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  • 24.10.2024 – Reformstopp, Retaxationen und neue Konkurrenz
    24.10.2024 – Reformstopp, Retaxationen und neue Konkurrenz
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Die Apothekenbranche in Deutschland steckt in einer tiefen Krise: Nach dem endgültigen Scheitern der lang erwarteten Apothekenreform steh...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Reformstopp, Retaxationen und neue Konkurrenz

 

Das Ende der Apothekenreform, steigende Retaxationen und die Dominanz der Versandapotheken belasten die Branche. Korruption und technische Ausfälle verstärken die Krise

Die Apothekenbranche in Deutschland steckt in einer tiefen Krise: Nach dem endgültigen Scheitern der lang erwarteten Apothekenreform stehen viele Betreiber vor ungewissen Zukunftsperspektiven. Während Retaxationen für Rezepturen durch die Weigerung der Krankenkassen, Preissteigerungen anzuerkennen, zunehmen, erobern Versandapotheken wie die „Shop Apotheke“ mit prominenten Werbefiguren wie Günther Jauch und aggressiven Marketingstrategien immer größere Marktanteile. Gleichzeitig sorgen Korruptionsskandale, in die Apotheker und Ärzte verwickelt sind, sowie technische Probleme der Gematik-App für erhebliche Vertrauensverluste. Doch nicht nur die Konkurrenz und strukturellen Probleme setzen den Apotheken zu: Übernahmen wie die von Euro OTC Pharma durch Fagron verändern den Markt, während neue Entwicklungen bei Medikamenten wie der Rückzug von Victoza in Großbritannien die Apothekenlandschaft weiter verunsichern. Die Branche steht vor enormen Herausforderungen und es ist fraglich, wie sich Apothekenbetreiber in diesem komplexen und zunehmend schwierigen Umfeld behaupten können.


Die Apothekenbranche steht aktuell vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die ihre wirtschaftliche und betriebliche Zukunft maßgeblich beeinflussen werden. Insbesondere das Scheitern der Apothekenreform wirft drängende Fragen auf. Über Monate hinweg hatten Apotheker auf Entlastungen und Modernisierungen gehofft, doch nun müssen sie sich auf den Status quo einstellen und Wege finden, um den stetig steigenden Kosten und dem zunehmenden Wettbewerbsdruck, insbesondere durch Versandapotheken, standzuhalten. Der Wegfall der erhofften Unterstützung durch die Politik führt zu einem spürbaren Unmut unter den Apothekenbetreibern, die ohnehin durch die Vielzahl regulatorischer Vorgaben stark belastet sind.

Zusätzlich zu den Unsicherheiten rund um die Apothekenreform spitzt sich der Streit um Rezeptur-Retaxationen weiter zu. Nachdem der Deutsche Apothekerverband (DAV) die Hilfstaxe gekündigt hat, gibt es keine vertragliche Grundlage mehr für die Abrechnung von Rezepturen. Krankenkassen verweigern die notwendige Anpassung der Preise, obwohl die Kosten für Rezepturstoffe und Gefäße kontinuierlich steigen. Dieser Umstand führt zu einer zunehmenden Anzahl an Retaxationen, die für Apotheken erhebliche finanzielle Verluste bedeuten. Viele Apotheker sind frustriert, da sie die Mehrkosten nicht einfach auf die Kunden umlegen können, während Krankenkassen weiterhin auf ihren starren Positionen beharren.

Während diese Probleme die stationären Apotheken belasten, greifen Online-Versandapotheken zunehmend nach Marktanteilen. Prominente Werbegesichter wie Günther Jauch werben für die bequemen Dienste der „Shop Apotheke“, wobei das E-Rezept als zentrales Verkaufsargument in den Fokus gerückt wird. Die Versandapotheken preisen ihre Schnelligkeit und Einfachheit an, was bei vielen Verbrauchern gut ankommt. Doch Apotheker wie Kilian Gehr, der auf Social Media eine Gegenoffensive gestartet hat, versuchen, ihre Kunden über die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken aufzuklären. Sie argumentieren, dass Versandapotheken oft nicht den gleichen Service bieten können wie lokale Apotheken, insbesondere wenn es um individuelle Beratung und schnelle Verfügbarkeit von Medikamenten geht. Trotz dieser Bemühungen bleibt der Trend hin zu Versandapotheken eine ernste Bedrohung für viele Apothekenbetreiber.

Zusätzlich zu den bereits bestehenden Herausforderungen kommt ein weiterer Skandal hinzu, der das Vertrauen in das Gesundheitssystem erschüttert. In mehreren Bundesländern wurden Razzien gegen Apotheker und Ärzte durchgeführt, die im Verdacht stehen, an einem Korruptionsnetzwerk beteiligt zu sein. Diese Vorwürfe, die von bandenmäßiger Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen handeln, haben nicht nur die betroffenen Apotheken in Verruf gebracht, sondern werfen auch ein Schlaglicht auf die zunehmenden Missstände in der Branche.

Parallel dazu sorgt die zunehmende Vermarktung von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch Influencer auf Social Media für Kontroversen. Bekannte Persönlichkeiten wie „Carmushka“ und „die.kim“ werben für Rx-Medikamente und bieten ihren Followern sogar Rabattcodes an, was in der Branche für Empörung sorgt. Apothekenmitarbeiter, insbesondere PTAs, kritisieren diese Praktiken scharf und warnen vor den Gefahren, die mit der unkontrollierten Bewerbung von verschreibungspflichtigen Medikamenten verbunden sind. Sie befürchten, dass diese Art der Werbung die notwendige Beratung durch Apotheken aushebelt und langfristig zu einer Entwertung des Berufsstandes führen könnte.

Doch nicht nur externe Akteure wie Versandapotheken und Influencer machen der Branche zu schaffen. Auch technische Probleme belasten viele Apotheken. Seit Wochen kämpfen zahlreiche Apotheken mit den Auswirkungen eines Softwarefehlers in der Gematik-App, der dazu führt, dass E-Rezepte nicht korrekt verarbeitet werden können. Patienten wenden sich frustriert von den betroffenen Apotheken ab und suchen Alternativen, was zu erheblichen Umsatzverlusten führt. Dies kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da viele Apotheken ohnehin mit rückläufigen Gewinnen und steigendem Kostendruck zu kämpfen haben.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Heidenblut hat unterdessen auf die Diskussion um die Großhandelsskonti für Apotheken aufmerksam gemacht und drängt auf eine rasche Lösung. Seiner Meinung nach sollte das BIPAM-Gesetz genutzt werden, um Apotheken in dieser Frage zeitnah zu entlasten, ohne auf die ins Stocken geratene Apothekenreform zu warten. Diese Diskussionen zeigen, dass die politischen Prozesse oft zu langsam verlaufen, um den akuten Herausforderungen der Apotheken gerecht zu werden.

In der Rezepturbranche kommt es hingegen zu einer weiteren bedeutenden Übernahme: Der Rezepturspezialist Euro OTC Pharma wurde von Fagron übernommen. Diese Übernahme markiert einen wichtigen Schritt für das belgische Unternehmen, das seine Position im internationalen Rezepturmarkt weiter ausbauen möchte. Für die betroffenen Apotheken bedeutet dies möglicherweise eine größere Verfügbarkeit von Rezepturprodukten, was in Anbetracht der aktuellen Probleme in der Branche ein positives Signal darstellt.

Gleichzeitig sehen sich Apotheken auch mit gewaltsamen Vorfällen konfrontiert, wie ein Fall in einer Apotheke in Nienburg zeigt. Eine drogenabhängige Frau forderte unter Androhung von Gewalt die Herausgabe von Methadon, obwohl sie kein Rezept vorlegen konnte. Solche Vorfälle verdeutlichen, wie herausfordernd der Umgang mit suchtkranken Patienten für Apothekenpersonal sein kann, insbesondere im Kontext von Opioidabhängigkeit.

Auch auf dem Medikamentenmarkt gibt es Neuigkeiten: Novo Nordisk hat angekündigt, sein Diabetes-Medikament Victoza in Großbritannien vom Markt zu nehmen, da das Unternehmen sich stärker auf modernere Behandlungsoptionen wie Ozempic fokussiert. Die Zukunft von Victoza in Deutschland ist ungewiss, was viele Patienten und Apotheken verunsichert, da es derzeit keine klare Alternative gibt.

Darüber hinaus stellt die Verfügbarkeit von Beyfortus, einem neuen Medikament zum Schutz von Risikokindern vor dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), Apotheken vor logistische Herausforderungen. Aufgrund von Lieferengpässen wird das Medikament in US-amerikanischer Verpackung geliefert, was zu Verwirrung bei der Abgabe führen kann, da diese fünf Dosen enthält, obwohl es in der Regel patientenindividuell verordnet wird.

Ein weiteres Thema, das viele Apotheken beschäftigt, ist die steigende Zahl von Patienten mit Migräne. Obwohl viele Betroffene zunächst auf Selbstmedikation setzen, ist diese bei schwereren Formen der Migräne oft nicht ausreichend. Apotheker müssen in diesen Fällen eine fundierte Beratung anbieten und aufzeigen, wann rezeptpflichtige Medikamente notwendig sind. Die Aufklärung der Patienten über die Grenzen der Selbstmedikation und die rechtzeitige Einbindung eines Arztes sind entscheidend, um langfristige Schäden zu vermeiden.

Diese vielfältigen Herausforderungen zeigen, wie komplex die Situation für Apotheken derzeit ist. Ob es um regulatorische Hürden, technische Probleme, den zunehmenden Druck durch Versandapotheken oder die wachsende Zahl an Retaxationen geht – die Apothekenlandschaft in Deutschland steht vor einem grundlegenden Wandel. Apothekenbetreiber müssen sich diesen Entwicklungen stellen und gleichzeitig Wege finden, ihre wirtschaftliche Zukunft zu sichern, ohne dabei die Qualität der Patientenversorgung zu gefährden.


Kommentar:

Der aktuelle Zustand der Apothekenbranche in Deutschland verdeutlicht in erschreckender Klarheit die strukturellen Probleme, mit denen Apothekenbetreiber täglich konfrontiert sind. Das endgültige Scheitern der Apothekenreform ist dabei nicht nur ein Rückschlag für die Apothekenlandschaft, sondern auch ein Symbol für die anhaltende politische Hilflosigkeit in diesem wichtigen Bereich der Gesundheitsversorgung. Apotheker, die lange auf dringend notwendige Entlastungen gehofft haben, stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, ohne die erhofften Reformen den Betrieb am Laufen zu halten. Gleichzeitig kämpfen sie mit steigenden Betriebskosten, einer überbordenden Bürokratie und einem zunehmenden Wettbewerb durch Versandapotheken, die oft mit großen Ressourcen und aggressiven Marketingstrategien den Markt erobern.

Besonders problematisch ist, dass die Krankenkassen sich weigern, die Preise für Rezepturstoffe anzupassen, was zu einer wahren Flut an Retaxationen geführt hat. Diese Auseinandersetzungen hinterlassen nicht nur wirtschaftliche Schäden, sondern zehren auch an der Motivation vieler Apotheker, die zunehmend das Gefühl haben, im Stich gelassen zu werden. Während die Krankenkassen ihre Positionen verteidigen, bleiben die Apotheken auf den Mehrkosten sitzen und sehen sich zusätzlich dem Druck ausgesetzt, qualitativ hochwertige Beratung und Versorgung zu gewährleisten.

Die öffentliche Debatte um den Einfluss von Versandapotheken hat ebenfalls eine neue Dynamik erreicht, insbesondere durch prominente Werbefiguren wie Günther Jauch. Dass große Versandapotheken zunehmend auf bekannte Gesichter setzen, um ihre Botschaften zu verbreiten, verdeutlicht, dass sie die klassischen Vor-Ort-Apotheken immer stärker in den Hintergrund drängen wollen. Apotheker, die sich dagegen wehren, wie Kilian Gehr, versuchen, ihre Kunden über die Vorteile der lokalen Apotheken aufzuklären, doch dieser Kampf gleicht einem ungleichen Wettbewerb. Denn während Versandapotheken mit Bequemlichkeit und Preisvorteilen locken, bleibt den stationären Apotheken oft nur die persönliche Beratung als entscheidendes Alleinstellungsmerkmal.

Parallel dazu sorgen Korruptionsskandale in der Gesundheitsbranche, wie die jüngsten Razzien gegen Apotheker und Ärzte, für zusätzliche Vertrauensverluste. Diese Vorfälle werfen ein schlechtes Licht auf die Branche und führen dazu, dass die gesamte Apothekerschaft unter Generalverdacht gerät, obwohl der Großteil der Apotheker ehrlich arbeitet und das Wohl der Patienten in den Vordergrund stellt.

Der Frust über diese Entwicklungen wird zusätzlich durch die technologische Schieflage verstärkt. Die ständigen technischen Probleme mit der Gematik-App haben gezeigt, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen alles andere als reibungslos verläuft. Patienten wenden sich enttäuscht von betroffenen Apotheken ab, und die damit verbundenen Umsatzverluste verschärfen die ohnehin angespannte finanzielle Lage vieler Apothekenbetreiber. Diese technischen Schwierigkeiten verdeutlichen, dass eine sorgfältigere Implementierung neuer Systeme notwendig ist, um Apotheken nicht unnötig zu belasten.

All diese Herausforderungen zusammen zeigen, dass die Apothekenbranche an einem Scheideweg steht. Ohne politische Unterstützung und ohne innovative Lösungen wird es für viele Apotheken schwierig, wirtschaftlich zu überleben. Hier ist ein Umdenken notwendig: Apotheken dürfen nicht einfach als Kostenfaktor im Gesundheitswesen betrachtet werden, sondern als essenzielle Versorgungseinrichtungen, die eine zentrale Rolle in der Patientensicherheit und -versorgung spielen. Statt die Apotheken weiterhin durch Bürokratie und unfaire Wettbewerbsbedingungen zu belasten, müssen gezielte politische Maßnahmen ergriffen werden, um ihnen wieder Luft zum Atmen zu verschaffen.

Der Weg in die Zukunft liegt dabei nicht allein in der Digitalisierung oder in Kostensenkungen, sondern in einem ausgewogenen Mix aus moderner Technologie, fairen Abrechnungsmodellen und einer stärkeren Wertschätzung der Apotheken als wichtiger Partner im Gesundheitssystem. Die Politik darf nicht länger zögern. Wenn der Reformstau anhält, werden nicht nur Apotheken, sondern auch die Patienten die Leidtragenden sein. Es ist Zeit, Apotheken den nötigen Rückhalt zu geben, damit sie auch in Zukunft ihre unverzichtbare Rolle im Gesundheitssystem spielen können.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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