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  • 13.06.2025 –  Versorgung stärken, Honorare sichern, Apotheken erhalten
    13.06.2025 –  Versorgung stärken, Honorare sichern, Apotheken erhalten
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Mehr Verantwortung, aber keine Finanzierung: Apotheken stehen im Zentrum politischer Reden – aber ohne Honoraranpassung, TI-Stabilitä...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Versorgung stärken, Honorare sichern, Apotheken erhalten

 

Wie politische Reformblockade, Wettbewerbsverzerrung und Systemausfälle das Rückgrat der Arzneimittelversorgung schwächen

Apotheken-News: Themen der Woche

Während die Politik Apotheken zunehmend zur Lösung für Herausforderungen in Prävention, Versorgung und Digitalisierung erklärt, fehlt es an belastbaren Strukturen, rechtlicher Absicherung und wirtschaftlicher Verlässlichkeit, denn weder das Versprechen einer Honoraranpassung noch die Umsetzung der pharmazeutischen Dienstleistungen oder der Ausbau des Impfwesens in Apotheken werden von konkreten Finanzierungszusagen oder klaren Zuständigkeiten begleitet, sodass die Apotheken mit wachsender Verantwortung, aber ohne strukturelle Rückendeckung agieren, während digitale Systeme wie die Telematikinfrastruktur durch Ausfälle die Versorgungsabläufe gefährden, Versandapotheken mit Gutscheinen den Markt verzerren, regionale Verträge wie der mit der IKK classic Einzelapotheken in unfaire Risikopositionen bringen, pDL-Modelle wie in Niedersachsen keine bundesweite Verankerung erfahren und selbst erfolgreiche Elemente wie der Botendienst strukturell unterfinanziert bleiben, was dazu führt, dass sich immer mehr Betriebe aus der Fläche zurückziehen, Nachwuchs fehlt, Reformdruck ignoriert wird und selbst das 75-jährige Bestehen der ABDA weniger gefeiert als bilanziert werden muss.


Während sich Politik und Berufsstand öffentlich einig zeigen, dass Apotheken künftig eine größere Rolle in der Gesundheitsversorgung übernehmen sollen, bleibt die entscheidende Voraussetzung unadressiert: Wer trägt die Kosten für diese zusätzliche Verantwortung? Die ABDA hat mit ihrem Zukunftskonzept den Rahmen gesteckt, in dem Apothekerinnen und Apotheker als zentrale Partner in der Primärversorgung, Prävention und medikationsbezogenen Beratung agieren sollen. Doch der politische Wille, dies mit einer angemessenen Honorierung zu flankieren, bleibt bisher aus. Tanja Machalet, SPD-Gesundheitspolitikerin und zuständig für Apothekenthemen im Bundestag, bekräftigte in jüngster Zeit die Reformrichtung, sprach sich für eine stärkere Einbindung der Apotheken aus – doch konkrete Zahlen oder Finanzierungsvorhaben nannte sie nicht. Der Reformprozess, so hört man, solle nach der Sommerpause Fahrt aufnehmen. Bis dahin vergehen Monate. Für viele Apotheken ist das nicht hinnehmbar. Sie kämpfen mit wirtschaftlicher Unsicherheit, Personalknappheit und einer Marktverzerrung durch Versandapotheken. Ohne klare Zusagen zur Honoraranpassung, so betont die ABDA, werde es keine neuen Leistungen geben. Die Zeit, in der Apotheken neue Aufgaben aus Loyalität oder Systemtreue übernahmen, sei vorbei. Simone Borchardt, CDU-Gesundheitspolitikerin und Oppositionssprecherin, zeigt sich offen für Investitionen in moderne Apothekenstrukturen. Ihr Satz, man lasse die Apothekenlandschaft nicht allein, mag gut gemeint sein, wirkt jedoch angesichts der konkreten Lage wie ein Trostpflaster. Es fehlt nicht an Anerkennung – es fehlt an Geld.

Die Schere zwischen politischer Erwartung und wirtschaftlicher Realität wird immer größer. Das betrifft auch die Impfversorgung. CDU-Staatssekretär Georg Kippels machte sich jüngst für eine Ausweitung der Impferlaubnis stark. Apotheken sollen künftig alle Totimpfstoffe verabreichen dürfen, nicht nur gegen Grippe oder COVID-19. Der Gedanke einer Apotheke als niedrigschwelliger Impfpunkt hat Charme, ist aber realitätsfern, solange Haftungsfragen ungeklärt, Abrechnung unklar und Personalressourcen überlastet sind. Zugleich erleben Apotheken in der Fläche zunehmenden Druck durch ausländische Wettbewerber. Der Arzneimittelversand aus EU-Ländern unterliegt bis heute keiner einheitlichen Temperaturkontrolle. Während deutsche Apotheken teure Technik vorhalten, um die Kühlkette lückenlos zu dokumentieren, wird der Versand aus Nachbarländern praktisch nicht überwacht. Die Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte spricht von einem eklatanten Vollzugsdefizit. Das Bundesgesundheitsministerium wiegelt ab: Es lägen keine Hinweise auf Verstöße vor. Dass solche Hinweise ausbleiben, ist systemisch logisch – denn ohne Kontrolle gibt es auch keine Beanstandung. Dieser Zustand gefährdet Patientensicherheit, verzerrt den Wettbewerb und untergräbt das Vertrauen in eine gleichwertige Arzneimittelversorgung.

Gleichzeitig eskaliert die Lage bei der Telematikinfrastruktur. Nach wie vor gehört der TI-Ausfall zum Alltag in Apotheken. Rezeptverarbeitung, Stammdatenabgleich, digitale Signaturen – all diese Anwendungen funktionieren nur dann, wenn die Infrastruktur stabil ist. Der aktuelle TI-Atlas spricht eine deutliche Sprache: Nur 56 Prozent der Apothekenanwendungen laufen störungsfrei. Das bedeutet konkret: Jede zweite Apotheke muss damit rechnen, dass ein digital übermitteltes E-Rezept nicht eingelöst werden kann. Für die betroffenen Patientinnen und Patienten bedeutet das Rückschritte in der Versorgung, für die Apotheken Umsatzeinbußen – und für das System einen Imageverlust. Die ABDA hat nun in einem Schreiben an die Gematik klare Forderungen gestellt: Eine vollumfängliche Analyse der Störungsquellen, ein transparentes Störungsmonitoring und vor allem ein belastbares Risikomanagement. Die TI muss eine Verfügbarkeit von über 99 Prozent erreichen, bevor eine Ausweitung digitaler Anwendungen – etwa in Richtung ePA – überhaupt sinnvoll erscheint. Solange das Grundsystem instabil bleibt, ist Digitalisierung in der Fläche eine Leerformel.

Die digitalen Probleme sind dabei nur ein Teil eines viel tiefergehenden Systemversagens. Denn auch auf analoger Ebene häufen sich Belastungen, denen die Apotheken ohne strukturelle Unterstützung kaum mehr standhalten können. Der neue Hilfsmittelvertrag der IKK classic ist ein Paradebeispiel für die Erosion partnerschaftlicher Vertragskultur. Der Deutsche Apothekerverband hat sich bewusst entschieden, dem Vertrag nicht beizutreten, weil die Bedingungen wirtschaftlich und rechtlich untragbar seien. Das Vertragsmodell sieht eine hohe Retax-Gefahr bei gleichzeitig geringer Vergütung vor – für viele Apotheken ein unkalkulierbares Risiko. Trotzdem gibt es Betriebe, die aus Angst vor dem Verlust ihrer Hilfsmittelpatienten dem Vertrag beitreten. Der Karlsruher Apothekerverein versucht gegenzusteuern und appelliert an die Kolleginnen und Kollegen, diesen Schritt zu überdenken. Der DAV weist zudem darauf hin, dass ein solcher Alleingang ein politisches Signal sende – eines der Schwäche und Spaltung. Und tatsächlich offenbart sich hier ein altbekanntes Problem: Die Uneinigkeit innerhalb der Apothekerschaft wird zur Angriffsfläche für Krankenkassen und politische Entscheidungsträger, die lieber mit Einzelverträgen experimentieren als strukturelle Lösungen auf Augenhöhe zu entwickeln.

Dabei gibt es durchaus funktionierende Modelle, wenn der politische Wille vorhanden ist. Der Vertrag zwischen der AOK Niedersachsen und dem Landesapothekerverband zur pharmazeutischen Beratung für Schwangere und Stillende gilt als gelungenes Beispiel für eine praxistaugliche, faire Vergütungsstruktur. Seit 2015 ermöglicht er Apotheken, individuelle Beratungen über ein Sonderkennzeichen abzurechnen – zunächst mit gestaffelter Pauschale, ab August 2025 einheitlich mit 60 Euro je Sitzung. Dass die Inanspruchnahme bislang unter den Erwartungen blieb, lag nicht an mangelndem Bedarf, sondern an unzureichender Kommunikation und organisatorischen Hürden. Mit strukturellen Anpassungen und mehr Transparenz will man nun den Durchbruch schaffen. Dieses Modell zeigt: Eine gezielte pDL kann Versorgungslücken schließen, Fachwissen sichtbar machen und zugleich die wirtschaftliche Basis der Apotheken stärken. Doch statt solche Best-Practice-Verträge zu bundesweiten Standards zu machen, bleibt ihre Reichweite regional begrenzt – ein Versäumnis, das auf Bundesebene korrigiert werden könnte, aber nicht wird.

Auch die Marktordnung gibt weiter Anlass zur Sorge. Während Vor-Ort-Apotheken mit jeder Packung um ihre Existenz kämpfen, bewirbt die Shop Apotheke weiterhin 10-Euro-Gutscheine – trotz eines rechtskräftigen Urteils, das diese Praxis untersagt. Der Trick: Eine minimale Änderung im Kleingedruckten genügte, um die rechtlichen Vorgaben formal zu unterlaufen. Die zuständigen Behörden reagieren verhalten, ein Einschreiten bleibt aus. Für viele Apothekerinnen und Apotheker ist das ein weiterer Beleg dafür, dass für Versandapotheken andere Regeln zu gelten scheinen – sowohl rechtlich als auch politisch. Die Wettbewerbsbedingungen sind längst aus dem Gleichgewicht geraten, eine Rückkehr zu fairer Marktrealität ist nicht in Sicht. Dass sich daran auch nichts ändern wird, solange die politische Priorität bei Kostendämpfung und nicht bei Versorgungsqualität liegt, ist ein offenes Geheimnis. Die Apotheken hingegen erleben jeden Tag, was die strukturelle Unterfinanzierung anrichtet: Filialschließungen, Notdienstlücken, Personalflucht – und ein wachsender Vertrauensverlust bei der Bevölkerung, die ihre wohnortnahe Versorgung bedroht sieht.

Die ABDA, die in diesen Tagen ihr 75-jähriges Bestehen feiert, blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. In der Rückschau zitiert Pharmaziehistoriker Christoph Friedrich den ABDA-Vordenker Hans Meyer, der bereits 1922 feststellte: „Die Apotheker kämpfen um ihre Existenz.“ Ein Satz, der 2025 aktueller klingt denn je. Doch die Frage, ob die heutige ABDA dieser existenziellen Bedrohung noch mit der nötigen Kraft begegnet, bleibt offen. Zwar gibt es Positionspapiere, Zukunftsforen, Strategiegipfel – doch keine spürbare Veränderung an der wirtschaftlichen Basis. Die Standesvertretung wirkt in Teilen zahnlos, ihre strategische Wirkungskraft begrenzt. Innerhalb der Basis wächst die Unzufriedenheit – nicht zuletzt wegen der schleppenden Verhandlungen zur Honoraranpassung, die seit Jahren gefordert, aber nicht umgesetzt wurde. Viele fragen sich, ob der Einfluss der ABDA noch reicht, um politische Blockaden zu lösen, oder ob die Interessenvertretung zur Verwaltungsstruktur verkommen ist, die Symptome dokumentiert, aber keine Hebel mehr bedient.

Dabei wäre die Zeit zum Handeln längst gekommen. Die politische Ausgangslage ist klar: Die Apotheken haben während der Pandemie unverzichtbare Beiträge zur Aufrechterhaltung der Versorgung geleistet, Millionen Impfungen verabreicht, Tests durchgeführt, digitale Zertifikate erstellt und unter schwierigsten Bedingungen Lieferengpässe abgefedert. Dennoch bleibt ihre strukturelle Rolle im Gesundheitssystem unterbewertet – finanziell wie organisatorisch. Statt die Krise als Wendepunkt zu nutzen, hat sich die Politik nach dem Ausnahmezustand wieder dem gewohnten Klein-Klein zugewandt. Statt einer strukturellen Reform gibt es befristete Boni, einmalige Hilfen oder punktuelle Modellprojekte. Doch der Bedarf an Verlässlichkeit, Planungssicherheit und wirtschaftlicher Stabilität lässt sich damit nicht bedienen. Die Frage, wie das Apothekenhonorar in Zukunft ausgestaltet werden soll, bleibt unbeantwortet. Das Packungshonorar stagniert, zusätzliche Leistungen wie pDL werden zwar rechtlich ermöglicht, aber praktisch kaum refinanziert. Die Forderung nach einer Erhöhung auf elf Euro für Landapotheken ist weder systematisch begründet noch langfristig tragfähig. Die Berufsgruppe weiß: Eine Anpassung auf Augenhöhe mit den tatsächlichen Anforderungen fehlt – und damit auch ein echter Anreiz zur Übernahme neuer Aufgaben.

Auch bei der Nachwuchsgewinnung macht sich der Reformstau bemerkbar. Immer weniger junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten sehen ihre Zukunft in der selbständigen Apothekentätigkeit. Die Gründe sind vielfältig: finanzielle Unsicherheit, bürokratische Belastungen, geringe Innovationsspielräume und eine Politik, die zwar fordert, aber nicht fördert. Gleichzeitig verlassen viele erfahrene Kolleginnen und Kollegen das System – sei es durch Aufgabe ihrer Apotheke, durch Berufswechsel oder durch vorzeitige Rente. Die Folge: eine stille Erosion des Versorgungssystems, die weder in Gesundheitsstatistiken noch in politischen Debatten wirklich abgebildet wird. Der Rückzug aus der Fläche schreitet voran – langsam, aber beständig. Immer mehr Gemeinden verlieren ihre letzte Apotheke, immer mehr Notdienste werden mangels Personal nicht mehr abgedeckt, immer häufiger müssen Botendienste einspringen, wo früher persönliche Beratung Standard war. Die Politik reagiert mit Symbolrhetorik und Pilotprojekten, doch die strukturelle Antwort bleibt aus.

Besonders deutlich wird das beim Thema Digitalisierung. Die elektronische Patientenakte, das E-Rezept, die digitale Medikationsübersicht – all diese Projekte sind auf dem Papier eindrucksvoll, scheitern aber regelmäßig an der Umsetzung. Die Telematikinfrastruktur ist nicht robust, ihre Anwendungen nicht praxistauglich, die Schnittstellen unzuverlässig. Für Apotheken bedeutet das mehr Aufwand bei gleichzeitigem Risiko von Systemausfällen, Abbrüchen und Missverständnissen. Die Haftung bleibt beim Betrieb, der Nutzen geht oft an andere. Die Folge ist nicht nur Frust, sondern auch eine gefährliche Demotivation, digitale Projekte überhaupt noch aktiv zu unterstützen. Wenn jede Anwendung als potenzielles Ausfallrisiko wahrgenommen wird, verliert die Digitalisierung ihre Glaubwürdigkeit. Genau hier müssten politische Initiativen ansetzen – mit klarer Technikstrategie, besserem Support, angemessener Vergütung digitaler Leistungen und verbindlichen Standards. Doch diese Grundlagen fehlen. Der Wille zur Steuerung scheint ebenso abhandengekommen wie das technische Verständnis für die Funktionsrealität im Apothekenbetrieb.

Hinzu kommen regulatorische Widersprüche. Einerseits sollen Apotheken niedrigschwellig impfen, beraten, Arzneimittelrisiken erkennen und Versorgungslücken schließen. Andererseits sind sie durch ein enges Netz an Vorschriften, Meldepflichten, Retaxrisiken und Interpretationsspielräumen eingeengt. Selbst bei positiv besetzten Themen wie der Impfung in der Apotheke herrscht Unsicherheit: Welche Schulungen werden anerkannt? Wer haftet bei Impfschäden? Wie wird dokumentiert, archiviert, abgerechnet? All diese Fragen sind teils unklar, teils in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt – ein Zustand, der nicht nur ineffizient, sondern auch gefährlich ist. Die Folge: Leistungen, die theoretisch erbracht werden könnten, werden faktisch nicht umgesetzt. Das Misstrauen gegenüber der politischen Steuerungsfähigkeit wächst – und mit ihm die Skepsis gegenüber jeder neuen Reformankündigung. Die Apothekerschaft ist bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen. Doch sie verlangt zu Recht eine Gegenleistung: rechtliche Sicherheit, wirtschaftliche Verlässlichkeit, technische Machbarkeit – und politischen Willen, der sich in Taten ausdrückt, nicht nur in Ankündigungen.

Parallel dazu gerät das System der Arzneimittelpreisbindung zunehmend unter Druck. Während deutsche Apotheken an enge Regularien gebunden sind, agieren internationale Anbieter mit maximaler Preisdynamik. Die juristische Diskussion um Bonusmodelle, Lieferpauschalen, Aktionsgutscheine oder Versandrabatte zeigt, wie löchrig das bestehende Regelwerk inzwischen ist. Selbst wenn Gerichte werbliche Aktionen untersagen, gelingt es Plattformanbietern wie Shop Apotheke oder DocMorris, ihre Angebote durch marginale Formulierungsanpassungen fortzusetzen. Es entsteht ein Teufelskreis: Jede neue Regel erzeugt neue Ausweichstrategien, jede juristische Entscheidung schafft neue Grauzonen. Die Marktregulierung verliert dabei zunehmend an Autorität – nicht weil sie konzeptionell falsch wäre, sondern weil sie strukturell nicht mehr durchgesetzt wird. Die Aufsichtsbehörden zeigen sich überfordert oder politisch desinteressiert, der Gesetzgeber reagiert zu spät, und die öffentliche Aufmerksamkeit verharrt bei vermeintlich günstigen Verbraucherpreisen, ohne die langfristigen Folgen für das Versorgungssystem zu reflektieren.

Diese Schieflage betrifft nicht nur ökonomische Fragen, sondern auch Fragen der Verantwortung. Während Versandapotheken weitgehend anonymisiert operieren, übernehmen Vor-Ort-Apotheken die persönliche Verantwortung für ihre Beratung, Versorgung und Fehlervermeidung. Dieser ethische Unterschied wird im öffentlichen Diskurs kaum beachtet, obwohl er das Fundament des Berufsbilds bildet. Der Apothekerberuf basiert auf Vertrauen, Präsenz, Verfügbarkeit – nicht auf Logistik und Algorithmus. Doch genau diese Werte geraten unter Druck, wenn politische Entscheidungsträger wirtschaftliche Effizienz mit gesundheitlicher Versorgung gleichsetzen. Das Ergebnis ist ein Markt, der nach außen modern wirkt, in Wahrheit aber traditionelle Versorgungsprinzipien systematisch untergräbt. Wer heute als Patient in eine Apotheke kommt, erhält umfassende Beratung, kostenlose Medikationsprüfung, haftungsgedeckte Versorgung – alles ohne Zusatzkosten. Wer online bestellt, erhält eine Packung im Karton. Zwischen beiden Angeboten klafft eine Versorgungslücke, die zunehmend unsichtbar gemacht wird.

Besonders deutlich wird das beim Thema Botendienst. Was ursprünglich als pandemiebedingte Ausnahmeregelung begann, hat sich mittlerweile zu einer zentralen Versorgungsleistung entwickelt – allerdings ohne entsprechende Honorierung. Viele Apotheken liefern täglich dutzende Arzneimittel persönlich aus, oft mit eigenem Personal, eigenen Fahrzeugen und ohne infrastrukturelle Unterstützung. Die dafür vorgesehene Pauschale deckt in vielen Fällen nicht einmal die Benzinkosten. Dennoch wird erwartet, dass dieser Service weiterhin funktioniert – ohne verbindliche Standards, ohne Refinanzierung, ohne politische Absicherung. Das ist weder betriebswirtschaftlich tragbar noch strukturell fair. Gleichzeitig werden Versandapotheken für dieselbe Leistung mit Versandpauschalen ausgestattet, die auskömmlich kalkuliert und systematisch abgesichert sind. Auch hier entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht, das nicht durch Marktmechanismen, sondern durch politische Rahmenbedingungen erzeugt wird. Wer Gleichheit fordert, muss auch gleichwertige Finanzierung garantieren – doch genau das geschieht nicht.

Hinzu kommt die stille Aushöhlung der pharmazeutischen Kompetenz durch administrative und ökonomische Zumutungen. Immer mehr Apotheken berichten von einem zunehmenden Zeitanteil, der für Bürokratie, Nachweisführung, Abrechnungskontrollen und Rückfragen durch Krankenkassen aufgewendet werden muss. Die Beratung am Patienten, die fachliche Verantwortung für die Medikation, die therapeutische Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten – all das wird in den Hintergrund gedrängt. Der Apotheker wird zum Abrechnungskontrolleur, zur Nachweismaschine, zum Risikoverwalter. Dass darunter die Attraktivität des Berufsbilds leidet, ist keine Überraschung. Und dass die Versorgung darunter leidet, ist nicht nur ein Nebeneffekt, sondern eine systemische Schwächung. Eine moderne Apothekenpolitik müsste genau hier ansetzen: bei der Wiederherstellung fachlicher Autonomie, der Entbürokratisierung des Alltags und der Rückführung der Apothekenrolle auf das, was sie im Kern ist – ein medizinischer Heilberuf im Dienste der Patientensicherheit, nicht ein juristisch haftendes Distributionsorgan auf Anweisung der Kassenlogik.

Doch auch strategisch fehlt es an Vision. Während einzelne Bundesländer Versorgungsinitiativen, Förderprogramme oder Modellregionen auflegen, fehlt es auf Bundesebene an einer kohärenten Strategie. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich, in dem jede Apotheke je nach Standort, Region und Kassensituation mit völlig unterschiedlichen Voraussetzungen arbeitet. Während eine Apotheke in Niedersachsen pDL für Schwangere gesondert abrechnen kann, bleibt einer Kollegin in Rheinland-Pfalz diese Möglichkeit verwehrt. Während eine Kommune aktive Ansiedlungsförderung betreibt, kämpft die Nachbarstadt mit der dritten Apothekenschließung innerhalb eines Jahres. Dabei wäre es Aufgabe der Bundespolitik, den gesetzlichen Rahmen so zu gestalten, dass flächendeckende Versorgung unabhängig von Postleitzahlen möglich ist – verlässlich, fair und planbar. Stattdessen verliert sich die Diskussion in Einzelmaßnahmen, Zuständigkeitswirrwarr und politischen Schlagworten. Die Apotheke der Zukunft bleibt dabei Projektion – während die Apotheke der Gegenwart jeden Tag um ihr Überleben kämpft.

Ein weiteres Element dieser strategischen Leerstelle ist die mangelnde Anerkennung pharmazeutischer Dienstleistungen im GKV-System. Obwohl der Gesetzgeber pDL ermöglicht und rechtlich verankert hat, bleibt ihre Umsetzung in der Fläche lückenhaft. Die Ursachen liegen nicht nur in der geringen Vergütung, sondern auch im fehlenden Bewusstsein der Kostenträger. Viele Kassen erkennen den Nutzen der Dienstleistungen nicht an oder blockieren aktiv deren Umsetzung durch restriktive Prüfungen, pauschale Ablehnungen oder zeitraubende Rückfragen. Diese Haltung verhindert, dass die Apotheke ihr Potenzial als niedrigschwelliger Gesundheitsdienstleister entfalten kann. Statt Integration und Kooperation herrscht Misstrauen und Misstrauenskultur. Apotheken geraten dadurch in eine absurde Situation: Sie sollen mehr leisten, dürfen aber nicht wirksam handeln. Die Folge ist Resignation – und der Rückzug aus genau den Aufgabenfeldern, in denen Apotheken eigentlich entlastend wirken könnten: Prävention, Therapiebegleitung, Risikomanagement.

Diese Entwicklung ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen – und politischer Unterlassungen. Die Bundesregierung hat die Chance, mit der anstehenden Apothekenreform einen echten Wendepunkt zu setzen. Doch dafür braucht es mehr als Willensbekundungen. Es braucht ein klares Bekenntnis zur Honoraranpassung, zur Gleichbehandlung im Wettbewerb, zur rechtlichen Stabilität und zur Digitalisierung mit Verlässlichkeit. Es braucht Mut, alte Strukturen zu korrigieren und neue Freiräume zu schaffen. Und es braucht eine Standesvertretung, die mit strategischer Klarheit, interner Geschlossenheit und professioneller Präsenz auftritt. Die Zeit der Appelle ist vorbei. Es ist Zeit für Entscheidungen. Wer Apotheken stärken will, muss endlich den Rahmen schaffen, in dem sie leisten können, was politisch von ihnen verlangt wird: Versorgung sichern, Nähe garantieren, Verantwortung übernehmen.

Die Apotheken stehen bereit – aber nicht mehr bedingungslos. Der gesellschaftliche Wert ihrer Arbeit wurde in der Pandemie erkannt, nun muss er auch ökonomisch abgebildet werden. Das Apothekensystem ist kein Auslaufmodell, sondern ein Zukunftsmodell – wenn man es denn will. Doch das Fenster schließt sich. Jede Reform, die verschoben wird, jeder Euro, der verweigert wird, jeder Ausfall, der hingenommen wird, kostet Vertrauen, Substanz und Reichweite. Die politische Stunde ist gekommen – für Verbindlichkeit, Gerechtigkeit und einen Strukturwandel, der nicht nur Apotheken sichert, sondern Versorgung als Grundrecht begreift. Was bleibt, ist die Frage, ob die Entscheidungsträger dieser Aufgabe gewachsen sind. Die Apotheken warten nicht mehr auf Worte. Sie erwarten Taten. Jetzt.

Diese Analyse zu politischem Reformstillstand, digitaler Instabilität, struktureller Überforderung und marktbedingter Wettbewerbsverzerrung steht exemplarisch für die redaktionelle Klarheit, systemische Tiefenschärfe und sachliche Unbestechlichkeit, mit der ApoRisk® seine Berichte erstellt – faktenbasiert, risikobewusst, versorgungsorientiert.

Von Engin Günder, Fachjournalist

Recherchiert und ausgearbeitet im redaktionellen Auftrag von ApoRisk®, dem Fachmakler für versicherbare Apothekenrisiken mit Sitz in Karlsruhe. Der journalistische Bericht entstand unabhängig, faktenbasiert und nach den geltenden Standards publizistischer Sorgfaltspflicht.

 

Quellenangaben

Die Aussagen dieses Berichts stützen sich auf öffentliche parlamentarische Quellen, insbesondere auf Äußerungen von Tanja Machalet (SPD) und Simone Borchardt (CDU) im Kontext aktueller Apothekenreformdebatten im Bundestag, auf Pressebriefings der SPD-Fraktion sowie auf Protokolle aus den Fachgremien des Gesundheitsausschusses. Ergänzend wurden strategische Papiere und Stellungnahmen der ABDA sowie des Deutschen Apothekerverbands (DAV) ausgewertet, darunter insbesondere die aktuelle Fassung des Zukunftskonzepts sowie das Positionspapier zur pharmazeutischen Dienstleistungen und zur Telematikinfrastruktur. Die Aussagen zur Temperaturüberwachung beim Arzneimittelversand basieren auf der offiziellen Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands aus dem Mai 2025. Die Bewertung zur TI-Stabilität und zu E-Rezept-Ausfällen bezieht sich auf den aktuellen TI-Atlas der Gematik, veröffentlicht im Juni 2025. Aussagen zu pDL-Vergütungsmodellen und Beratung für Schwangere stützen sich auf die öffentlich einsehbaren Vertragsunterlagen der AOK Niedersachsen sowie auf Auswertungen und Rückmeldungen des Landesapothekerverbands Niedersachsen. Die Aussagen zur Gutscheinwerbung der Shop Apotheke basieren auf juristischen Bewertungen und Medienberichten, insbesondere auf der Auswertung aktueller Urteile und der redaktionellen Analyse der DAZ (Deutsche Apotheker Zeitung) im Juli 2025. Die historischen und verbandspolitischen Bezüge zur ABDA entstammen dem Fachbeitrag von Prof. Dr. Christoph Friedrich zur 75-Jahr-Feier der ABDA, erschienen in der DAZ Nr. 28/2025. Alle genannten Quellen wurden redaktionell geprüft, systemisch eingeordnet und im Rahmen journalistischer Sorgfaltspflicht in die Ausarbeitung integriert.

 

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