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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News von heute
Förderprogramme, die an betriebswirtschaftliche Oberflächendaten gekoppelt sind, erzeugen strukturelle Marktverzerrungen, weil sie Leistungsrealität ignorieren, Filialverbünde begünstigen und kleinteilige Apotheken durch Intransparenz aus der Teilhabe drängen, während gleichzeitig regulatorische Entwicklungen wie NIS-2 neue Pflichten auferlegen, die insbesondere digital eingebundene Apotheken unter operativen Umsetzungsdruck setzen, was wiederum Versicherungsschutz, Betriebsunterbrechung und Haftung tangiert – eine Entwicklung, die ohne strategische Standortpolitik, differenzierte Absicherung und bewusst geführte Kommunikation nicht zu bewältigen ist, zumal interne Steuerungselemente wie Jahresgespräche oft vernachlässigt werden, obwohl sie Vertrauen, Klarheit und Bindung sichern könnten, während Authentizität im Beratungsgespräch zur Erfolgsgrundlage wird und regulatorische Vorgaben wie das Abgabeverbot von Jumbopackungen neue Retaxfallen öffnen, die nur mit Präzision, Dokumentation und Struktur gemeistert werden können, wie einst ARMIN in der Versorgungsrealität vormachte, nun aber strukturell verwaist bleibt, während sich auf Genossenschaftsebene Sanacorp mit klarer Dividendenstruktur neu positioniert und auch gesundheitspolitische Debatten etwa zur hygienischen Bewertung von Bärten zeigen, dass zwischen Image, Evidenz und Praxis ein professioneller Bewertungsmaßstab fehlen kann.
Skalendruck verändert Marktstrukturen, Förderlogik unterschätzt Dynamik, Standortpolitik muss strategischer denken
Warum Förderstrategien ohne Wirkungsprüfung verpuffen, wie Umsatzverlagerung Filialisten stärkt und was Einzelapotheken jetzt differenziert absichern müssen
Es ist ein scheinbar vertrautes Bild: Die Großen wachsen, die Kleinen verlieren an Boden. Seit Jahren bestätigen die Statistiken diese Entwicklung, und doch greift die Interpretation meist zu kurz. Denn was in aggregierten Zahlen als Fortschrittslogik erscheint, offenbart sich in der Versorgungsrealität oft als systemisches Ungleichgewicht. Marktmechanismen strukturieren nicht einfach um – sie verschieben Verantwortung. Und genau da beginnt das Problem.
Filialverbünde gewinnen, weil sie Ressourcen bündeln, weil ihre Prozesse glattlaufen, weil ihre Kosten skalieren. Ihre betriebswirtschaftliche Effizienz ist messbar, ihre Expansionskraft kaum zu übersehen. Doch was unter dem Radar verschwindet, ist das, was diese Entwicklungen verdrängen: Nahversorgung, menschliche Bindung, standortnahe Beratung. Das ist nicht bilanziert, aber wirksam. Und doch – wer fragt danach?
Denn während die politischen Förderinstrumente vordergründig auf Erhalt drängen, fehlt es ihnen im Kern an Differenzierungsfähigkeit. Sie fördern sichtbar – nicht relevant. Unterstützt wird, was sich legitimieren kann. Doch Legitimität entsteht heute durch Größe, nicht durch Funktion. Das verzerrt die Logik. Die Fläche verliert, wo niemand hinschaut. Und sie verliert doppelt, wenn auch noch Förderung daran geknüpft wird, was sich in großen Zahlen ausdrücken lässt. Versorgung als Statistikwert – das ist die eigentliche Gefahr.
Für kleine Apotheken bedeutet das nicht nur wachsenden wirtschaftlichen Druck, sondern auch eine schleichende Erosion ihrer politischen Sichtbarkeit. Wer sich nicht professionalisiert in seiner Außendarstellung, wer nicht belegen kann, welchen Beitrag er tatsächlich zur Daseinsvorsorge leistet, wird in dieser Förderrealität zunehmend unsichtbar. Die Zuschüsse fließen dorthin, wo Formulare gefüllt werden, nicht dahin, wo Menschen abgeholt werden. Und dann? Dann kippt ein System, das eigentlich stabilisieren soll.
Was fehlt, ist nicht mehr Geld. Was fehlt, ist die Treffsicherheit des Instruments. Eine Förderung, die sich am Versorgungsbedarf orientiert, muss nicht mehr verteilen, sondern gezielter. Nicht die bloße Existenz eines Standorts sollte zählen, sondern das, was dort geleistet wird, was dort möglich gemacht wird, was dort in konkreten Alltagssituationen an gesundheitsbezogener Wirksamkeit entsteht. Und das misst sich nicht an der Zahl der abgegebenen Packungen.
Die Ungleichzeitigkeit der politischen Versprechen und der realwirtschaftlichen Bewegungen erzeugt Reibung – aber keine Richtung. Während das Ziel lautet, Apotheken flächendeckend zu erhalten, operieren die Programme mit Kriterien, die von Konzentration profitieren. Der Widerspruch wird sichtbar, sobald man auf Regionen blickt, in denen bereits heute Versorgungslücken entstehen. Wo eine kleine Apotheke schließt, wird nicht nur ein Betrieb aufgegeben, sondern ein Knotenpunkt aus dem Netz genommen. Es ist ein Netzwerkverlust – kein betrieblicher.
Die Verantwortung, die daraus entsteht, lässt sich nicht technokratisch umdeuten. Wer Versorgung sichert, verdient Schutz – nicht Sanktion durch Intransparenz. Und genau hier beginnt der Handlungsauftrag für Apothekeninhaberinnen und -inhaber: Wer bleiben will, muss mehr leisten als fachliche Qualität. Er muss Wirkung sichtbar machen. Er muss seine Rolle nicht nur erfüllen, sondern erklären. Wer seine Bedeutung nicht benennt, verliert sie im Rauschen der Aggregation. Wer keinen Unterschied markiert, wird austauschbar.
Dabei geht es längst nicht mehr um die Frage, ob ein Standort betriebswirtschaftlich tragfähig ist. Es geht um die gesellschaftliche Begründung seiner Existenz. Das verändert die Argumentationsgrundlage. Nicht Effizienz als Selbstzweck steht im Zentrum, sondern Kontextsensibilität. Eine städtische Filiale kann brillieren – aber sie ersetzt nicht die Apotheke am Stadtrand, die in einem halben Dutzend Pflegeheime liefert, ohne dass es jemand merkt. Wer das ignoriert, fördert blind.
Und doch bleibt die politische Praxis zurückhaltend. Noch immer dominieren lineare Zuschüsse, Gießkannenschemata, symbolpolitische Ausgleichsversuche. Die Wirkung? Marginal. Die Steuerungswirkung? Null. Was fehlt, ist eine Architektur der Allokation, die erkennt, was wirkt, und absichert, was ohne Intervention verloren ginge. Es braucht keine neue Bürokratie, sondern neue Zielsysteme. Wirkung muss politisch belohnt werden. Nicht die Größe entscheidet – sondern die Relevanz.
Das verlangt auch von der Apothekerschaft eine neue Haltung. Es reicht nicht mehr, auf den Reformwillen der Politik zu warten. Wer ernst genommen werden will, muss sich selbst strategisch positionieren. Das bedeutet nicht Anpassung um jeden Preis. Es bedeutet Profil. Es bedeutet, Verantwortung nicht als Zuschreibung zu tragen, sondern als Strategie zu kommunizieren. Denn Sichtbarkeit entsteht nicht von selbst. Und ohne Sichtbarkeit keine Absicherung. Ohne Absicherung kein Bestand.
Diese neue Förderlandschaft wird selektiver sein. Sie wird evaluieren, statt verteilen. Sie wird fragen, was ein Standort leistet, nicht, was er einnimmt. Und sie wird damit auch neue Ungleichheiten erzeugen. Wer diese Dynamik ignoriert, gerät ins Abseits – nicht aus Unvermögen, sondern aus Unsichtbarkeit.
Ein Versorgungssystem lebt nicht von Betriebsgrößen, sondern von Funktionsfähigkeit. Ein Markt kann strukturieren, aber nicht stützen. Deshalb braucht es politische Lenkung – nicht im Sinne von Gleichmacherei, sondern im Sinne funktionaler Intelligenz. Wenn politische Förderung weiterhin ohne Wirkungsnachweis auskommt, wird sie zur bloßen Geste. Und dann? Dann überlässt der Staat seine Versorgungsinfrastruktur dem Zufall. Das ist nicht Reformversagen – das ist ein Systemfehler.
Und dieser Fehler wird spürbar, wenn Menschen ihre Arzneimittel nicht mehr vor Ort bekommen, wenn Prävention nicht mehr angeboten wird, wenn ein älterer Mensch plötzlich drei Busstationen weiter muss. Das ist keine abstrakte Konsequenz – das ist Realität. Und sie beginnt dort, wo Förderung nicht gezielt wirkt. Sie beginnt dort, wo Politik auf Steuerung verzichtet. Sie beginnt dort, wo Apotheken nicht mehr leisten können, was sie jahrzehntelang selbstverständlich sicherten.
Nicht der Trend entscheidet – sondern der Umgang mit ihm. Nicht die Statistik – sondern die Interpretation. Nicht die Größe – sondern die Bedeutung. Wer sich darauf nicht einstellt, wird von dieser Realität eingeholt. Und die Frage, wer dann noch trägt, ist längst nicht mehr nur betriebswirtschaftlich zu beantworten.
Cybersicherheit braucht Führung, Regulierung braucht Umsetzung, Apotheke braucht NIS-2-Klarheit
Wie Brüssel die digitale Schutzarchitektur definiert, Betriebe unter Pflichten stellt und Apotheken auf Audit-Tauglichkeit prüfen müssen
Die neue EU-Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit – kurz NIS-2 – bringt ab Oktober 2024 eine rechtlich verbindliche Verantwortung auch für Betriebe, die sich bislang kaum mit Cyberrisiken konfrontiert sahen. Dazu zählen in bestimmten Konstellationen auch Apotheken, insbesondere größere Einheiten, Filialverbünde, digitale Plattformbetreiber oder Betriebsstätten mit kritischer IT-Infrastruktur. Was auf den ersten Blick wie ein abstraktes Regulierungsvorhaben wirkt, hat im Alltag direkte Auswirkungen: Wer als Apotheke unter die NIS-2-Kategorie „wichtige Einrichtung“ fällt, muss künftig technische, organisatorische und personelle Sicherheitsmaßnahmen nachweisen können – inklusive Risikoanalyse, Notfallreaktionsplänen, Sensibilisierungstrainings und externer Meldepflicht bei Sicherheitsvorfällen.
Doch selbst wer nicht unmittelbar unter den Geltungsbereich fällt, kann betroffen sein. Denn: Auch Subdienstleister, IT-Firmen oder Logistikpartner, die Apothekenleistungen digital unterstützen, unterliegen der Richtlinie – mit Rückwirkungen auf die Hauptbetriebe. In der Praxis bedeutet das, dass Apothekenleiter künftig nicht nur intern für Datenschutz und Systemsicherheit sorgen müssen, sondern auch Lieferketten, digitale Abhängigkeiten und Ausfallrisiken aktiv absichern müssen. Damit rückt eine Dimension in den Fokus, die bislang wenig beachtet wurde: die strategische Steuerung digitaler Resilienz auf Führungsebene.
Ein zentrales Instrument ist die Selbstklassifikation. Apotheken müssen in einem ersten Schritt eigenständig bewerten, ob sie unter die Definition „wichtige Einrichtung“ nach Art. 3 Abs. 1 der NIS-2-Richtlinie fallen – maßgeblich ist dabei etwa die Größe der Betriebsstätte, der Umfang digitaler Infrastruktur oder die Rolle im Arzneimittelversorgungssystem. Erfüllen sie die Schwellenwerte, sind Melde- und Dokumentationspflichten aktiv. Die Nichterfüllung gilt nicht als Bagatelle: Nationale Aufsichtsbehörden – in Deutschland federführend das BSI – können empfindliche Bußgelder verhängen, wenn Sicherheitslücken auftreten oder gesetzliche Anforderungen missachtet werden.
Die neue Cybersicherheitskultur verlangt nicht nur Technik, sondern auch Kommunikation. Entscheidend ist, dass Apothekenleitungen sich aktiv mit IT-Risiken auseinandersetzen, einen Leitstand für die digitale Sicherheit etablieren und ihre Mitarbeiter regelmäßig fortbilden – auch über hybride Gefahrenformen wie „Quishing“, bei denen QR-Codes in offiziellen Schreiben zur Falle werden. Klassische IT-Schutzsysteme greifen hier oft zu kurz, wenn keine klare Awareness-Struktur besteht. Auch deshalb fordert NIS-2 einen dokumentierten Sicherheitsplan – mit benannten Verantwortlichkeiten und regelmäßigem Monitoring.
Gleichzeitig entsteht eine neue Form der Verantwortungsteilung: Betriebsinhaber sind direkt haftbar, wenn Sicherheitsvorgaben nicht umgesetzt oder Meldepflichten verletzt werden. Es reicht künftig nicht mehr aus, „eine IT-Firma zu beauftragen“. Entscheidend ist die Frage, ob Führungskräfte ihrer Steuerungsverantwortung im Sinne der NIS-2-Regeln nachkommen – mit Reaktionsplänen, Dokumentation, Audit-Fähigkeit und ggf. externer Zertifizierung. In diesem Sinne wandelt sich die Rolle der Apothekenleitung: vom Reagieren auf technische Anforderungen hin zum aktiven Risiko-Management als Führungsaufgabe.
Damit ist klar: Die NIS-2-Richtlinie ist keine technische Randerscheinung, sondern ein Paradigmenwechsel. Wer vorbereitet sein will, sollte jetzt eine Standortanalyse durchführen, betriebliche Schnittstellen zu digitaler Infrastruktur prüfen, sich über Klassifikationskriterien informieren – und eine partnerschaftliche IT-Sicherheitsstrategie etablieren. Denn wer zu spät reagiert, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch Reputationsverlust und Betriebsstillstand im Ernstfall. Cyberschutz made in Brüssel bedeutet für Apotheken in Deutschland: handeln, nicht warten.
Führung braucht Struktur, Entwicklung braucht Vertrauen, Kommunikation braucht Formate
Wie Jahresgespräche in Apotheken Klarheit schaffen, Führungsarbeit professionalisieren und Motivation sichern
Führung entsteht nicht im Tagesgeschäft, sondern im strukturierten Dialog. In Apotheken, wo Zeit ein chronisch knappes Gut ist und operative Anforderungen das Miteinander oft überlagern, sind Jahresgespräche mehr als ein Ritual: Sie sind das zentrale Steuerungsinstrument für nachhaltige Personalentwicklung, betriebliche Orientierung und emotionale Bindung. Wer als Inhaber oder Filialleitung glaubt, keine Zeit für Jahresgespräche zu haben, ist oft gerade deshalb in der Pflicht – denn nicht der Gesprächsaufwand verursacht Probleme, sondern dessen Abwesenheit. Fehler, Frust und Fluktuation sind häufig direkte Folgen unterlassener Kommunikation.
Ein strukturiertes Jahresgespräch beginnt lange vor dem ersten Satz. Es beginnt mit der Einladung – schriftlich, klar, respektvoll. Idealerweise mit zwei bis vier Wochen Vorlauf und mit transparenter Zielsetzung: Kein Gehaltsgespräch, kein Kontrolltermin, sondern ein Gespräch über Entwicklung, Zusammenarbeit und Perspektive. Tools wie Apocollect oder interne Kalenderplattformen helfen, Termine zuverlässig zu koordinieren und Vorbereitungsunterlagen bereitzustellen. Der Gesprächsort sollte ruhig, ungestört und auf Augenhöhe gestaltet sein – nicht zwischen Tür und Angel, sondern als bewusste Investition in die wichtigste Ressource der Apotheke: das Personal.
Die wohl größte Hürde liegt nicht in der Durchführung, sondern in der mentalen Verankerung: Jahresgespräche sind keine Konfrontation, sondern Einladung. Sie sind kein Tribunal, sondern ein Format zur Klärung, Entwicklung und gegenseitigen Erwartungsabstimmung. Wer als Inhaber mit dieser Haltung einsteigt, verändert die Atmosphäre – weg von Rechtfertigung, hin zu Reflexion. Das reduziert nicht nur mögliche Abwehrreaktionen, sondern erhöht auch die Bereitschaft der Mitarbeitenden, ehrlich zurückzublicken und konstruktiv vorauszudenken.
Die Grundlage jedes Jahresgesprächs sind objektivierte Kriterien. Zwölf Aspekte haben sich in der Apothekenpraxis bewährt: Fachkompetenz, Motivation, Arbeitsorganisation, Termintreue, Arbeitstempo, Zeitmanagement, Auslastung, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Kommunikationsverhalten, Kundenorientierung und Zielerfüllung. Dabei genügt es nicht, diese Punkte einfach aufzulisten – sie müssen definiert, operationalisiert und beobachtbar sein. „Fachkompetenz“ umfasst nicht nur das Beherrschen der täglichen Abläufe, sondern auch die Anwendung neuer Erkenntnisse, den Umgang mit rechtlichen Veränderungen und die Bereitschaft zur Weiterqualifikation. „Teamfähigkeit“ bedeutet nicht Beliebtheit, sondern kooperative Konfliktlösung, verlässliche Kommunikation und konstruktives Feedbackverhalten.
Um diese Kriterien zu bewerten, haben sich zwei Skalen durchgesetzt: die klassische Schulnotenskala (1–6) und eine differenziertere Skala von 1 bis 10. Entscheidend ist nicht die Zahl an sich, sondern ihre Konstanz über die Jahre. Nur so lässt sich Entwicklung sichtbar machen. Und: Die Skala dient nicht zur Bestrafung, sondern zur Einordnung – als Gesprächsgrundlage, nicht als Urteil.
Ein zentrales Element für die Qualität des Gesprächs ist die doppelte Perspektive: Fremd- und Selbsteinschätzung auf Basis identischer Kriterien. Wenn Führungskraft und Mitarbeiter denselben Bogen ausfüllen und die Ergebnisse im Gespräch vergleichen, entstehen differenzierte Dialoge. Stimmen die Einschätzungen überein – sei es im Positiven oder Negativen –, können sie gemeinsam verstärkt oder bearbeitet werden. Weichen sie deutlich voneinander ab, ergibt sich ein unmittelbarer Gesprächsanlass: Warum empfindet die eine Seite eine Leistung als stark, die andere als ungenügend? Welche Erfahrungen, Missverständnisse oder fehlenden Informationen stehen dahinter? Gerade in diesen Differenzen liegt der wahre Wert des Jahresgesprächs – als Spiegel, nicht als Bewertung.
Doch selbst das beste Gespräch bleibt wirkungslos, wenn es nicht dokumentiert wird. Der ausgefüllte Beurteilungsbogen sollte deshalb fester Bestandteil der Personalakte sein – nicht als Kontrolle, sondern als Entwicklungsdokument. Wichtige Vereinbarungen – etwa zur Teilnahme an Fortbildungen, zur Übernahme neuer Aufgaben oder zur Veränderung bestimmter Verhaltensweisen – werden dort ebenso notiert wie Rückmeldungen zur Gesprächskultur selbst. Beide Seiten unterschreiben den Bogen, und im nächsten Jahr dient er als Grundlage für die neue Standortbestimmung.
In größeren Apothekenstrukturen übernehmen häufig die Filialleitungen die Gespräche mit ihren Teams, während Inhaber mit den Führungskräften sprechen. In besonders dynamischen Betrieben kann auch eine zusätzliche Teamleiter-Ebene implementiert werden, um flächendeckend eine einheitliche Gesprächsqualität sicherzustellen. Entscheidend ist, dass keine Mitarbeitende vergessen oder ausgeklammert werden – denn nichts untergräbt Führung so sehr wie selektive Kommunikation.
Ein Jahresgespräch dauert etwa eine Stunde, hinzu kommt die Vor- und Nachbereitung. Diese Zeit ist gut investiert – nicht nur, weil sie Missverständnisse klärt und Erwartungen synchronisiert, sondern weil sie strategisch wirkt: Auf Motivation, Loyalität und Leistungsbereitschaft. Mitarbeiter, die sich gesehen, gehört und ernst genommen fühlen, bleiben nicht nur länger im Unternehmen – sie arbeiten auch mit mehr Eigenverantwortung und größerer Identifikation.
Doch reicht ein Gespräch pro Jahr? Für viele Apotheken wahrscheinlich – für anspruchsvolle, sich verändernde Umgebungen zunehmend nicht. Immer mehr Führungskräfte setzen deshalb auf ergänzende unterjährige Reflexionsformate: kurze, klar strukturierte Dialoge im Abstand von drei bis vier Monaten. Diese Kurzgespräche sind weniger formal, aber nicht weniger relevant – sie greifen Themen des Jahresgesprächs auf, überprüfen deren Umsetzung und bieten Raum für aktuelle Anpassungen. Besonders in Zeiten hoher Belastung oder personeller Umbrüche verhindern sie emotionale Entfremdung – und zeigen, dass Führung nicht im Kalender steht, sondern im Kontakt.
Führung in Apotheken darf heute nicht länger als reine Betriebssteuerung verstanden werden. Sie ist Beziehungsgestaltung, Prozessbegleitung und Sinnstiftung – und braucht Formate, die all das abbilden können. Das Jahresgespräch ist dabei kein Allheilmittel, aber ein entscheidender Baustein. Es verbindet individuelle Entwicklung mit betrieblicher Ausrichtung, strukturiert Feedback und gibt der oft diffusen Frage nach „guter Führung“ ein praktisches, überprüfbares Instrument an die Hand.
Wer Jahresgespräche konsequent einführt, schafft mehr als Ordnung – er schafft Vertrauen. Und genau das ist es, was Apotheken in der aktuellen Gemengelage am meisten brauchen: Orientierung, Verlässlichkeit und ein stabiles Miteinander. Der Mensch bleibt das Zentrum der Apotheke – aber ohne Gespräch bleibt der Mensch außen vor.
Ehrlich verkauft am besten, wenn Authentizität führt, Vertrauen entsteht und Geschichten stimmen
Warum Apotheken mit echter Beratung, psychologischer Offenheit und ehrlichem Storytelling mehr erreichen als mit Verkaufsfloskeln
Der Apothekenalltag ist geprägt von schnellen Entscheidungen, komplexer Beratung und einem wachsenden Erwartungsdruck. Wer hier erfolgreich sein will, braucht mehr als Fachwissen – nämlich die Fähigkeit, zu überzeugen, ohne zu überreden. Im Zentrum steht ein Faktor, der selten plakativ, aber umso nachhaltiger wirkt: Ehrlichkeit. Zwischen Showeffekt und therapeutischer Verantwortung, zwischen wirtschaftlichem Kalkül und menschlichem Feingefühl entscheidet heute nicht mehr allein das Produkt über den Verkauf, sondern die Glaubwürdigkeit des Gesprächs.
Gerade in Österreich – wo der „Schmäh“ kulturell verankert ist – verschwimmt die Grenze zwischen Charme und Schönfärberei. In der Apotheke allerdings endet die Bühne dort, wo therapeutische Klarheit gefragt ist. Der Schmäh darf lockern, aber nicht täuschen. Wer Ibuprofen als „wirkt superschnell, eh klar“ anpreist, ohne zwischen retardierten und liquiden Formen zu differenzieren, verspielt nicht nur Kompetenz, sondern das Vertrauen seiner Kundschaft. Denn dieser erkennt inzwischen sehr wohl, ob Beratung echten Nutzen verfolgt oder bloß den Abverkauf.
Die Versuchung, sich im Verkaufsmodus zum Entertainer zu wandeln, ist allgegenwärtig: Das Einkaufserlebnis wird zur Bühne, das Beratungsgespräch zum Auftritt. Wer sich dann jedoch in Formulierungen verliert wie „hilft immer“ oder „das hat meine Oma auch genommen“, betreibt unfreiwillig Storytelling ohne Substanz. Dabei ist gutes Storytelling kein Selbstzweck, sondern eine Technik, um emotionale Anschlussfähigkeit zu erzeugen – vorausgesetzt, es bleibt authentisch. Eine Geschichte wirkt dann, wenn sie nicht übertrieben, nicht erfunden und nicht durchschaubar ist. Denn was als Manipulation wahrgenommen wird, schadet mehr als jede unverkaufte Packung.
Vertrauen ist kein Marketingeffekt, sondern eine atmosphärische Leistung. Es entsteht, wenn Kundinnen und Kunden spüren, dass ihre Interessen im Mittelpunkt stehen – selbst wenn diese gegen den kurzfristigen Umsatz verstoßen. Ehrliche Beratung heißt nicht, alles zu sagen, aber nichts zu verschweigen, was für die Entscheidung relevant ist. Es heißt auch, dem Kunden Alternativen zu zeigen, statt ihn zu bevormunden. Die Entscheidung für das günstige Generikum oder das teurere Original soll informierter Wunsch sein, nicht Folge suggestiver Steuerung.
Echte Ehrlichkeit beginnt bei der Haltung – nicht bei der Preisauszeichnung. Sie zeigt sich darin, ob wir zugeben, etwas nicht zu wissen. Ob wir uns trauen, Zweifel zuzulassen, ohne Kompetenz zu verlieren. Ob wir unseren wirtschaftlichen Eigeninteressen offen begegnen, statt sie zu kaschieren. Ein Satz wie „Ich bin froh, wenn Sie das nehmen, es muss raus – bald abgelaufen“ ist nicht nur wirtschaftlich ehrlich, sondern wirkt oft sympathischer als jede Verlegenheitsrhetorik.
Im Umgang mit Kunden, die gesundheitlich oder emotional angeschlagen sind, gilt besondere Vorsicht. „Sie sehen heute aber gut aus“ kann zur Farce werden, wenn es offenkundig nicht stimmt. Eine echte Anteilnahme – „Ich hoffe, es geht bald besser“ – ist menschlicher und vertrauensstiftender. Selbst ein kurzes Schweigen kann mehr bedeuten als ein erzwungenes Kompliment.
Authentizität lässt sich nicht simulieren. Sie entsteht durch individuelle Ansprache, echtes Interesse und situative Aufmerksamkeit. Wer wahrnimmt, dass Herr Maier heute angespannter wirkt als sonst, oder sich erinnert, dass Frau Müller kürzlich von ihrem kranken Enkel erzählte, signalisiert nicht nur emotionale Intelligenz, sondern schafft eine Bindung, die über jedes Rabattversprechen hinausreicht. Und gerade im Gesundheitswesen, wo Unsicherheit, Leidensdruck und Informationslücken häufig sind, ist diese Form der Beziehungspflege Gold wert.
Selbst sogenannte „weiße Lügen“, die im sozialen Kontext funktionieren mögen, verlieren im Verkaufsgespräch schnell ihre Unschuld. Wer sagt, „hilft bei jedem“, obwohl Kontraindikationen bekannt sind, riskiert mehr als eine Retax – nämlich den Vertrauensverlust. Deshalb ist es klüger, auch eigene Grenzen anzuerkennen: „Da bin ich nicht die richtige Ansprechpartnerin – aber ich frage gerne meinen Kollegen“ oder „Das müsste ich noch mal genau nachsehen“ sind Sätze, die Stärke und Professionalität signalisieren – nicht Schwäche.
Die eigentliche Kunst besteht darin, Wahrheit nicht als Gegenpol zur Verkaufsstrategie zu sehen, sondern als deren Voraussetzung. Wer glaubwürdig ist, verkauft mehr. Nicht zwingend sofort – aber öfter. Nicht unbedingt das meiste – aber das Richtige. Und wer Kundenerwartungen ehrlich managt, reduziert spätere Enttäuschungen, Nachfragen und Reklamationen. Das ist effizienter, menschlicher – und am Ende auch ökonomisch sinnvoll.
In einer Welt, in der Vertrauen zunehmend zum knappen Gut wird, ist Ehrlichkeit keine moralische Luxusleistung, sondern betriebswirtschaftliche Intelligenz. Wer in der Apotheke auf Authentizität, Transparenz und echte Beratung setzt, agiert nicht als Verkäufer, sondern als Begleiter. Und genau das erwarten die Kunden im Zeitalter von Versandapotheken, Chatbots und Vergleichsportalen: keine Maskerade, sondern Menschlichkeit. Kein Verkaufsdruck, sondern Verlässlichkeit.
Stückeln ausgeschlossen, Normgrenzen definiert, Ausnahmefälle geregelt
Wann Jumbopackungen nicht zulasten der GKV abgegeben werden dürfen, wie § 129 SGB V bei Lieferengpässen greift und welche Akutregelung im Ernstfall zählt
Wer als Apotheke eine Jumbopackung auf Muster-16-Rezept beliefert, bewegt sich im Regelfall außerhalb der zulässigen Abgabegrenzen der gesetzlichen Krankenversicherung – selbst dann, wenn versucht wird, durch Stückeln auf reguläre Größen auszuweichen. Der Gesetzgeber hat mit der Packungsgrößenverordnung klare Linien gezogen und diese durch Rahmenvertrag und Sozialgesetzbuch weiter flankiert: Überschreitungen der definierten Normbereiche sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Ausnahmen bilden ausschließlich klar kodifizierte Sonderlagen wie Lieferengpässe oder Akutfälle – unter strengen Auflagen.
Das Abgabeproblem beginnt bei der rechtlichen Definition: Eine Jumbopackung liegt dann vor, wenn die verordnete oder abzugebende Packung über der jeweils größten in der Packungsgrößenverordnung bezeichneten Normgröße liegt. Laut § 2 Satz 4 der Verordnung gilt: Packungen, die den Maximalwert übersteigen, sind in der GKV-Versorgung nicht zulässig. Dies wird im Rahmenvertrag in § 8 Absatz 2 noch präziser formuliert: Arzneimittel, deren Packungsgröße die oberste zulässige Messzahl überschreitet, dürfen grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkasse abgegeben werden.
Diese gesetzlich fixierte Grenze ist zwingend. Versuche, durch das Stückeln in kleinere Packungen eine Erstattung zu erreichen, sind nicht gestattet. Das Rezept muss in diesen Fällen zurück an den verordnenden Arzt, eine Neuausstellung ist erforderlich. Selbst dann, wenn das Arzneimittel ansonsten vorrätig oder wirtschaftlich erscheint, bleibt die Versorgung auf Kassenzulage unzulässig – es sei denn, es liegt eine der klar definierten Ausnahmesituationen vor.
Dazu zählt insbesondere der Fall des Lieferengpasses. Seit Inkrafttreten des ALBVVG bietet § 129 Absatz 2a SGB V eine Handlungsmöglichkeit: Ist ein verordnetes Arzneimittel nicht beschaffbar – bestätigt durch zwei erfolglose Anfragen bei unterschiedlichen Großhändlern oder, bei nur einem Großhandel, durch eine einfache Verfügbarkeitsabfrage – dürfen Apotheken ein wirkstoffgleiches Präparat abgeben, auch wenn dieses größer ist als die laut Packungsgrößenverordnung zulässige Messzahl. Die Regelung erlaubt explizit eine Überschreitung dieser Normgröße, sofern die verordnete Wirkstoffmenge nicht übertroffen wird. Damit ist im Engpassfall ausnahmsweise auch eine Jumbopackung erstattungsfähig, sofern alle dokumentierten Voraussetzungen erfüllt sind.
Darüber hinaus regelt § 17 Nummer 7 des Rahmenvertrags die Versorgung im Akutfall. Ist ein unmittelbarer Bedarf gegeben und eine Rücksprache mit dem Arzt nicht möglich, darf von der Verordnung abgewichen werden – allerdings nicht unbegrenzt. Die Abgabe muss sich entweder auf die größte gemäß Packungsgrößenverordnung definierte Packung oder deren Vielfache beschränken, sofern diese die verordnete Menge nicht übersteigen. Auch kleinere verfügbare Packungen, die der verordneten Menge am nächsten kommen, sind zulässig. Diese Ausnahmeregelung greift insbesondere im Nacht- oder Notdienst, ist jedoch streng an die Dringlichkeit gebunden und setzt eine exakte Dokumentation inklusive Sonder-PZN voraus.
Damit ergibt sich für Apotheken ein eng definierter Handlungsspielraum: Die Abgabe einer Jumbopackung ist weder durch kulante Interpretation noch durch wirtschaftliche Erwägungen gedeckt. Einzige zulässige Abweichungen sind im Liefer- oder Akutfall erlaubt – und selbst dann nur innerhalb klarer systemischer Grenzen. Wer ohne diese Voraussetzung beliefert, riskiert nicht nur Retaxationen, sondern auch mögliche Regressforderungen oder haftungsrechtliche Folgen. Entscheidend bleibt stets: Die Normgröße darf nicht ohne zwingenden Grund überschritten werden – und das Stückeln ersetzt keine ärztliche Neuausstellung.
Pharmazie auf Augenhöhe, Versorgung mit Struktur, Politik ohne Anschluss
Wie ARMIN die interprofessionelle Zusammenarbeit prägte, Medikationsberatung neu definierte und an der Regelversorgung scheiterte
Es war eines der ambitioniertesten Projekte, das Apotheken und Arztpraxen gleichermaßen forderte – und nachhaltig prägte: Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, kurz ARMIN, wurde zum Sinnbild dafür, wie pharmazeutische Versorgung im Schulterschluss funktionieren kann. Über Jahre etablierten sich Routinen, die weit über das hinausgingen, was heute unter dem Begriff der pharmazeutischen Dienstleistung firmiert. Mit strukturiertem Medikationsmanagement, digitaler Kommunikation und wechselseitiger Honorierung entstand ein Versorgungsalltag, der für viele Beteiligte zum Idealbild wurde – und dessen Ende bis heute als verpasste Chance empfunden wird.
Während heutige Dienstleistungen wie die Medikationsberatung bei Polymedikation auf Apotheken begrenzt und ärztlicherseits kaum incentiviert sind, verband ARMIN beide Berufsgruppen auf Augenhöhe. Der Austausch erfolgte regelmäßig, strukturiert und mit direkter Rückkopplung zu Patient:innen. Wo heute Kommunikationshürden stehen, bestand damals ein System aus kurzen Wegen, persönlichem Kontakt und gemeinsamer Verantwortung. Dass die Mortalität durch ARMIN-Medikationsmanagement nachweislich um 16 Prozent gesenkt werden konnte, ist dabei weniger eine medizinische Sensation als der Ausdruck gelungener Prozessintegration.
Entscheidend war jedoch nicht nur das Ergebnis, sondern die Art der Zusammenarbeit. Digitale Medikationspläne ermöglichten eine synchronisierte Sicht auf Therapie, E-Mail und Telefon wurden zur Standardkommunikation, regelmäßige Fallbesprechungen schufen Vertrauen. Die Verantwortung verlagerte sich von punktuellen Prüfungen hin zu kontinuierlicher Betreuung – ein Paradigmenwechsel, den viele Apothekenteams als prägend beschreiben. Heute hingegen wird diese Verbindung oft durch Bürokratie, technische Inkompatibilitäten oder fehlende Gegenleistung auf ärztlicher Seite ausgebremst.
Die Unterschiede zur pDL sind signifikant: Während bei ARMIN Patient:innen gemeinsam identifiziert, Medikationen abgestimmt und Maßnahmen rückgekoppelt wurden, liegt die Verantwortung heute nahezu vollständig bei der Apotheke – ohne strukturelle Rückmeldung der verordnenden Seite. Zudem war die damalige Vergütung beidseitig angelegt, was eine andere Verbindlichkeit erzeugte. Dass heute ärztliche Mitwirkung oftmals fehlt, liegt nicht an mangelnder Bereitschaft, sondern an fehlenden Anreizen und Zeitressourcen.
Ein weiteres Problem war die Begrenzung auf Versicherte der AOK Plus, wodurch die Reichweite von ARMIN systemisch begrenzt blieb. Zwar war die technische Identifikation geeigneter Patient:innen möglich, doch die Teilnahme hing entscheidend davon ab, ob die jeweils betreuende Praxis eingebunden war. Viele Apotheken entwickelten daher eigene Einschlussstrategien, sprachen gezielt Betroffene an oder arbeiteten eng mit kooperativen Ärzt:innen zusammen. Dennoch blieb das Modellprojekt in einer sektoralen Nische verhaftet.
Inhaltlich jedoch identifizierte ARMIN genau jene Fehlerquellen, die heute als zentral gelten: unbekannte Medikation durch parallele Arztkontakte, Doppelverordnungen, nicht abgestimmte Therapieänderungen oder übersehene Interaktionen. Der entscheidende Fortschritt lag jedoch in der gemeinsamen Bewertung dieser Informationen – nicht in der isolierten Analyse durch einzelne Leistungserbringer. Patienten berichteten von mehr Verständnis für ihre Therapien, von strukturierter Aufklärung und einem gestärkten Gefühl der Versorgung.
Das Ende von ARMIN bedeutete daher nicht nur das Aus eines Projekts, sondern den Bruch einer Versorgungslogik, die getragen war von gemeinsamer Verantwortung. Zwar wurde die pDL zeitlich versetzt eingeführt und konnte vieles übernehmen – doch ohne ärztliche Einbindung, ohne gemeinsame Honorierung und ohne übergreifende Koordination blieb sie eine halbe Antwort auf ein ganzes Problem.
Blickt man heute zurück, zeigen sich zwei Wege: der individualisierte, apothekenbasierte Dienstleistungsansatz der pDL – und das partnerschaftliche, strukturierte Modell von ARMIN. Letzteres wirft Fragen auf, die politisch bis heute unbeantwortet blieben: Warum wurde ein nachweislich wirksames Modell nicht verstetigt? Warum wird Zusammenarbeit nicht honoriert? Und wie kann patientenzentrierte Versorgung künftig aussehen, wenn interprofessionelle Strukturen systematisch verhindert werden?
Die Antwort liegt möglicherweise in einem neu gedachten Einschreibemodell für Apotheken: Patient:innen könnten sich bewusst für eine betreuende Apotheke entscheiden, ohne dabei in ihrer freien Wahl eingeschränkt zu werden – aber mit klarer Struktur für Beratung, Medikationsmanagement und Kontinuität. Kombiniert mit einer digitalen Infrastruktur, verbindlichen Kommunikationsstandards und angemessener Vergütung wäre dies ein realistischer Weg, um die ARMIN-Idee in die Fläche zu bringen.
Die Schlussfolgerung ist klar: Eine flächendeckende Arzneimitteltherapiesicherheit lässt sich nicht durch Einzellösungen sichern, sondern nur durch systemische Konzepte, die Verantwortung, Kommunikation und Honorierung in Einklang bringen. ARMIN war dabei nicht nur ein Modellprojekt – sondern ein Versprechen an das, was Versorgung sein kann, wenn man sie ernst nimmt.
Dividende erreicht Rekordwert, Skontourteil schafft Rückfluss, Schwelle steigt auf eine Million
Sanacorp belohnt Mitglieder mit Sonderausschüttung, passt Förderkriterien an und plant strukturelle Neuausrichtung
Sanacorp hat auf ihrer Vertreterversammlung am 28. Juni in München eine markante Weichenstellung vorgenommen, die sowohl finanzielle als auch strategische Signale an ihre Mitgliedsbetriebe sendet. Mit einer Gesamtdividende von bis zu 16 Prozent – bestehend aus einer auf 3,8 Prozent erhöhten Basisdividende sowie einer um 1,2 Prozent gesteigerten Förderdividende – reagiert die Genossenschaft nicht nur auf ein wirtschaftlich solides Geschäftsjahr, sondern setzt auch ein Zeichen der Rückvergütung nach Jahren pandemischer Zurückhaltung. Die Voraussetzung zur Teilnahme an dieser Förderdividende bleibt die Überschreitung einer bestimmten Umsatzschwelle, die jedoch künftig nicht mehr bei 600.000 Euro, sondern bei einer Million Euro liegen wird. Diese Verschiebung markiert eine strukturelle Anpassung an das gewachsene Umsatzgefüge – und gleichzeitig eine Verschiebung der Teilhabegrenzen innerhalb der Mitgliedschaft. Der Schritt war überfällig: Die letzte Anpassung erfolgte 2017, seither wurde die Schwelle trotz Corona-Ausnahme und Skontourteils unangetastet gelassen.
Die Dividendenstruktur zeigt dabei mehr als bloß ein Rechenwerk: Mit der Sonderausschüttung reagiert Sanacorp konkret auf die durch das sogenannte „Skontourteil“ freigesetzten Mittel. Die Sonderkomponente wird ausdrücklich mit dem juristischen Ausgang dieses Verfahrens begründet, das die Rückforderung von Skonti aus Lieferantenvereinbarungen rückwirkend reguliert hatte. Dass daraus eine Stärkung der Mitgliederfinanzen entsteht, ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines genossenschaftlichen Selbstverständnisses, das Rückflüsse dorthin kanalisiert, wo die Versorgung getragen wird – in den Mitgliedsapotheken.
Diese Haltung spiegelt sich auch in der Bilanzstruktur wider: Von 27,7 Millionen Euro Bilanzgewinn fließen 19,8 Millionen in die Ergebnisrücklagen, der Rest wird als Bardividende ausgeschüttet. Vorstand und Aufsichtsrat erhielten dafür breite Zustimmung. Der neue Vorsitzende der Geschäftsführung, Patrick Neuss, trug den Geschäftsbericht erstmals persönlich vor – ein Zeichen des Führungswechsels, das sich nicht nur in Zahlen, sondern auch in der Rhetorik der Veranstaltung abzeichnete: Neuss betonte nicht nur die Sonderlage der diesjährigen Dividende, sondern auch den strukturellen Umbau, insbesondere im Personalbereich, für den Rückstellungen gebildet wurden. Der Jahresüberschuss des Gesamtkonzerns lag mit 6,8 Millionen Euro deutlich unter dem Vorjahreswert von knapp 17 Millionen Euro – ein Rückgang, der jedoch als temporär erklärbar gilt.
Im operativen Bereich legte die Sanacorp Pharmahandel GmbH mit einem Umsatzwachstum von 7,1 Prozent auf 7,0 Milliarden Euro ein Ergebnis vor, das deutlich über dem Branchenschnitt liegt. Einschließlich der Tochtergesellschaft Fiebig belief sich der Gesamtumsatz auf 7,4 Milliarden Euro. Die Performance ist somit nicht nur solide, sondern markiert auch das Potenzial, das in einer kombinierten, genossenschaftlich abgestützten Marktstrategie liegt. Die Anpassung der Förderdividenden-Schwelle auf eine Million Euro orientiert sich am Grundsatz, dass mindestens ein Drittel des Wareneinsatzes über Sanacorp erfolgen muss – ein Passus, der in seiner Kombination aus Treuekriterium und Leistungsbindung zentrale Elemente genossenschaftlicher Logik aufrechterhält. In Zeiten, in denen Skalierung, Lieferfähigkeit und betriebswirtschaftliche Verankerung immer häufiger zu politisierten Themen avancieren, wird damit ein Regelwerk stabilisiert, das Berechenbarkeit mit Fördercharakter verknüpft.
Für viele kleinere Apothekenbetriebe dürfte die Anhebung der Schwelle allerdings auch eine neue Herausforderung bedeuten: Die Voraussetzung, eine Million Euro Umsatz mit Sanacorp zu realisieren, wird nicht für jeden Betrieb ohne strukturelle Anpassungen erreichbar sein. Zugleich erhöht sich damit der Druck zur Konzentration auf Kernlieferanten – ein Trend, der in der Praxis schon länger beobachtet wird, nun aber durch interne Anreizsysteme weiter gefestigt wird. Dass diese Anpassung mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurde, verweist auf eine gewachsene strategische Geschlossenheit unter den Vertreter*innen, aber auch auf die Erwartung, dass Sanacorp mittelfristig weiter profitable Dividenden liefern kann.
Haut braucht Pflege, Bart braucht Hygiene, Klinik braucht Evidenz
Wie Mikrobiologie, Mythos und medizinischer Alltag den Umgang mit Bärten neu bewerten
Er ist Stilmittel, Statussymbol und Ausdruck individueller Identität – und gleichzeitig Gegenstand medizinischer Debatten: der Bart. Während er modisch Konjunktur erlebt, wirft sein mikrobiologisches Profil altbekannte Fragen auf. Sind Bärte wirklich schmutziger als andere Hautbereiche? Können sie Keimträger sein – oder ist das nur ein hartnäckiger Mythos? Der Diskurs um die bakterielle Belastung der Gesichtsbehaarung zieht sich durch die Geschichte der Hygienevorschriften und wird besonders dort relevant, wo Menschen vulnerablen Gruppen begegnen: im Gesundheitswesen. Die britische Mikrobiologin Dr. Primrose Freestone verweist auf Studien, die bereits vor über 50 Jahren ein ungünstiges hygienisches Image für Bärte zementierten – nicht ohne wissenschaftliche Grundlage, aber mit einseitiger Wahrnehmung. So blieben selbst nach gründlichem Waschen mikrobielle Rückstände in der Bartstruktur nachweisbar, was in medizinischen Einrichtungen wie ein Sicherheitsrisiko wirkte. Auch heute noch führen neue Untersuchungen zu gegensätzlichen Ergebnissen: Während eine Studie bärtigen Krankenhausmitarbeitern eine signifikant höhere Keimlast zuschrieb, ergab eine andere, dass selbst das Fell von Haushunden weniger mikrobiologisch belastet war als menschliche Bärte.
Doch die klinische Relevanz solcher Daten bleibt begrenzt, wie Freestone betont. Kein signifikanter Zusammenhang ließ sich zwischen Gesichtsbehaarung und der Übertragung gefährlicher Erreger wie Staphylococcus aureus nachweisen – weder in Patientenkontakten noch bei Operationen unter OP-Maske. Auch die These, bärtige Ärzte stellten ein höheres Risiko für nosokomiale Infektionen dar, hielt dem systematischen Abgleich nicht stand. Der entscheidende Unterschied liegt nicht im Vorhandensein eines Bartes, sondern in dessen Pflege. Vernachlässigtes Gesichtshaar kann zum Rückzugsort für Talg, Speisereste und abgestorbene Zellen werden. Dadurch entstehen Mikroklimata, die Pilzen und Bakterien ideale Bedingungen bieten. Die darunterliegende Haut ist durch die konstante Belastung besonders sensibel – bei unzureichender Hygiene drohen lokale Entzündungen, Hautirritationen und im Extremfall Infektionen. Wer hingegen täglich reinigt, rückfettet und kontrolliert, verhindert das Entstehen mikrobieller Problemzonen. Bärte brauchen damit nicht nur stilistische, sondern systematische Zuwendung.
Im klinischen Alltag bleiben dennoch Grauzonen. Während OP-Masken die Keimverbreitung größtenteils verhindern, stellt sich die Frage nach Maskenpassform und Dichtigkeit – vor allem bei dichten Vollbärten. Hier gelten arbeitsrechtliche und hygienische Vorgaben, die sich in der Praxis mit Persönlichkeitsrechten und religiösen Aspekten überlagern. Zwischen Freiheit und Fürsorgepflicht entsteht ein Spannungsfeld, das nicht durch Pauschalurteile, sondern durch individualisierte Lösungen aufgelöst werden muss. Entsprechende Ausnahmeregelungen, Sondermasken oder Bartnetze sind gängige Instrumente – vorausgesetzt, die Grundlage ist nicht Vorurteil, sondern Evidenz. Für Apothekenpersonal, Pflegekräfte und Ärzte gilt also: Ein Bart ist keine Hygieneschwäche – es sei denn, er wird als solche behandelt. Wer Verantwortung trägt, muss Standards leben – nicht glatt rasiert, sondern bewusst gepflegt.
Glosse: Papier wird zum Komplizen, Routine zum Risikofaktor, Versicherung zur Kunst der Ausrede
Wie Apotheken systematisch ausgetrickst werden, Quishing sich als Service tarnt und Verträge zur Ironie mutieren
Wer hätte gedacht, dass die größte digitale Gefahr aus einem Briefumschlag kommt? Nicht aus dem Darknet, nicht aus Phishing-Mails mit gebrochenem Deutsch, nicht aus osteuropäischen Rechenzentren mit blinkenden Servern – sondern aus dem ganz normalen Tagesposteingang. Und zwar gut gedruckt, gut gemeint und so gut getarnt, dass sogar die misstrauischste PTA der Republik im guten Glauben scannen würde. Denn wenn ein QR-Code mit freundlichem Anschreiben und offiziösem Absender lockt, dann wird nicht gefragt, sondern gehandelt. Willkommen beim neuesten Beitrag zur Serie „Wie Apotheken sich selbst aushebeln“.
Quishing, so nennt sich das Täuschungskunststück mit Brief, Barcode und einem Hauch zu viel Seriosität. Die Täter wissen: Vertrauen entsteht nicht durch Technik, sondern durch Form. Sie müssen keine Firewalls knacken – sie drucken einfach Formulare, die aussehen wie Kontrollblätter der Apobank, und behaupten irgendwas von „Datenschutzaktualisierung“ oder „Verifizierungspflicht gemäß Paragraph XYZ“. Der Rest läuft automatisch – ganz im Stil der betriebswirtschaftlich durchoptimierten Apothekenrealität. Eine Unterschrift hier, ein Scan dort – und schon beginnt die stille Katastrophe.
Denn der wahre Witz beginnt erst nach dem Scan. Da ist keine Malware, kein Warnsystem, kein technischer Alarm – nur ein ganz normales Eingabeformular mit höflicher Oberfläche und systemischer Sogwirkung. Wer dort seine Daten einträgt, fühlt sich nicht bedroht, sondern betreut. Das ist die Genialität des Ganzen: Der Angriff fühlt sich wie Hilfe an. Er beutet keine Unachtsamkeit aus, sondern den Wunsch, alles richtig zu machen. Und so verlieren Apotheken nicht durch Fahrlässigkeit, sondern durch Pflichterfüllung.
Und wenn dann die Abbuchungen beginnen, ist die Überraschung groß. Der Blick fällt auf die Versicherung, und die Versicherung schaut zurück – mit einer Miene aus Paragraphen und einer Haltung aus „leider nicht zuständig“. Denn Quishing über physische Medien ist versicherungstechnisch der weiße Fleck auf der Karte. Weder Cyberdeckung noch Betriebshaftpflicht noch Betriebsunterbrechung greifen. Warum auch? Schließlich wurde ja nichts gehackt – nur geglaubt. Und wer glaubt, hat keinen Schaden. Nur ein Problem.
Man könnte es auch so sagen: Der Brief war kein Betrug, sondern ein Missverständnis. Zwischen Erwartung und Realität. Zwischen Sicherheitsgefühl und Versicherungslogik. Zwischen Papier und Paragraf. Während die Apotheke den Vorfall aufarbeitet, das Konto sperrt, den Schaden beziffert, beginnt beim Versicherer das große Ausschlussbingo. „Nicht abgedeckt, weil analog.“ „Nicht meldefähig, weil freiwillig gescannt.“ „Nicht regulierungspflichtig, weil im Formular kein Virus enthalten war.“ Und was bleibt, ist ein Betrieb mit Lücke. In der Kasse, im Vertrauen – und im Vertrag.
Der Ruf nach Prävention kommt natürlich trotzdem. Schulungen werden empfohlen, Handlungsanweisungen entworfen, Poster gedruckt: „Scanne niemals allein“ oder „Vertraue keinem QR-Code, den du nicht selbst gezeugt hast“. Alles gut gemeint. Alles zu spät. Denn der Schaden ist längst da, und der nächste Angriff wartet schon im Lager – mit neuem Layout, neuer Story und dem immer gleichen Ziel: den funktionierenden Betrieb mit einer Portion Überzeugungskraft lahmzulegen.
Vielleicht wäre es einfacher, die Rollen zu tauschen. Die Apotheke wird Hacker, die Versicherung wird Opfer, und der QR-Code wird zum Betäubungsmittel mit Pflichtberatung. Zumindest gäbe es dann ein Merkblatt, das ernst genommen wird. Bis dahin bleibt Quishing das perfekte Verbrechen: ganz legal – solange das Opfer mitspielt.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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