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  • 30.06.2025 – Demenzrisiko sinkt durch Impfung, Studiendesign entscheidet über Evidenz, internationale Daten stützen Wirkung
    30.06.2025 – Demenzrisiko sinkt durch Impfung, Studiendesign entscheidet über Evidenz, internationale Daten stützen Wirkung
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Australiens Stichtagsregel zeigt: Herpes-Zoster-Impfung kann das Demenzrisiko senken. Eine quasiexperimentelle Studie liefert starke Evi...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Demenzrisiko sinkt durch Impfung, Studiendesign entscheidet über Evidenz, internationale Daten stützen Wirkung

 

Wie Australiens Stichtagsregel zur Herpes-Zoster-Impfung neue Maßstäbe setzt, quasiexperimentelle Forschung Kausalpfade sichtbar macht und Vergleichsstudien aus Wales den Trend bestätigen

Apotheken-News von heute

Ein Impfangebot auf Basis eines festen Geburtsdatums entschied in einer groß angelegten australischen Studie darüber, ob eine Person Anspruch auf die Herpes-Zoster-Impfung erhielt – und genau dieser scheinbar formale Stichtag wurde zur methodischen Grundlage für ein quasiexperimentelles Studiendesign, das nun belegt, dass die Demenzwahrscheinlichkeit in der impfberechtigten Gruppe über Jahre hinweg signifikant geringer war, wobei typische Verzerrungen wie Selbstselektion, Gesundheitsbewusstsein oder sozioökonomische Unterschiede systematisch ausgeschlossen wurden, was die Ergebnisse in besonderer Weise belastbar macht, denn nicht nur die Gesamtinzidenz war gesenkt, sondern auch spezifische Demenzformen wie Alzheimer und vaskuläre Demenz traten seltener auf, wobei die Forschenden Hinweise auf neuroimmunologische Schutzprozesse fanden, die über die reine Zosterprävention hinausgehen könnten, international relevant wird die Arbeit durch Parallelen zur walisischen Zosterstudie, die ähnliche Effekte bei anderem Studiendesign zeigte, aber methodisch schwächer abgesichert ist, sodass die australische Studie als paradigmatisches Beispiel dafür gilt, wie kalendarische Regelungen in der Bevölkerung als natürliche Kontrollvariablen dienen können, um Kausalzusammenhänge sichtbar zu machen, mit Auswirkungen auf die Präventionspolitik, das Verständnis von Impfmechanismen und die Frage, welche anderen Impfstrategien – etwa gegen Influenza oder Pneumokokken – ähnlich überprüft werden könnten, wenn Studiendesign, Zielindikator und Gesundheitsdaten konsequent verknüpft werden.

 

Löhne stagnieren, Verantwortung steigt, Reformen bleiben aus

Warum Apothekenpersonal kaum über Mindestlohnniveau liegt, wie Arbeitsdruck und Inflation die Branche destabilisieren und welche strukturellen Reformen überfällig sind

Es ist ein Missverhältnis, das längst strukturelle Züge angenommen hat: Während die Anforderungen an Apothekenkräfte stetig wachsen – von Beratung und Rezeptprüfung über Medikationsmanagement bis hin zur Umsetzung pharmazeutischer Dienstleistungen – bewegt sich die tarifliche Vergütung für PKA und PTA bedrohlich nahe am gesetzlichen Mindestlohn. Dabei ist das Berufsbild von Präzision, Verantwortung und interdisziplinärer Kommunikation geprägt. Die Realität jedoch: Im ersten Berufsjahr verdient eine PKA im ADA-Tarif 2306 Euro brutto – umgerechnet etwa 13,64 Euro pro Stunde, was 2026 gerade noch 15 Cent über dem Mindestlohn läge. PTA erhalten 2569 Euro – nicht einmal 100 Euro mehr. Dass diese Zahlen in einem sicherheitsrelevanten Gesundheitsberuf Gültigkeit besitzen, grenzt an arbeitsmarktpolitischen Zynismus.

Die Adexa warnt mit Nachdruck: Die Kluft zwischen Verantwortung und finanzieller Anerkennung wird größer – nicht nur in der Wahrnehmung der Mitarbeitenden, sondern auch in deren Lebensrealität. Denn mit steigenden Lebenshaltungskosten, höheren Energiepreisen und der prognostizierten Anhebung des Mindestlohns auf 14,60 Euro bis 2027 droht das tarifliche Gehaltsgefüge in die Bedeutungslosigkeit zu rutschen. Noch schwerwiegender: Die fehlenden Spielräume auf Arbeitgeberseite. Selbst wer seine Mitarbeitenden fair entlohnen will, steht häufig mit dem Rücken zur Wand. Denn das Fixhonorar stagniert – seit Jahren. Die Betriebskosten steigen, der bürokratische Aufwand wächst, die Erlöse hingegen stagnieren. Hinzu kommen massive Personalengpässe, anhaltende Lieferengpässe und die zunehmende Konkurrenz durch digitale Versandanbieter mit niedrigeren Kostenstrukturen.

Die Forderung nach strukturellen Reformen ist deshalb keine strategische Kür, sondern eine betriebliche Notwendigkeit. Doch die politischen Versprechen der vergangenen Jahre – sei es im Kontext von Sonntagsreden, Pandemie-Einsätzen oder Versorgungsgipfeln – blieben bislang weitgehend folgenlos. Das derzeitige Modell pharmazeutischer Dienstleistungen bringt zwar punktuelle Mehreinnahmen, reicht jedoch weder für einen substanziellen Ausbau der Personalkapazitäten noch für nachhaltige Gehaltssteigerungen. Reformvorschläge wie ein neues Fixhonorar, ein Grundkostenzuschlag, eine regionale Komponente für ländliche Apotheken oder ein Ende des Skonto-Verbots liegen auf dem Tisch. Allein: Sie verharren dort. Die Adexa bringt erneut die Idee einer Personalzulage von 80 Cent je Rx-Packung ins Spiel – als fest verankerter Lohnbestandteil, unabhängig von Marktschwankungen.

Gerade diese Personalzulage wäre ein Paradigmenwechsel: Sie würde den Beschäftigten erstmals direkt eine feste, zweckgebundene Entlohnungskomponente zusprechen und die Debatte um „gerechte Bezahlung“ aus der tarifpolitischen Defensive holen. Doch selbst dieser vergleichsweise bescheidene Vorschlag scheitert bislang am politischen Willen. Währenddessen verlieren Apotheken ihre Mitarbeitenden an besser bezahlte Berufe außerhalb der Gesundheitsversorgung. Was bleibt, sind wachsende Versorgungsdefizite – und eine Berufsgruppe, die immer stärker in der Lücke zwischen Systemanspruch und Systemvergütung zerrieben wird.

Das Grundproblem bleibt ungelöst: Wer eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherstellen will, muss auch bereit sein, die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger im System so zu vergüten, dass sie bleiben, wachsen und Verantwortung tragen können. Andernfalls wird die wohnortnahe Versorgung zum Zufallsprodukt – abhängig vom Idealismus Einzelner, nicht von systemischer Stabilität. Und dieser Zustand ist mit der Idee eines modernen Gesundheitswesens unvereinbar.

 

Gedisa steigt aus, Apotheken verlieren Steuerungsmöglichkeit, E-Rezept-Suche wird undurchsichtig

Warum der NGDA-Verzeichnisdienst stillsteht, Apotheken ihre Sichtbarkeit verlieren und digitale Patientenpfade ins Leere laufen

Gedisa stellt die Weichen neu – allerdings in eine Richtung, die viele Apotheken ins digitale Abseits stellt. Seit Anfang Juni stellt die Gesellschaft für digitale Services der Apotheken (Gedisa) keine Apothekendaten mehr für den ApoVZD zur Verfügung, jenes Apothekenverzeichnis, das Patientinnen und Patienten über die Gematik-E-Rezept-App eine neutrale Suche nach der Apotheke ihres Vertrauens ermöglichen sollte. Was technisch zunächst wie ein einfacher Rückzug aussieht, hat in der Versorgungsrealität weitreichende Folgen: Apotheken verlieren damit eine zentrale Möglichkeit, ihre digitalen Präsenzinformationen selbstständig zu pflegen und zu steuern. Das betrifft Öffnungszeiten, Botendienste, pharmazeutische Angebote – kurz: die Mehrwertdaten, die Patient:innen helfen sollten, zielgerichtet zu entscheiden, wo sie ihr E-Rezept einlösen wollen.

Hintergrund des Rückzugs ist offenbar ein struktureller Systemwechsel. Die NGDA als Betreiberin des ApoVZD hatte ursprünglich die Anbindung der Apotheken über die Gedisa koordiniert, deren Aufgabe es war, als zentrale Schnittstelle zwischen Apothekenbetrieb und digitaler Infrastruktur zu agieren. Nun wurde dieser Zugriff abgeschaltet, ohne dass eine gleichwertige Alternative eingerichtet wurde. Apothekeninhaber:innen erfahren lediglich, dass Anpassungen derzeit nicht mehr möglich seien. Für ein System, das auf Echtzeit, Transparenz und Wettbewerbsgleichheit ausgerichtet sein sollte, ist das ein Rückschritt mit Signalwirkung. Denn was nicht aktualisiert werden kann, wirkt nicht nur unprofessionell, sondern verliert im digitalen Vergleich schlicht an Sichtbarkeit.

Auch für die Plattformlogik der Gematik ergeben sich unbequeme Fragen: Wenn Patient:innen künftig über die App keine vollständigen oder aktuellen Informationen mehr finden, untergräbt dies das Vertrauen in die E-Rezept-Infrastruktur insgesamt. Apotheken hingegen stehen unter doppeltem Druck. Einerseits haben sie die Aufgabe, sich digital positioniert und zugänglich zu zeigen – andererseits wird ihnen genau diese Sichtbarkeit ohne Vorwarnung entzogen. Das wirft Fragen zur Governance des digitalen Gesundheitswesens auf. Wer entscheidet über die Datenpfade, wer kontrolliert die Zugänglichkeit – und wer haftet, wenn Patientensteuerung durch Systemlücken ins Leere läuft?

Hinzu kommt die intransparente Kommunikation. Weder die Gematik noch die NGDA äußerten sich bisher konkret zu einer Übergangslösung. Auch eine Rückmeldung der ABDA blieb bislang aus. Dabei wäre gerade jetzt Orientierung gefragt. Denn viele Apotheken hatten sich im Vertrauen auf eine funktionierende Schnittstelle aktiv darum bemüht, ihre Profilinformationen aktuell zu halten – aus Servicegründen, aber auch als Beitrag zur digitalen Gleichbehandlung mit Versandapotheken. Diese Hoffnung wurde nun jäh durchkreuzt. Nicht technisches Versagen, sondern regulatorische Stilllegung ist der Grund – und das ausgerechnet in einer Phase, in der das E-Rezept auf breite Akzeptanz angewiesen ist.

Was bleibt, ist eine klassische Versorgungslücke im digitalen Raum. Wenn die Datensouveränität der Apotheken vom Wohlwollen zentraler Plattformakteure abhängt, entsteht ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Anspruch und Realität. Sichtbarkeit wird zur Zufallsgröße, Steuerung zur Blackbox. Für einen Gesundheitsmarkt, der sich Digitalisierung auf die Fahnen schreibt, ist das ein fatales Signal. Wer ernsthaft Wettbewerbsgleichheit zwischen Präsenz- und Versandstrukturen herstellen will, muss Apotheken auch den digitalen Zugang zur Patientenentscheidung sichern. Alles andere ist Datenpolitik ohne Patientenfokus – und Digitalisierung ohne Ziel.

 

Vertragsbindung endet nicht, Vertrauensverlust wächst, Versorgungsstruktur bleibt beschädigt

Wie eine Apothekenschließung zur juristischen Endlosschleife wird, die Gedisa stur auf Vertragspflichten pocht und die Frage nach Fairness neu gestellt werden muss

Als Julia Kielhorn im Mai vergangenen Jahres die Tür ihrer Humme-Apotheke in Groß Berkel zum letzten Mal hinter sich schloss, war der Schritt endgültig. Die wirtschaftlichen Grundlagen fehlten, die Perspektiven ebenso. Die Betriebsaufgabe war formal korrekt, der Rückzug durchgeplant. Gewerbeabmeldung, Apothekenbetriebslizenz, Kammermeldung – alle relevanten Instanzen wurden informiert. Ein Jahr später allerdings steht Kielhorn erneut vor einem Problem, das sie längst hinter sich glaubte: Die Gedisa – die gemeinsame Dienstleistungsgesellschaft der Apotheken – fordert weiterhin Geld. Und zwar für eine Apotheke, die es nicht mehr gibt.

Was auf den ersten Blick wie ein bedauerlicher Verwaltungsfehler wirken könnte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als systemisch verankerte Inflexibilität. Denn obwohl keine Daten mehr gepflegt werden, kein Betrieb mehr existiert und keine Patient:innen mehr betreut werden, besteht die Gedisa auf Vertragserfüllung. Nach Darstellung von Kielhorn handelt es sich nicht nur um eine unverständliche Nachforderung, sondern um eine hartnäckige Weigerung, die Beendigung des Vertragsverhältnisses trotz nachgewiesener Betriebsaufgabe anzuerkennen. Die einst für Mehrwertdatenpflege im Apothekenverzeichnisdienst (ApoVZD) eingesetzte Vertragskonstruktion wird zur Fessel – ohne Ausstiegsklausel, ohne Kulanz.

Der Fall wirft grundsätzliche Fragen auf: Welche Verantwortung tragen gemeinschaftliche IT-Dienstleister gegenüber ihren Apothekenmitgliedern, wenn sich Lebensrealitäten ändern? Wie flexibel darf oder muss ein Vertrag sein, wenn der zugrunde liegende Betrieb nicht mehr existiert? Und wie wirkt sich ein derart starrer Umgang auf das Vertrauensverhältnis zwischen Standesorganisationen und Betriebsinhabern aus?

In einer Branche, die ohnehin unter Nachwuchsmangel, Überlastung und wachsender Betriebsaufgabe leidet, wirkt jeder zusätzliche Konflikt wie ein Brandbeschleuniger. Wenn selbst die ordentliche Schließung einer Apotheke nicht zum Abschluss von Verträgen führt, ist nicht nur die Frage nach Vertragstreue, sondern auch nach Systemlogik zu stellen. Denn was bedeutet es, wenn ehemalige Betreiber:innen in einer Art Zwangsbindung verbleiben – finanziell, vertraglich und organisatorisch?

Kielhorn spricht offen aus, was viele Apothekeninhaber:innen denken, aber selten öffentlich formulieren: dass die Interessenlage der Dienstleister mitunter konträr zu denen der Apotheken steht. Dass Formalismus über Flexibilität triumphiert. Und dass selbst der Abschied aus dem Berufsalltag nicht automatisch zur Ruhe führt, sondern zu neuer rechtlicher Unruhe. Der Fall markiert damit nicht nur ein juristisches Dilemma, sondern ein strukturelles Symptom.

 

Versorgungsengpass rechtlich beendet, Versorgung faktisch begrenzt, Verantwortung politisch vertagt

Wie das BMG den Mangel bei Antibiotikasäften aufhebt, das BfArM auf kritische Wirkstoffe verweist und strukturelle Fragen ungeklärt bleiben

Der seit April 2023 geltende Versorgungsmangel bei antibiotikahaltigen Säften für Kinder ist nach offizieller Bewertung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nicht mehr gegeben – jedenfalls nicht in genereller Form. Doch was auf den ersten Blick wie eine Entwarnung wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als abgestufter Kompromiss: Zwar wurde mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 26. Juni die formale Aufhebung verkündet, doch gleichzeitig bleiben vier Wirkstoffe auf der Mangel-Liste – namentlich Erythromycin, Clindamycin, Cotrimoxazol und Cefuroxim. Diese Differenzierung führt zu einer paradoxen Lage: Die strukturelle Engpasslage wurde rechtlich für beendet erklärt, während in der pharmazeutischen Praxis eine kritische Versorgungssituation weiter besteht.

Der Beirat zur Bewertung der Versorgungslage mit Arzneimitteln hatte die Aufhebung des Mangels im Vorfeld unter mehreren Bedingungen an das BMG zurückgemeldet. Dazu gehörten eine vollständige Erfassung der noch verfügbaren Lagerbestände, Rückmeldungen aus dem Großhandel zur Verfügbarkeit von Importpräparaten sowie die Auswertung der Stellungnahmen zur sogenannten Dringlichkeitsliste vom April 2025. Diese formalisierte Risikoprüfung war Bedingung für eine differenzierte Neubewertung – mit dem Ziel, einen Übergang von der Krisenkommunikation zur Regelversorgung zu gestalten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bestätigte diesen Übergang, betonte jedoch explizit die noch bestehenden Lücken. Die Formulierung des Hauses Lauterbach bleibt dabei auffällig zweigleisig: „Ein genereller Versorgungsmangel besteht nicht mehr“, lautet die Schlusspassage – ein Satz, der durch die gleichzeitig aufrechterhaltene Engpassmeldung bei vier Wirkstoffen seine Tragweite relativiert.

Was aus pharmazeutischer Sicht bleibt, ist ein Restrisiko für bestimmte Therapiebereiche – insbesondere bei Infektionen, die den Einsatz dieser spezifischen Wirkstoffe erfordern. Der Markt zeigt sich hier weiterhin anfällig: Engpässe sind nicht zwangsläufig beseitigt, nur weil die Rechtslage sie nicht mehr als solche anerkennt. Die politischen Beweggründe für die formale Aufhebung liegen auf der Hand: Der Wunsch nach Entspannung der Lage im öffentlichen Diskurs, die Rückkehr zu regulierten Marktmechanismen und eine Entlastung der Melde- und Koordinierungsinstanzen standen sichtbar im Vordergrund. Für Apotheken und pädiatrische Praxen hingegen bleibt die Herausforderung bestehen, Versorgung unter Restmangelbedingungen flexibel zu organisieren – mit Kompromissen bei der Wirkstoffauswahl, erhöhter Lagerhaltung und individueller Rücksprache mit Großhändlern.

Der Fall illustriert exemplarisch, wie die Lücke zwischen formaler Mangellogik und realer Versorgungspraxis in der Arzneimittelpolitik des Bundes immer wieder sichtbar wird. Er verweist auf strukturelle Grundprobleme – von der Importabhängigkeit über die Verfügbarkeit kindgerechter Arzneiformen bis hin zur mangelhaften Bevorratung im Generikamarkt. Dass ausgerechnet Cotrimoxazol und Cefuroxim, zwei klassische Mittel bei Atemwegs- und Harnwegsinfektionen, weiterhin kritisch eingestuft werden, unterstreicht die Versorgungsrelevanz der verbleibenden Lücken. Auch Clindamycin, häufig bei bakteriellen Haut- und Weichteilinfektionen eingesetzt, bleibt ein unverzichtbarer Wirkstoff, dessen eingeschränkte Verfügbarkeit unmittelbare Auswirkungen auf Therapieentscheidungen hat.

Für Apotheken bedeutet das: Der operative Alltag bleibt angespannt. Zwar kann der formale Entfall des generellen Mangels zur Entlastung in der Dokumentationspflicht führen, doch ersetzt er nicht die Praxisprobleme, die durch Lieferengpässe bei spezifischen Präparaten fortbestehen. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne Wirkstoffe erneut auf die Mängelliste gesetzt werden, sollte sich die Lage wieder verschärfen. Die angekündigte engmaschige Beobachtung durch das BfArM deutet bereits darauf hin, dass die aktuelle Bewertung nur eine Zwischenstation darstellt. Das strukturelle Problem der Arzneimittelverfügbarkeit bleibt bestehen – auch nach Beendigung des akuten Mangels.

 

Vertrag gekündigt, Versorgung gefährdet, Politik gefordert

Warum Apotheken den Sprechstundenbedarf streichen, Praxen vor Lücken stehen und Krankenkassen nicht reagieren

Ab dem 11. Februar 2026 ist für viele Arztpraxen in Niedersachsen Schluss mit dem gewohnten Versorgungsweg: Apotheken im Bundesland werden auf absehbare Zeit keinen Sprechstundenbedarf mehr an Praxen abgeben – zumindest nicht für Versicherte mehrerer gesetzlicher Krankenkassen. Der Landesapothekerverband Niedersachsen (LAV) zieht damit die Reißleine in einem lang schwelenden Konflikt, der weniger durch akute Engpässe als durch chronische Verweigerung der Kassen gekennzeichnet ist. Mit der fristgerechten Kündigung der Anlage 1 zum Arzneiversorgungsvertrag – konkret gegenüber der AOK Niedersachsen, dem IKK-Landesverband, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der Seekrankenkasse – fehlt künftig die juristische Grundlage für Belieferung und Abrechnung.

Die Konsequenzen sind absehbar und treffen das Versorgungssystem in einem sensiblen Bereich: Impfstoffe, Verbandsmaterialien, Injektionsbedarf und sonstige Praxisverbrauchsmittel, die bislang über die Apothekenlogistik liefen, sind ab Mitte Februar 2026 nicht mehr über die öffentliche Apotheke abrechenbar. Auch wenn sich das Problem vordergründig „nur“ auf bestimmte Kassen bezieht, entfaltet es weitreichende Signale – nicht zuletzt, weil der LAV explizit betont, man reagiere auf eine politische Hinhaltetaktik, nicht auf Einzelfälle.

Seit dem Jahr 2017 – so LAV-Vorstand Berend Groeneveld – laufen die Gespräche mit den Kassen ins Leere. Die Vergütungssätze für Apotheken im Bereich Sprechstundenbedarf seien seit mehr als zehn Jahren unverändert, jegliche Anläufe für eine vertragliche Neuordnung blieben folgenlos. Die Vorschläge der Krankenkassen seien „entweder ignorant oder bewusst fehlinterpretiert“, eine „Hinhaltetaktik, die man nicht länger hinnehmen wolle“, so Groeneveld.

Die Kündigung der Anlage bedeutet nicht nur einen Verwaltungsakt, sondern eine strategische Eskalation. Der LAV betont, man habe den Schritt bewusst als einzig verbleibende Option gewählt, um Verhandlungsmacht aufzubauen. „Verhandlungen sind jederzeit möglich“, sagt Groeneveld, aber sie müssten endlich ernsthaft geführt werden. Mit dieser Formulierung ist klar: Man will politischen Druck erzeugen – auf die Kassen ebenso wie auf die Gesundheitspolitik im Land.

Die Versorgungssicherheit in den Praxen steht nun zumindest für einige Wochen ab Februar infrage. Zwar sei die aktuelle Grippesaison im Herbst 2025 noch nicht betroffen, doch perspektivisch geht es um mehr: um die Rolle der Apotheke als verlässliche Logistikinstanz im Primärversorgungssystem, um den betriebswirtschaftlichen Rahmen von Praxisbelieferung und um die Frage, ob Krankenkassen überhaupt bereit sind, mit Vertragspartnern auf Augenhöhe zu verhandeln.

Der LAV setzt mit seiner Entscheidung ein Signal, das auch über Niedersachsen hinaus Wirkung entfalten könnte. Denn Sprechstundenbedarf ist kein isoliertes Landesphänomen, sondern bundesweit geregelter Teil der Versorgungsketten zwischen Arztpraxis, Apotheke und Kasse. Eine systematische Unterfinanzierung in einem dieser Glieder destabilisiert zwangsläufig das Ganze. Dass ausgerechnet in einem Bundesland mit hoher Versorgungsdichte der Rückzug erfolgt, zeigt, wie ernst die wirtschaftliche Lage der Apotheken inzwischen ist.

 

Dividende nur für Großabnehmer, Genossenschaft unter Erwartungsdruck, Marktstrategie mit Signalwirkung

Wie Sanacorp die Umsatzgrenze für Dividenden drastisch anhebt, was das für kleinere Apotheken bedeutet und welche strategischen Brüche sich daraus ergeben

Sanacorp verändert ihre Dividendenpolitik grundlegend – und stößt damit eine strukturelle Debatte in der genossenschaftlichen Apothekenwelt an. Ab dem Geschäftsjahr 2026 erhalten Mitglieder die volle Dividende nur noch, wenn sie einen jährlichen Umsatz von mindestens 1 Million Euro mit dem Pharmagroßhändler erreichen. Bisher lag die Schwelle bei 600.000 Euro. Diese Entscheidung fiel auf der jüngsten Vertreterversammlung – und markiert nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der genossenschaftlichen Leistungslogik.

Was als betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Maßnahme begründet wird, stellt für viele kleinere Apotheken einen Bruch dar. In einer Zeit, in der inhabergeführte Betriebe zunehmend unter Druck stehen, wirkt die Anhebung der Schwelle wie ein institutioneller Fingerzeig: Wer für die Genossenschaft zählt, ist groß, effizient und wachstumsfähig. Der Mittelstand, der in vielen Regionen das Rückgrat der Versorgung bildet, gerät so ungewollt ins Hintertreffen – nicht aus Prinzip, sondern aus Schwellenlogik.

Sanacorp begründet die Maßnahme mit dem Ziel, die genossenschaftliche Ertragsverteilung noch stärker an das individuelle Engagement und die wirtschaftliche Partnerschaft zu knüpfen. Mitglieder mit hohen Umsätzen trügen überproportional zur Kapitalbildung und Investitionsfähigkeit bei – dementsprechend sollen sie auch überproportional am Ergebnis beteiligt werden. Doch dieser Ansatz verlagert die Solidargemeinschaft in Richtung Marktpartnerschaft – ein Risiko, das strategisch kalkuliert scheint, aber in der Fläche Friktionen erzeugt.

Gerade in strukturschwachen Regionen, wo Umsatzgrenzen von einer Million Euro kaum realistisch sind, stellt sich die Frage nach der genossenschaftlichen Gleichbehandlung. Die neue Schwelle ist nicht bloß ein Zahlenwert – sie ist ein Selektionsinstrument. Apotheken, die unter dieser Grenze liegen, erhalten zwar weiterhin eine Dividende, aber nicht mehr in voller Höhe. Das erzeugt ein Zwei-Klassen-System innerhalb der Mitgliederstruktur – mit potenziell langfristigen Folgen für Loyalität, Bindung und Geschäftsvolumen.

Insider berichten, dass die Entscheidung intern bereits seit längerem vorbereitet wurde. Die aktuelle Vertreterversammlung war daher weniger Bühne für Debatte als vielmehr formaler Schlusspunkt. Der neue Kurs soll strategische Freiräume schaffen, um Kapital für Digitalisierung, Lieferfähigkeit und strategische Expansion zu mobilisieren. Doch mit dem Fokus auf starke Kunden riskiert Sanacorp, genau jene Strukturen zu vernachlässigen, die das Unternehmen über Jahrzehnte getragen haben: die breite, heterogene Basis kleiner und mittlerer Apothekenbetriebe.

Das Signal ist klar: Wer wachsen will, ist willkommen – wer stagniert, wird geduldet. Die Dividendenanpassung ist damit auch eine indirekte Wachstumsaufforderung an die Mitglieder. Ob alle diesen Weg mitgehen können oder wollen, ist ungewiss. Sicher ist nur: Die Schwelle ist gefallen – und mit ihr ein Teil jener Unterscheidung, die Genossenschaft von Kapitalgesellschaft bisher trennte.

 

Tat trifft Versorgung, Sucht trifft Recht, Urteil trifft Systemgrenze

Wie ein Apothekenüberfall mit Schreckschusswaffe verhandelt wurde, warum Suchtdruck strafmildernd wirkt und welche Lücken im Sicherungssystem bestehen

Er kam nicht mit einem Messer, sondern mit einer Schreckschusspistole – und dennoch war die Bedrohung real. Am 6. Januar betrat ein 22-jähriger Mann die Apotheke in Heiligenhafen mit einem klaren Ziel: Er verlangte zunächst Opiate, dann Bargeld. Doch der Zugriff auf die gewünschten Substanzen blieb ihm verwehrt – mangels Anwesenheit des Apothekenleiters. Der Überfall blieb im Versuch stecken, endete aber nicht folgenlos. Anfang Juni stand der Mann vor dem Amtsgericht Oldenburg in Holstein. Das Urteil: zwölf Monate Freiheitsstrafe, zur Bewährung ausgesetzt. Die Richter sahen in seinem Verhalten den Tatbestand der versuchten schweren räuberischen Erpressung erfüllt, ließen aber entscheidende mildernde Umstände einfließen: Drogenabhängigkeit, fehlende Vorstrafen, Einsichtsfähigkeit – und vor allem der dokumentierte Suchtdruck, der den Mann zur Tat trieb.

Was wie ein Einzelfall erscheint, verweist auf eine tieferliegende Systemspannung: Apotheken geraten zunehmend in die Konfliktzone zwischen Gesundheitsversorgung und sozialer Gefährdung. Die Verfügbarkeit rezeptpflichtiger Wirkstoffe, insbesondere opioidhaltiger Präparate, macht sie in den Augen suchtabhängiger Täter zu Zielorten – auch dann, wenn der Bestand gesichert, das Personal geschult und der Zugang limitiert ist. In Heiligenhafen schützte der Zufall: Dass weder Bargeld noch Opiate zugänglich waren, entschärfte die Eskalation. Doch der Vorfall wirft Fragen auf – juristisch, sozial, institutionell.

Denn der Fall zeigt exemplarisch, wie psychisch instabile oder suchtkranke Täter in juristische Grenzbereiche geraten. Die Justiz sucht nach einem Mittelweg zwischen Abschreckung und Resozialisierung, zwischen öffentlichem Sicherheitsinteresse und individueller Deliktsmotivation. Der Begriff des „starken Suchtdrucks“ wird dabei zum Dreh- und Angelpunkt: nicht als Freibrief, aber als strafmildernde Variable. Die Bewährungsstrafe zielt auf Kontrolle statt Repression, auf therapeutische Maßnahmen statt Haft. Für das Apothekenpersonal jedoch bleibt das Restrisiko bestehen – und das Gefühl, im Dienst der Versorgung auch potenziell Zielscheibe zu sein.

Parallel stellt sich die Frage, ob Apotheken infrastrukturell und psychologisch ausreichend gegen solche Szenarien gewappnet sind. Viele Betriebe setzen auf diskrete Notfallpläne, Videotechnik und Schulungskonzepte. Doch wo massive Personalengpässe, Schichtverdichtung und fehlende psychologische Betreuung zusammentreffen, reichen technische Vorkehrungen oft nicht aus. Der Heiligenhafener Fall belegt zudem: Auch wenn keine reale Schusswaffe im Spiel war, genügt allein die Androhung von Gewalt, um das subjektive Sicherheitsgefühl massiv zu erschüttern – und juristisch relevante Tatbestände zu erfüllen. Die Einstufung als versuchte schwere räuberische Erpressung ist Ausdruck dieser Wertung.

Aus Sicht der Versorgungssicherheit markiert der Vorfall zugleich eine Schwelle, die Apotheken immer häufiger tangieren: die Verschmelzung von gesundheitlicher Dienstleistung und psychosozialem Konfliktraum. Die Rolle der Apotheken wandelt sich in diesem Spannungsfeld: vom Arzneimittelversorger zum potenziellen Krisenakteur, vom Beratungsort zum Ort der Abwehr, vom Heilberuf zur Schnittstelle zwischen Sucht, Sozialpolitik und innerer Sicherheit. Ob ein Jahr Bewährung der richtige Ausgleich für eine bewaffnete Bedrohung darstellt, lässt sich juristisch begründen – politisch und präventiv bleibt die Frage offen.

 

Dermatologie braucht Standorte, Stiftungspraxen brauchen Köpfe, Nachwuchsmedizin braucht Sicherheit

Wie Elxleben zum Erfolgsbeispiel gegen Ärztemangel wird, Stiftung und KV den Versorgungsauftrag schultern und junge Ärztinnen ein Modell mit Perspektive finden

In Elxleben an der Gera hat die Stiftung ambulante ärztliche Versorgung Thüringens eine neue Hautarztpraxis eröffnet – ein regionaler Lückenschluss mit symbolischer Strahlkraft. Die dermatologische Versorgung im Kreis Sömmerda war bislang unzureichend, zuletzt standen 1,5 offene Kassensitze ohne Nachfolge zur Verfügung. Mit dem Einstieg der Dermatologin Uta Zell im Juni und der angekündigten Verstärkung durch Julia Blumentritt ab Oktober füllt die Stiftung nun genau diese Lücke. Was auf den ersten Blick wie ein lokaler Fortschritt erscheint, ist in Wahrheit Teil eines strategisch angelegten Stiftungsmodells, das nicht nur Versorgung stabilisiert, sondern zugleich eine Brücke zwischen Studium und Niederlassung schlägt.

Insgesamt unterhält die Stiftung derzeit neun Praxen im Freistaat. Ihre Struktur ist dabei weit entfernt vom klassischen Einzelkämpferbild: Ärztinnen und Ärzte werden angestellt, Verwaltung und Personalführung übernimmt die Stiftung. So entstehen sichere Räume für junge Mediziner, die noch keine eigene Praxis gründen wollen – oder schlicht vor dem finanziellen Risiko zurückschrecken. In einer Zeit, in der Praxisnachfolger im ländlichen Raum kaum noch zu finden sind, wird das Modell zur unverzichtbaren Versorgungsoption. Laut Kassenärztlicher Vereinigung Thüringen sind derzeit fünf Vertragsarztsitze für Hautärzte unbesetzt. Dass sich daraus nicht automatisch neue Niederlassungen ergeben, liegt nicht nur an den Standortbedingungen, sondern oft auch an der Angst vor unternehmerischer Verantwortung in einem zunehmend reglementierten Gesundheitssystem.

Das Stiftungskonzept greift diesen Punkt auf: Es überführt medizinische Verantwortung in institutionelle Trägerschaft, ohne das ärztliche Berufsbild auszuhöhlen. Die Nachwuchsmediziner erleben Praxisführung in der Realität – begleitet, nicht allein. Wer später übernehmen will, kann dies tun. Wer lieber langfristig angestellt bleibt, findet ebenso seinen Platz. Die Stiftung wird so zur Weiterbildungsstruktur für den ländlichen Raum, zur Niederlassungsschule mit Backup.

Seit 2009 wurden durch die Stiftung bereits 19 Praxen aufgebaut, zwei davon erst vergangenes Jahr in Gotha – eine dermatologisch, eine rheumatologisch. Inzwischen zeigt sich: Das Modell wirkt nicht nur kurzfristig versorgungsstabilisierend, sondern langfristig attraktiv für ärztliche Biografien, die sonst ins Krankenhaus oder in städtische Strukturen abgewandert wären. In Thüringen sind über 4300 Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen niedergelassen – Tendenz alternd. Die Stiftung reagiert nicht mit Appellen, sondern mit Strukturen. Die KV Thüringen und der Freistaat handeln hier gemeinschaftlich, fördern gezielt, bauen Personalbindung auf. Elxleben ist also nicht nur eine neue Adresse auf der Versorgungskarte – sondern ein präziser Impuls für Systemresilienz.

 

Vorsorge braucht Struktur, Einsatzkräfte brauchen Sicherheit, Pandemien brauchen Vorbereitung

Wie Rheinland-Pfalz mit einem zentralen Materiallager Lehren aus Corona zieht, Versorgungssicherheit aufbaut und Millionen in stille Resilienz investiert

Rheinland-Pfalz investiert vorausschauend in die unsichtbaren Sicherheiten eines Tages, der hoffentlich nie kommt – und gerade darum vorbereitet sein muss. Mit dem neu eröffneten Landesmateriallager in Andernach schafft das Land auf über 3.200 Quadratmetern Fläche die strukturelle Grundlage für den Schutz der Bevölkerung bei einem erneuten pandemischen Ereignis. Was auf Paletten lagert, sind nicht bloß Masken, Handschuhe und Schutzanzüge – es sind Lehren aus einem kollektiven Schockmoment, konserviert in Kartons, eingerahmt von logistischer Systematik und finanzieller Entschlossenheit. Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) erklärte bei der Eröffnung des Depots, dass Normalität nicht mit Nachlässigkeit verwechselt werden dürfe: Die Erinnerung an Corona sei kein abgeschlossenes Kapitel, sondern eine fortdauernde Verpflichtung, aus Versäumnissen von gestern die Handlungsfähigkeit von morgen zu entwickeln.

Rund 9,3 Millionen Euro flossen in Bau und Ausstattung des Depots, dessen Funktion über das bloße Lagern hinausgeht: Im Notfall kann von hier aus binnen Stunden systemrelevante Schutzkleidung an Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Polizei und Hilfsdienste ausgegeben werden. Es ist eine logistische Schaltstelle für das Undenkbare – keine Mahnmalarchitektur, sondern ein betriebsbereiter Vorsorgekern. Die geplante Materialreserve umfasst unter anderem 5,4 Millionen einfache Mund-Nasen-Masken, 1,6 Millionen FFP2-Masken, über 10 Millionen Einweghandschuhe sowie mehr als eine halbe Million Schutzanzüge. Damit entspricht der Lagerbestand nicht nur einem Bevorratungsanspruch, sondern einem strategisch differenzierten Einsatzszenario für unterschiedliche Risikogruppen und Berufsgruppen im Ernstfall.

Alexander Wilhelm, Geschäftsführer des Landeskrankenhauses, bezeichnete das neue Lager als „Ort der Verlässlichkeit“ – eine Begriffswahl, die bewusst sachlich und betont technokratisch klingt, um die Dimension des Projekts nicht als Angstreflex, sondern als Rationalantwort auf strukturelle Fragilität zu rahmen. Denn längst ist klar: Krisen sind kein Ausnahmezustand mehr, sondern ein infrastrukturell zu berücksichtigendes Risiko, das sich in die regulären Planungshorizonte von Gesundheitswesen, Innenbehörden und Katastrophenschutz eingeschrieben hat.

Gerade Apotheken, Arztpraxen und Krankenhäuser haben während der ersten Corona-Wellen erlebt, was es heißt, auf spontane Eigeninitiative, Restbestände oder improvisierte Hilfslieferungen angewiesen zu sein. Heute, fünf Jahre später, lautet die politische Botschaft: Dieses Szenario soll sich nicht wiederholen. Die neue Struktur ist eine Antwort auf die strategische Achillesferse vergangener Pandemiewellen: das Fehlen gesicherter Materialreserven. Im Alltag soll das Lager turnusgemäß rotieren, um ablaufbedingten Materialverlust zu vermeiden – etwa durch planmäßige Auslieferungen an das Landeskrankenhaus. Damit wird die Vorratshaltung zur Versorgungslogik im Normalbetrieb – ein Präventionsprinzip, das sich der Wirtschaftlichkeit unterordnet, aber das Risiko langfristig minimiert.

Diese Investition – mit 8,2 Millionen Euro für Baukosten und weiteren 1,1 Millionen Euro für Ausstattung – ist nicht frei von Kontroversen. Denn eine „Investition in das Niemals“ wird politisch leicht als Symbolpolitik missverstanden. Doch genau hier zeigt sich der Paradigmenwechsel: Nicht mehr nur akute Ereignisse legitimieren Infrastruktur, sondern deren Möglichkeit. Vorbereitet zu sein wird selbst zum politischen Wert, jenseits von Wahltaktik oder Ressourcennutzung. Die Pandemie hat gelehrt: Wer auf Vorrat denkt, handelt nicht verschwenderisch – sondern verantwortungsvoll.

Die politische Signalwirkung dieses Lagers ist deshalb größer als seine Grundfläche. Es geht um mehr als Schutzausrüstung – es geht um Vertrauen in Staatlichkeit, Verlässlichkeit und den Schutz gesellschaftlicher Funktionsfähigkeit. Im Kleinen zeigt Andernach, was im Großen geplant werden muss: eine strukturierte, sektorübergreifende Vorsorgekultur, die nicht auf den Ernstfall wartet, sondern ihn systematisch vorwegnimmt. Das Materiallager ist kein Mahnmal – aber ein logistisches Gewissen.

 

Demenzprävention durch Impfung, Studiendesign als Schlüssel, internationale Bestätigung durch Vergleichsdaten

Wie eine Stichtagsregel in Australien den Einfluss der Herpes-Zoster-Impfung auf Demenz zeigt, warum quasiexperimentelle Forschung mehr sagt als Korrelationen und was die Parallelen zur Wales-Studie bedeuten

Ein kurzer Moment im Leben – etwa der Zeitpunkt des 80. Geburtstags – entscheidet in einer groß angelegten australischen Studie darüber, ob ein Mensch Anspruch auf eine Herpes-Zoster-Impfung erhält oder nicht. Und genau dieser Moment hat für über 100.000 untersuchte Patient:innen möglicherweise eine erhebliche Bedeutung für ihr späteres Leben: Die Wahrscheinlichkeit, in den folgenden Jahren an Demenz zu erkranken, lag bei jenen, die impfberechtigt waren, spürbar niedriger. Das entscheidende Prinzip: keine Selbstselektion, keine Lifestyle-Verzerrung, sondern eine quasi-natürliche Trennung durch ein kalendarisches Kriterium.

Die Wissenschaftler:innen nutzten ein sogenanntes Regressions-Diskontinuitäts-Design, das durch den Vergleich der Jahrgänge knapp vor und knapp nach einem willkürlichen Stichtag kausale Aussagen über den Impfeffekt erlaubt. In diesem Fall wurde die Herpes-Zoster-Impfung – ein Lebendimpfstoff gegen Gürtelrose – ab dem 1. November 2016 kostenfrei für alle 70- bis 79-Jährigen in Australien angeboten. Personen, die kurz zuvor 80 geworden waren, erhielten keine kostenlose Impfung. Die Analyse dieser zufällig wirkenden Entscheidung ergab: Bei impfberechtigten Menschen war das Risiko einer späteren Demenzdiagnose innerhalb von 7,4 Jahren um 1,8 Prozentpunkte geringer.

Was auf den ersten Blick klein wirken mag, ist aus epidemiologischer Perspektive erheblich – denn Demenz ist ein multifaktorielles Syndrom mit vielen nicht beeinflussbaren Ursachen. Der beobachtete Effekt trat auf, obwohl es zwischen den verglichenen Gruppen keine Unterschiede bei anderen chronischen Erkrankungen, bei der Inanspruchnahme präventiver Leistungen oder der medizinischen Basisversorgung gab. Damit lässt sich ein Impfeffekt mit hoher Wahrscheinlichkeit isolieren.

Noch relevanter wird diese Erkenntnis durch die Vergleichbarkeit mit einer bereits 2022 veröffentlichten Studie aus Wales. Auch dort war ein quasiexperimentelles Stichtags-Design Grundlage für die Analyse – auch dort zeigte sich: Menschen, die gegen Herpes Zoster geimpft wurden, erkrankten seltener an Demenz. Die Ähnlichkeit der Methodik und der Ergebnisse führt die Autor:innen der aktuellen australischen Publikation zu einem bemerkenswerten Schluss: Der Schutzmechanismus sei nicht nur plausibel, sondern in der realen Versorgung messbar.

Die Studie „Herpes Zoster Vaccination and Dementia Occurrence“ wurde unter anderem von der Stanford University und der Universität Heidelberg gemeinsam mit australischen Forschungszentren durchgeführt und im Fachjournal JAMA veröffentlicht. Die Erkenntnis: Impfprogramme, deren Nutzen bisher primär in der Verhinderung akuter Infektionskrankheiten lag, könnten deutlich tiefgreifendere Auswirkungen auf die neurodegenerative Langzeitgesundheit haben.

Diese Interpretation setzt freilich voraus, dass die beobachteten Effekte keine versteckten Confounder abbilden – etwa unterschiedliche Gesundheitssorgen, Impfmotivation oder sozioökonomische Muster. Doch genau hier bietet das Regressions-Diskontinuitäts-Design einen Vorteil: Es vermeidet typische Verzerrungen, indem es natürliche Zufallsmuster nutzt. Die Impfquote stieg bei den impfberechtigten Jahrgängen um 16,4 Prozentpunkte – ein klarer Unterschied, der den zentralen Parameter der Analyse bildet.

Im gesundheitspolitischen Kontext legt die Studie nahe, dass die Prävention neurodegenerativer Erkrankungen nicht nur durch kognitive Aktivität, Blutdruckkontrolle oder Lifestyle-Faktoren, sondern auch durch gezielte Impfstrategien beeinflusst werden kann. Für die Apothekenpraxis bedeutet das: Impfberatung ist mehr als Schutz vor Infektion – sie könnte ein Baustein in der Demenzprävention sein, vor allem in älteren Bevölkerungsgruppen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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