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Steuer & Recht |
Nicht als Berufungsbegründung bezeichnete Ausführungen können reichen, wenn klar ist, was gemeint ist und die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat konkretisiert, wann eine Berufungsbegründung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als eine solche zu verstehen ist. Dafür können inhaltliche Ausführungen ausreichen, auch wenn diese nicht als „Berufungsbegründung“ bezeichnet sind. Allerdings müssen die Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO erfüllt sein, wonach ausgeführt werden muss, aus welchen Gründen das vorinstanzliche Urteil angegriffen wird (Beschluss vom 13.12.2022, Az. VIII ZB 43/22).
In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Vermieterin ihre Mieterin vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr erfolgreich auf Räumung verklagt. Der Anwalt der Beklagten sendete am Tag der Zustellung des Urteils folgende Zeilen an das Landgericht (LG) Duisburg:
„Es wird beantragt, die Klage unter Abänderung des vorg. Urteils abzuweisen, der Beklagten über den 31.01.2022 Vollstreckungsschutz zu gewähren. Die Klägerin [gemeint: die Beklagte] ist schwer krank und kann ihre Wohnung z. Z. nicht in eine[n] Zustand versetzen, den sie selbst für erforderlich hält. Die Klägerin [gemeint: die Beklagte] schämt sich deshalb, Dritten Zugang zu ihrer Wohnung zu gewähren. Bei den Terminvereinbarungen mit der Klägerin hatte die Beklagte stets gute Vorsätze. Dann reichte ihre Kraft allerdings nicht aus, die Wohnung in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen. Der von der Klägerin ausgeübte Druck versetzt die Beklagte zusätzlich in Panik und lähmt die Beklagte komplett. Die Klägerin [gemeint: die Beklagte] leidet z. Z. an schwere[n] Depressionen. Eine weitere Begründung folgt.“
Tatsächlich folgte die weitere Begründung jedoch nicht, weshalb das LG den Anwalt kontaktierte. Dieser entgegnete, in den ersten Zeilen habe sich die Begründung befunden, weitere Ausführungen hätten sich als entbehrlich erwiesen. Das LG verwarf daraufhin die Berufung mangels Begründung als unzulässig. Die dagegen eingereichte Rechtsbeschwerde zum BGH blieb im Ergebnis erfolglos.
Allerdings stellte der BGH in einem Beschluss klar, dass die Frau in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt worden sei und die Rechtsbeschwerde deshalb zulässig war. Das Berufungsgericht habe, indem es die Begründung des Anwalts nicht als Berufungsbegründung angesehen habe, der Beklagten den Zugang zur nächsten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
Da es sich bei den Ausführungen um Prozesserklärungen gehandelt habe, hätte das Gericht selbst auslegen können, was damit gemeint war. Eine Berufungsbegründung müsse nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein. Denn bei der Auslegung von Prozesserklärungen sei nicht allein auf deren Wortlaut abzustellen. Vielmehr sei im Zweifel dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig sei und der wohlverstandenen Interessenlage entsprechen würde. In diesem konkreten Fall sei aus dem Zusammenhang und den Begleitumständen deutlich geworden, dass der Schriftsatz als Begründung – neben dem Vollstreckungsschutzantrag – auch des Berufungsantrags bestimmt gewesen sei.
Dennoch sei die Rechtsbeschwerde unbegründet, weil die Berufung nicht den Erfordernissen gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO entsprochen habe. Nach dessen Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Nach Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehöre eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Die Berufungsbegründung müsse außerdem auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Diese Voraussetzungen seien hier aber nicht erfüllt. Vielmehr werde nur der Krankheitszustand beschrieben – es fehle aber ein inhaltlicher Bezug zu den tragenden Gründen des angegriffenen Urteils. Es werde aus den Sätzen auch nicht klar, welche möglicherweise fehlerhaften Tatsachengrundlagen oder rechtlichen Wertungen des erstinstanzlichen Urteils angegriffen werden sollten.
Quelle: BRAK
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