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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Systemblick |
Apotheken-News: Kommentar von heute
Wenn ein Versorgungssystem an zu vielen Stellen gleichzeitig zu entgleisen beginnt, dann genügt keine Einzelfallkritik mehr. Dann braucht es eine schonungslose Bestandsaufnahme – nicht nur über Technik und Recht, sondern über Verantwortung, Machtverlagerung und die Bereitschaft zur Zumutung. Diese Apotheken Nachrichten bündeln Entwicklungen, die jede für sich bereits alarmierend wären – gemeinsam aber ein beispielloses Bild systemischer Auslagerung zeichnen. Denn was als technische Störung, als juristisches Lavieren oder als digitale Verzögerung dargestellt wird, ist in Wirklichkeit längst ein Modell politischer Entkopplung: Die Verantwortlichen entziehen sich. Die Infrastruktur kollabiert. Und Apotheken haften – moralisch, operativ, wirtschaftlich.
Beginnen wir mit dem sichtbarsten Verzicht auf Verantwortung: dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Rx-Boni eines niederländischen Versandhändlers. Ja, der BGH hat die deutschen Preisvorgaben bestätigt. Nein, er hat den Konflikt nicht gelöst. Denn was fehlt, ist die längst überfällige neue Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Der Preisbindungsschutz bleibt damit ein nationales Konstrukt mit europarechtlicher Sollbruchstelle – ein Risiko, das Apotheken täglich real spüren, ohne Schutz vor den Folgen. Dieses Schweigen der Justiz zur EU-Frage ist keine Zurückhaltung – es ist Flucht. Es verlagert Unsicherheit. Und es überantwortet die Auslegung des Rechts erneut den wirtschaftlichen Risiken der Betriebe, die in einem Binnenmarkt bestehen sollen, ohne die dafür nötige Rechtssicherheit zu haben.
Parallel bricht die digitale Infrastruktur regelmäßig zusammen – zuletzt mit einem Totalausfall der Telematikinfrastruktur, der nicht nur das E-Rezept blockierte, sondern Apotheken faktisch aus dem Versorgungsvorgang ausschloss. Die Systemantwort? Beschwichtigung, Stille, Protokoll. Während Patient:innen vor verschlossenen Rezeptsystemen stehen, während Apotheken das Ausweichen auf Muster-16 oder Papierlösungen improvisieren müssen, während Prozesse stillstehen, übernimmt niemand politische Verantwortung. Und so wächst der Druck dort, wo sich das System am wenigsten leisten kann, Schwachstellen zu erzeugen: bei den Apothekenteams.
Dass die Freie Apothekerschaft jetzt beginnt, eine mögliche Schadensersatzpflicht der Gematik und ihrer Gesellschafter – also insbesondere des Bundesgesundheitsministeriums – juristisch prüfen zu lassen, ist kein Affront, sondern ein Akt der Notwehr. Denn wenn Systempflichten gesetzlich verankert sind, aber Systemstörungen dauerhaft hingenommen werden, verschiebt sich die Last in eine gefährliche Schieflage. Apotheken sollen funktionieren – aber ohne Kontrolle über die Werkzeuge, die sie dazu nutzen müssen. Was hier geschieht, ist faktisch eine Haftungsübertragung ohne Mitverantwortung. Und das ist systemisch toxisch.
Ebenso ernüchternd ist der Blick auf die elektronische Patientenakte. Millionen wurden investiert, eine politische Digitaloffensive wurde inszeniert – und die Realität? Die ePA erreicht kaum Nutzer:innen, Hausärzte kritisieren das Konzept, Apotheken werden mit unklaren Anbindungen und instabiler Technik allein gelassen. Die ePA ist kein Versorgungswerkzeug, sie ist eine Alibiplattform. Und solange das nicht erkannt und strukturell verändert wird, bleibt sie ein Placebo mit Nebenwirkungen – vor allem für jene, die sie mittragen müssen, ohne dass sie funktioniert.
Der Beratungsdruck steigt derweil weiter. Neue Studien zu GLP-1-Medikamenten bestätigen erneut: Der Gewichtsverlust ist nur temporär, nach Absetzen kommt die Zunahme – ein Phänomen, das in Apotheken längst bekannt ist, aber nie systematisch aufgearbeitet wird. Ebenso wie der potenzielle Nutzen von Acamprosat bei Tinnitus oder der Einsatz von MS-Schnelltests, die zwar medizinisch relevant, aber politisch nicht eingebettet sind. Die Apotheke wird zum Ort verdichteter Fragen – ohne, dass sie auch zum Ort verdichteter Handlungsmacht gemacht wird.
Was besonders perfide wirkt: Selbst offensichtliche Fehler wie die mangelhafte Deklaration von Dabigatran-Blisterverpackungen führen nicht zu regulatorischer Reaktion – sondern landen wieder bei den Apotheken. Sie müssen erklären, korrigieren, auffangen. Und was ist mit der rechtlichen Absicherung? Mit der Rückkopplung an Herstellerverantwortung? Fehlanzeige. Die Verlagerung der Systemrisiken auf die Letzten in der Kette hat Methode – und das macht sie gefährlich.
International ist längst sichtbar, wie es anders gehen könnte. In Irland übernehmen Apotheken in definierten Indikationsbereichen Therapieaufgaben – ein Modell, das auf Vertrauen, Kompetenz und Systemdenken setzt. In Deutschland dagegen wird diskutiert, ob Impfungen noch abrechenbar sind oder pharmazeutische Dienstleistungen budgetiert bleiben. Es ist ein Rückschritt, der nicht aus Vorsicht, sondern aus Strukturschwäche erfolgt. Wer Apotheken kleinhält, hält Versorgung klein. Und wer Versorgung kleinhält, gefährdet Gesundheit.
All das führt zu einem Fazit, das nicht mehr aufgeschoben werden darf: Dieses System entzieht sich. Es redet viel über Wandel, aber es gestaltet nicht. Es fordert Digitalisierung, aber es sichert sie nicht. Es bejaht Versorgung, aber es schützt sie nicht. Die Apotheken sind nicht nur betroffene Akteure – sie sind die letzten verlässlichen Instanzen in einem Gesundheitswesen, das sich an zu vielen Stellen selbst überholt. Und wer das nicht erkennt, verspielt nicht nur Vertrauen – er verspielt Zukunft.
Wenn Urteile ihre Reichweite begrenzen, wenn Systeme ihre Stabilität verlieren und wenn Politik ihre Schutzfunktion vergisst, dann bleibt nur eines, das trägt: Haltung im Betrieb. Doch auch Haltung braucht Raum. Und dieser Raum schrumpft – mit jedem Tag, an dem die Verantwortung nach unten durchgereicht wird. Die Apotheken stehen noch. Aber das System steht auf ihnen. Und es wird schwerer.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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