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  • 04.07.2025 – Apotheken schließen schneller, Reformen bleiben aus, Versorgungsnetz bröckelt
    04.07.2025 – Apotheken schließen schneller, Reformen bleiben aus, Versorgungsnetz bröckelt
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | 25 Apotheken weniger in NRW, Blow-ups auf Autobahnen, Polio-Viren im Abwasser – der Reformstau gefährdet Versorgung, Infrastruktur un...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken schließen schneller, Reformen bleiben aus, Versorgungsnetz bröckelt

 

Nordrhein wird zum Mahnmal politischer Tatenlosigkeit, während Versorgungslücken wachsen und die Selbstverwaltung Alarm schlägt

Apotheken-News von heute

In Nordrhein schließt fast jede Woche eine Apotheke – und die Politik schaut zu, obwohl längst alle Warnlampen leuchten. Die wachsende Zahl an Betriebsschließungen, die völlige Abwesenheit von wirksamen Reformen und die politische Ausweichrhetorik bei zentralen Versorgungsfragen lassen eine Entwicklung eskalieren, die nicht mehr lokal begrenzt bleibt. Parallel geraten Infrastrukturen unter Druck: Betonfahrbahnen reißen auf, Hitze verursacht schwere Unfälle, Versicherungen und Behörden kämpfen mit der Haftungsfrage. Gleichzeitig bringt die Digitalisierung neue Risiken für das Apothekenwesen – zwischen Berufsethos und viraler Sichtbarkeit, zwischen Marktlogik und fachlicher Verantwortung. Von Investor Relations bei Easy bis zur Versorgungslücke bei Hilfsmitteln, vom NSAR-Risiko bis zur Polio-Prävention: Der Bericht zeigt, wie systemische Schwächen ineinandergreifen, politische Lösungen ausbleiben und die wohnortnahe Gesundheitsversorgung zunehmend an Stabilität verliert.

 

29 Apotheken weg, 4 neu, 0 Reformen umgesetzt

Warum der Kammerpräsident Alarm schlägt, die Ampel nicht liefert und Nordrhein exemplarisch für das Apothekensterben steht

Die Zahlen sind eindeutig – und doch bleibt die politische Reaktion aus. In Nordrhein haben im ersten Halbjahr 2025 29 Apotheken geschlossen, nur vier neue sind hinzugekommen. Der Nettoverlust: 25 Betriebe in sechs Monaten. Damit sinkt die Zahl öffentlicher Apotheken im Kammerbezirk auf 1.915. Bereits im Jahr 2024 waren 61 Apotheken vom Markt verschwunden. Es ist ein Trend, der sich nicht nur fortsetzt, sondern beschleunigt. Für Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, ist das Maß voll: „Diese Entwicklung ist weiterhin alarmierend. Wenn nicht rasch gegengesteuert wird, droht in den nächsten Jahren ein flächendeckender Verlust der wohnortnahen Arzneimittelversorgung.“

Was Hoffmann fordert, ist kein Luxus, sondern die Einlösung längst gemachter Versprechen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung sind zentrale Maßnahmen zur Stabilisierung der Apothekenökonomie festgeschrieben – darunter die Erhöhung des Fixums, die Rücknahme des Skonti-Verbots sowie die Abschaffung formaler Nullretaxationen. Doch statt Taten herrscht Stillstand. Kein Gesetzesvorschlag, kein Zeitplan, kein Sofortprogramm. „Der Koalitionsvertrag liefert das richtige Fundament – jetzt braucht es Tempo“, so Hoffmann. Doch die Regierung schweigt – und jede weitere Verzögerung verschärft die Krise im System.

Die Umstände vor Ort zeigen bereits erste Auswirkungen: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der ABDA halten 99 Prozent der Befragten in Nordrhein ihre Apotheke vor Ort für wichtig oder sehr wichtig – doch 9 Prozent berichten von deutlich längeren Wegen, seit „ihre“ Apotheke geschlossen hat. 12 Prozent weichen notgedrungen auf Versandapotheken aus, 6 Prozent nutzen häufiger den Botendienst, weil die nächste Vor-Ort-Apotheke zu weit entfernt liegt. Die wohnortnahe Versorgung, lange Garant für Sicherheit und Beratung, beginnt zu bröckeln.

Es ist ein Paradoxon, das Hoffmann deutlich benennt: „Die Menschen wollen ihre Apotheken. Doch die Politik lässt sie sterben.“ Die Ursachen liegen auf der Hand: wirtschaftlicher Druck durch stagnierende Honorare, gestiegene Betriebskosten, bürokratische Belastungen, Nachwuchsmangel und Retaxationsrisiken. Die Maßnahmen im Koalitionsvertrag wären geeignet, gegenzusteuern – doch sie bleiben politische Potenziale ohne Umsetzung. Und das hat nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch gesundheitspolitische Folgen.

Die Apothekerkammer Nordrhein hat deshalb längst begonnen, öffentlich Druck aufzubauen. Der Präsident appelliert an Gesundheitsminister Karl Lauterbach, seine eigenen Versprechen ernst zu nehmen und noch im zweiten Halbjahr 2025 ein Reformpaket auf den Weg zu bringen. Dabei geht es Hoffmann nicht um neue Programme, sondern um das Aktivieren bestehender Vereinbarungen. „Es ist alles da – man muss nur handeln“, so sein Resümee. Doch selbst innerhalb der Regierung scheint das Thema Apothekenversorgung derzeit keine Priorität zu haben.

Besonders brisant ist dabei der Umstand, dass sich Nordrhein nicht als Ausreißer, sondern als Spiegel bundesweiter Entwicklungen zeigt. Auch in anderen Kammerbezirken ist die Schließungsdynamik ungebrochen – von ländlichen Regionen bis in urbane Zentren. Die Fixkosten steigen, die Personaldecke schrumpft, Übernahmen scheitern an Rendite- und Investitionsunsicherheit. Die große Apothekenreform bleibt in der Warteschleife – während täglich Versorgungspunkte verschwinden.

Dabei geht es längst nicht mehr um wirtschaftliche Einzelinteressen, sondern um die Aufrechterhaltung eines Versorgungssystems. Apotheken sind nicht nur Arzneimittelausgabestellen, sondern Beratungszentren, Notfallstützpunkte, Impf- und Testorte, Schnittstellen der ambulanten Versorgung. Ihr Verschwinden hat nicht nur logistische, sondern auch gesundheitliche Konsequenzen – gerade für vulnerable Gruppen, ältere Menschen, Familien mit Kindern und chronisch Kranke.

Die Bundesregierung scheint dieses Risiko derzeit in Kauf zu nehmen. Auf parlamentarische Nachfragen folgen ausweichende Formulierungen. Auf öffentliche Appelle reagieren die Ministerien mit Hinweisen auf laufende Prüfprozesse. Auf den Protest der Apothekerschaft mit demonstrativer Ignoranz. Die Ampel hat eine Chance zur Stabilisierung – sie nutzt sie nicht.

Dr. Armin Hoffmann setzt deshalb auf Öffentlichkeit, Zahlen und Fakten. Und er setzt auf die Bevölkerung – jene 99 Prozent, die ihre Apotheke als wichtig empfinden. Denn genau diese Bürgerinnen und Bürger spüren den Verlust zuerst. Und sie werden auch diejenigen sein, die am lautesten fragen, warum ihre medizinische Grundversorgung ausgerechnet dann ausgedünnt wurde, als die Regierung eigentlich helfen wollte.

 

Hitzeschäden auf Autobahnen, Versicherungsschutz bei Blow-ups, Risiko und Haftungsfragen bei Sommerunfällen

Extreme Hitze führt auf Betonfahrbahnen zu Blow-ups, die Verkehrsteilnehmer gefährden und hohe Unfallrisiken bergen, die Voll- und Teilkaskoversicherung greifen bei Schäden, während Haftungsfragen gegenüber Straßenmeistereien oft schwer zu klären sind

Die sommerlichen Temperaturen nehmen in Deutschland zunehmend zu, was nicht nur für Menschen, Tiere und Umwelt eine Belastung darstellt, sondern auch die Verkehrsinfrastruktur vor neue Herausforderungen stellt. Besonders betroffen sind ältere Autobahnabschnitte mit Betonfahrbahnen, die etwa 30 Prozent des gesamten deutschen Autobahnnetzes ausmachen. Bei extremer Hitze dehnen sich diese Betonplatten stark aus, was zu sogenannten Blow-ups führen kann – das sind plötzliche Aufwölbungen, Verschiebungen oder sogar Aufreißungen der Fahrbahn, die für alle Verkehrsteilnehmer eine erhebliche Gefahr darstellen. Die unvorhersehbaren Blow-ups erhöhen das Risiko schwerer Verkehrsunfälle, vor allem für Motorradfahrer, die besonders empfindlich auf Fahrbahnunebenheiten reagieren.

Die gefährlichen Blow-ups treten meist unvermittelt auf und sind schwer zu erkennen, was schnelle Reaktionen und geeignete Sicherheitsmaßnahmen erforderlich macht. Wer einen Blow-up entdeckt, sollte unverzüglich die Polizei unter dem Notruf 110 informieren, damit die Gefahrenstelle abgesichert und der Verkehr umgeleitet oder verlangsamt werden kann. In der Praxis greifen auf besonders gefährdeten Autobahnabschnitten während längerer Hitzewellen häufig temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen von 80 km/h, um das Unfallrisiko zu reduzieren. Diese Maßnahmen sind vor allem auf älteren Betonstrecken der A3, A92 und A93 zu finden, die aufgrund ihrer Bauweise und Altersstruktur anfälliger für thermische Ausdehnung und damit Blow-ups sind.

Kommt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einem Unfall, stellt sich häufig die Frage nach dem Versicherungsschutz und der Haftung. Bei einem Unfall, der durch Blow-ups verursacht wurde, greift in der Regel die Vollkaskoversicherung. Sie deckt Schäden am eigenen Fahrzeug ab, auch wenn der Unfall selbst verschuldet wurde. Glasschäden, wie etwa zerborstene Scheiben infolge von Hitzestress oder Unfall, sind über die Teilkaskoversicherung abgedeckt, da diese unabhängig von einem Unfallereignis für den Glasbruch aufkommt. Damit sind Autofahrer bei den meisten durch Hitze und Blow-ups verursachten Fahrzeugschäden versichert.

Die Haftung für Blow-ups und die daraus resultierenden Schäden am Fahrzeug ist komplex. In einigen Fällen könnte die Straßenmeisterei für Versäumnisse im Verkehrssicherungsauftrag haftbar gemacht werden, wenn beispielsweise keine Warnschilder oder Sperrungen aufgestellt wurden. Allerdings sind die rechtlichen Hürden für Geschädigte hoch, da Versäumnisse nachgewiesen werden müssen. Ähnliches gilt für Schäden, die durch Schlaglöcher entstehen. Für Autofahrer bleibt es daher oft bei der Abwicklung über die Kaskoversicherung, da eine direkte Haftung schwer durchzusetzen ist.

Auch extreme Hitze kann Auto- und Motorradscheiben stark belasten. Hitzerisse im Glas werden sowohl von der Teilkasko als auch von der Vollkaskoversicherung übernommen, unabhängig von der Schadensursache. Die Versicherungen erkennen dabei an, dass Glasbruch nicht ausschließlich durch Unfälle entsteht, sondern auch durch thermische Belastungen. Allerdings gelten für andere Schäden wie Lackschäden diese Regelungen nicht, da sie nur bei Unfallereignissen erstattet werden.

Ein besonders seltener, aber möglicher Schaden bei extremer Hitze ist das Schmelzen von Fahrzeugteilen. Diese Schäden sind nicht durch die Kaskoversicherung abgedeckt, da es sich hierbei nicht um einen Unfall handelt, sondern um Materialversagen aufgrund von Hitzeeinwirkung. Betroffene Fahrzeughalter müssen diese Schäden selbst tragen, da kein Versicherungsschutz besteht.

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Hitze auf Fahrzeugführer sollten ebenfalls nicht unterschätzt werden. Kreislaufprobleme am Steuer durch hohe Temperaturen können zu Unfällen führen. In solchen Fällen übernimmt die Kfz-Haftpflichtversicherung die Schäden, die Unfallgegner erleiden. Die Vollkaskoversicherung kommt für Schäden am eigenen Fahrzeug auf. Fahrer sind daher gut beraten, bei hohen Temperaturen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Verkehrssicherheit nicht zu gefährden.

Insgesamt zeigt sich, dass extreme Hitze und die daraus resultierenden Blow-ups auf Betonfahrbahnen eine wachsende Gefahr für die Verkehrssicherheit in Deutschland darstellen. Die Versicherungslandschaft bietet zwar umfangreichen Schutz für Fahrzeugschäden, die Haftungsfragen gegenüber öffentlichen Straßenbetreibern bleiben jedoch schwierig und sind meist mit hohem Aufwand verbunden. Präventive Maßnahmen wie Tempobegrenzungen, zeitnahe Sperrungen und eine gute Verkehrsinformation sind daher essenziell, um Unfälle zu vermeiden und das Risiko für alle Verkehrsteilnehmer zu minimieren.

 

Social Media in der Apotheke, Berufsethik, Kommunikation im digitalen Zeitalter

Wie Apotheken soziale Netzwerke nutzen und welche Herausforderungen dabei entstehen

Die Digitalisierung hat auch im Gesundheitswesen einen tiefgreifenden Wandel ausgelöst. Apotheken sind längst nicht mehr nur klassische Anlaufstellen für Arzneimittel, sondern zunehmend auch Akteure im digitalen Kommunikationsraum. Soziale Medien wie Instagram, Facebook oder TikTok bieten eine neuartige Plattform, um Informationen zu verbreiten, die Sichtbarkeit der Apotheke zu erhöhen und mit Kunden direkt in Kontakt zu treten. Die Nutzung dieser Kanäle eröffnet vielfältige Chancen, bringt aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich – insbesondere im Spannungsfeld zwischen authentischer, kreativer Kommunikation und der Wahrung eines professionellen Berufsbildes.

Die Vielfalt der Nutzung sozialer Medien durch Apotheken ist groß. Manche setzen auf sachliche Gesundheitsberatung, informieren über Medikamente, Prävention und neue Therapien. Andere nutzen humorvolle oder unterhaltsame Formate, um den oft komplexen Apothekenalltag näherzubringen und die Bindung zur Community zu stärken. Gerade diese authentischen Einblicke werden von jüngeren Zielgruppen geschätzt und fördern das Vertrauen in den Apothekenstandort.

Allerdings führen gerade humorvolle oder überspitzte Darstellungen mitunter zu kontroversen Diskussionen. Die Grenze zwischen kreativer Freiheit und der Einhaltung berufsrechtlicher sowie ethischer Standards ist nicht immer leicht zu ziehen. So haben Fälle gezeigt, dass die Verwendung von provokativen oder gar vulgären Inhalten – etwa in Form von Liedtexten oder Slang – bei einigen Betrachtern für Unmut sorgt und Zweifel an der Seriosität des Berufsstands aufkommen lassen kann.

Diese kritischen Reaktionen verdeutlichen die zentrale Herausforderung: Apotheken als Heilberufe genießen gesellschaftliches Vertrauen, das auf einem Bild von Kompetenz, Zuverlässigkeit und Seriosität beruht. Werden digitale Auftritte als unangemessen empfunden, kann dies das Ansehen nachhaltig beeinträchtigen und die Beziehung zu Patienten und Kundinnen belasten. Es gilt daher, eine Balance zu finden zwischen der Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten zeitgemäßer Plattformen und der Wahrung professioneller Standards.

Berufsverbände und Kammern nehmen in diesem Kontext eine wichtige Rolle ein. Sie beobachten die Entwicklungen aufmerksam, geben Orientierungshilfen heraus und appellieren an die Verantwortung der Apothekerinnen und Apotheker, ihre Online-Präsenz kritisch zu reflektieren. Dabei steht nicht die Unterdrückung kreativer Ausdrucksformen im Vordergrund, sondern der Schutz des Berufsbildes und die Sicherstellung eines respektvollen Umgangs mit dem Publikum.

Die Apotheken selbst sind zunehmend gefordert, Social-Media-Strategien zu entwickeln, die sowohl die Individualität der Einrichtung widerspiegeln als auch berufsrechtliche Anforderungen erfüllen. Dazu gehören klare interne Regeln, Schulungen zum digitalen Verhalten sowie eine bewusste Auswahl der Inhalte. Die Einbindung von Datenschutzbestimmungen, Werberegeln und Haftungsfragen ist dabei unerlässlich.

Neben den Risiken bieten digitale Kanäle aber auch bedeutende Chancen für die Gesundheitsversorgung. Sie ermöglichen eine schnellere und direktere Kommunikation, fördern die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und können Barrieren abbauen, etwa durch niedrigschwellige Aufklärung und Beratung. Zudem stärken sie die lokale Verankerung und können als Instrument zur Nachwuchsförderung dienen, indem sie Einblicke in das Berufsbild vermitteln und junge Menschen ansprechen.

Der Umgang mit Herausforderungen wie provokanten oder kontroversen Beiträgen erfordert einen offenen Dialog zwischen Apotheken, Berufsvertretungen und der Öffentlichkeit. Kritische Rückmeldungen können als Impulse zur Weiterentwicklung verstanden werden. Gleichzeitig müssen die Kommunikationskanäle als Räume respektvoller und konstruktiver Interaktion gestaltet werden, um den digitalen Diskurs im Sinne der Patientenversorgung und des Berufsimages zu fördern.

Abschließend zeigt sich, dass die Nutzung sozialer Medien für Apotheken ein komplexes Thema mit Chancen und Risiken ist. Ein verantwortungsbewusster, reflektierter Umgang, der Kreativität nicht ausschließt, aber berufsethische Grenzen achtet, ist entscheidend. Durch klare Leitlinien, Fortbildung und eine offene Kommunikationskultur kann der Apothekerberuf in der digitalen Welt zeitgemäß und vertrauenswürdig repräsentiert werden.

 

 

Easy erweitert Vorstand, stärkt Investor Relations und treibt Wachstum voran

Neuer Vorstand verbessert Kapitalmarktnähe, optimiert Partnerangebote und professionalisiert Führung

Easy, der Düsseldorfer Franchise-Anbieter im Apothekenmarkt, hat seine Führungsebene durch die Berufung von Henning Gerbaulet als dritten Vorstand erweitert. Gerbaulet übernimmt exklusiv den Bereich Investor Relations und ergänzt damit die bisherige Doppelspitze aus Lars Horstmann und Alexander Freier. Mit seinem fundierten betriebswirtschaftlichen Hintergrund und langjähriger Führungserfahrung, zuletzt als COO des Textilunternehmens Katag, bringt Gerbaulet entscheidende Kompetenzen mit, um die Kommunikation mit Kapitalgebern zu intensivieren und die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu stärken.

Aktuell betreibt Easy bundesweit 145 Apotheken. Neben der klassischen Franchise-Partnerschaft bietet das Unternehmen seit kurzem eine neue Konzeptpartnerschaft an, die es Apotheken ermöglicht, Easy-Leistungen zu nutzen, ohne die Dachmarke nach außen sichtbar zu führen. Diese Flexibilität soll neue Marktsegmente erschließen und bestehende Partner optimal unterstützen. Die Düsseldorfer Zentrale beschäftigt rund 80 Mitarbeitende, die mit Serviceleistungen wie Standortsuche, Ladenbau und Marketing die Partner vor Ort professionell begleiten.

Die Erweiterung der Vorstandsebene ist ein strategischer Schritt, um den gestiegenen Anforderungen an Wachstum, Transparenz und Kapitalmarktnähe gerecht zu werden. „Wir freuen uns, mit Herrn Gerbaulet einen erfahrenen Experten gewonnen zu haben, der als Schnittstelle zu unseren Investoren fungiert und die Kommunikation mit unseren Aktionären intensiviert“, erklärt Vorstandskollege Alexander Freier.

Der Aufsichtsrat von Easy ist prominent besetzt und umfasst mit Prof. Dr. Thomas Terberger (Katag), Christian Magirus (CD Magirus) und Hartmut Fromm (Kanzlei Buse Heberer Fromm) ausgewiesene Experten aus Wirtschaft und Recht. Diese Besetzung garantiert eine fundierte strategische Ausrichtung und wirksame Governance-Strukturen.

Die Stärkung der Investor Relations und die Erweiterung des Führungsteams sind zentrale Bausteine für die weitere Professionalisierung und nachhaltige Entwicklung von Easy. Gerade in einem wettbewerbsintensiven Apothekenmarkt sind stabile Kapitalgeberbeziehungen und flexible Angebotsmodelle entscheidend, um langfristig erfolgreich zu sein. Die neue Vorstandsebene ermöglicht es Easy, diesen Herausforderungen mit Weitblick und Innovationskraft zu begegnen.

 

Sanitätshäuser sichern Hilfsmittelversorgung, entlasten Apotheken und garantieren flächendeckende Betreuung

Vertrag zwischen DAV und IKK Classic endet, Versorgungslücke bleibt aus, weil Fachgeschäfte als bewährte Partner einspringen

Der zum 1. Juli ausgelaufene Hilfsmittelversorgungsvertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und der IKK Classic hat in Apotheken Unsicherheiten ausgelöst, weil seitdem viele Apotheken die Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln nicht mehr durchführen können. Dennoch herrscht nach Einschätzung von Ole Gustafsson, Bereichsleiter Vertrieb und Krankenkassenmanagement bei Rehavital, keine Versorgungslücke. Stattdessen übernehmen bewährte Partner – die Sanitätshäuser – die Versorgung der Versicherten zuverlässig weiter. Diese Fachgeschäfte verfügen über langjährige Erfahrung und die notwendige Expertise, um Hilfsmittel passgenau und kundenorientiert bereitzustellen.

Die Beendigung des Vertrages zwischen DAV und IKK Classic resultierte aus nicht zu überbrückenden Differenzen bei den Vertragskonditionen. Gustafsson erläutert: „Der DAV forderte Vergütungen, die über den bestehenden Vereinbarungen mit den Sanitätshäusern lagen. Deshalb konnten keine neuen Einzelverträge zustande kommen.“ Die Sanitätshäuser hingegen setzen ihre bewährten Versorgungsverträge fort und gewährleisten so eine nahtlose Versorgung.

Rehavital, eine der größten Verbundgruppen im deutschen Hilfsmittelmarkt mit 130 Mitgliedsunternehmen an mehr als 950 Standorten, unterstreicht, dass die Sanitätshäuser flächendeckend vertreten sind. Dies entkräftet die Sorge, Versicherte müssten künftig weite Wege für die Versorgung in Kauf nehmen. Im Gegenteil: Oft sind Sanitätshäuser näher am Wohnort der Versicherten als die nächstgelegene Apotheke. Diese räumliche Nähe sowie die Spezialisierung auf Hilfsmittel machen die Sanitätshäuser zu einem verlässlichen Versorgungspartner, der den steigenden Anforderungen gerecht wird.

Die Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln ist komplex und erfordert Fachwissen, eine individuelle Beratung sowie eine passgenaue Auswahl der Produkte. Die Sanitätshäuser sind darauf spezialisiert und verfügen über entsprechend geschulte Fachkräfte. Sie bieten Versicherten nicht nur Produkte an, sondern auch die erforderliche Betreuung und Einweisung, um die Gebrauchstauglichkeit sicherzustellen.

Mit dem Auslaufen des DAV-Vertrages hat sich die Versorgungslandschaft nicht verändert, sondern lediglich eine Verschiebung des Versorgungsweges stattgefunden. Apotheken können die Versorgung nicht mehr anbieten, doch die Versorgung der Versicherten bleibt durch das Netzwerk der Sanitätshäuser gesichert. Das trägt zur Entlastung der Apotheken bei und stärkt die Versorgungssicherheit insgesamt.

Diese Entwicklung zeigt exemplarisch, wie etablierte Strukturen im Gesundheitswesen auch bei Vertragsänderungen handlungsfähig bleiben und Versorgungslücken erfolgreich vermieden werden können. Die enge Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, Verbänden und Fachhandel ist dabei ein zentraler Erfolgsfaktor.

Ole Gustafsson fasst zusammen: „Unsere Mitglieder übernehmen die Versorgung zuverlässig und flächendeckend, sie sind nah am Versicherten und gewährleisten eine fachgerechte Hilfsmittelversorgung. Damit bleibt der Patient im Mittelpunkt – genau so, wie es sein soll.“

Die weitere Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, DAV und den Sanitätshäusern bleibt angesichts der sich wandelnden Rahmenbedingungen und gesetzlichen Anforderungen ein wichtiger Schwerpunkt. Ziel ist es, die Versorgungsprozesse weiterhin effizient, patientenorientiert und wirtschaftlich zu gestalten, um auch zukünftig eine hochwertige Versorgung mit medizinischen Hilfsmitteln sicherzustellen.

 

Pflegereform bleibt Teilkaskoversicherung, politische Prioritäten setzen auf bezahlbare Betreuung und private Vorsorge

Ministerin Warken dämpft Erwartungen an neue Leistungen, Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll bis Jahresende Lösungen erarbeiten

Die gesetzliche Pflegeversicherung wird nach Einschätzung von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auch in Zukunft nur einen Teil der anfallenden Pflegekosten abdecken können. „Die Pflegeversicherung bleibt eine Teilkaskoversicherung. Mehr zu versprechen wäre unrealistisch“, erklärte Warken im Gespräch mit der Funke-Mediengruppe. Damit dämpft die Ministerin die Hoffnungen auf eine Ausweitung der Leistungen und verdeutlicht die anhaltenden finanziellen Herausforderungen des Systems.

Warken betonte, dass es „keine neuen Leistungen geben wird“. Die Politik müsse jedoch Wege finden, um die Heimbetreuung bezahlbar zu halten, die private Vorsorge zu stärken und den Ausbau der ambulanten Pflege voranzutreiben. Diese Schwerpunkte sollen dazu beitragen, die Pflegeversorgung trotz steigender Kosten und demografischer Veränderungen stabil und tragfähig zu gestalten.

Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen kommt kommende Woche eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammen, deren konstituierende Sitzung am Montag in Berlin stattfindet. Neben Warken werden auch Familienministerin Karin Prien (CDU) und Vertreter der Länder an dem Gremium beteiligt sein. Die Arbeitsgruppe hat den Auftrag, bis Ende des Jahres einen konkreten Plan zu entwickeln, wie die Pflege bezahlbar und leistungsfähig bleibt. „Wir schicken die Pflegeversicherung in die Kur“, so Warken, die damit deutlich macht, dass eine umfassende Reform ansteht.

Die Pflegeversicherung zählt aktuell rund 5,6 Millionen Leistungsbezieherinnen und -bezieher. Nach einer Beitragsanhebung im laufenden Jahr wird für 2026 mit einer deutlichen Finanzlücke gerechnet. Das bestehende Defizit erfordert kurzfristige und langfristige Maßnahmen, die im Rahmen der Reform angegangen werden sollen.

Warken sieht den Gesetzgebungsprozess unmittelbar nach Jahreswechsel vor und macht damit klar, dass die Reform eine hohe politische Priorität hat. Neben der Finanzierungsfrage wird die Politik verstärkt auf eine Verbesserung der ambulanten Versorgung setzen, um den Pflegebedürftigen möglichst lange ein Leben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Zugleich wird die Förderung privater Vorsorge als essenzieller Baustein betrachtet, um die Lücke zwischen tatsächlichen Pflegekosten und gesetzlichen Leistungen zu schließen.

Die Ministerin warnt jedoch davor, falsche Erwartungen zu wecken. Die Pflegeversicherung sei per Konstruktion keine Vollkaskoversicherung, sondern eine Ergänzung zur privaten Vorsorge und familiären Unterstützung. Die Herausforderung besteht darin, dieses komplexe System nachhaltig zu gestalten, ohne die Beitragszahler übermäßig zu belasten.

Kritiker fordern bereits eine stärkere staatliche Beteiligung und eine umfassendere Reform, die auch Pflegekräfte besser bezahlt und die Qualität der Versorgung erhöht. Die Arbeitsgruppe muss diese vielfältigen Interessen in Einklang bringen und praktikable Lösungen entwickeln, die sozial ausgewogen und finanzierbar sind.

Die nächsten Monate werden zeigen, wie die Bund-Länder-Gruppe die schwierige Balance zwischen Leistungssicherung, Finanzierbarkeit und politischer Umsetzbarkeit meistern wird. Klar ist, dass die Pflegereform die gesellschaftliche Debatte und die politische Agenda in den kommenden Jahren prägen wird.

 

NSAR-Risiken, Kombinationsgefahren, individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung

Gefährliche Interaktionen bei nichtsteroidalen Antirheumatika und Warnhinweise in der Kassensoftware

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind eine der am häufigsten eingesetzten Medikamentengruppen weltweit. Sie dienen der Schmerz- und Entzündungshemmung bei Erkrankungen wie Arthrose, Rheuma, akuten Verletzungen oder anderen chronischen Schmerzzuständen. Die Popularität von NSAR beruht auf ihrer schnellen Wirksamkeit, guten Verfügbarkeit und dem breiten Spektrum an Einsatzgebieten. Dennoch sind NSAR mit einem nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungsprofil verbunden, das insbesondere das Risiko für gastrointestinale Blutungen einschließt. Obwohl diese Blutungen selten auftreten, können sie lebensbedrohliche Komplikationen verursachen und erfordern daher ein sorgfältiges Management und eine kritische Risikoabwägung im Behandlungsalltag.

Die pathogenetischen Mechanismen der NSAR-bedingten Blutungen sind eng mit der Hemmung der Cyclooxygenase-Enzyme (COX-1 und COX-2) verbunden. Diese Enzyme sind verantwortlich für die Synthese von Prostaglandinen, welche die Magenschleimhaut schützen, die Durchblutung regulieren und eine Rolle bei der Thrombozytenaggregation spielen. Die Hemmung dieser Enzyme durch NSAR führt zu einer Abnahme der schützenden Prostaglandine, was zu Schleimhautschäden, Erosionen und Ulzera führt. Insbesondere das COX-1-Enzym hat eine bedeutende Schutzfunktion der Magenschleimhaut. Eine langanhaltende NSAR-Therapie oder hohe Dosierungen verstärken dieses Risiko erheblich.

Der klinische Umgang mit diesem Risiko wird durch die Tatsache verkompliziert, dass viele Patienten NSAR in Kombination mit weiteren Medikamenten einnehmen, welche ebenfalls die Blutgerinnung beeinflussen oder die Schleimhautintegrität schwächen. Die häufigsten Begleitmedikationen, die das Blutungsrisiko zusätzlich erhöhen, sind Antikoagulanzien (wie Vitamin-K-Antagonisten und direkte orale Antikoagulanzien – DOAKs), Thrombozytenaggregationshemmer (beispielsweise niedrig dosiertes Acetylsalicylsäure), selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Glucocorticoide. Jedes dieser Arzneimittel beeinflusst unterschiedliche Aspekte der Hämostase oder der Schleimhautbarriere und ihre Kombination mit NSAR führt zu einer deutlich erhöhten Wahrscheinlichkeit für schwere Blutungskomplikationen, vor allem im Magen-Darm-Trakt.

Antikoagulanzien hemmen die Blutgerinnung, wodurch selbst kleine Schleimhautverletzungen zu lebensbedrohlichen Blutungen führen können. Die Kombination mit NSAR, welche bereits die Schleimhaut schädigen, ist daher besonders kritisch. Thrombozytenaggregationshemmer verhindern die Verklumpung von Blutplättchen, einem wichtigen Schritt bei der Blutstillung, wodurch das Risiko für Blutungen weiter steigt. SSRI können die Thrombozytenfunktion ebenfalls beeinträchtigen, da Serotonin in den Thrombozyten eine Rolle bei der Aktivierung spielt, und eine gleichzeitige Einnahme mit NSAR wird mit einem höheren gastrointestinalen Blutungsrisiko in Verbindung gebracht. Glucocorticoide wiederum begünstigen nicht nur Schleimhautatrophie, sondern wirken zudem immunsuppressiv, was die Wundheilung verzögert und ebenfalls zu einem erhöhten Blutungsrisiko beiträgt.

In der Praxis stoßen Apothekerinnen und Apotheker immer häufiger auf Warnhinweise in der Kassensoftware, wenn NSAR mit einer der genannten Substanzgruppen zusammen verordnet oder abgegeben werden. Diese Warnmeldungen sind ein wichtiges Instrument der Arzneimittelsicherheit, da sie helfen, potenzielle Risiken frühzeitig zu identifizieren und den pharmazeutischen Sachverstand in der Patientenberatung gezielt einzusetzen. Die Herausforderung besteht darin, diese Warnungen nicht pauschal als Abgabeverbot zu interpretieren, sondern als Aufforderung zu einer differenzierten, individuellen Nutzen-Risiko-Analyse.

Diese Analyse sollte mehrere Faktoren berücksichtigen: Zum einen die Schwere und Indikation der Erkrankung, die die NSAR-Therapie erfordert. Zum anderen die individuellen Risikofaktoren des Patienten, etwa Alter, Vorgeschichte mit gastrointestinalen Erkrankungen, begleitende Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Niereninsuffizienz, sowie die Gesamtheit der eingenommenen Medikamente. Die Apotheke kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie den Arzt kontaktiert, Hinweise auf mögliche Alternativen gibt oder prophylaktische Maßnahmen empfiehlt.

Ein wichtiger Bestandteil der Risikominimierung ist die gleichzeitige Gabe von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) zur Magenschutztherapie. Studien haben gezeigt, dass PPI das Risiko für NSAR-bedingte Ulzera und Blutungen signifikant senken können. Allerdings ist die Verschreibung von PPI ebenfalls individuell zu bewerten, da Langzeitanwendung mit eigenen Risiken verbunden sein kann, darunter ein erhöhtes Risiko für Infektionen, Nährstoffmangel oder Nierenschäden. Auch die konsequente Anwendung der niedrigsten wirksamen NSAR-Dosis über den kürzest möglichen Zeitraum gehört zum Risikomanagement.

Eine ergänzende Maßnahme ist die umfassende Patientenaufklärung. Patienten müssen informiert werden, welche Symptome auf eine Blutung hinweisen können, etwa schwarzer, teerartiger Stuhl, blutiges Erbrechen, ungewöhnliche Müdigkeit oder Schwindel. Eine frühzeitige medizinische Abklärung dieser Warnzeichen kann lebensbedrohliche Komplikationen verhindern.

Die Warnmeldungen in der Kassensoftware sind zweifellos ein Fortschritt für die Arzneimittelsicherheit, doch sie ersetzen nicht die individuelle pharmazeutische Kompetenz und die interprofessionelle Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker. Die Komplexität der Arzneimittelinteraktionen erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und sorgfältige Dokumentation. Die Kassensoftware sollte als Entscheidungshilfe verstanden werden, nicht als alleinige Entscheidungsinstanz.

Darüber hinaus zeigt sich ein Bedarf an weiteren Schulungen und Fortbildungen für pharmazeutisches Personal, um den sicheren Umgang mit NSAR und den Kombinationsrisiken besser zu vermitteln. Ebenso sollten Apothekerinnen und Apotheker Patienten hinsichtlich der Bedeutung der Medikamentenadhärenz, der Vermeidung von Selbstmedikation und der Einhaltung von Kontrolluntersuchungen sensibilisieren.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass NSAR trotz ihrer Risiken unverzichtbare Arzneimittel in der modernen Medizin sind. Ihr Potenzial zur Schmerz- und Entzündungshemmung trägt maßgeblich zur Lebensqualität vieler Patienten bei. Die Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen steigt jedoch insbesondere bei Kombinationstherapien mit Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmern, SSRI und Glucocorticoiden deutlich an. Die im Alltag zunehmend präsenten Warnhinweise der Kassensoftware helfen, die Risiken sichtbar zu machen und eine patientenzentrierte, individuelle Therapieentscheidung zu fördern. Nur durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten – Ärzte, Apotheker und Patienten – lässt sich ein sicherer und verantwortungsbewusster Umgang mit NSAR gewährleisten.

 

Apotheken wollen Klarheit, Kassen blockieren Gespräche, Vertrag endet 2024

Warum der LAV Niedersachsen den Sprechstundenbedarf neu verhandeln will, wie die Kassen auf Zeit spielen und was das für Apotheken bedeutet

Nach Jahren des Stillstands und wiederholter Frustration hat der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) Konsequenzen gezogen: Die Vereinbarung mit den Primärkassen zum Sprechstundenbedarf wurde zum Jahresende 2024 gekündigt. Damit eskaliert ein schwelender Konflikt, der für viele Apotheken längst zur Belastungsprobe geworden ist. „Die Krankenkassen halten uns seit Jahren hin“, sagt LAV-Vorsitzender Berend Groeneveld und formuliert damit nicht nur eine Verbandshaltung, sondern ein strukturelles Misstrauensverhältnis. Es geht um mehr als um Preise und Abrechnungen – es geht um Anerkennung, Augenhöhe und Versorgungssicherheit.

Der Sprechstundenbedarf – jene Arznei- und Hilfsmittel, die Ärztinnen und Ärzte nicht patientenindividuell, sondern pauschal für den Praxisbetrieb verordnen – ist organisatorisch komplex, ökonomisch sensibel und rechtlich oft interpretationsbedürftig. Die Apotheken, die ihn liefern, tragen die Risikohaftung, müssen Retaxationen befürchten und bleiben bei unklaren Regelungen auf unbezahlten Lieferungen sitzen. Jahrelang versuchte der LAV, mit den Primärkassen eine konstruktive und rechtsverbindlich klare Grundlage zu schaffen – vergeblich. „Es gab immer wieder Gesprächsansätze, aber keine substanziellen Fortschritte“, sagt Groeneveld. Deshalb der Schritt zur Kündigung.

Was folgt, ist ungewiss. Denn mit dem Auslaufen der Vereinbarung droht ab Januar 2025 ein vertragsloser Zustand – mit potenziellen Konsequenzen für alle Beteiligten. Apotheken könnten künftig rechtlich ungeschützt liefern, Kassen könnten in Streitfällen jede Erstattung verweigern, Ärztinnen und Ärzte könnten ihren Bedarf nicht mehr unkompliziert decken. Der LAV sieht diesen Schritt dennoch als notwendigen Befreiungsschlag. „Ohne neue Vereinbarung bleiben wir in einem Zustand permanenter Unsicherheit. Und das ist nicht länger tragbar“, betont der Verband.

Im Kern geht es um drei offene Punkte: erstens um die Klarstellung der Leistungsinhalte – also welche Produkte überhaupt als Sprechstundenbedarf gelten und unter welchen Bedingungen. Zweitens um verbindliche Lieferbedingungen – inklusive Fristen, Erstattungsmodalitäten und Rücknahmeverpflichtungen. Und drittens um die Abgrenzung zu Einzelfallverordnungen und die damit verbundene Retaxationssicherheit. Genau hier blockieren die Kassen seit Jahren verbindliche Regelungen – entweder aus Budgetschutz, aus politischer Zurückhaltung oder aus strategischer Trägheit.

Dabei ist der Bedarf an klaren Vereinbarungen nicht nur ein niedersächsisches Problem. In mehreren Bundesländern gelten unterschiedlich ausgestaltete Verträge, vielerorts ohne Aktualisierung oder mit einseitiger Lastenverteilung zulasten der Apotheken. Der Sprechstundenbedarf ist bundesweit ein Fragment aus föderalen Provisorien, ohne einheitliche Definition, ohne zentrale Rechtssicherheit, aber mit hoher Relevanz für die tägliche Versorgung. In der Praxis bedeutet das: Apotheken liefern regelmäßig in Vorleistung, wissen aber nie, ob und wann sie das Geld sehen – zumal bei Plausibilitätszweifeln durch die Kassen schnell ein Rückforderungsverfahren droht.

Dass der LAV Niedersachsen nun aus dem System aussteigt, hat Signalwirkung. Andere Landesverbände beobachten die Entwicklung aufmerksam. Sollte die Kündigung zu verbesserten Rahmenbedingungen führen, könnte das Modell Schule machen. Umgekehrt droht ein Flickenteppich an Nachfolgeregelungen oder gar ein Wegfall der Versorgung – mit realen Folgen für die Praxen. „Der Bedarf an Material, Desinfektionsmitteln oder Verbrauchsartikeln besteht ja weiter“, so Groeneveld. „Wenn die Apotheken nicht mehr liefern dürfen oder wollen, steht die ambulante Versorgung vor einem Engpass.“

Was bislang fehlt, ist eine konstruktive Reaktion der Primärkassen. Zwar wurden Gespräche für Herbst 2024 angekündigt – doch konkrete Vorschläge liegen nicht auf dem Tisch. Der LAV verlangt vor allem Rechtssicherheit für Apotheken. Die bisherige Praxis, in Grauzonen zu arbeiten und jede Interpretation im Nachhinein zu sanktionieren, sei nicht länger akzeptabel. Inoffiziell heißt es von Kassenseite, man wolle „kein Präjudiz für andere Bundesländer schaffen“. Doch dieses Argument offenbart ein tiefgreifendes Dilemma: Der Föderalismus der Versorgung trifft auf die Zentralität der Finanzlogik. Und zwischen beiden liegt das operative Risiko bei den Apotheken – ohne Netz und doppelten Boden.

Die Kündigung des LAV ist daher nicht nur ein formaler Schritt, sondern ein politisches Statement. Sie zeigt, dass die Geduld in der Fläche am Ende ist. In einer Zeit, in der Apotheken gleichzeitig Lieferengpässe managen, Personalmangel kompensieren und Digitalisierungspflichten stemmen müssen, ist ein belastbarer vertraglicher Rahmen kein Bonus, sondern Überlebensbedingung. Es geht um Planungssicherheit, um fairen Umgang, um Verlässlichkeit im Tagesgeschäft.

Und es geht um Prinzipien: Wer Apotheken als Partner in der Daseinsvorsorge begreift, darf sie nicht mit juristischen Leerstellen und ökonomischen Risiken alleinlassen. Wenn diese Botschaft aus Niedersachsen bundesweit verstanden wird, könnte die Kündigung der Anfang eines Systemwandels sein. Wenn nicht, bleibt sie ein regionaler Protest – mit offenem Ausgang und wachsender Unzufriedenheit.

 

Mangel ist nicht die Regel, Beratung ist kein Verkauf, Prävention braucht Maß

Warum Mikronährstoffe nicht mit der Gießkanne verteilt werden dürfen, wie evidenzbasierte Beratung Risiken senkt und welche Verantwortung Apotheken jetzt tragen

Mikronährstoffe gehören zu den populärsten Präventionsmitteln unserer Zeit – und zugleich zu den am meisten missverstandenen. Was in Werbung und Lifestyle-Ratgebern als Gesundheitsgarant gilt, entpuppt sich bei genauerem Blick häufig als überdosiert, unpassend oder schlicht überflüssig. Dr. Julia Podlogar, Ernährungswissenschaftlerin und wissenschaftliche Fachreferentin, warnt eindringlich vor dem unkritischen Einsatz von Vitaminen, Spurenelementen und Co. Auf der Interpharm in Stuttgart forderte sie eine radikale Wende hin zu einem differenzierten, patientenorientierten Umgang: „Nicht jeder braucht alles. Und nicht jeder profitiert von mehr.“

Ihre Kernbotschaft: Der Übergang zwischen sinnvoller Prävention und schädlichem Mikronährstoff-Übereifer ist fließend. Der aktuelle Markt suggeriere Sicherheit und Universalität, wo in Wahrheit Kontraindikationen, Interaktionen und medizinische Relevanz differenziert geprüft werden müssten. Eine zu hohe Eisenaufnahme etwa könne Entzündungen fördern, zu viel Vitamin A Leberschäden begünstigen, zu viel Zink die Kupferaufnahme blockieren. „Die Grenze zwischen Nutzen und Schaden ist bei Mikronährstoffen oft enger als bei klassischen Arzneimitteln“, so Podlogar. Was dabei helfe, sei keine pauschale Empfehlung, sondern gezielte Risikoanalyse.

In ihrer Interpharm-Präsentation forderte Podlogar deshalb, Mikronährstoffberatung in Apotheken künftig evidenzbasiert und individualisiert zu gestalten – mit klaren Leitlinien, Labordiagnostik als Grundlage und dem Mut, in vielen Fällen auch vom Verkauf abzuraten. Ziel sei nicht die Ankurbelung des OTC-Markts, sondern die tatsächliche Verbesserung der Gesundheitsvorsorge, besonders bei Risikogruppen: ältere Menschen, chronisch Kranke, Schwangere oder stark eingeschränkte Essverhalten. „Wenn wir alles gleich verteilen, erreicht der Mangel nie den, der ihn wirklich hat“, formulierte sie.

Besonders kritisch sieht Podlogar die „Gießkannenstrategie“ in Werbung, Apothekenpraxis und Laienkommunikation. Der Markt boomt – laut Zahlen des IQVIA lag der Umsatz mit Nahrungsergänzungsmitteln 2023 bei über 2,7 Mrd. Euro. Doch nur ein Bruchteil der Verkäufe sei medizinisch gerechtfertigt. Vieles sei Ausdruck diffuser Gesundheitsängste, medialer Trends und wachsender Selbstmedikation. „Gerade in Krisenzeiten steigt der Glaube an einfache Lösungen. Mikronährstoffe bedienen diesen Wunsch – aber oft ohne Substanz.“

Das bedeutet jedoch nicht, dass Supplementierung pauschal zu verteufeln sei. Im Gegenteil: Bei gezieltem Einsatz kann sie präventiv wirksam sein – etwa bei Vitamin-D-Mangel im Alter, Folsäure in der Frühschwangerschaft oder Jod bei Schilddrüsenunterfunktion. Entscheidend sei, diese Einsatzgebiete korrekt zu erkennen, mögliche Nebenwirkungen zu bewerten und eine realistische Erwartungshaltung zu formulieren. „Wir brauchen in Apotheken eine neue Kultur der Beratung – weg von der Produktorientierung, hin zur Problemerfassung“, forderte Podlogar. Nur so lasse sich die Brücke schlagen zwischen wissenschaftlicher Evidenz, patientenzentrierter Versorgung und unternehmerischer Verantwortung.

Gerade in Apotheken, so Podlogar, sei die Chance groß: Kundennähe, Fachwissen und Vertrauen bildeten eine ideale Grundlage für fundierte Präventionsarbeit. Doch dazu brauche es strukturelle Veränderung – etwa Schulungskonzepte, Checklisten, Dokumentationssysteme und die Bereitschaft, nicht immer ein Produkt zu empfehlen. „Verantwortungsvolle Beratung heißt manchmal auch: nichts verkaufen.“

Ein weiterer Aspekt ihrer Kritik betrifft die Wechselwirkungen mit Medikamenten. Viele Patienten wissen nicht, dass Magnesium die Aufnahme von Antibiotika hemmen kann, dass Kalzium in hohen Dosen Thiazide beeinflusst oder dass Vitamin-K-Präparate die Wirkung von oralen Antikoagulanzien kompromittieren. „Mikronährstoffe sind keine harmlosen Zusätze. Sie sind pharmakologisch aktiv – und gehören deshalb auch unter pharmazeutische Kontrolle“, so Podlogar. Sie plädiert für eine stärkere Integration der Mikronährstoffbewertung in die Medikationsanalyse.

Zugleich stellt sie klar, dass nicht alle Versorgungslücken durch Beratung allein geschlossen werden können. Strukturelle Faktoren wie Armut, soziale Isolation, Essstörungen oder fehlender Zugang zu Gesundheitsleistungen blieben zentrale Risikotreiber für Mangelzustände. Mikronährstoffe seien hier bestenfalls ein Bestandteil, aber nie die Lösung an sich. „Prävention muss systemisch gedacht werden – nicht als Produkt, sondern als Prozess.“

Dass die Nachfrage nach Mikronährstoffen in der breiten Bevölkerung steigt, zeigt das Bedürfnis nach Gesundheitskontrolle in unsicheren Zeiten. Doch aus professioneller Perspektive bedeute das auch: mehr Verantwortung, mehr Differenzierung, mehr Gegenrede gegen populäre Mythen. Die Interpharm in Stuttgart hat diese Debatte bewusst angeschoben – mit Podlogars Vortrag als kritischem Impuls. Jetzt liegt es an den Apotheken, diese Impulse in ihre Praxis zu übersetzen.

 

Polio kehrt im Abwasser zurück, Impflücken weiten Risiko, stille Übertragung droht

Warum alte Impfviren neue Lähmungen auslösen können, welche Rolle Deutschland spielt und wie die Pandemie die Vorsorge weltweit zurückgeworfen hat

Noch immer sind keine Krankheitsfälle dokumentiert, doch die Signale aus den Kläranlagen deutscher Großstädte verdichten sich: Nach den jüngsten Polioviren-Nachweisen im Abwasser warnt das Robert Koch-Institut (RKI) davor, die zunehmende Evidenz möglicher Mensch-zu-Mensch-Übertragungen zu unterschätzen. Auch wenn eine lokale Infektionskette bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, halten die Fachleute eine Übertragung in Deutschland inzwischen für „zunehmend wahrscheinlicher“. Was wie eine stille Randmeldung erscheinen mag, ist in Wahrheit Ausdruck eines komplexen epidemiologischen Rückfalls mit internationaler Tragweite – und einer beunruhigenden Leerstelle in der Impfprävention der Gegenwart.

Schon seit Ende 2024 finden sich regelmäßig Spuren sogenannter zirkulierender impfstoffabgeleiteter Polioviren (cVDPV2) in deutschen Kläranlagen – zunächst in sieben Städten, mittlerweile auch in Stuttgart, womit zehn Orte regelmäßig getestet werden. Die Viren gehören laut RKI alle zum selben Cluster, das sich auch in Spanien und Polen verbreitet – und lassen sich auf den jahrzehntelangen Einsatz lebender, abgeschwächter Erreger in Schluckimpfstoffen zurückführen. Obwohl Deutschland diese orale Vakzinierung 1998 aussetzte und seitdem auf den inaktivierten Polioimpfstoff (IPV) umstieg, bleibt die indirekte Infektionsgefahr bestehen: Denn IPV schützt zuverlässig vor Krankheit, aber nicht vor Infektion oder Weitergabe des Virus. Damit verwandeln sich Geimpfte in potenziell symptomlose Überträger – besonders problematisch in Gesellschaften mit sinkender Impfquote, wachsender Impfmüdigkeit und erhöhter Mobilität.

Was bislang fehlt, ist der harte Beweis für eine autochthone Kette – also eine Übertragung innerhalb Deutschlands. Doch die epidemiologische Wahrscheinlichkeit spricht eine klare Sprache: In vier Städten wurden die gleichen Erreger mehrfach nachgewiesen, über Monate hinweg. „In Anbetracht der langen Dauer des Geschehens und der Nachweise an verschiedenen Standorten ist es wahrscheinlicher, dass zumindest lokal begrenzt eine Übertragung zwischen Menschen stattfindet“, so RKI-Präsident Prof. Dr. Lars Schaade. Eine erneute Einschleppung aus dem Ausland sei zwar ebenfalls denkbar, könne aber das anhaltende Vorkommen kaum vollständig erklären. Vielmehr droht eine stille Kettenreaktion – getrieben durch Impflücken, unerkannte Infizierte und systemische Schwächen der Surveillance.

Besonders alarmierend ist dabei der Blick auf die Impfstatistik: Nur 21 Prozent der Einjährigen in Deutschland verfügen laut RKI über einen vollständigen Polio-Impfschutz. Bei den Zweijährigen sind es zwar 77 Prozent – doch auch dieser Wert liegt unterhalb der notwendigen Schwelle für eine belastbare Herdenimmunität. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Grundimmunisierung mit drei IPV-Dosen im Säuglingsalter und eine Auffrischung im Jugendalter. Doch gerade nach der Pandemie zeigen sich empfindliche Lücken: Weltweit wurden Routineimpfungen ausgesetzt oder aufgeschoben – ein Umstand, der die Reaktivierung still zirkulierender Impfviren massiv befördert hat. Die WHO sieht inzwischen besonders afrikanische Länder durch cVDPV-Ausbrüche gefährdet, auch weil dort mangels Ressourcen weiterhin auf die Schluckimpfung zurückgegriffen wird.

Dieser globale Rückschritt trifft auch Europa. Schon 2022 wurde in New York ein Fall paralytischer Polio gemeldet, zurückgeführt auf eine mutierte Impfviruslinie. Und jede bekannte Erkrankung steht statistisch für mindestens 200 symptomlose Infektionen – was die Unsichtbarkeit des Problems noch dramatischer macht. Anders als beim Wildtyp, der sich nur noch in Afghanistan und Pakistan findet, zeigen sich bei cVDPV-Stämmen neue Infektionsmuster in Regionen mit zuvor erfolgreicher Polio-Kontrolle. Dass Deutschland darunterfällt, ist ein Menetekel für die politische Impfvorsorge.

Ein weiteres Risiko ergibt sich aus den veränderten Übertragungswegen. Zwar gelten Polioviren klassisch als fäkal-oral übertragbar, doch in hochentwickelten Ländern mit guter Wasserhygiene tritt laut RKI zunehmend die Tröpfcheninfektion über die Atemwege in den Vordergrund. Das Virus nistet sich zunächst im Rachen ein – ein Bereich, in dem es leicht weitergegeben werden kann, lange bevor es den Darm erreicht und ausgeschieden wird. Diese Erkenntnis ändert auch die Rolle ärztlicher und pharmazeutischer Versorgungseinrichtungen: Sie werden zu Frühwarnsystemen, in denen nicht nur klassische Symptome, sondern auch atypische Verlaufsformen aktiv detektiert werden müssen.

Dass Poliomyelitis keine abstrakte Bedrohung ist, sondern eine potenziell lähmende, irreversible Erkrankung, wird in der medizinischen Praxis manchmal verdrängt. Bei ungeimpften Erwachsenen kann die Krankheit in seltenen Fällen tödlich verlaufen – etwa wenn die Atemmuskulatur betroffen ist. Schon bei grippeähnlichen Symptomen muss bei fehlender Immunität oder Auslandsaufenthalten an Polio gedacht werden. Ärzte und Labore sind deshalb aufgerufen, ihre Diagnostik konsequent auf Enteroviren zu erweitern und Verdachtsfälle dem Gesundheitsamt zu melden.

Hinter der deutschen Debatte um den vermeintlich historischen Charakter der Kinderlähmung verbirgt sich also eine doppelte Illusion: Erstens, dass eine ausgestorbene Krankheit keine Bedrohung mehr darstellt. Und zweitens, dass eine hohe Durchimpfungsrate auf dem Papier reicht, um reale Infektionsketten zu unterbrechen. Die neuen Abwasserdaten widerlegen beides. Sie zeigen: Polioviren kennen keine Grenzen, weder geografisch noch medizinisch. Was sie eindämmt, ist keine Selbstverständlichkeit – sondern eine bewusste Entscheidung für Prävention, Surveillance und politische Wachsamkeit.

 

Glosse: Zwischen Hanfdampf und Haushaltsloch, Identitätsfragen und Didgeridoo

Wie Apotheken Rituale neu erfinden, Milliardenforderungen an der Pflege rütteln und selbst Pflaster ihre Haltung zeigen

Henrik Falkenberg-Zumsand war nie ein Freund halber Sachen. Schon gar nicht, wenn es um seine Apotheke geht. Und erst recht nicht, wenn das Bundesgesundheitsministerium die Spielregeln für Medizinalcannabis neu schreibt. Als die Gesundheitsministerkonferenz beschloss, dass künftig nur noch nach persönlichem Erstkontakt mit einem Arzt Cannabis verordnet werden darf, gab es zwei Sorten Apotheker: die einen stöhnten, die anderen strickten neue Konzepte. Falkenberg-Zumsand gehörte zu Letzteren.

Innerhalb weniger Wochen verwandelte er seine "Zumsand-Apotheke" in eine Art grüne Oase mit therapeutischem Chillfaktor. Statt Flurmusik dudelt nun Vinyl aus den 1970ern, Lavendel mischt sich mit Terpenen in der Raumluft, und der Beratungstresen erinnert mehr an eine Mischung aus Altar und Teeküche als an einen Ort pharmazeutischer Aufklärung. Die übliche Zweiteilung von Verkauf und Backoffice wich einer Dreifaltigkeit: Kasse, Kompressionsware, Kontemplation.

Der Star der neuen Aufstellung ist die sogenannte "Philosophenschlange". Sie beginnt morgens noch gemächlich mit einzelnen Gestalten, die sich schulterklopfend begrüßen. Doch gegen Mittag entwickelt sie eine Dynamik, die irgendwo zwischen Pilgerweg und Street-Festival liegt. Man wartet, man spricht, man tauscht: Sortenempfehlungen, Podcasts, Hanfbutterrezepte. Zwischen Platz 4 und 9 gibt es einen inoffiziellen Tauschkosmos für vegane Riegel, kleine Notizhefte, Halbedelsteine. Bei Platz 10 sitzt ein Mann mit Didgeridoo. Kein Scherz.

"Die Leute wollen nicht einfach nur Medizin – sie wollen ein Ritual", sagt Falkenberg-Zumsand, während er seinen Hanfblütentee umrührt. Im umgestalteten Beratungsraum, hinter einem Fadenvorhang in Regenbogenfarben, empfängt die PTA mit sanfter Stimme, dampfender Teetasse und einer bedächtigen Frage: "Wie fühlen Sie sich heute mit Ihrer Dosis?" Die Patienten danken es ihr. Mit Geduld. Mit Fragen. Mit einer nie gekannten Entspannung. Man bleibt länger, man spricht mehr. Man konsumiert achtsamer.

Der Umbau hat sich gelohnt. Nicht nur wirtschaftlich. "Wir arbeiten ganz anders. Wir reden über Sinn und Wirkung, über Lebensweise, über Achtsamkeit. Und wir haben endlich Zeit dafür." Inzwischen kooperiert die Apotheke mit dem Bio-Bäcker, der auf Kassenbons Croissants ausgibt, mit dem Yogastudio, das Rabatt für Patienten gewährt, und mit der Tankstelle, die an die Nebenwirkung Appetit glaubt. "Da geht richtig was."

Doch der regulatorische Hintergrund ist alles andere als romantisch. Grund für die Neuerung ist der florierende Missbrauch über Online-Plattformen. Schnellrezepte ohne jede Beratung, Algorithmen statt Anamnese. Die Bundesapothekerkammer warnte, die Politik reagierte. Selbst Dr. Cannova, einst Vorreiter im digitalen Verschreibungswesen, zieht inzwischen gegen dubiose Mitbewerber vor Gericht. Aus Wildwest wird Rechtsstaat. Aus Fernversorgung wird Nahbetreuung. Und aus Cannabis wird eine Art Prüfstein für die Rolle der Vor-Ort-Apotheke.

Parallel fliegen die Fetzen an anderer Stelle: Die DAK fordert Corona-Zuschüsse zurück – ganze 5,2 Milliarden Euro, die aus der Pflegekasse abgeflossen sein sollen. Rechtswidrig, so die Kasse. Rückzahlung jetzt oder Beitragserhöhung bald. Und da stellt sich die Frage: Wo bleibt eigentlich die Achtsamkeit beim Haushaltsvollzug? Während die Apotheke auf Atmung setzt, atmet die Finanzlage der Pflegeversicherung schwer. Ob da ein bisschen Hanftee helfen würde?

Derweil bemüht sich ein MS-Patient aus München um seine eigene Form der Selbstoptimierung: Er reichte laut Gericht Quittungen für nie abgeholte Privatrezepte ein – 25-mal. Schaden: 150.000 Euro. Strafmaß: Bewährung. Und eine Pflastermarke aus Niederbayern hat ihren eigenen Aufreger zu verdauen: Die Proben enthielten einen diskreten, aber gut sichtbaren Werbeslogan: "Jetzt bei Dropla". Nicht in einem Beipackzettel, sondern direkt im Pflastermäppchen. Die Sonnenwinkel-Apotheke reagierte mit Humor, der Hersteller Medisano Labs mit Erklärung: Verwechslung.

Wer bei all dem auf Bodenhaftung hofft, muss nach Nordhafen blicken. Die Prisma-Apotheke zeigt Flagge. Im Pride Month gibt es hier nicht nur Regenbogen-Aufsteller, sondern auch Beratung für alle Lebenslagen – queerfreundlich, offen, unaufgeregt. Doch nicht jeder teilt die Freude: Im Netz hagelt es Kritik. Sichtbarkeit ist keine Einbahnstraße. Auch das ist Teil des Alltags, den eine Apotheke heute mitverhandelt. Zwischen Kompressionsstrumpf und Cannabiskeks, zwischen Impfstoff und Identität.

Und irgendwo in diesem Kaleidoskop aus Vorschrift und Vertrauen, Missbrauch und Musik, Pflaster und Positionierung zeigt sich, was Apotheke eben auch sein kann: Ein Ort, der Veränderung zulässt, weil er sich selbst verändert. Nicht als Pose, sondern als Haltung. Nicht nur bei Nebel aus Hanfdampf, sondern auch in klarer Luft.

Und sollte man glauben, das sei ein rein urbanes Phänomen, irrt man gewaltig. Denn längst sind auch kleinere Orte auf den Geschmack gekommen. In Bad Bergfeld etwa wurde das Konzept der Cannabis-Lounge-Apotheke mit regionaler Prägung kombiniert: Hier trifft Schwarzwälder Kirsch auf Cannabis-Kirschblüte, und die Beratung erfolgt mit Blick auf Streuobstwiesen. Mancherorts gibt es inzwischen Wartelisten für Gesprächssitzungen mit der "grünen Theke".

Selbst Fortbildungen tragen inzwischen Titel wie "Terpene & Temperamente" oder "Patientengespräche im Aroma-Flow". Die Berufsverbände reagieren verhalten optimistisch. "Die Entwicklungen sind interessant und zeigen, wie wandelbar unsere Branche ist", sagt eine Sprecherin des Bundesverbandes der Beratenden Pharmazeutinnen. Auch die Nachfrage nach Zusatzqualifikationen im Bereich Phytotherapie und Cannabinoid-Kompetenz hat sprunghaft zugenommen.

Und ganz leise, aber deutlich, meldet sich ein neuer Typ Apotheke zu Wort: einer, der nicht nur ausliefert, sondern einlädt. Der nicht abschottet, sondern aufmacht. Der nicht vorgibt, sondern zuhört. Der Hanf nicht als Ausrede sieht, sondern als Anstoß. Zu Gesprächen, zu Beratung, zur Selbstvergewisserung. Vielleicht ist diese grüne Welle mehr als ein Trend. Vielleicht ist sie der Anfang einer neuen Beratungskultur. Mit oder ohne Didgeridoo.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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