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APOTHEKE | Systemblick |
Apotheken-News: Kommentar von heute
Es braucht nicht immer große Skandale, um den Zustand eines Systems offenzulegen. Manchmal genügt ein Urteil, ein leerer Server, ein unterschätzter Beratungskonflikt – und plötzlich liegt die Wahrheit auf dem Tisch: Die Gesundheitsversorgung in Deutschland steht unter strukturellem Dauerstress. Die Entscheidung des Sozialgerichts München, mit der weite Teile des Teleclinic-Konzepts von DocMorris als unzulässig erklärt wurden, ist juristisch sauber und politisch brisant. Denn sie zeigt, wie tief die Plattformstrategien in regulierte Versorgungssysteme eingreifen – ohne politische Rückendeckung, ohne strukturelle Abstimmung, ohne Resilenzprüfung. Dass erst Gerichte den Wildwuchs digitaler Geschäftsmodelle stoppen, verdeutlicht, wie wenig Steuerungskraft der Gesetzgeber in der praktischen Versorgung noch entfaltet. Und es offenbart einen zweiten Missstand: Die Legislative reagiert erst, wenn die Exekutive versagt hat und die Judikative nachziehen muss – eine Rückdelegation der Verantwortung auf Kosten aller Beteiligten.
Gleichzeitig ist der digitale Raum des Gesundheitswesens nicht nur durch Übermut, sondern auch durch Leere gekennzeichnet. Die elektronische Patientenakte (ePA) – einst als Gamechanger inszeniert – bleibt in der Praxis leer. Millionen Accounts, kaum Inhalte, kein Standardprozess. Warum? Weil keine Incentivierung existiert, weil Ärzt:innen unter Zeitdruck stehen, weil Apotheken strukturell ausgeschlossen sind – und weil kein Akteur weiß, wofür das Ganze eigentlich gedacht war. In dieser Leerstelle verdunstet nicht nur politisches Vertrauen, sondern auch das Momentum, das notwendig wäre, um Digitalisierung als Strukturverantwortung zu etablieren. Die ePA bleibt Symbol für eine Gesundheitspolitik, die Systeme schafft, aber keine Nutzung – und für eine digitale Architektur, die mehr auf Infrastruktur als auf Sinnhaftigkeit setzt. Auch hier gilt: Technik ohne Kontext ist keine Lösung.
Wirtschaftlich steht derweil eine ganz andere Frage im Raum: Was ist mit den stillen, aber substanziellen Vermögensverlusten der Apotheker:innen? Jahrzehntelang haben viele Betriebsinhaber:innen Kredite mit Zinsgleitklauseln bedient, deren Mechanismus von Banken nur selektiv angepasst wurde – häufig zum Nachteil der Kreditnehmer. Der Fall Matthias Krenek, der systematisch solche Schäden aufarbeitet und Rückforderungen in fünf- bis sechsstelliger Höhe durchsetzt, wirft kein gutes Licht auf die Beratungsqualität von Banken und Steuerkanzleien. Es geht hier nicht um Einzelfälle, sondern um strukturelle Mechanismen, die stille Kapitalvernichtung zugelassen haben. Während die Politik über Apothekenhonorare debattiert, verlieren Betriebe an der Kreditfront jährlich zehntausende Euro – unbemerkt, unsanktioniert, unkompensiert. Das ist nicht nur wirtschaftlich fatal, sondern auch psychologisch zersetzend. Wer Vertrauen in den Rechtsrahmen verliert, verliert oft auch die Kraft, in eine Zukunft zu investieren, die ohnehin auf wackligem Boden steht.
Parallel bröckelt ein weiteres Versorgungsversprechen: die neue Wirkstoffklasse der GLP-1-Rezeptoragonisten. Was als pharmakologischer Hoffnungsträger gefeiert wurde, zeigt im Alltag nun Schattenseiten. In vielen Apotheken häufen sich Rückfragen, Abbrüche, Enttäuschungen. Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kreislaufprobleme oder nichtlineare Gewichtseffekte dämpfen die Euphorie. Hinzu kommen Lieferengpässe, überzogene Erwartungen durch soziale Netzwerke und eine Verordnungswelle, die auch psychologisch instabile Patient:innen erreicht hat. Das Ergebnis ist eine neue Art von Rezeptkonflikt: pharmazeutisch erklärbar, gesellschaftlich aufgeladen, individuell schwer auffangbar. Apotheken geraten dabei erneut in die Rolle, Probleme zu moderieren, die weder in ihrer Verantwortung entstanden sind, noch mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gelöst werden können. Es ist eine Rollenüberlastung, die systemisch nicht adressiert wird – aber das Klima an der Versorgungsfront zunehmend prägt.
Auch der Kosmetikmarkt verändert sich – nicht immer zugunsten der Apotheken. Zwar steigen in einzelnen Segmenten wie Anti-Aging und Haarpflege die Umsätze, doch die Zahl der abgesetzten Einheiten sinkt. Das deutet auf ein verändertes Kaufverhalten hin: selektiver, markenbezogener, weniger beratungsorientiert. Während früher medizinische Indikation und pharmazeutisches Vertrauen ausschlaggebend waren, zählen heute häufig Image, Lifestyle und TikTok-Trends. Das stellt Apotheken vor die Frage: Wie positionieren sie sich zwischen medizinischem Anspruch und marktdynamischem Wandel? Jeder Regalplatz ist mittlerweile eine strategische Entscheidung – jede Marke ein Spagat zwischen Marge und Glaubwürdigkeit. Und immer öfter stehen Inhaber:innen vor der schwierigen Wahl, ob sie noch kuratieren oder nur noch reagieren sollen.
Unterschätzt, aber zunehmend wirksam ist schließlich ein psychologisches Grundmotiv, das sich durch Beratung, Produktauswahl und Kommunikation zieht: die wachsende Keimphobie. Ob in Elternberatung, in Fragen der Handdesinfektion, bei Rückfragen zu Sterilität oder beim Umgang mit Kosmetika – der Wunsch nach absoluter Keimfreiheit hat sich verselbständigt. Was in der Pandemie noch medizinisch begründet war, ist heute ein kulturelles Narrativ geworden: Alles, was keimfrei ist, gilt als sicher – alles andere als verdächtig. Für Apotheken bedeutet das ein heikles Spannungsfeld: Einerseits ist Aufklärung gefragt, andererseits wird faktisches Wissen häufig von gefühlter Sicherheit überlagert. Das Beratungsgespräch wird zur Gratwanderung zwischen Rationalität und Emotionalität – mit dem Risiko, entweder zu beruhigen oder zu enttäuschen. Auch hier wächst die Verantwortung am HV-Tisch still, aber stetig – ohne dass das System bereit wäre, sie anzuerkennen oder abzufedern.
Gerichte urteilen, weil Politik schweigt. Apotheken haften, weil das System sich entzieht. Und Patient:innen fragen, weil niemand erklärt. Die gesundheitspolitische Architektur Deutschlands gleicht einem Haus mit offenen Fenstern und zugeschlagenen Türen: Jeder darf rein, aber niemand übernimmt Verantwortung. Ob Plattformstrategien, Finanzierungsversagen, Digitalleere, Wirkstoffenttäuschung oder fragmentierte Märkte – das System kennt seine Fehler, aber es kennt keinen Plan. Die Apotheken stehen inmitten dieser Unordnung – nicht als Schuldige, sondern als Träger eines Zusammenhangs, den andere längst aufgegeben haben. Doch wer Versorgung ernst meint, muss sie stabilisieren – nicht als Reaktion, sondern als Haltung.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@aporisk.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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