Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Essen - Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland beschäftigt sich in der Dezember-Ausgabe mit den Gefahren, die von Arzneimittel-Rabattverträgen ausgehen. Während Politik und Krankenkassen die Ausschreibungspolitik als ideales Instrument zur Kostenreduzierung kommunizieren, mehren sich die Vorwürfen von Seiten der Experten: Sie beklagen schon seit langem, dass die Änderungen in der Arzneimitteltherapie viele Patienten verunsichern und sich negativ auf die Therapietreue auswirken. Jüngst deckte eine Befragung von 5000 Arztpraxen das schockierende Ausmaß der Folgen für die Patienten auf.
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Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint
deutschlandweit mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist
kostenlos in Apotheken erhältlich.
Rabattverträge mit gravierenden Nebenwirkungen
Das große Schweigen
Niemand spricht darüber, doch inzwischen weiß es jeder. Jeder?
Zumindest wissen es die Experten in den Krankenkassen, die
Gesundheitspolitiker, die diesen gefährlichen Unsinn beschlossen haben,
die Apotheker und nicht zuletzt die Ärzte: Die Folgen der sogenannten
"Rabattverträge" zwischen Krankenkassen und Arzneimittelfirmen können
für den Patienten lebensbedrohlich sein. Wer es nicht weiß, sind die
Patienten. Auf ihrem Rücken wird der Kampf um die Einsparung von ein
paar Millionen Euros ausgetragen. Wie hoch diese Einsparungen wirklich
sind, weiß im Übrigen niemand; Sie verschwinden im "schwarzen Loch" der
Krankenkassen.
Als die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt den Kassen im Jahr
2007 erstmals per Gesetz die Erlaubnis erteilte, Ausschreibungen für
Arzneimittel durchzuführen und mit Pharmafirmen Rabattverträge zu
schließen, war für Ärzte und Apotheker schon absehbar, dass diese
Rabattverträge - für Millionen Patienten bedeuten sie immer wieder
Änderungen ihrer Arzneimitteltherapie - bei den Versicherten für große
Unsicherheit sorgen würden. Sie behielten Recht, wie eine Studie der
medizinischen Fachzeitschrift "Medical Tribune", der Deutschen
Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) und der Deutschen
Gesellschaft für Versicherte und Patienten e. V. (DGVP) jüngst ans
Tageslicht brachte. Was bedeuten Rabattverträge für den Patienten?
Viele Versicherte von Krankenkassen, die solche Verträge abgeschlossen
haben, machen tagtäglich ihre (negativen) Erfahrungen mit den
Ausschreibungen. Dies gilt vor allem dann, wenn sie aufgrund
chronischer Krankheiten viele verschiedene Arzneimittel gleichzeitig
einnehmen müssen. Sie gehen nach dem Arztbesuch mit ihrem Rezept in die
Apotheke, um ihr Arzneimittel abzuholen. Dort erklärt ihnen der
Apotheker, dass man ihnen ein anderes Arzneimittel aushändigen müsse,
das den gleichen Wirkstoff enthalte. Doch was für den gesunden Menschen
nicht weiter problematisch erscheinen mag, verunsichert vor allem
ältere Menschen. Die Reaktion vieler Betroffener in der ersten Phase
der Rabattverträge war nicht selten drastisch: Patienten bestanden auf
ihrem gewohnten Arzneimittel und machten ihrem Unmut in der Apotheke
Luft. Sie wollten - aus nachvollziehbaren Gründen - nicht einsehen,
warum ihnen nun neue Medikamente aufgehalst wurden, die sie nicht
kannten und zu denen sie
kein Vertrauen hatten. Für den Austausch machten sie natürlich die
Apothekenmitarbeiter verantwortlich. Hinzu kam, dass sowohl Patienten
als auch Ärzte nicht oder nicht ausreichend über die Rabattverträge
informiert waren.
Mittlerweile, mehr als zwei Jahre später, haben sich die Wogen
keinesfalls geglättet. Zwar wissen inzwischen mehr Patienten, dass
aufgrund von Ausschreibungen die Krankenkassen - und nicht mehr die
Ärzte - die Hersteller ihres Arzneimittels bestimmen, doch gibt es
immer noch viele Betroffene, denen die Sachlage nicht bekannt ist. Und
so kommt es in den Apotheken weiterhin zu Diskussionen und im
häuslichen Umfeld zum Abbruch der ärztlichen Therapie durch Absetzen
der Medikamente: Mangelnde Therapietreue - im Fachjargon
"Non-Compliance" - ist die gefürchtetste Nebenwirkung der
Rabattverträge.
Die neue, von "Medical Tribune", DGIM und DGVP durchgeführte Studie,
liefert jetzt die Beweise dafür, wie schlecht es mit der Therapietreue
vieler Patienten tatsächlich steht.
Insgesamt wurden im Rahmen der im Sommer dieses Jahres durchgeführten
Studie 5 000 Arztpraxen befragt. Das Ergebnis ist katastrophal. So
katastrophal, dass sich die Auftraggeber in ihrer Pressemitteilung
nicht scheuen, von "Lebensgefahr für die Patienten" zu sprechen.
An erster Stelle ist es laut Umfrageergebnis der Beipackzettel, der
Patienten verunsichert; hier insbesondere die Tatsache, dass auch die
kleinste mögliche Nebenwirkung genannt werden muss. Aber auch die
Rabattverträge haben Schuld. Sie zwingen Apotheker dazu, sogar
Präparate auszuhändigen, die zwar mit dem bisherigen Arzneimittel
wirkstoffgleich sind, jedoch im Beipackzettel keinen Hinweis auf die
spezielle Krankheit des Patienten haben. Für einen ohnehin
verunsicherten Patienten kann solch ein Fall der endgültige Grund sein,
das Präparat überhaupt nicht mehr einzunehmen.
An zweiter Stelle sorgt das wechselnde Aussehen der Präparate für
Verunsicherung und Therapieabbruch. Gerade ältere und chronisch kranke
Menschen müssen häufig eine Vielzahl von Arzneimitteln einnehmen.
Werden aus roten, gelben und weißen Tabletten plötzlich blaue, grüne
und violette, sind Unsicherheit und Therapieabbruch vorprogrammiert.
Dass die Apotheker sich in zahllosen persönlichen Gesprächen bemühen,
Patienten diese Unsicherheit zu nehmen, ist ihre Aufgabe und Ausdruck
ihrer sozialen Kompetenz. Dass sie überhaupt gezwungen sind - oft genug
gegen ihre Überzeugung -, dem Patienten (schon wieder) ein anderes
Arzneimittel auszuhändigen, ist Schuld der Politik und der
Krankenkassen.
Die Compliance-Studie weist zudem darauf hin, dass nicht nur die Gefahr
eines Abbruchs der regelmäßigen Arzneimitteleinnahme, sondern auch die
von Überdosierungen in der Umstellungsphase besonders groß ist: Trotz
Aufklärung kommt es dazu, dass Patienten das neue Medikament zusammen
mit den Restbeständen ihres alten Arzneimittels einnehmen. Bei einigen
Arzneimitteln, z. B. zur Behandlung von Herzerkrankungen, kann solch
eine Überdosierung lebensgefährlich sein. "Auf die Frage, ob sie als
Folge von Einnahmefehlern bei ihren Patienten schon ernste Probleme
erlebt hätten, schrieben über 3 000 Ärzte, und damit mehr als 60
Prozent der Teilnehmer, Beispiele solcher Komplikationen auf", sagt
Medical-Tribune-Chefredakteurin Dr. Ulrike Hennemann. Unter anderem
berichten Ärzte von bedrohlicher Unterzuckerung bei Diabetikern,
kritischen Blutdruckverläufen, Blutungskomplikationen bis hin zu Koma,
Amputationen und Todesfolge, so die Pressemitteilung zur Studie.
Dunkelziffer unklar.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Gründe, die bisher als Ursache für
mangelnde Therapietreue genannt wurden - also die Einnahme vieler
verschiedener Arzneimittel und auftretende Nebenwirkungen -, in der
aktuellen Befragung an dritte bzw. vierte Stelle rücken. "Unsere Studie
hat klar gezeigt, dass Patienten durch Compliance-Probleme
schwerwiegende Gesundheitsschäden davontragen können. Verbesserte
gesundheitspolitische Rahmenbedingungen und mehr Information und
Kontrolle durch Ärzte und Apotheker sind dringend nötig", berichtet
DGVP-Präsident Wolfram-Arnim Candidus.
Die aktuelle Studie liefert einen besonders aussagekräftigen Hinweis
auf die von den Krankenkassen konsequent ignorierten Probleme. Doch
auch andere Institutionen haben bereits auf die Schwierigkeiten
aufmerksam gemacht. Unter anderem stellte die Deutsche Gesellschaft für
bürgerorientierte Gesundheitsversorgung e. V. die Rabattverträge in
diesem Sommer mit deutlichen Worten in Frage: "Wir brauchen im
Gesundheitswesen keine auf kurzfristiges "Sparen um jeden Preis"
angelegten Konzepte, sondern langfristig und nachhaltig wirkende
Strategien", so der DGbG-Vorsitzende Prof. Dr. med. Dieter Adam.
Eine Patientenumfrage der Abteilung Allgemeinmedizin und
Versorgungsforschung der Uniklinik Heidelberg kam unter anderem zu dem
Ergebnis, dass sich etwa die Hälfte der 188 Befragten durch die
ständige Substitution der Präparate verunsichert fühlt, rund 20 Prozent
der Meinung sind, die Präparate seien nebenwirkungsreicher und
ebenfalls ca. 20 Prozent der Patienten beklagten Probleme mit der
Medikamenteneinnahme.
Wie bei vielen gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen der
vergangenen Jahre wird trotz Expertenwarnungen bis heute über die
gravierenden Folgen der Rabattverträge hinweggesehen. Die neue
Regierung steht jetzt in der Verantwortung, dem Ausschreibungsunwesen
zugunsten einer sicheren und gesicherten Gesundheitsversorgung den
Riegel vorzuschieben. Und das nicht nur im Sinne der betroffenen
Patienten, sondern durchaus auch im Hinblick auf die Ausgaben: Denn
während sich Krankenkassen mit angeblichen Einsparungen in
Millionenhöhe brüsten, breitet sich über die durch die Rabattverträge
verursachten Mehrausgaben aufgrund mangelnder Therapietreue und daraus
resultierender Folgeerkrankungen - vermutlich in Milliardenhöhe - das
große Schweigen aus.
Wem nutzen eigentlich Rabattverträge?
Ein Kommentar der Redaktion
Den Patienten? Nein. Sie sind zutiefst verunsichert, weil sie sich
immer wieder an neue Arzneimittel gewöhnen müssen. Darauf reagieren
viele mit Therapieabbruch. Medizinisch gesehen ist das eine
Katastrophe. Den Beitragszahlern? Nein. Sie spüren keine finanzielle
Entlastung durch Rabattverträge - im Gegenteil: Beitragserhöhungen im
nächsten Jahr sind so gut wie sicher. Den Ärzten und den Apothekern?
Nein. Rabattverträge zwingen sie zu Erklärungen und Beschwichtigungen
des Patienten statt zu beratenden, vertrauensvollen Gesprächen mit dem
Kranken. Den Generikaherstellern? Nein. Sie kämpfen ums Überleben.
Bleiben die Krankenkassen. Nutzen Rabattverträge ihnen wirklich?
Machtpolitisch ja. Man ist wer, man kann jetzt verhandeln. Der Patient?
Er spielt keine Rolle. Aber auch "Gesundheitskassen" bleiben
"Krankenkassen". Nur dafür wurden sie vor über 100 Jahren gegründet.
Herr Minister, schaffen Sie die Rabattverträge ab. Sie schaden allen.
NOWEDA eG
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