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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Leitartikel |
Leitartikel von Seyfettin Günder
Live-Reihe Kontrolle, Rechenschaft, Verantwortung
Ausgabe Nr. 6 | Wer Rücklagen überzieht, verliert Rückhalt
Wenn ein Apotheker gegen seine Kammer klagt, weil diese trotz millionenschwerer Rücklagen die Beiträge drastisch erhöht, und ein Verwaltungsgericht urteilt, dass solche Rücklagen nicht rechtens sind, dann entsteht mehr als nur ein juristisches Präzedenzurteil – es entsteht ein Prüfstein für das Selbstverständnis von Standesvertretung, für die Rechtskultur in Kammern und für den Begriff von Solidarität in einem fragmentierten Versorgungssystem. Simon Krivec, Apotheker aus Moers, hat mit seiner Klage gegen die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) eine Debatte ausgelöst, die über Beitragsbescheide hinausgeht. Sie rührt an den Kern dessen, was Selbstverwaltung im Gesundheitswesen leisten soll – und was sie zu unterlassen hat.
Denn während die AKNR Rücklagen in Höhe eines halben Jahreshaushalts vorhält, versäumte sie es, diese finanzielle Reserve zu nutzen, um ihre Mitglieder zu entlasten. Im Gegenteil: Die Beitragssätze wurden auf Basis einer neuen Satzung vervielfacht – mit gravierenden Folgen für Betriebe, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch Umsatzbemessungen verzerrt wird. Besonders betroffen: Spezialversorger, deren hohe Umsätze mit extrem geringen Margen einhergehen. Krivec klagte – und bekam Recht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte in seiner Entscheidung fest, dass Rücklagen nicht pauschal, sondern zweckgebunden und maßvoll gebildet werden müssen. Alles andere sei eine unzulässige Vermögensbildung. Zur Einordnung verwies das Gericht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das 15 % Rücklagenanteil für vertretbar, 40 % für überhöht hält. Die AKNR liegt deutlich darüber.
Statt jedoch das Urteil anzuerkennen, legte die Kammer Nichtzulassungsbeschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster ein – obwohl das Verwaltungsgericht unmissverständlich klargestellt hatte, dass keine grundsätzliche Bedeutung vorliege. Damit betreibt die AKNR eine Eskalation auf Kosten der eigenen Mitglieder. Die juristische Bewertung wird zur politischen. Denn das Signal ist eindeutig: Wer sich gegen Satzungswillkür zur Wehr setzt, sieht sich mit der geballten Verteidigungsmaschinerie einer Körperschaft konfrontiert, die statt Rechenschaft Hinhaltetaktik praktiziert – finanziert aus Beiträgen derjenigen, die sie kontrollieren sollte.
Krivec nennt das „vorsätzliche Verschwendung von Apothekergeldern“. Er musste seine Beiträge trotz Widerspruch vollständig leisten, ohne dass dieser aufschiebende Wirkung hatte. Die Rückzahlung indes bleibt bis heute aus. Damit entsteht ein doppelter Verstoß gegen das Gerechtigkeitsprinzip: Erstens wird die Pflicht durchgesetzt, während das Recht ausgesetzt bleibt. Zweitens wird das Urteil entwertet, indem es juristisch totgelaufen wird. Die AKNR verteidigt sich nicht gegen einen Angriff – sie verteidigt sich gegen Transparenz.
Dabei betrifft der Fall längst nicht nur Nordrhein. Auch in anderen Kammerbezirken stehen Rücklagen und Beitragspraxis zur Diskussion. Der Verweis auf das Haushaltsrecht reicht nicht mehr. Denn wenn sich Kammern als soziale Körperschaften verstehen, dann dürfen sie keine stillen Kapitalreserven aufbauen, die über das Maß betrieblicher Vorsorge hinausgehen. Rücklagen sind kein Sparbuch für Standespolitik, sondern dienen ausschließlich der Absicherung gegenüber konkreten Haushaltsrisiken. Eine Reserve, die politisch verteidigt, statt wirtschaftlich gerechtfertigt wird, ist keine Rücklage – sie ist ein Machtinstrument.
Die strukturelle Verschiebung wird deutlich: Statt Kontrolle entsteht Konfrontation. Statt Ausgleich entsteht Ungleichgewicht. Statt Vertrauen entsteht Verdacht. In der Summe untergräbt dies das Fundament der berufsständischen Selbstverwaltung. Apothekeninhaber sollen sich vertreten fühlen – nicht gegängelt. Sie sollen wissen, wofür sie zahlen – und wann sie entlastet werden. Dass eine Kammer, die Rücklagen verteidigt, gleichzeitig Beitragssätze erhöht, lässt sich nicht als Sachzwang erklären. Es ist eine Frage der Haltung.
Und Haltung verlangt Gegenseitigkeit. Genau deshalb stellt der Fall Krivec auch das Versicherungsprinzip im Apothekenwesen neu zur Debatte. Denn wer als Betriebsleiter mit Beitragserhöhungen konfrontiert wird, sich dagegen aber nur mit langwierigen Klagen wehren kann, muss sich fragen: Was schützt mich, wenn das System selbst zum Gegner wird? Eine Rechtsschutzversicherung ist in diesem Kontext keine Randabsicherung – sie ist Teil der unternehmerischen Grundausstattung. Nicht nur für Auseinandersetzungen mit Kassen oder Krankenkassenrevisoren, sondern auch gegenüber Kammern, Körperschaften und Behörden.
Apotheken agieren in einem Regelungsdickicht. Wer als Inhaber haftet, Verantwortung trägt und wirtschaftlich überleben will, darf sich auf keine bloße Normentreue verlassen. Er braucht Instrumente der Selbstverteidigung – auch juristisch. Der Fall Krivec zeigt das exemplarisch. Ohne Rechtsschutz hätte er dieses Verfahren kaum führen können. Und ohne Rückhalt durch eigene juristische Infrastruktur wäre der Kampf gegen eine institutionell überlegene Körperschaft aussichtslos geblieben. Es ist ein strukturelles Lehrstück über die Notwendigkeit, sich nicht nur fachlich, sondern strategisch aufzustellen.
Dass bislang kaum Reaktionen anderer Kammern oder politischer Entscheidungsträger erfolgten, ist ebenso bezeichnend wie bedenklich. Dabei betrifft die Frage nach Rücklagenbildung und Beitragspraxis das Selbstverständnis einer gesamten Berufspolitik. Es geht nicht darum, Kammern zu schwächen – im Gegenteil: Es geht darum, sie ihrer demokratischen Grundlage zu vergewissern. Wer Kammern schützt, schützt nicht ihre Rücklagen – sondern ihre Legitimität. Und diese basiert auf Vertrauen, nicht auf juristischen Fluchtbewegungen.
Für Simon Krivec steht noch nicht fest, ob das Oberverwaltungsgericht Münster das Verfahren neu aufrollt oder das Urteil bestätigt. Doch eines ist bereits jetzt unmissverständlich klar: Die Standesvertretung hat versäumt, aus ihrer Rolle der Fürsorge eine Haltung der Verantwortung zu entwickeln. Das betrifft nicht nur Zahlen – sondern das Verhältnis zwischen Institution und Mitglied.
Kammerbeiträge sind keine Spenden. Sie sind Pflichten mit Gegenwert. Wer sie erhebt, muss sich fragen lassen, ob er seiner Pflicht zum sparsamen, gerechten und zweckorientierten Mitteleinsatz nachkommt. Und wer sich vor Urteilen fürchtet, sollte seine Satzungen nicht auf Unsicherheiten bauen. Die Kammer Nordrhein hat sich entschieden – gegen Rückzahlung, gegen Verantwortung, gegen Selbstkorrektur. Das wird in Erinnerung bleiben.
Und es bleibt als Mahnung: Wer im Gesundheitswesen auf Stabilität setzen will, braucht mehr als eine Apotheke mit guter Lage. Er braucht Schutz – vor Risiken, vor Übergriffen, vor Willkür. Und er braucht Strukturen, die nicht nur normativ funktionieren, sondern ethisch belastbar sind. Rücklagen sind gut. Aber Rückgrat ist besser.
Leitartikel von Seyfettin Günder. Der Autor schreibt regelmäßig zu Strukturwandel, Verantwortungskultur und Systempolitik im Gesundheitswesen.
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