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  • 21.07.2025 – Kommentar des Tages – Seyfettin Günder: Wenn Gerichte mahnen, Ärzte streiken und Apotheken sich selbst überlassen bleiben
    21.07.2025 – Kommentar des Tages – Seyfettin Günder: Wenn Gerichte mahnen, Ärzte streiken und Apotheken sich selbst überlassen bleiben
    APOTHEKE | Systemblick |  Gerichte verurteilen Plattformen, Ärzte streiken, Versicherer weichen aus – Apotheken bleiben zurück mit Haftungsdruck, Nachwuchsmangel und Tec...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Systemblick | 

Kommentar des Tages – Seyfettin Günder: Wenn Gerichte mahnen, Ärzte streiken und Apotheken sich selbst überlassen bleiben

 

Ausgabe Nr. 12 | Cannabis-Urteil, Rezeptengpässe, Nachwuchsnot, Versorgungslücken, Plattformbetrug, Mutterschutzdebatte, Umweltlasten, KI-Systemrisiken

Apotheken-News: Kommentar von heute

Was bleibt, wenn sich Verantwortung im Kreis dreht?
Warum sich Apotheken an mehreren Fronten gleichzeitig rechtfertigen, schützen und dennoch durchhalten müssen – und was sich grundlegend ändern muss.

Wenn ein Gericht bestätigt, dass digitale Plattformen mit illegaler Werbung für Cannabisrezepte operieren, während dieselben Portale längst die nächste Geschäftslinie vorbereiten, wenn Ärztinnen und Ärzte mit Streiks auf Arbeitsbedingungen reagieren, die nicht mehr nur als Überlastung, sondern als institutionalisierte Ausbeutung empfunden werden, wenn Apotheken zwischen Dokumentationspflicht, Nachweispflicht, Lieferpflicht und Regulierungsdruck eingequetscht bleiben – dann zeigt sich: Das System verteilt Lasten nach unten und Verantwortung nach oben. Doch je länger dieser Mechanismus sich fortsetzt, desto größer wird das strukturelle Misstrauen in allen Versorgungsstufen.

Die Apotheke steht dabei wie unter einem Brennglas: In Hessen fehlen Gründungsanreize, in Baden-Württemberg verdichtet sich die Nachwuchskrise, in Nordrhein-Westfalen wächst die Sorge über Rezeptbetrug im Zusammenhang mit Plattformen wie DoktorABC oder cura-medics. Während der Vertrieb rezeptpflichtiger Medikamente in digitalen Schattenzonen stattfindet, haften lokale Apotheken für die Realisierung einer Versorgung, die weder inhaltlich noch regulatorisch klar definiert ist. Der Fall ARZ Darmstadt mit seinen Betrugsermittlungen belegt, wie leicht sich institutionelle Verantwortung aus dem operativen Risiko verabschiedet. Wer heute Rezepte digital verarbeitet, aber keine Verantwortung für deren Ursprung übernimmt, gestaltet kein digitales Gesundheitssystem, sondern nur ein Zahlungsstromnetz mit juristischen Ausstiegsoptionen.

Und auch auf Bundesebene bleibt der Widerspruch virulent: Die Einführung elektronischer BtM-Rezepte verzögert sich weiter, obwohl die Sicherheit, Rückverfolgbarkeit und Dokumentationslogik immer wieder betont werden. Zeitgleich häufen sich Rezeptfälschungen bei Hochpreispräparaten wie Mounjaro oder Lonsurf – ein Muster, das die Lücke zwischen Technikversprechen und Systemrealität offenlegt. Die Apotheken stehen erneut in der Mitte: Sie müssen Fälschungen erkennen, Schäden begrenzen und gleichzeitig Vertrauen bewahren. Doch wie kann Vertrauen wachsen, wenn das System selbst keine strukturelle Sicherheit erzeugt?

Parallel dazu entfaltet sich eine fast übersehene Debatte: Der Mutterschutz nach Fehlgeburten – bislang rechtlich nicht geregelt – wird zur juristischen und ethischen Belastungsprobe, insbesondere für kleine Betriebe. Wer Führung übernimmt, muss trösten, erklären, absichern – ohne Rechtsrahmen, ohne Präzedenz, ohne Schutz. Apotheken als mittelständische Arbeitgeber geraten hier in eine doppelte Falle: menschlich verantwortlich, aber rechtlich ungeschützt. Das verdeutlicht, wie stark Gesundheitsberufe von gesellschaftlichen Leerstellen berührt werden, die außerhalb ihres „eigentlichen“ Auftrags liegen – und doch unvermeidlich sind.

Und dann sind da noch die Umweltthemen: Der Umgang mit Metformin unter der EU-Abwasserrichtlinie trifft nicht Pharmakonzerne, sondern Apotheken mit Entsorgungspflicht. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz zwingt zur digitalen Umstellung, doch IT-Förderungen bleiben aus, Schnittstellenprobleme ungelöst. Die Apotheke soll barrierefrei, datensicher, klimaneutral und gleichzeitig wirtschaftlich agieren – während Versicherer bei Sprinklerschäden aussteigen und Haftungslücken offen lassen. Der Fall eines Sprinklerdefekts, bei dem ein kompletter Lagerbestand zerstört wurde und die Versicherung sich auf Formalien berief, zeigt, wie tiefgreifend die Bedrohungslage reicht – und wie wenig das System darauf vorbereitet ist.

Zugleich feiert die KI ihre Einführung im Gesundheitswesen: schneller analysieren, effizienter planen, Risiken vorhersagen. Doch die Fragen nach der Systemstabilität bei KI-Ausfällen, nach den rechtlichen Zuständigkeiten bei automatisierten Entscheidungen, nach den Sicherungen gegen Manipulation und Datenverzerrung – sie verhallen. Apotheken sind erneut betroffen: Sie sollen sich in ein digitalisiertes Gesundheitssystem integrieren, das ihnen keinen Schutz vor Systemfehlern bietet. Stattdessen häufen sich neue Pflichten, neue Risiken, neue Kosten – ohne neuen Rückhalt.

Und genau hier zeigt sich der rote Faden dieser Ausgabe: Die Versorgungsfront verschiebt sich. Apotheken stehen nicht mehr nur für Arzneimittelabgabe – sie stehen für Schadensverhinderung, für Systemstabilität, für ethische Orientierung. Sie sind erste Ansprechpartner, letzte Kontrollinstanz und immer häufiger auch Zielscheibe für systemische Schwächen, die anderswo entstehen, aber hier zum Tragen kommen. Wer also über Apothekenpolitik spricht, muss über Plattformregulierung, Nachwuchsförderung, Datenschutz, Arbeitsrecht, Umweltschutz und KI-Governance sprechen. Denn Apotheken sind keine Einzelfunktion – sie sind der Kristallisationspunkt eines Systems, das sich selbst nur noch unvollständig organisiert.

Wer heute Verantwortung zuschiebt, statt sie zu ordnen, verliert die Verlässlichkeit des gesamten Gesundheitssystems. Gerichte, Versicherungen, Plattformen, Ministerien – sie alle dürfen sich nicht länger in sektorale Zuständigkeiten flüchten, während Apotheken die interdisziplinäre Versorgung faktisch allein schultern. Es braucht kein neues Gesundheitsgesetz – es braucht eine Rückverankerung von Verantwortung dort, wo Versorgung real stattfindet. In der Apotheke. In der Arztpraxis. Im Team. Denn Versorgung ist kein Output – sie ist Beziehung. Und genau diese Beziehung wird heute von Systemversagen zerschnitten. Wer das nicht erkennt, verliert nicht nur Vertrauen, sondern das Fundament eines solidarischen Gesundheitswesens. Die Zeit des Vertröstens ist vorbei. Jetzt beginnt die Zeit der Rückbindung. Verantwortung muss wieder sichtbar werden – nicht als Last, sondern als Haltung.

SG

Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs

Kontakt: sg@aporisk.de

 

Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.

Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.

Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.

Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.

 

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