Apotheken, flexiblere Notdienstregelungen und neue Strukturen wie mobile Versorgungseinheiten oder modulare Apothekenkonzepte.
Im Verlauf der Diskussion wurde deutlich, dass insbesondere die Arbeitsbedingungen im Notdienst als untragbar empfunden werden. Preis formulierte es drastisch: „Wir sind im Notdienst in Handschellen. Kein anderer Versorgungsbereich arbeitet unter so restriktiven und gleichzeitig schlecht vergüteten Bedingungen.“ In strukturschwachen Gebieten sei es mittlerweile kaum noch möglich, Apotheken nachts oder an Feiertagen offen zu halten – nicht nur wegen Personalmangel, sondern auch wegen des fehlenden ökonomischen Rückhalts.
Gleichzeitig wurde aber auch der Ton zwischen Apothekerschaft und Ärzten schärfer. Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) kritisierten die von der Abda angestrebte Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen als „Kompetenzüberschreitung“ und warnten vor einer Verwässerung medizinischer Standards. Insbesondere bei Medikationsanalysen und der Betreuung chronisch kranker Patienten zeigten sich Ärztevertreter reserviert.
Thomas Preis konterte sachlich, aber bestimmt: „Die Apotheke ist keine Konkurrenz zur ärztlichen Praxis – sie ist eine Ergänzung. Wenn wir unsere Ressourcen nicht besser verteilen, werden wir den Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen können.“ Preis wies darauf hin, dass Apotheken bereits heute eine Schlüsselrolle bei der Arzneimitteltherapiesicherheit spielten und bei richtiger Integration das ambulante System spürbar entlasten könnten.
Ein weiterer Streitpunkt war die schleppende Umsetzung digitaler Prozesse. Während die Politik von Effizienzgewinnen durch eRezept und telemedizinische Anbindung sprach, beklagten viele Apotheken massive Softwareprobleme, hohe Kosten und einen Mangel an einheitlichen Standards. Ohne gezielte finanzielle und strukturelle Unterstützung sei die Digitalisierung vielerorts nicht umsetzbar, so die Kritik.
Auch auf politischer Ebene blieb die Debatte vage. Zwar sieht der neue Koalitionsvertrag grundsätzlich eine Stabilisierung der Apothekenhonorierung vor, konkrete Beträge oder Zeitpläne fehlen jedoch. Abda-Präsident Preis kündigte an, sich mit einem Forderungskatalog in die kommenden Gesetzgebungsverfahren einzubringen und den Druck aufrechtzuerhalten.
Die Berliner Diskussionsrunde hat eines sehr deutlich gemacht: Die Apothekenkrise ist keine abstrakte Bedrohung mehr – sie ist Realität. Immer mehr Betriebe müssen schließen, insbesondere in ländlichen Regionen. Die Ankündigung von Abda-Präsident Preis, ein gezieltes Fördermodell für strukturschwache Standorte zu entwickeln, ist überfällig. Die Politik hat die wirtschaftliche Schieflage der Apotheken über Jahre hinweg ignoriert oder mit symbolischen Gesten abgefedert. Jetzt droht ein Versorgungsdesaster.
Dass Preis das Bild der „Handschellen im Notdienst“ wählt, ist kein rhetorisches Stilmittel – es ist eine präzise Beschreibung der Realität: Apotheken müssen unter personeller Unterbesetzung, unflexiblen Regularien und mangelnder finanzieller Rückendeckung den Notdienst aufrechterhalten. Das ist keine nachhaltige Struktur, sondern ein Rezept für Kollaps.
Die Spannungen mit der Ärzteschaft offenbaren ein tiefer liegendes Problem: Statt gemeinsam an sektorenübergreifenden Lösungen zu arbeiten, verharrt man in Besitzstandsdenken. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Eine moderne Gesundheitsversorgung braucht funktionierende Schnittstellen – nicht Konkurrenzdenken. Wer pharmazeutische Dienstleistungen als Einmischung versteht, verkennt die wachsenden Versorgungsdefizite.
Zudem lässt der politische Koalitionsvertrag bislang die nötige Tiefe vermissen. Ohne ein festes Apothekenbudget, klare Anreize für unterversorgte Regionen und die Entbürokratisierung des Notdienstes drohen die Versprechen zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke ein weiteres Mal zu verpuffen.
Die Apotheken brauchen keine Debattenrunden mehr, sondern verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn die Politik jetzt nicht handelt, wird sie in wenigen Jahren nicht mehr gefragt, wie viele Apotheken es gibt – sondern warum sie verschwunden sind.
Massenhafte Mounjaro-Retaxationen: AOK Sachsen-Anhalt korrigiert eigenen Datenfehler – Apotheken müssen wieder ausbaden
Die AOK Sachsen-Anhalt hat rückwirkend zahlreiche Apotheken mit Retaxationen zu Verordnungen des Diabetes- und Adipositasmedikaments Mounjaro (Tirzepatid) konfrontiert. Betroffen sind Abgaben, die zwischen dem 15. und 31. Mai 2024 erfolgten. Der Auslöser: ein technischer Fehler in der ABDA-Datenbank, durch den der gesetzlich vorgeschriebene Herstellerrabatt nicht korrekt hinterlegt war. In der Folge kam es zu automatisierten Absetzungen durch die Krankenkasse, obwohl die Apotheken regelkonform abgerechnet hatten.
Die AOK begründet ihr Vorgehen mit einer sogenannten „abhängigen Herstellerrabattkorrektur“. Demnach seien zunächst falsche Rabattwerte in die Abrechnungsprozesse eingeflossen, was zu Differenzen beim Erstattungsbetrag geführt habe. Obwohl die Verantwortung eindeutig bei der fehlerhaften Taxe liegt, wurden die Apotheken mit dem administrativen und finanziellen Risiko der Retaxationen konfrontiert – eine Praxis, die in der Branche regelmäßig für Empörung sorgt.
Zwar kündigte die Kasse mittlerweile an, alle betreffenden Absetzungen im Rahmen eines Korrekturverfahrens zurückzunehmen. In den Korrekturabrechnungen erscheint ein „Verrechnungswert Neu“, der die ursprünglich retaxierten Rezepte neu bilanziert. Apotheken, die bereits Einspruch eingelegt hatten, wird stattgegeben – ein automatisiertes Verfahren ist jedoch nicht vorgesehen. Wer nicht aktiv reagiert hat oder die Absetzung zunächst nicht nachvollziehen konnte, muss auf die Gutschrift der Korrekturposition warten.
Mounjaro, ein Medikament des US-Herstellers Lilly, ist für die Behandlung von Typ-2-Diabetes sowie zur Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Adipositas zugelassen. Es enthält den Wirkstoff Tirzepatid, einen dualen GIP- und GLP-1-Rezeptor-Agonisten, der auf mehreren physiologischen Ebenen gleichzeitig wirkt: Insulinausschüttung wird gesteigert, Glucagon- und Blutzuckerwerte gesenkt, Magenentleerung verzögert und das Hungergefühl reduziert. Die Anwendung erfolgt einmal wöchentlich per Injektion. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage im Bereich der Adipositastherapie ist das Präparat aktuell wirtschaftlich besonders relevant – für Hersteller wie für Apotheken gleichermaßen.
Der Vorfall mit der AOK Sachsen-Anhalt ist kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine Serie von Retaxationen, die auf fehlerhaften Daten basieren. Für Apotheken bedeutet das nicht nur bürokratischen Mehraufwand, sondern auch eine akute wirtschaftliche Belastung, da Retaxationen in der Regel sofort wirksam werden, Korrekturen jedoch auf sich warten lassen. Die Liquidität kleiner Betriebe kann dadurch erheblich unter Druck geraten – insbesondere dann, wenn mehrere hochpreisige Arzneimittel betroffen sind.
Der Fall Mounjaro steht exemplarisch für ein strukturelles Defizit im deutschen Abrechnungssystem: Apotheken werden systematisch in eine Rolle gedrängt, in der sie für Fehler haften, die sie weder verursacht noch beeinflusst haben. Die Retaxationspraxis hat sich längst zu einem Machtinstrument der Kassen entwickelt – oft automatisiert, ohne Rücksprache, mit teils absurden Begründungen. Dass im konkreten Fall ein technischer Fehler in der Taxe vorlag und dieser inzwischen eingeräumt wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die Korrektur auf dem Rücken der Apotheken ausgetragen wurde.
Es ist unverständlich, warum solche Fehler nicht automatisch zur Sperrung der betroffenen Retaxationen führen – zumindest solange, bis der Sachverhalt geprüft und der Fehler eindeutig zugeordnet ist. Die pauschale Absetzung und das anschließende Korrekturverfahren sind nicht nur ineffizient, sondern auch ein Affront gegenüber den Leistungserbringern, die ohnehin unter hohem wirtschaftlichem Druck stehen. Gerade in strukturschwachen Regionen, wo der wirtschaftliche Spielraum ohnehin begrenzt ist, können solche Absetzungen im vier- oder gar fünfstelligen Bereich existenzbedrohend sein.
Das aktuelle Beispiel zeigt auch, wie unzureichend die Abstimmungsprozesse zwischen ABDA, Softwarehäusern und Krankenkassen noch immer funktionieren. Wer ein digitalisiertes Gesundheitssystem fordert, muss dafür sorgen, dass die technischen Schnittstellen nicht zur Falle werden. Fehler in der Taxe dürfen nicht länger zu automatischen Strafmaßnahmen gegen Apotheken führen. Hier sind dringend verbindliche Regeln notwendig: für Transparenz, Fehlerkommunikation und Korrekturbearbeitung – im Interesse einer fairen und funktionierenden Arzneimittelversorgung.
Bis dahin bleibt die bittere Realität bestehen: Apotheken, die als Rückgrat der ambulanten Versorgung gelten, müssen nicht nur Medikamente liefern, sondern auch die Verantwortung für Fehler übernehmen, die andere gemacht haben. Ein System, das sich auf diese Weise selbst blockiert, braucht mehr als kosmetische Reformen – es braucht einen echten Paradigmenwechsel.
Sicherheitskrise in Apotheken: Ein Ruf nach ganzheitlichen Schutzmaßnahmen
In deutschen Apotheken spitzt sich eine Sicherheitskrise zu, die sowohl Apothekenbetreiber als auch das dort tätige Personal vor enorme Herausforderungen stellt. Die steigende Zahl verbaler und physischer Übergriffe auf Apothekenmitarbeiter hat alarmierende Ausmaße angenommen, die dringend adressiert werden müssen. Neben den physischen Bedrohungen sind auch die psychischen Belastungen, die aus diesen Konfliktsituationen resultieren, nicht zu unterschätzen.
Täglich stehen Apothekenmitarbeiter im direkten Kundenkontakt, wobei sie häufig mit Unmutsäußerungen konfrontiert werden, die in einigen Fällen in offene Aggression umschlagen. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Lieferengpässe und hohe Erwartungen an die Verfügbarkeit spezifischer Medikamente führen regelmäßig zu Spannungen. Hinzu kommen lange Wartezeiten und komplexe Abrechnungssysteme mit den Krankenkassen, die für zusätzlichen Frust bei den Kunden sorgen.
Apothekenbetreiber sind gefordert, umfassende Sicherheitskonzepte zu entwickeln, die über die Installation von Sicherheitstechnik wie Kameras und Alarmknöpfe hinausgehen. Dazu gehört die Schulung des Personals in Deeskalationstechniken, die eine wichtige erste Verteidigungslinie in der Konfliktprävention darstellen. Des Weiteren ist eine architektonische Gestaltung der Apothekenräume zu überdenken, die sowohl Sicherheit als auch eine angenehme Atmosphäre für Kunden und Personal schafft.
Eine weitere wesentliche Säule des Schutzkonzeptes bildet der Abschluss einer Gruppen-Unfallversicherung. Diese Versicherung bietet nicht nur finanziellen Schutz im Falle eines Unfalls, sondern auch ein Sicherheitsnetz, das das Wohlbefinden und die psychische Resilienz des Personals stärkt. Sie zeigt den Mitarbeitern, dass ihre Sicherheit und Gesundheit vom Arbeitgeber ernst genommen wird.
Die Optimierung der Medikamentenlogistik kann ebenfalls dazu beitragen, die Ursachen für Kundenfrustration zu minimieren. Innovative Lagerhaltungssysteme und eine verbesserte Kommunikation mit Lieferanten könnten die Verfügbarkeit von Medikamenten erhöhen und somit einen kühlen Kopf bei den Kunden bewahren helfen.
Die aktuellen Sicherheitsprobleme in Apotheken sind ein Spiegelbild gesellschaftlicher Spannungen, die durch Systemgrenzen im Gesundheitswesen verschärft werden. Die Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen wie Gruppen-Unfallversicherungen und verbesserten Deeskalationstrainings sind unerlässlich, um das Apothekenpersonal zu schützen. Diese Maßnahmen allein reichen jedoch nicht aus. Es bedarf einer tiefgreifenden Analyse und Überarbeitung der gesamten Medikamentenversorgungskette und der Kundeninteraktionsprozesse in Apotheken.
Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl präventive als auch reaktive Strategien umfasst, ist erforderlich, um eine sichere und zugleich kundenfreundliche Umgebung zu gewährleisten. Die Investition in die Sicherheit und das Wohlbefinden der Apothekenmitarbeiter ist dabei nicht nur eine Frage der Fürsorge, sondern auch ein entscheidender Faktor für die Funktionsfähigkeit des gesamten Gesundheitssystems. Langfristig kann dadurch nicht nur die Zufriedenheit und Sicherheit des Personals, sondern auch die der Kunden signifikant gesteigert werden.
DocMorris-Chef weist Verantwortung für Versandmängel bei Kühlware zurück und attackiert Vor-Ort-Apotheken
Inmitten wachsender politischer und regulatorischer Bemühungen, die Patientensicherheit im Arzneimittelversand zu stärken, sorgt eine Äußerung des DocMorris-CEO Walter Hess für Empörung. Während die neue Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD angekündigt hat, die Einhaltung der Kühlkette im Versandhandel künftig verpflichtend zu überwachen, lenkt Hess von den Defiziten seines Unternehmens ab – und geht stattdessen frontal auf die Apothekerschaft los.
Konkret geht es um die unzureichende Temperaturkontrolle beim Versand kühlpflichtiger Arzneimittel – darunter Medikamente gegen Rheuma, Krebs oder multiple Sklerose sowie zahlreiche Impfstoffe. Diese Medikamente müssen konstant zwischen 2 und 8 Grad Celsius gelagert und transportiert werden, um ihre Stabilität und Wirksamkeit zu gewährleisten. Während öffentliche Apotheken gesetzlich verpflichtet sind, Kühlketten lückenlos zu dokumentieren und regelmäßig behördlich kontrolliert werden, galt für den Versandhandel bislang ein regulatorisches Vakuum.
Eine im Februar veröffentlichte Analyse der Bundesapothekerkammer kam zu dem Ergebnis, dass bei Versandlieferungen in über 70 Prozent der untersuchten Fälle keine ausreichende Temperaturüberwachung gewährleistet war. Insbesondere bei heißen Außentemperaturen oder längeren Versandzeiten wurden erhebliche Abweichungen festgestellt, die eine Gefährdung der Arzneimittelqualität nahelegen.
Die neue Bundesregierung hat auf diese Erkenntnisse reagiert und angekündigt, die Apothekenbetriebsordnung zu novellieren. Ein zentraler Bestandteil der Reform ist die Einführung einer verpflichtenden, manipulationssicheren Temperaturüberwachung über die gesamte Versandkette hinweg. Ziel sei es, eine Gleichstellung von Versandapotheken mit den Anforderungen stationärer Apotheken zu erreichen.
Doch statt die angekündigten Standards als überfälligen Schritt zu akzeptieren, reagierte DocMorris-Chef Walter Hess mit demonstrativer Abwehr. In einem Interview mit einem Branchenmedium erklärte er, dass die Vor-Ort-Apotheken selbst „große Probleme mit der Einhaltung der Kühlkette“ hätten und versuchten, „die Aufmerksamkeit von ihren eigenen Defiziten abzulenken“.
Diese Aussage löste in Fachkreisen massive Irritation aus. Der Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, Thomas Preis, reagierte deutlich: „Herr Hess versucht, die Realität zu verdrehen. Dabei lenkt er von einem eklatanten Problem in seinem eigenen Versandmodell ab.“ Preis betonte, dass Apotheken mit Kühlgeräten, Temperaturdokumentation, Notfallplänen und regelmäßigen Inspektionen seit Jahren höchste Standards erfüllten. Der Versandhandel hingegen bleibe hinter diesen Anforderungen weit zurück.
Auch politisch sorgt der Auftritt des DocMorris-Chefs für Kritik. Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, verwies auf die zentrale Bedeutung der Patientensicherheit. „Es geht hier nicht um einen Konkurrenzkampf zwischen Apotheken und Versandhändlern, sondern um die Wirksamkeit von Medikamenten. Wenn die Temperatur nicht stimmt, verlieren Präparate ihre Wirkung – das kann lebensbedrohlich sein.“
SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens ergänzte: „Versandhändler, die sich gegen klare Vorgaben wehren, zeigen, dass sie die Verantwortung nicht ernst nehmen. Eine Reform ist überfällig, und zwar ohne Ausnahmen.“ Sie verwies zudem auf die Bedeutung von Transparenz: Patienten müssten sich darauf verlassen können, dass Medikamente nicht nur schnell, sondern auch sicher geliefert werden.
Laut Koalitionsvertrag sollen die neuen Vorgaben noch im laufenden Jahr gesetzlich verankert werden. Die verpflichtende Temperaturüberwachung könnte dann 2026 flächendeckend in Kraft treten. Für Anbieter wie DocMorris würde dies einen erheblichen technischen und logistischen Aufwand bedeuten.
Die ABDA fordert unterdessen weitergehende Maßnahmen: So solle der Versand von kühlpflichtigen Arzneimitteln grundsätzlich untersagt werden, solange kein zertifiziertes Echtzeit-Monitoring mit Rückmeldefunktion an den Empfänger vorliegt. Es gehe nicht um Wettbewerbsnachteile, sondern um die unteilbare Verantwortung für Arzneimittelsicherheit.
Walter Hess hat sich mit seiner jüngsten Stellungnahme keinen Gefallen getan – weder seinem Unternehmen noch dem öffentlichen Vertrauen in den Versandhandel. Die Frage der Kühlkette ist keine juristische Spitzfindigkeit, sondern eine der elementaren Grundvoraussetzungen für die sichere Arzneimittelversorgung. Anstatt die Notwendigkeit verbindlicher Standards anzuerkennen, stellt Hess Behauptungen auf, die einer sachlichen Überprüfung nicht standhalten – und gefährdet damit seine Glaubwürdigkeit.
Was Hess offenbar verkennt: Die Zeit des regulatorischen Wegschauens ist vorbei. Die Politik hat erkannt, dass Patientensicherheit nicht verhandelbar ist – und dass sie nur gewährleistet werden kann, wenn alle Marktteilnehmer denselben Standards unterliegen. Der reflexhafte Angriff auf Vor-Ort-Apotheken mag strategisch gemeint gewesen sein, er zeigt aber vor allem eines: eine tiefe Verunsicherung angesichts kommender regulatorischer Pflichten.
Statt Vorwürfen wäre jetzt konstruktive Beteiligung gefragt: Wie kann der Versandhandel temperaturkritische Medikamente tatsächlich sicher zustellen? Welche technischen Lösungen braucht es – und wie können diese lückenlos kontrolliert werden? Hess bleibt Antworten auf diese Fragen schuldig. Stattdessen zieht er sich auf ein altes Muster zurück: Schuld sind immer die anderen.
Damit setzt sich DocMorris unnötig dem Vorwurf aus, den Wettbewerb auf Kosten der Arzneimittelsicherheit zu führen. Doch die öffentliche Debatte hat sich weiterentwickelt. Die Bevölkerung ist heute sensibler denn je, wenn es um die Sicherheit von Medikamenten geht. In einer solchen Situation auf Provokation statt Problemlösung zu setzen, offenbart nicht nur taktisches Kalkül – sondern auch eine bedenkliche Verantwortungslosigkeit.
Apotheken am Scheideweg: Rückgang bei Rx-Arzneien, Stabilisierung durch OTC-Bereich nur bedingt
Die wirtschaftliche Entwicklung der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland hat sich im Februar 2025 deutlich zweigeteilt gezeigt. Während der Absatz verschreibungspflichtiger Medikamente (Rx) weiter unter dem Vorjahresniveau liegt, verzeichnen rezeptfreie Arzneimittel (OTC) sowohl beim Absatz als auch beim Umsatz Zuwächse. Das geht aus aktuellen Marktdaten hervor, die die Entwicklungen zwischen der sechsten und neunten Kalenderwoche des Jahres abbilden. Demnach sank der kumulierte Absatz von Rx-Arzneimitteln im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent. Die Zahlen markieren eine Fortsetzung der rückläufigen Entwicklung, die sich bereits im Januar abzeichnete, und belegen den Bruch mit dem Wachstumskurs aus dem ersten Halbjahr 2024.
Im Wochenverlauf zeigte sich der Rx-Absatz volatil: Einem starken Auftakt in der ersten Februarwoche folgten eine Stagnation in Woche zwei und ein Rückgang in den Kalenderwochen drei und vier. Die Marktforscher führen diese Entwicklung nicht nur auf eine rückläufige Nachfrage, sondern auch auf veränderte Verschreibungsmuster und die zunehmende Marktdurchdringung mit Hochpreiser-Präparaten zurück. Letztere bewirkten zwar einen nominalen Anstieg des Umsatzes um 3,8 Prozent im kumulierten Vergleich, können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer weniger Packungen den HV-Tisch passieren. Die extreme Abhängigkeit vom Hochpreissegment birgt Risiken für die wirtschaftliche Planbarkeit der Apotheken. Schon in der vierten Februarwoche zeigte sich ein erster Dämpfer: Der Rx-Umsatz lag 5,4 Prozent unter dem Vorjahreswert, ein deutliches Signal für eine mögliche Trendwende.
Demgegenüber zeigt sich das OTC-Geschäft im Februar als positiver Kontrast. In allen vier untersuchten Wochen lag der Absatz über dem Vorjahr, besonders stark war das Wachstum in der sechsten und achten Kalenderwoche. Die stärksten Zuwächse beim Umsatz wurden mit 17,5 Prozent ebenfalls in der sechsten Kalenderwoche gemessen. Selbst wenn die neunte Kalenderwoche durch saisonale Effekte wie die Karnevalszeit schwächer ausfiel, ergibt sich im Gesamtverlauf des Monats ein deutliches Plus: Der kumulierte OTC-Absatz liegt 3,9 Prozent über dem Vorjahr, der Umsatz sogar um 6,1 Prozent. Damit wird deutlich, dass Preisanpassungen erfolgreich umgesetzt werden konnten – eine Entwicklung, die in einem Markt mit hohen Margenbedeutungen positiv bewertet wird. Allerdings bleibt die strukturelle Bedeutung des OTC-Segments begrenzt, da es bei weitem nicht das wirtschaftliche Volumen des Rx-Bereichs erreicht.
Auch der Blick auf den Januar relativiert die Entwicklung: Die Apotheken setzten 151,4 Millionen Einheiten um, was einem leichten Anstieg von 0,3 Prozent gegenüber dem Vormonat entspricht. Der Bruttoumsatz stieg um 4,8 Prozent, was angesichts der hohen Anzahl von Feiertagen im Dezember keine überdurchschnittliche Leistung darstellt. Die stärksten Zugewinne wurden im GKV-Bereich erzielt, dessen Absatz im Januar um 10,8 Prozent und der Umsatz um 7,9 Prozent gegenüber dem Dezember zulegten – ein Effekt, der im Wesentlichen auf die erhöhte Zahl der Arbeitstage zurückzuführen ist. Gleichzeitig verloren Freiwahl und Selbstmedikation gegenüber dem Dezember an Boden, was das saisonal bedingte Nachfrageverhalten in den Fokus rückt.
Die gesamtwirtschaftliche Lage der Apotheken bleibt damit angespannt. Die steigenden Umsätze im Rx-Bereich können die rückläufigen Absatzmengen nur unzureichend ausgleichen. Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen Hochpreisern und Basisversorgung verschärft sich zusehends. Das OTC-Geschäft liefert kurzfristige Entlastung, besitzt aber nicht das Potenzial, langfristige Stabilität herzustellen. Vielmehr hängt die wirtschaftliche Zukunft der Apotheken zunehmend von der Preisentwicklung einzelner Produkte und dem politischen Rahmen ab. Die fehlende Dynamik im Absatz verschreibungspflichtiger Medikamente, insbesondere in einem Umfeld steigender Gesundheitsausgaben, muss daher als Signal für Handlungsbedarf verstanden werden – sowohl von Seiten der Branche als auch der Gesundheitspolitik.
Der Apothekenmarkt steht unter Druck – nicht wegen eines spektakulären Einbruchs, sondern aufgrund schleichender, aber kontinuierlicher Erosion. Der Rückgang im Absatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel mag auf den ersten Blick marginal erscheinen, doch er ist Ausdruck eines tieferliegenden Problems: Der Verlust an Grunddynamik im Kerngeschäft der Apotheken. Die wirtschaftliche Stabilität der Branche beruht zu einem großen Teil auf der konstanten Abgabe von Rx-Präparaten. Wenn diese Basis wackelt, geraten auch die betriebswirtschaftlichen Kalkulationsmodelle der Apotheken in Schieflage.
Dass die Umsatzwerte vorerst stabil bleiben, ist primär der Preisentwicklung im Hochpreissegment zu verdanken – einer Entwicklung, die für viele Apotheken eine zweischneidige Angelegenheit darstellt. Denn Hochpreiser bringen zwar kurzfristig Einnahmen, bedeuten aber zugleich ein höheres wirtschaftliches Risiko bei Retaxationen, Abgabeabweichungen oder Problemen mit der Lieferfähigkeit. Wer wirtschaftlich auf solche Produkte angewiesen ist, setzt auf ein unsicheres Fundament. Hinzu kommt, dass Hochpreiser nicht automatisch einen höheren Gewinn bringen, da Abschläge, Herstellerrabatte und die lange Vorfinanzierung oft zu einem Nullsummenspiel führen.
Das OTC-Wachstum ist erfreulich, aber kein Gamechanger. Es sorgt in manchen Betrieben für Entlastung, ersetzt aber nicht die strukturelle Bedeutung des Rx-Bereichs. Vielmehr verschleiert es für den Moment die Tatsache, dass die politisch ungelösten Fragen – etwa zur Honorierung, zur Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen oder zur Zukunft der Apothekenvergütung – weiter auf die lange Bank geschoben werden. Die Karnevalsdelle in der letzten Februarwoche ist da fast schon ein Symbol: Zwischen regionaler Ausnahmesituation und strukturellem Dauerproblem fehlt es an einem durchdachten Konzept für die wirtschaftliche Zukunft der Apotheken.
Es braucht endlich eine ehrliche Debatte über die Rolle der Vor-Ort-Apotheken in einem sich wandelnden Gesundheitssystem – und nicht nur punktuelle Datenanalysen. Der Februar 2025 liefert keine dramatischen Ausschläge, aber ein leises, kontinuierliches Warnsignal. Wer es überhört, riskiert, dass aus der wirtschaftlichen Spannung eine Versorgungskrise wird.
Apothekenversorgung in Sachsen in der Krise – Landtag berät über strukturelle Gegenmaßnahmen
Im Sächsischen Landtag wurde am Montag im Gesundheitsausschuss intensiv über die Zukunft der Apotheken diskutiert. Auslöser der fast dreistündigen öffentlichen Sitzung war ein Antrag der Fraktion Die Linke, der bereits im Dezember unter dem Titel „Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln in Sachsen spürbar stärken und ausbauen – Apothekensterben endlich aktiv begegnen!“ eingebracht wurde. Der Antrag zielt auf umfassende Maßnahmen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung in Sachsen ab und fordert unter anderem eine Erhöhung des Apothekenfixums, Bürokratieabbau und strukturelle Förderung.
Zahlreiche geladene Sachverständige – darunter Kammerpräsident Göran Donner, der Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes Thomas Dittrich sowie Daniela Hänel von der Freien Apothekerschaft – berichteten aus der Praxis. Sie zeichneten ein alarmierendes Bild der derzeitigen Situation: Zunehmende Lieferengpässe, überbordende Verwaltungsanforderungen, unzureichende Honorierung und ein eklatanter Fachkräftemangel setzen die Apotheken unter Druck. Vor allem in ländlichen Regionen sei die Versorgung in Gefahr.
Die Apothekerschaft forderte gezielte Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung – darunter eine Anhebung des Fixhonorars auf 12 Euro pro abgegebenem Rezepturarzneimittel mit anschließender Dynamisierung, eine gezielte Förderung für Apothekenneugründungen und die Beibehaltung des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Auch auf die psychische Belastung der Apothekenteams wurde hingewiesen. Burnout und Überlastung seien längst keine Einzelfälle mehr.
Professor Thilo Bertsche vom Zentrum für Arzneimittelsicherheit unterstrich die Bedeutung pharmazeutischer Dienstleistungen als zukunftsweisende Ergänzung der klassischen Arzneimittelversorgung. Er verwies auf Umfragen, wonach mehr als die Hälfte der Apotheken bereits pDL anbieten oder deren Einführung planen. Gleichzeitig kritisierte er strukturelle Defizite in der Ausbildung: Die Zahl der Studienplätze sei zu gering, das Grundstudium zu wenig praxisnah, die PTA- und PKA-Ausbildung zu wenig attraktiv.
Krankenkassenvertreter wie Marco Kohfal von der IKK classic signalisierten grundsätzliches Interesse an neuen Versorgungskonzepten und betonten die Bedeutung von Apotheken als Lotsen im Gesundheitssystem. Gleichzeitig sprachen sie sich gegen eine pauschale Erhöhung des Apothekenhonorars aus, sofern keine begleitenden Strukturreformen erfolgen. Rainer Striebel von der AOK Plus führte insbesondere den Nachwuchsmangel und die sinkende Bereitschaft zur Selbstständigkeit als Ursachen für das Apothekensterben an.
Trotz unterschiedlicher Standpunkte bestand im Ausschuss Einigkeit darüber, dass die Apothekenlandschaft vor einem Wendepunkt steht. Die Linke sieht sich in ihrer Initiative bestätigt und fordert, die Apotheken nicht länger im Stich zu lassen. Nur durch entschlossenes Handeln auf Landes- und Bundesebene lasse sich die flächendeckende Arzneimittelversorgung dauerhaft sichern.
Die Diskussion im Gesundheitsausschuss des Sächsischen Landtags hat deutlich gemacht: Das Apothekensterben ist kein schleichendes Phänomen mehr, sondern eine manifest gewordene Strukturkrise mit weitreichenden Folgen für die Daseinsvorsorge – insbesondere im ländlichen Raum. Der Antrag der Linken greift viele zentrale Problembereiche auf, auch wenn über die konkreten Lösungsvorschläge noch kein politischer Konsens besteht.
Auffällig war die große Übereinstimmung unter den geladenen Expertinnen und Experten: Die gegenwärtigen Rahmenbedingungen sind nicht mehr tragfähig. Ein starrer Honorarsatz, fehlende Nachwuchsförderung, ein nicht modernisiertes Studium und die Dauerbelastung durch Lieferengpässe führen dazu, dass Apotheken nicht nur wirtschaftlich, sondern auch personell ausbluten. Dass gleichzeitig ausgerechnet die Krankenkassen – selbst Teil des Systems – eine pauschale Honorarerhöhung blockieren, wirkt vor diesem Hintergrund wenig konstruktiv.
Wer eine qualitativ hochwertige, patientennahe Versorgung möchte, muss bereit sein, in die Struktur zu investieren. Apotheken sind mehr als Ausgabestellen – sie sind niedrigschwellige Gesundheitsdienstleister mit wachsender Bedeutung. Wenn diese Rolle anerkannt und gestärkt werden soll, braucht es mehr als Appelle und punktuelle Förderungen: Es braucht eine grundlegende, gemeinsam getragene Reformagenda. Der Freistaat hat jetzt die Chance, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.
Teilschuld trotz Vorfahrt: Wenn Geschwindigkeit zur Mitschuld führt
Ein Verkehrsunfall mit schweren Folgen hat vor dem Saarländischen Oberlandesgericht zu einer juristischen Neubewertung geführt: Trotz klarer Vorfahrt wurde einem Motorradfahrer eine erhebliche Mitschuld an einem Zusammenstoß mit einem linksabbiegenden Pkw zugesprochen. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers, die unter den konkreten Sicht- und Wetterverhältnissen maßgeblich zur Entstehung des Unfalls beigetragen habe.
Der Unfall ereignete sich bei Dunkelheit auf regennasser Fahrbahn. Der Motorradfahrer war zuvor mit etwa 80 bis 100 Kilometern pro Stunde unterwegs, obwohl an der Stelle lediglich 50 erlaubt waren. Kurz nach einem Überholvorgang kollidierte er mit einem entgegenkommenden Pkw, der nach links auf das Gelände einer Tankstelle abbiegen wollte. Der Zweiradfahrer erlitt bei dem Zusammenprall erhebliche Verletzungen und forderte vom Pkw-Fahrer sowie dessen Kfz-Haftpflichtversicherung umfangreichen Schadensersatz.
Während das Landgericht Saarbrücken zunächst überwiegend zugunsten des Klägers urteilte und dem Beklagten eine Haftungsquote von 80 Prozent zuwies, kam das Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz zu einer differenzierteren Einschätzung. In dem Urteil vom 13. Dezember 2024 wurde der Schadenersatzanspruch des Motorradfahrers auf 60 Prozent begrenzt. Die Richter stellten klar, dass die überhöhte Geschwindigkeit in Verbindung mit Dunkelheit und nasser Fahrbahn eine erhebliche Mitverantwortung begründe.
Nach Überzeugung des Senats hätte die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit den Unfallverlauf zumindest abmildern können. Zwar habe der Autofahrer beim Abbiegen gegen die Wartepflicht verstoßen, was grundsätzlich eine volle Haftung nahelege, jedoch trete diese Wertung zurück, wenn der andere Verkehrsteilnehmer seinerseits durch ein schweres Fehlverhalten zur Unfallsituation beiträgt. Im konkreten Fall habe die hohe Geschwindigkeit die Reaktionszeit verkürzt und die Sichtbarkeit des Motorrads zusätzlich erschwert.
Nicht als unfallursächlich gewertet wurden hingegen technische Mängel wie abgefahrene Reifen, eine fehlende Hauptuntersuchung sowie das Fehlen einer gültigen Fahrerlaubnis. Diese Umstände seien laut Gericht nicht kausal für den konkreten Unfallhergang gewesen und daher bei der Haftungsabwägung außen vor geblieben.
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer angepassten Fahrweise auch bei Vorfahrt. Wer durch ein überhöhtes Tempo die eigene Erkennbarkeit und das Gefahrenpotenzial für andere Verkehrsteilnehmer erhöht, riskiert nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch eine Minderung seiner zivilrechtlichen Ersatzansprüche. Das OLG betonte, dass der Anscheinsbeweis für eine Vorfahrtsverletzung durch den Linksabbieger im konkreten Fall durch die besondere Fahrweise des Klägers entkräftet worden sei.
Das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts ist ein wichtiges Signal an alle Verkehrsteilnehmer, die sich auf ihr Vorfahrtsrecht verlassen und dabei wesentliche Sorgfaltspflichten außer Acht lassen. Es verdeutlicht, dass die Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit keine bloße Formalität, sondern ein zentraler Bestandteil der Verkehrssicherheit ist. Auch wer im Recht ist, kann durch eigenes Fehlverhalten in die Mitverantwortung geraten – besonders dann, wenn sein Verhalten geeignet ist, die Gefährdungslage für andere maßgeblich zu erhöhen.
Der Fall macht deutlich, dass Gerichte bei der Bewertung von Verkehrsunfällen zunehmend differenziert vorgehen. Statt sich auf ein statisches Vorfahrtsprinzip zu stützen, analysieren sie den konkreten Unfallhergang in seinem Kontext. So werden Sichtverhältnisse, Witterung, Fahrweise und technische Umstände in eine umfassende Abwägung einbezogen. Das schafft mehr Gerechtigkeit – auch wenn es für Betroffene bedeutet, einen Teil der Verantwortung selbst zu tragen.
Versicherungspflicht verweigert: Kein Zugang zur KVdR trotz erfüllter Voraussetzungen
Auch wer die Voraussetzungen für die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) formal erfüllt, hat nicht automatisch Anspruch auf Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in einem aktuellen Urteil klargestellt. Hintergrund ist das sogenannte Optionsrecht, das Erwerbsminderungsrentnern zwischen März 2002 und Mai 2019 offenstand.
In diesem Zeitraum konnten Personen mit einer Erwerbsminderungsrente freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehren, auch wenn sie zuvor privat oder gar nicht versichert waren. Diese Wahl hatte allerdings weitreichende Konsequenzen für die spätere Zeit als Altersrentner. Wer von diesem Optionsrecht Gebrauch gemacht hat, kann nicht automatisch auf eine spätere Versicherungspflicht im Rahmen der KVdR bauen – selbst dann nicht, wenn die dafür üblicherweise geforderten Vorversicherungszeiten erfüllt sind.
Im konkreten Fall klagte ein heute Altersrentner, der im Jahr 2005 als Erwerbsminderungsrentner freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung wurde. Nach seinem Übergang in die Altersrente beantragte er die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR. Die Krankenkasse lehnte ab – zu Recht, wie das BSG nun entschied. Maßgeblich sei nicht nur die Erfüllung der sogenannten 9/10-Regel – also eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung während neun Zehnteln der zweiten Hälfte des Erwerbslebens –, sondern auch der versicherungsrechtliche Status bei Rentenbeginn.
Wer zu diesem Zeitpunkt freiwillig versichert ist, erfüllt laut BSG nicht die Bedingung einer vorrangig versicherungspflichtigen Mitgliedschaft. Das Optionsrecht sei eine freiwillige Entscheidung gewesen, die rechtlich nicht rückgängig gemacht werden könne. Ein Anspruch auf nachträgliche Pflichtversicherung bestehe daher nicht.
Das Urteil des Bundessozialgerichts wirft ein grelles Licht auf die Komplexität und Unübersichtlichkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts. Was auf den ersten Blick wie eine formale Spitzfindigkeit wirkt, offenbart bei genauerer Betrachtung die Tragweite langfristiger Versicherungsentscheidungen. Die Einführung des Optionsrechts war ursprünglich als Brücke gedacht – zurück in die gesetzliche Krankenversicherung. Dass diese Brücke für viele nun zur Sackgasse wird, ist ein sozialpolitisches Dilemma.
Es ist kaum vermittelbar, warum ein Mensch, der jahrzehntelang Beiträge gezahlt und die Vorversicherungszeiten erfüllt hat, wegen einer formalen Einordnung als „freiwillig versichert“ dauerhaft von der günstigeren und beitragsärmeren KVdR ausgeschlossen bleibt. Die Entscheidung des BSG ist juristisch nachvollziehbar, aber sie zeigt auch, wie wichtig Aufklärung und vorausschauende Beratung gerade bei existenziellen Versicherungsfragen sind. Für die Betroffenen bedeutet das Urteil oftmals eine lebenslange finanzielle Mehrbelastung – trotz erfüllter Voraussetzungen. Ein gerechtes System sollte anders aussehen.
Bewegung als Bestandteil der Krebstherapie gewinnt an Bedeutung
Körperliche Aktivität wird in der modernen Onkologie zunehmend als zentraler Bestandteil einer umfassenden Krebstherapie betrachtet. Bewegung soll nicht nur zur Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität beitragen, sondern auch spezifische Symptome lindern und Nebenwirkungen onkologischer Behandlungen abmildern. Laut führenden Fachkräften aus Sportwissenschaft und Medizin ist körperliche Betätigung insbesondere bei Fatigue, Polyneuropathie oder Muskelabbau ein wirksames therapeutisches Mittel – vorausgesetzt, sie ist individuell angepasst und fachlich begleitet.
Die allgemeine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 150 Minuten moderater Bewegung pro Woche gilt auch für Krebspatienten. Entscheidend ist dabei die richtige Belastungsdosierung. Was als „moderat“ gilt, variiert je nach Erkrankungsstadium, Therapieverlauf und individueller Belastbarkeit. Wichtig sei, so betonen Fachleute, den Patienten nicht zu schonend zu behandeln, sondern behutsam zu fordern. Der Bewegungsgrundsatz „use it or lose it“ behält auch unter Chemotherapie seine Gültigkeit.
Patienten mit ausgeprägter Fatigue profitieren laut aktuellen Erfahrungen von kurzen, kontrollierten Bewegungseinheiten, die regelmäßig angepasst werden. Die Intensität wird dabei anhand einer Belastungsskala erfasst, die eine realistische Einschätzung der Trainingsbelastung erlaubt. Auch bei sehr eingeschränkter Tagesverfassung können ruhige Bewegungsformen wie Yoga, Qi Gong oder sensomotorisches Training sinnvoll sein. Ziel ist, den Körper nicht zusätzlich zu erschöpfen, sondern sanft zu aktivieren.
Bei Kachexie oder therapiebedingtem Muskelschwund ist gezieltes Krafttraining angezeigt. Besteht ein Osteoporoserisiko, etwa durch antihormonelle Behandlungen, können stoßbelastende Bewegungen im Rahmen eines Impact-Trainings sinnvoll sein. Bei Polyneuropathien ist vor allem die Schulung der Balance entscheidend. Ebenso existieren für Patientinnen und Patienten mit Lymphödem spezielle Trainingskonzepte zur Anregung des Lymphflusses.
Entscheidend ist die fachliche Begleitung durch speziell geschultes Personal. Onkologische Trainings- und Bewegungstherapiezentren (OTT) bieten strukturierte Trainingspläne unter professioneller Aufsicht. Wo solche Einrichtungen fehlen, kann eine physiotherapeutische Betreuung eine Alternative darstellen – sofern eine onkologische Zusatzausbildung vorhanden ist. Auch digitale Anwendungen mit Fokus auf onkologische Bewegungsprogramme gewinnen an Bedeutung, sollten jedoch kritisch hinsichtlich ihrer medizinischen Qualität bewertet werden.
Yoga, insbesondere in den Formen Hatha- oder Iyengar-Yoga, wird ergänzend empfohlen. Dabei sei auf eine fundierte Ausbildung der Lehrpersonen zu achten, da der Begriff „Yogalehrer“ nicht geschützt ist. Als besonders wirksam gelten zudem MBSR-Kurse, die Entspannungs-, Atem- und Achtsamkeitstechniken vereinen und wissenschaftlich gut untersucht sind.
Kontraindikationen für Bewegung bestehen insbesondere bei einem Hämoglobinwert unter 8 g/dl, Schwindel oder sehr niedriger Thrombozytenzahl. In solchen Fällen sollte vorübergehend auf anstrengendere Bewegungsformen verzichtet werden. Nach chirurgischen Eingriffen ist zudem eine ausreichende Erholungszeit einzuhalten, bevor ein körperliches Training wieder aufgenommen wird.
Die erste evidenzbasierte S3-Leitlinie zur Bewegungstherapie bei onkologischen Erkrankungen ist derzeit in Arbeit und soll 2026 veröffentlicht werden. Ziel ist eine systematische Integration körperlicher Aktivität in die Versorgungsrealität aller Krebspatienten, unabhängig vom Wohnort oder der finanziellen Situation.
Dass Bewegung für Krebspatienten mehr ist als ein nettes Zusatzangebot, sondern therapeutisch wirksam sein kann, ist längst wissenschaftlich belegt. Dennoch wird körperlicher Aktivität in der onkologischen Versorgung noch nicht der Stellenwert eingeräumt, den sie verdient. Viele Patienten sind auf Eigeninitiative oder Glück bei der Auswahl qualifizierter Angebote angewiesen. Die geplante Leitlinie könnte hier Abhilfe schaffen, indem sie Bewegung als festen Bestandteil der Krebstherapie etabliert und verbindliche Standards schafft. Entscheidend bleibt jedoch die praktische Umsetzung vor Ort. Dazu braucht es nicht nur Trainingszentren und fachlich geschultes Personal, sondern auch eine stärkere finanzielle und strukturelle Unterstützung durch das Gesundheitssystem. Denn Bewegung kann – wenn richtig eingesetzt – helfen, Nebenwirkungen zu lindern, Lebensqualität zu erhalten und Autonomie zu stärken. Ein Ziel, das in der Onkologie nicht hoch genug bewertet werden kann.
Von Engin Günder, Fachjournalist
Sie haben einen Beruf gewählt, der weit mehr als reine Erwerbstätigkeit ist. Sie verfolgen im Dienste der Bevölkerung hohe ethische Ziele mit Energie, fachlicher Kompetenz und einem hohen Maß an Verantwortung. Um sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren zu können, erwarten Sie die optimale Absicherung für die Risiken Ihrer Berufsgruppe.
Sie suchen nach Möglichkeiten, Ihre hohen Investitionen zu schützen und streben für sich und Ihre Angehörigen nach einem angemessenen Lebensstandard, auch für die Zukunft.
Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800. 919 0000 oder Sie faxen uns unter 0800. 919 6666, besonders dann, wenn Sie weitere Informationen zu alternativen Versicherern wünschen.
Mit der ApoRisk® FirmenGruppe steht Ihnen ein Partner zur Seite, der bereits viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland zu seinen Kunden zählen darf. Vergleichen Sie unser Angebot und Sie werden sehen, es lohnt sich, Ihr Vertrauen dem Versicherungsspezialisten für Ihren Berufsstand zu schenken.