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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News von heute
Quishing, das analoge Pendant zum digitalen Phishing, erreicht Apotheken nun gezielt über den Postweg und unterläuft dabei sämtliche gewohnten Sicherheitsroutinen, während Versicherungen mit Haftungslücken konfrontiert werden, für die ihre Policen bisher keine Deckung vorsehen; gleichzeitig entlädt sich die systemische Überforderung an Rezeptfälschungen, die zwar vereinzelt aufgeklärt werden, aber dennoch zu Retaxierungen führen, weil Krankenkassen eine pauschale Prüfverantwortung auf Apotheken abwälzen, ungeachtet individueller Sorgfalt und ohne belastbare Rechtsstandards; flankiert werden diese Entwicklungen von einer zunehmenden Marktverzerrung im Großhandelsbereich, etwa bei Xarelto, wo mutmaßlich Preisstrategien zur künstlichen Verknappung führen und so die Versorgung gefährden, während die Sanacorp ihre Gewinne halbiert, aber dennoch an stabilen Dividenden festhält und damit die Frage nach der Rolle genossenschaftlicher Strukturen im System neu stellt; zugleich rückt das Bild der Apotheke als gesellschaftlicher Ankerpunkt in den Vordergrund, wenn ein junger Apotheker mit Fluchtgeschichte durch Eigeninitiative, Risikobereitschaft und Unabhängigkeit eine Offizin gründet und damit zeigt, dass berufliches Vertrauen und gesellschaftliche Stabilität zusammengehören, während der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil zum polnischen Werbeverbot ein deutliches Signal sendet, dass staatlicher Wettbewerbsschutz nicht gegen, sondern nur mit Patientenrechten vereinbar ist
Betrüger locken mit QR-Codes, Apotheken geraten ins Visier, Versicherungen müssen handeln
Phishing wird zur Systemgefahr, Quishing erreicht den Postweg, Cyberabsicherung wird betriebsrelevant
Die Betrugswelle gegen Kunden der Apobank nimmt eine neue Dimension an. Nachdem digitale Phishing-Angriffe über E-Mail und SMS längst Alltag geworden sind, trifft Apotheken nun eine raffiniertere Welle: Mit täuschend echten Briefen, in denen QR-Codes zur angeblichen Online-Verifizierung auffordern, zielen Kriminelle auf das Vertrauen, die Sorglosigkeit und den routinierten Umgang mit Bank- und Gesundheitsdaten. Diese Angriffsform, als Quishing bekannt, ist besonders gefährlich, weil sie psychologisch auf den Habitus institutioneller Kommunikation setzt – und weil sie dabei die Verletzlichkeit kleiner bis mittelgroßer Apotheken ausnutzt, deren IT-Sicherheit oft nicht mit der Raffinesse der Täter mithalten kann.
Ein aktuelles Beispiel: Ein Schreiben, datiert auf den 25. Juni 2025, wirkt auf den ersten Blick seriös, freundlich formuliert, unauffällig gestaltet. Es kündigt ein angebliches Update des E-Banking-Systems an, gibt sich kundenorientiert und versieht die Nachricht mit einem QR-Code für „bequeme Verifizierung“. Doch dahinter liegt nicht das Online-Portal der Apobank, sondern eine manipulierte Seite, die gezielt Zugangsdaten, TANs und Finanzinformationen abgreift. Genau hier beginnt das eigentliche Problem: Die Apothekenleitung haftet bei Missbrauch und Datenverlust nicht nur zivilrechtlich gegenüber Patientinnen und Patienten, sondern riskiert auch aufsichtsrechtliche Konsequenzen – von der DSGVO-Bußgeldandrohung bis zum Verlust des Versicherungsschutzes bei grober Fahrlässigkeit.
Denn Apotheken sind nicht nur Heilberufler, sondern Unternehmer. Und Unternehmer müssen Vorsorge treffen – auch und gerade gegen unsichtbare Bedrohungen. Wenn Bankdaten durch fahrlässiges Scannen eines QR-Codes in falsche Hände geraten, droht kein technischer Defekt, sondern ein massiver Vermögensschaden. Und damit die Frage: Welche Versicherung deckt das ab?
Cyberversicherungen sind in diesem Kontext keine Kür, sondern Bestandteil einer funktionalen Betriebssicherung. Sie sichern nicht nur gegen klassische Hackerangriffe, Datenlecks oder Systemausfälle, sondern bieten im Idealfall auch professionelle Krisenbewältigung – inklusive IT-Forensik, juristische Soforthilfe, PR-Abschirmung und Zahlungsausfallabsicherung. Doch der eigentliche Schlüssel liegt in der Kombination mit einer Vertrauensschadenversicherung. Diese deckt nicht nur vorsätzliche Handlungen von Mitarbeitenden (etwa bei interner Mittäterschaft), sondern auch den Vermögensverlust durch Täuschung Dritter – also genau die Lücke, die Phishing und Quishing verursachen.
Viele Apotheken wissen nicht, dass eine reine Cyberdeckung im Quishing-Fall oft nicht greift – wenn keine technische Kompromittierung im engeren Sinn vorliegt, sondern ein vorsätzlicher Täuschungsversuch mit Zutun des geschädigten Betriebs. Deshalb ist eine präzise Definition der Versicherungsbedingungen essenziell: Nur wenn der Vertrag soziale Engineering-Attacken, betrügerische Kommunikation und QR-Code-Manipulation explizit einschließt, besteht im Ernstfall ein Leistungsanspruch. Das bestätigen auch Branchenanalysen: Nur etwa ein Drittel der am Markt verfügbaren Policen schließen Quishing-Risiken standardmäßig mit ein. Der Rest verlangt Zusatzvereinbarungen oder verweist auf die Mitwirkungspflicht des Kunden.
Apothekeninhaber stehen also vor einer doppelten Verantwortung: einerseits für präventiven Schutz durch Mitarbeiterschulungen, technische Sperren und klare Zahlungsprozesse – andererseits für eine aktive Prüfung des Versicherungsschutzes, der die betriebswirtschaftliche Existenz sichern kann. Im Extremfall führen Quishing-Angriffe nicht nur zu Kontoplünderung, sondern zu gestörten Lieferketten, Vertrauensverlust bei Patienten, schlechter Bonität oder sogar zur existenzbedrohenden Rückforderung durch Krankenkassen, wenn Zahlungsflüsse betroffen sind.
Was also tun? Die Apobank selbst betont, dass sie niemals QR-Codes zur Zugangsdatenverifizierung nutzt und ihre Kundschaft regelmäßig über Betrugsrisiken informiert – etwa über die Website, die App, Geldautomaten und postalische Warnungen. Doch das genügt nicht. Die KBV empfiehlt in ihren aktuellen Hinweisen, auf QR-Codes grundsätzlich mit Misstrauen zu reagieren – insbesondere bei angeblicher Dringlichkeit oder Androhung von Kontosperrung. Die Devise lautet: keine TAN-Eingabe außerhalb von www.apobank.de, kein Scan aus der Briefpost, keine Reaktion auf telefonische Anweisungen. Und: sofortige Kontaktaufnahme mit der offiziellen Betrugshotline bei Verdacht – für die Apobank ist dies die 0211 59794-7777.
Auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mahnt zur strukturellen Wachsamkeit im Gesundheitswesen. Es empfiehlt den Aufbau interner Eskalationsstufen für digitale Vorfälle, klar zugewiesene Verantwortlichkeiten im Bereich Zahlungsfreigabe und den Einbau von technischen Sicherheitsmerkmalen – etwa IP-Adressprüfungen, Token-Verfahren oder zwei-Faktor-Authentifizierungen bei Zahlungen. Für Apotheken bedeutet das konkret: Wer regelmäßig größere Überweisungen tätigt, wer mit Rezeptdaten in der Cloud arbeitet oder wer Zugriff auf das Apobank-Portal mehreren Mitarbeitenden gestattet, muss technisch aufrüsten – und juristisch absichern.
Denn die zentrale Haftungsfrage lautet: Wer haftet bei grober Fahrlässigkeit, wenn durch Quishing eine Überweisung ausgeführt wird? Die Bank? Die Versicherung? Oder der Apothekeninhaber selbst? Juristisch klar ist: Bei Verstoß gegen Sicherheitsrichtlinien (z. B. Scannen unsicherer QR-Codes, mangelnde Schulung, keine Aufzeichnungspflicht) haftet der Betrieb – nicht nur für den Schaden, sondern auch für dessen Folgekosten. Selbst bei bestehender Versicherung kann die Regulierung scheitern, wenn Meldepflichten, Mitwirkung oder Sicherheitsstandards verletzt wurden.
Die beste Prävention ist deshalb eine klare Strategie. Und sie beginnt mit einem Versicherungscheck: Was ist wirklich abgedeckt? Welche Definition gilt für digitalen Betrug? Ist Social Engineering explizit eingeschlossen? Gibt es Höchstgrenzen für Erstattungen? Werden juristische Begleitkosten übernommen? Bietet der Versicherer ein IT-Krisenteam? Wie schnell reagiert er? Apotheken sollten hier nicht auf den nächstbesten Tarif vertrauen, sondern auf branchenerfahrene Anbieter setzen, die Risiken im Heilberufskontext wirklich verstehen – und die auch Rückwirkungsklauseln, Altverträge und Betriebsunterbrechung einbeziehen.
Fazit: Die Bedrohung durch Quishing ist keine Randerscheinung mehr – sie ist ein systemisches Risiko für Apothekenbetriebe. Die Täter agieren strategisch, sprachlich versiert und technisch geschickt. Wer nicht vorbereitet ist, riskiert nicht nur den Zugriff auf das Apothekenkonto, sondern auch das Vertrauen der Patienten und die wirtschaftliche Substanz des eigenen Unternehmens. Digitale Resilienz heißt heute: misstrauen, analysieren, absichern. Und das beginnt nicht mit der IT-Abteilung, sondern mit der Geschäftsleitung.
Früherkennung schützt Betriebe, Versicherungen schützen Existenzen, Retaxpolitik gefährdet Gerechtigkeit
Apotheken entlarven Fälscher, geraten aber selbst unter Druck, wenn Kassen ohne Augenmaß zurückfordern und Policen auf Lücken geprüft werden müssen
Es ist ein Fall, der symptomatisch steht für ein strukturelles Dilemma – und gleichzeitig exemplarisch für die Hilflosigkeit, in die Apotheken geraten können, wenn Systemversagen nicht anerkannt, sondern sanktioniert wird. Dr. Roland Pitz, Inhaber der Apotheke am Rathaus in Ottobrunn, erkannte kürzlich eine gefälschte Mounjaro-Verordnung, informierte die Polizei, ermöglichte die Festnahme des Täters – und wurde wenige Tage später von der AOK Bayern wegen eines anderen Mounjaro-Rezepts retaxiert, weil dort die „offensichtliche Fälschung“ nicht erkannt worden sei. Der Vorgang mutet an wie eine kafkaeske Umkehrung von Ursache und Wirkung: Wer aufklärt, wird bestraft; wer schützt, wird zur Zielscheibe. Was für Apothekeninhaber wie Pitz wie blanker Hohn erscheint, ist in Wahrheit Ausdruck eines Systems, das die Verantwortung für Rezeptprüfung verlagert, aber keine rechtssicheren Bedingungen für diese Erwartung schafft.
Die Problemlage ist mehrdimensional: Mounjaro (Tirzepatid) ist ein besonders teures, aktuell stark nachgefragtes Arzneimittel, das neben der Diabetesbehandlung auch off-label zur Gewichtsreduktion eingesetzt wird. Seine Beliebtheit auf Plattformen und in Influencer-Kreisen hat es zu einem Objekt organisierter Rezeptfälschung gemacht – analog zu den gefälschten Ozempic-Verordnungen der vergangenen Monate. Die Apotheken stehen dabei an der empfindlichsten Stelle der Versorgungskette: Sie sind die letzte Kontrollinstanz vor der Abgabe und gleichzeitig die erste Adresse für Sanktionen, wenn etwas schiefläuft. Besonders absurd: Die technischen Mittel zur sicheren Verifizierung sind oftmals unzureichend, Kommunikationswege zu ausstellenden Ärzten blockiert, und selbst der digitale Abgleich scheitert regelmäßig an nicht abgestimmten Telematikstrukturen. Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu realitätsfremd, von einer „offensichtlichen Fälschung“ zu sprechen.
Die AOK Bayern verweist in ihrem Bescheid auf die Pflicht der Apotheke, Verordnungen sorgfältig zu prüfen und bei Zweifeln Rücksprache zu halten – eine Forderung, die in der Theorie richtig, in der Praxis jedoch regelmäßig ins Leere läuft. Denn Rezeptfälschungen sind heute oft technisch so professionell umgesetzt, dass sie von Originalen kaum zu unterscheiden sind. Farbgebung, Papierstruktur, Unterschriften – vieles wird täuschend echt kopiert. Hinzu kommt der Zeitdruck in öffentlichen Apotheken, die Frequenz von Kundenkontakten, das Spannungsverhältnis zwischen Kundenfreundlichkeit und Kontrolle sowie die Unmöglichkeit, im Zweifelsfall jede Verordnung unmittelbar ärztlich rückzuverifizieren. Die Entscheidung, ein Rezept nicht einzulösen, bedeutet in solchen Fällen nicht nur einen potenziellen wirtschaftlichen Verlust, sondern kann zu Konflikten mit Patienten führen – im schlimmsten Fall zu aggressiven Reaktionen, wie sie zuletzt mehrfach dokumentiert wurden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich mit neuer Dringlichkeit die Frage: Wie können sich Apotheken schützen – nicht nur technisch, sondern auch rechtlich und finanziell? Die Antwort führt zwangsläufig zu zwei Instrumenten, die bislang als Randthemen behandelt wurden, nun aber in den Fokus rücken: die Rezeptfälschungsversicherung und die Retax-Versicherung. Ersteres soll greifen, wenn trotz fachgerechter Prüfung eine Fälschung nicht erkannt wird – und die Apotheke dafür haftbar gemacht wird. Der Markt bietet inzwischen spezialisierte Policen an, die diese Fälle explizit abdecken. Doch nicht jede Police greift rückwirkend oder bei Verordnungen, bei denen grobe Fahrlässigkeit unterstellt wird – ein juristisches Gummiband, das im Schadensfall oft zur Stolperfalle wird.
Noch diffiziler ist die Rolle der Retax-Versicherung. Sie springt dann ein, wenn eine Krankenkasse eine Abrechnung rückwirkend streicht – aus welchen Gründen auch immer. Dass dabei immer häufiger Fälle auftauchen, in denen Apotheken durch Täuschung Dritter zu „Fehlabrechnungen“ verleitet werden, zeigt eine bedenkliche Tendenz: Der wirtschaftliche Schaden trifft die Betriebe, obwohl sie weder Verursacher noch Mitwisser sind. Und: Die Retax-Versicherung greift nur dann, wenn der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht aufrechterhalten wird. In Zeiten zunehmender Kassenstrenge ist das ein schmaler Grat – und in Fällen wie jenem von Dr. Pitz eine doppelte Zumutung.
Denn dass die AOK Bayern nach einem eindeutig dokumentierten Fahndungserfolg gegen Rezeptbetrug keine Differenzierung vornimmt, sondern standardisiert retaxiert, wirkt nicht nur wie eine Entwertung der Präventionsleistung, sondern demotiviert auch andere Apotheken, aktiv gegen Fälschungen vorzugehen. Wer im Nachhinein bestraft wird, weil er nicht in allen Fällen gleich erfolgreich war, gerät zwangsläufig in ein systemisches Dilemma: zwischen Sorgfalt und Sanktion, zwischen Vertrauen und Risikoabwälzung.
Zugleich offenbart der Fall, wie dringend politischer Klärungsbedarf besteht. Weder das Sozialgesetzbuch noch die Rahmenverträge zwischen Apotheken und Krankenkassen definieren eindeutige Kriterien, wann eine Fälschung als „nicht erkennbar“ zu werten ist – und in welchen Fällen eine Retaxation zulässig ist. Das schafft Spielraum für unfaire Bewertungen und ein strukturelles Machtgefälle zulasten der Apotheken. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier klare juristische Mindeststandards zu definieren: etwa einen Prüfkatalog, der technische, organisatorische und fachliche Indikatoren berücksichtigt – und nicht bloß ein Ergebnis im Nachhinein als Maßstab nimmt.
In der Praxis wird sich zeigen müssen, ob die Versicherungswirtschaft dieses strukturelle Risiko adäquat abbilden kann. Einige Anbieter reagieren bereits: mit neuen Policen, die explizit Rezeptfälschungen durch Dritte als versicherbare Ereignisse deklarieren, auch wenn kein eindeutiger Fahrlässigkeitsnachweis geführt werden kann. Andere koppeln ihre Leistungen an präventive Schulungen, Fortbildungsnachweise und die Implementierung technischer Verifikationssysteme wie securPharm, QR-Code-Validierung oder Apotheken-interner Vieraugenprinzipien.
Doch auch hier bleibt die Realität komplexer: Selbst die beste Schulung ersetzt nicht die gerichtsfeste Beweislage. Und keine technische Lösung kann sicherstellen, dass Kriminelle nicht doch eine neue Lücke finden. Das Problem liegt nicht bei den Apotheken, sondern in der Asymmetrie des Systems: Krankenkassen handeln rückblickend mit Allwissenheit, Apotheken dagegen mit begrenzter Zeit, Informationslage und personellen Ressourcen. Der Fall Dr. Pitz macht deutlich, dass diese Asymmetrie endlich ernst genommen werden muss – juristisch, finanziell, politisch.
Denn wenn Apotheken zu Schutzwällen gegen Fälschung werden sollen, dann müssen sie auch rechtlich und wirtschaftlich wie solche behandelt werden. Wer aufklärt, darf nicht bestraft werden. Wer Verantwortung übernimmt, braucht Rückendeckung. Und wer im öffentlichen Auftrag Versorgungssicherheit garantiert, darf vom System nicht zum Bauernopfer gemacht werden.
Flucht prägt Unternehmertum, Freiheit motiviert zur Selbstständigkeit, Wertschätzung trägt Verantwortung
Ein Apotheker mit Fluchterfahrung gründet in Krisenzeiten eine eigene Offizin, gewinnt dabei an persönlicher Unabhängigkeit, erlebt berufliche Erfüllung durch gesellschaftliche Anerkennung
Zana Murad steht heute hinter dem HV-Tisch seiner eigenen Apotheke – nicht als Teilhaber, nicht als Verwalter, sondern als Eigentümer und Gestalter. Dass dieser Satz überhaupt selbstverständlich klingt, ist das Ergebnis vieler Entscheidungen, die Mut erforderten – und vieler Jahre, die davon geprägt waren, eben nicht gesehen zu werden. Als Kind einer geflüchteten Familie kam Murad vor über zwei Jahrzehnten nach Deutschland. Seine Biografie beginnt nicht mit pharmazeutischen Kennzahlen, sondern mit Übergangswohnheimen, Integrationskursen, Sprachbarrieren. Und doch steht am Ende dieser Geschichte ein Beruf, der wie kaum ein anderer für Vertrauen, Verantwortung und Stabilität steht. Apotheker zu werden – das war für Murad keine frühkindliche Berufung, sondern ein bewusster Akt des Aufbaus.
Heute ist es ein anderer Akt, der diese Geschichte fortschreibt: die Selbstständigkeit. In einer Zeit, in der Apotheken schließen, die politische Unterstützung wankt und viele Berufseinsteiger:innen eine Anstellung bevorzugen, geht Murad in die andere Richtung. Was ihn motiviert, ist nicht Abenteuerlust oder ein unreflektierter Unternehmergeist, sondern die Erfahrung, dass Teilhabe nur dann gelingt, wenn man Strukturen nicht nur nutzt, sondern mitgestaltet. Die Apotheke ist für ihn mehr als ein Betrieb – sie ist eine Möglichkeit, gesellschaftlich sichtbar zu werden, Verantwortung für ein Team zu übernehmen, medizinische Versorgung mit menschlicher Nähe zu verbinden.
Bielefeld als Standort ist dabei kein Zufall. Die Stadt ist vielfältig, herausgefordert, durchmischt. Genau das macht sie für Murad zum idealen Ort: In seinem Kundenstamm spiegeln sich Herkunft, Alter, Bildungsstand und Sprache der Bevölkerung wider. Es sind Menschen, die ebenso auf Beratung angewiesen sind wie auf Vertrauen – und oft beides lange entbehren mussten. Die Apotheke wird damit nicht nur zum Gesundheitsknotenpunkt, sondern auch zu einem Ort der Begegnung. Hier ist die sprachliche Barriere nicht Hindernis, sondern Anlass für einen Perspektivwechsel. Hier werden Migrant:innen nicht nur bedient, sondern verstanden – nicht als Zielgruppe, sondern als Teil einer pluralen Versorgungsgesellschaft.
Was Murads Weg so besonders macht, ist nicht allein sein biografischer Hintergrund, sondern sein Blick auf Führung. Er sieht sich nicht als Chef, sondern als Ermöglicher. Sein Team – divers, motiviert, mit fachlicher Tiefe – arbeitet nicht unter ihm, sondern mit ihm. Die Grundhaltung: Führung durch Vertrauen. Konflikte werden nicht ausgesessen, sondern angesprochen. Herausforderungen nicht verwaltet, sondern aktiv angegangen. Dass sich viele Mitarbeiter:innen gezielt bei ihm bewerben, ist kein Zufall, sondern Resultat dieser Kultur.
Gleichzeitig ist Murad Realist. Er weiß um die wirtschaftlichen Unsicherheiten, um die Risiken, die jede Neugründung mit sich bringt. Die Honorarlage ist angespannt, bürokratische Anforderungen nehmen zu, Lieferengpässe prägen den Alltag. Doch er kontert das mit einem Prinzip, das ihn seit jeher trägt: Resilienz. Für ihn ist das kein Modewort, sondern Lebensrealität. Die Fähigkeit, in instabilen Systemen handlungsfähig zu bleiben, ist für ihn nicht theoretisch – sie ist erlernt, erlitten, erwachsen.
Damit rückt Murad in eine Rolle, die in der gesundheitspolitischen Debatte oft fehlt: die des selbstständig denkenden Heilberuflers mit Migrationsgeschichte, der nicht auf Förderung wartet, sondern Impulse setzt. Er beweist, dass Herkunft und Unternehmertum kein Widerspruch sind, sondern sich gegenseitig stärken können – wenn Strukturen es zulassen und Menschen sie nutzen. In seinem Fall trifft beides zu.
Die Apotheke selbst ist modern, offen gestaltet, digital integriert – aber nicht als Showroom, sondern mit klarem Nutzen: barrierefreie Kommunikation, strukturierte Beratung, optimierte Abläufe. Dass viele seiner Kund:innen treu bleiben, liegt nicht an günstigen OTC-Preisen, sondern an dem Gefühl, ernst genommen zu werden. Wer mit Ängsten zu Medikamenten kommt, mit Sprachproblemen, mit Unsicherheit – der findet hier einen Ort, an dem diese Sorgen nicht belächelt, sondern ernsthaft behandelt werden.
Auch das politische Signal, das von seiner Gründung ausgeht, ist deutlich. Während viele über Nachwuchsmangel, Überregulierung und wirtschaftliche Schieflage klagen, setzt Murad auf Verantwortung und Präsenz. Seine Botschaft: Selbstständigkeit ist kein Auslaufmodell, wenn sie getragen wird von Überzeugung, Fachkompetenz und gesellschaftlicher Rückbindung.
So entsteht in Bielefeld nicht nur eine neue Apotheke – es entsteht ein Modell. Ein Modell dafür, wie aus Fluchterfahrung Führungsstärke wächst. Wie aus Unsicherheit Gestaltungswille wird. Wie aus biografischem Risiko eine gesellschaftliche Ressource entsteht. Und wie eine Apotheke mehr sein kann als ein Ort der Arzneimittelabgabe – nämlich ein Zeichen dafür, dass Verantwortung keine Herkunft kennt, sondern Haltung braucht.
Werbeverbot verliert Legitimation, Apothekenmonopole verlieren Schutz, Patientensouveränität gewinnt an Bedeutung
Der EuGH erklärt Polens Apothekenwerbeverbot für unzulässig, entzieht strukturellen Wettbewerbsblockaden den Rechtsboden und stärkt die freie Wahl und Informiertheit von Patientinnen und Patienten
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 27. Juni 2025 eine Grundsatzentscheidung getroffen, die nicht nur das polnische Apothekenwesen erschüttert, sondern auch als europaweite Zäsur gewertet werden kann. Das seit 2012 in Polen geltende umfassende Werbeverbot für Apotheken verstoße gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit, weil es weder sachlich gerechtfertigt noch verhältnismäßig sei und de facto dem Schutz etablierter Marktakteure diene. Statt Patienten vor einem übermäßigen Konsum von Arzneimitteln zu bewahren, verfolge das Verbot in seiner praktischen Wirkung das Ziel, wirtschaftliche Positionen alter Apothekenstandorte abzusichern. Mit dieser Argumentation hebt der EuGH nicht nur eine nationale Regelung auf, sondern definiert die Grenzen staatlicher Eingriffe in marktwirtschaftliche Strukturen des Gesundheitswesens neu.
Konkret untersagten die polnischen Vorschriften Apotheken jegliche Form der aktiven Außendarstellung – weder Preisinformationen noch Hinweise auf zusätzliche Dienstleistungen, Öffnungszeiten oder Rabattaktionen durften öffentlich kommuniziert werden. Selbst Maßnahmen zur Förderung von Medikationsberatung, pharmazeutischen Dienstleistungen oder Präventionsprojekten wurden sanktioniert, wenn sie mit einem werblichen Anschein versehen waren. Der EuGH sieht darin nicht nur eine Wettbewerbsverzerrung, sondern einen Bruch mit zentralen Grundsätzen des Binnenmarkts, da der Zugang zum Markt behindert werde und die unternehmerische Entfaltung neuer Marktteilnehmer systematisch unterbunden werde.
Brisant wird das Urteil durch seine politische Tiefe: In der juristischen Begründung betonen die Richter, dass der Gesundheitsschutz als legitimes Ziel zwar ein Werbeverbot rechtfertigen könne – aber nur dann, wenn dieses Ziel tatsächlich verfolgt werde und die Einschränkungen geeignet, erforderlich und angemessen seien. Das sei in Polen gerade nicht der Fall. Vielmehr habe die Regelung in der Praxis den Effekt, dass junge, innovative Apothekengründungen kaum Sichtbarkeit erlangen konnten und der Wettbewerb faktisch eingefroren wurde. Die Schutzwirkung richtete sich nicht auf die Bevölkerung, sondern auf Besitzstandswahrung – ein Prinzip, das nach Auffassung des Gerichts mit europäischem Recht nicht vereinbar ist.
Auch aus deutscher Sicht hat das Urteil Signalwirkung. Zwar gilt hierzulande kein explizites Werbeverbot für Apotheken im Stil der polnischen Regelung, doch bestehen auch in Deutschland restriktive Grenzen für werbliche Aussagen, insbesondere bei Arzneimitteln. Die Entscheidung könnte daher zu einer Neujustierung führen, insbesondere im Bereich der Bewerbung pharmazeutischer Dienstleistungen (pDL), der Sichtbarkeit digitaler Plattformen, sowie der Kommunikationsfreiheit von Versandapotheken. Das Zusammenspiel von nationaler Regulierung und europäischem Wettbewerbsrecht steht zunehmend unter Spannung – und das Urteil des EuGH könnte in der Debatte um Plattformregulierung, E-Rezept-Kommunikation und sektorale Werberegeln ein Korrektiv darstellen.
Die Reaktionen aus Polen zeigen die Spaltung der Branche. Während konservative Apothekenverbände den Verlust des Werbeverbots als „Risikofaktor für Kommerzialisierung“ einstufen, begrüßen Neugründer und unternehmerisch orientierte Pharmazeuten die Entscheidung. „Wir sind endlich gleichberechtigt sichtbar“, sagt eine Apothekenleiterin aus Lodz, die sich 2023 mit einem Präventionskonzept zur Diabetesberatung selbstständig gemacht hatte, jedoch keinerlei Informationsmaterial außerhalb ihrer Apotheke platzieren durfte. Die Realität habe gezeigt, dass Schweigen nicht gleichbedeutend mit Seriosität sei – sondern oft mit Intransparenz und Stagnation.
Bemerkenswert ist auch, dass das Urteil mit einer gewissen Logik auf andere Sektoren übertragbar ist. Überall dort, wo Gesundheitsinformationen mit einer Art stillschweigender Marktsicherung verknüpft werden, könnte das Luxemburger Urteil als juristische Blaupause dienen. Auch Deutschland steht hier nicht außerhalb der Kritik: Die restriktiven Vorgaben für Apothekenkooperationen, Plattformwerbung, digitale pDL-Angebote oder sogar das bloße Informieren über Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen sind Teil einer Debatte, die nach dem EuGH-Urteil neuen Schub erhalten dürfte.
Dabei betont das Gericht ausdrücklich, dass es nicht um eine Aufweichung der Gesundheitsvorsorge gehe. Im Gegenteil: Transparenz, sachliche Information und nachvollziehbare Angebote seien gerade im Gesundheitsbereich Voraussetzung für mündige Entscheidungen. Das Ziel sei nicht weniger Regulierung, sondern intelligenter Ausgleich – zwischen patientenzentrierter Aufklärung und unternehmerischer Innovationsfreiheit. Das Werbeverbot, so der EuGH, verhindere keine medizinischen Risiken, sondern verschleiere Möglichkeiten der Orientierung.
In diesem Sinne stärkt das Urteil die Patientensouveränität erheblich. In einer Zeit, in der digitale Gesundheitsinformationen, Apothekenbewertungen und telepharmazeutische Dienste an Bedeutung gewinnen, markiert das Verbot alter Blockaden eine Rückkehr zur Funktionalität des Binnenmarktes. Auch für die Regulierung in Deutschland bedeutet dies ein Weckruf: Wenn das Bewerben einer Impfberatung oder einer Medikationsanalyse künftig noch mit disziplinarischen Maßnahmen belegt wird, während digitale Plattformen ungehindert auftreten dürfen, entsteht ein Regelungskonflikt, den nationale Behörden kaum länger aufrechterhalten können.
Insbesondere für Plattformanbieter wie DocMorris, Redcare oder Shop-Apotheke könnte das Urteil neue Angriffspunkte eröffnen. Wenn die Nichtbewerbbarkeit stationärer Angebote faktisch zu einem Sichtbarkeitsvorteil digitaler Unternehmen führt, wird aus Verbraucherschutz Wettbewerbsverzerrung. Das Urteil schafft hier ein neues Gleichgewicht – wenn auch zunächst nur in Polen. Doch die Wirkung reicht weiter: Wer Marktanteile nur über Schweigepflichten schützt, wird künftig juristisch angreifbar.
Langfristig könnte die Entscheidung auch die Struktur des Apothekenmarktes beeinflussen. Alteingesessene „Platzhirsche“, die sich über Jahrzehnte auf Werbebarrieren verlassen haben, geraten in Zugzwang. Die Qualität der Versorgung wird künftig nicht mehr durch Schweigen geschützt, sondern durch Transparenz und echte Leistung. Für junge Apothekerinnen und Apotheker, für innovative Versorgungskonzepte und für die Vielfalt im Gesundheitswesen ist das Urteil ein Türöffner – und zugleich ein Plädoyer für eine europäische Apothekenpolitik, die Schutz nicht mit Stillstand verwechselt.
Veränderung kostet Vertrauen, Struktur kostet Gewinn, Dividende ersetzt kein Ergebnis
Sanacorp baut für die Zukunft um und reduziert dabei Stellen, das Transformationsprogramm verschlingt Millionen und halbiert den Gewinn, doch die Dividende bleibt stabil
Als Genossenschaft unterliegt Sanacorp einer besonderen Verantwortung: wirtschaftliche Stärke, strukturelle Stabilität und die Interessen der Mitglieder müssen im Gleichgewicht stehen. Doch genau diese Balance gerät im laufenden Zukunftsprogramm ins Wanken. Die tiefgreifende Transformation, die unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden Patrick Neuss fortgesetzt wird, stellt die Genossenschaft vor eine paradoxe Herausforderung: Obwohl Umsatz und strategischer Umbau planmäßig verlaufen, ist der Gewinn eingebrochen – und dennoch wird die Dividende auf Vorjahresniveau ausgeschüttet. Die Fragen, die sich daraus ergeben, betreffen nicht nur die finanzielle Nachhaltigkeit, sondern auch das Selbstverständnis einer apothekereigenen Großhandelsstruktur.
Seit 2024 wird das bereits unter dem ehemaligen Vorstandschef Dr. Herbert Lang gestartete Zukunftsprogramm mit Nachdruck umgesetzt. Es trägt einen eindeutig strukturorientierten Charakter: Ziel ist es, durch tiefgreifende Anpassungen in Organisation, Prozessen und Systemen die Investitionsfähigkeit langfristig zu sichern und die Rolle als Systempartner der Vor-Ort-Apotheken strategisch auszubauen. Doch der Preis für diese Neuausrichtung ist hoch – und spiegelt sich im Ergebnis des Jahres 2024 deutlich wider. Die Zahl der Mitarbeitenden sank auf 3067, das sind über 100 weniger als im Vorjahr. Zugleich stiegen die Personalaufwendungen um fast 40 Prozent – von 113 auf 158 Millionen Euro. Der Grund: Für die personellen Umstrukturierungen wurden Rückstellungen in Höhe von 35 Millionen Euro gebildet. Auch die sonstigen betrieblichen Aufwendungen kletterten signifikant, etwa durch externe Beratungsleistungen, die nun mit 137 Millionen Euro zu Buche schlagen.
In der Folge schrumpfte der Jahresüberschuss dramatisch: von 20 Millionen Euro auf nur noch 6,8 Millionen. Eine Halbierung wäre untertrieben – tatsächlich handelt es sich um einen Einbruch um zwei Drittel. Dennoch will Sanacorp die Genossenschaftsmitglieder nicht vergrämen: Die Bardividende soll bei insgesamt 7,9 Millionen Euro bleiben – exakt der Summe des Vorjahres, als eine Jubiläumsdividende zusätzlich ausgezahlt wurde. Diese Dividendenpolitik wirft Fragen auf. Denn die Ausschüttung übersteigt den Jahresüberschuss deutlich. Zwar orientiert sich die Dividende nicht allein am Überschuss, sondern auch an den gezeichneten Anteilen – doch in Summe wird damit eine betriebswirtschaftliche Grundregel strapaziert: Gewinne finanzieren Ausschüttungen, nicht die Substanz.
Hinzu kommt eine demografisch bedingte Schrumpfung auf Mitgliederebene. Die Zahl der Mitglieder fiel 2024 von 7385 auf 7271, während die Zahl der gezeichneten Anteile leicht stieg – von 34.110 auf 34.489. Dieser Trend deutet auf eine wachsende Konzentration hin: Weniger Mitglieder halten mehr Anteile. Für die Genossenschaft bedeutet das eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse – und eine potenzielle Verengung des strategischen Rückhalts.
Sanacorp sieht sich dennoch auf Kurs. Vorstand Neuss betont, dass man im Plan liege und nun nach Abschluss der Beratungen mit der Arbeitnehmervertretung in die nächste Umsetzungsphase eintrete. Die Transformationsstrategie soll bis Ende 2027 abgeschlossen sein und sieht neben strukturellen Eingriffen vor allem Investitionen in digitale Prozesse, Automatisierung und neue Dienstleistungen vor. Doch genau hier liegt ein weiteres Risiko: Die Abwicklung des Joint Ventures Sanastera mit der französischen Astera-Gruppe Ende 2023 zeigt, wie fragil internationale Kooperationsprojekte sein können – insbesondere wenn sie nicht in klar definierte Transformationsstrategien eingebettet sind. Sanastera, einst als europäisches Zukunftsprojekt positioniert, erwies sich als nicht tragfähig. Die Abwicklung beendet nicht nur ein gemeinsames Kapitel, sondern auch einen strategischen Expansionspfad, der nun durch interne Konsolidierung ersetzt wird.
Die wirtschaftliche Ausgangslage der Genossenschaft bleibt dennoch solide. Der Umsatz lag 2024 bei 7,4 Milliarden Euro – ein stabiler Wert, der das operative Fundament unterstreicht. Doch Umsatz allein genügt nicht als Indikator für Stärke. Entscheidend ist, wie viel operative Wertschöpfung daraus generiert wird – und genau hier schlägt das Zukunftsprogramm ins Kontor. Die Rückstellungen, die Sanacorp jetzt treffen, sind keine bloßen Bilanzierungen, sondern reale strategische Entscheidungen mit Folgen für Personal, Investitionen und Vertrauen.
Der embedded Kommentar: Der Kurs, den Neuss verfolgt, ist betriebswirtschaftlich nachvollziehbar – doch er verlässt sich gefährlich auf die Geduld der Mitglieder. In einer Zeit, in der viele Apotheken selbst unter massivem wirtschaftlichem Druck stehen, ist eine Dividende aus der Substanz ein zweischneidiges Signal. Der Umbau von innen mag notwendig sein, doch er braucht nicht nur Strukturreformen, sondern auch kulturelle Kommunikation – und das klare Bekenntnis, dass kurzfristige Härten nicht zum strategischen Prinzip erhoben werden dürfen.
Am Ende wird sich das Programm an zwei Kriterien messen lassen müssen: Wird Sanacorp tatsächlich effizienter, digitaler, wettbewerbsfähiger? Und gelingt es, dabei die genossenschaftliche Identität – das Vertrauen der Mitglieder – nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken? Der Umbau der Zukunft darf nicht zum Abbau der Gegenwart werden.
Xarelto-Verknappung befeuert Apothekenmisstrauen, Preissteigerung entlarvt Lagerstrategien, Großhandel gerät unter Verdacht
Wenn Gerinnungshemmer nicht lieferbar sind, stehen Patientinnen ohne Schutz da, Apotheken kämpfen mit Preislogik und Moral, das Vertrauen in Verfügbarkeit bröckelt
Die nächste Preisrunde bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wirft ihren Schatten voraus – mit unmittelbaren Folgen für die Versorgung in öffentlichen Apotheken. Der Gerinnungshemmer Xarelto (Rivaroxaban), ein Blockbuster-Medikament des Leverkusener Konzerns Bayer, wird ab dem 1. Juli 2025 teurer. Noch bevor die neue Preisliste wirksam wird, berichten Apotheken von einer flächendeckenden Verknappung. Mehrere Inhaberinnen und Inhaber beklagen, dass sie bei ihren Großhändlern leer ausgingen. Die betroffenen Chargen seien zwar noch gelistet – aber „nicht lieferbar“. Der Vorwurf: Die Großhandlungen halten Ware gezielt zurück, um nach der Preissteigerung höhere Erstattungserlöse einzufahren.
Insbesondere der Zeitpunkt der Nichtverfügbarkeit ist brisant. Eine Inhaberin aus Nordrhein-Westfalen berichtet, dass sie zum Wochenende von drei großen Lieferanten kein einziges Xarelto-Präparat mehr erhalten habe – trotz aktiver Verordnungslage. Patientinnen und Patienten, die auf die kontinuierliche Einnahme des oralen Antikoagulans angewiesen sind, standen ohne Medikament da. „Das ist kein Lieferengpass, sondern eine künstlich herbeigeführte Marktentkopplung“, sagt die Apothekerin. Sie sieht sich gezwungen, das Problem offensiv zu kommunizieren – aus Sorge vor Regressforderungen und einem ethischen Dilemma zwischen Bevorratung, Wirtschaftlichkeit und Versorgungspflicht.
Die wirtschaftliche Logik hinter dem vermeintlichen „Engpass“ ist simpel, aber brisant. Sobald ein Arzneimittel teurer wird, verändert sich der Erstattungswert durch die Krankenkassen – zu Gunsten desjenigen, der noch nicht zum alten Preis abgegeben hat. Für den pharmazeutischen Großhandel bedeutet das: Ein Medikament, das am 30. Juni ausgeliefert würde, bringt deutlich weniger Marge als dieselbe Packung am 1. Juli. In der Konsequenz wird Ware, die physisch vorhanden wäre, aus rein ökonomischem Kalkül zurückgehalten. Der Patient wird damit zum Spielball strategischer Lieferlogik – ohne Transparenz, ohne Einfluss.
Apothekerinnen und Apotheker stehen in diesem Szenario als letzte Glieder der Kette unter enormem Druck. Einerseits erwartet man von ihnen Verfügbarkeit, Verantwortung und Versorgungssicherheit. Andererseits sind sie in einem System gefangen, das durch ökonomische Fehlanreize und marktliche Ungleichgewichte geprägt ist. Wenn sie – wie nun bei Xarelto – auf leere Lager blicken, müssen sie sich nicht nur gegenüber Patientinnen und Patienten rechtfertigen, sondern auch gegenüber der Kasse: Retaxationen, weil Verordnungen nicht beliefert wurden, sind dabei ebenso wahrscheinlich wie der Verlust an Vertrauen in die heilberufliche Leistung.
Noch gravierender ist die psychologische Wirkung dieser Praxis. Das System, das auf Stabilität, Sicherheit und Qualität beruht, wird durch Marktstrategien entkernt. Apotheken lernen, dass es nicht mehr reicht, korrekt zu arbeiten – sie müssen zunehmend antizipieren, wann wirtschaftliche Kräfte gegen sie spielen. Das erzeugt Misstrauen, begünstigt Fehlanreize wie Überbevorratung und beschädigt die Integrität des Versorgungssystems.
Der Fall Xarelto ist kein Einzelfall, sondern Symptom einer systemisch verzerrten Marktlogik. Mit Blick auf das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG), auf Rabattverträge, Erstattungspreise und Packungsgrößenverordnungen zeigen sich tieferliegende Verwerfungen, die nicht nur einzelne Präparate, sondern das gesamte Verhältnis zwischen Industrie, Großhandel und Offizin belasten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) differenziert nicht zwischen „echten“ und „strategischen“ Lieferengpässen – doch für die Versorgungsrealität in den Apotheken macht diese Unterscheidung den entscheidenden Unterschied.
Wenn ökonomische Preissprünge den Versorgungsfluss unterbrechen, entsteht ein doppelter Schaden: Patientinnen und Patienten verlieren Vertrauen, Apotheken verlieren Handlungsspielraum. Und das System verliert seine Legitimität. Eine wirksame regulatorische Antwort – etwa durch Meldepflichten für zurückgehaltene Bestände, verbesserte Transparenzpflichten oder monetäre Anreize zur kontinuierlichen Auslieferung – wäre dringend erforderlich. Doch bislang herrscht Schweigen aus dem Bundesgesundheitsministerium.
Der Markt regelt – aber nicht für alle gleich.
Impfkompetenz erweitert Vertrauen, pharmazeutische Dienste erweitern Versorgung, politische Weichen erweitern Verantwortung
Schweizer Apotheken impfen mit Akzeptanz, entwickeln Dienstleistungen weiter und rücken ins gesundheitspolitische Zentrum
Die Schweizer Apotheke hat in den vergangenen zehn Jahren ein eindrucksvolles Kapitel pharmazeutischer Professionalisierung aufgeschlagen – nicht theoretisch, sondern ganz praktisch: mit dem Impfen. Was anfangs als begrenztes Projekt mit Schulungsaufwand begann, ist heute integraler Bestandteil des apothekerlichen Alltags und gesundheitspolitischer Realität. Die Impfleistung in der Offizin zeigt exemplarisch, wie die Apotheke zur Versorgungsdrehscheibe werden kann – mit Kompetenz, Vertrauen und Nähe als Kernwährungen.
2015 wurde der Grundstein gelegt, seither ist die Zahl impfender Apotheken kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile dürfen sie in 25 Kantonen bestimmte Impfungen direkt durchführen – unter Auflagen, mit kantonal abgestimmten Befugnissen, aber ohne institutionelle Skepsis. Der Erfolg liegt im Setting: Keine Wartezeiten, wohnortnahe Beratung, niederschwelliger Zugang. Besonders in Grippesaisons und Pandemiejahren wurde deutlich, wie effizient Apotheken bevölkerungsweite Maßnahmen mittragen und sogar entlastend auf Hausärztestrukturen wirken können.
Doch der Wandel geht weiter. Die Schweizerische Gesellschaft der Pharmazeutischen Wissenschaften (SGPH) sowie die Kantonsapothekerkonferenz setzen sich mittlerweile für die Erweiterung des Impfkatalogs ein – etwa auf FSME, Masern-Mumps-Röteln (MMR) oder Herpes Zoster. Der Hintergrund ist epidemiologisch klar: Viele erwachsene Schweizer:innen sind nicht vollständig durchgeimpft, Impflücken gefährden nicht nur die Einzelperson, sondern das Konzept kollektiver Immunität. Apotheken könnten genau dort ansetzen, wo Arztpraxen nicht ausreichend sensibilisieren oder logistisch nicht erreichbar sind.
Gleichzeitig muss sich die Rolle der Apotheke weiter differenzieren. Das Impfen ist nur ein Baustein innerhalb eines größeren Konzepts pharmazeutischer Dienstleistungen. Medikationsanalysen, Gesundheitscoaching, Präventionsberatung – all das soll künftig mit standardisierten Qualitätsindikatoren und elektronischer Dokumentation verbunden werden. Hierzu laufen aktuell Pilotprojekte unter Federführung von pharmaSuisse und in Zusammenarbeit mit der FMH und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Es geht um mehr als neue Aufgaben: Es geht um ein neues Selbstverständnis.
Für Patient:innen ist das bereits Realität. Eine im April 2025 veröffentlichte Studie der Universität Neuenburg zeigte, dass über 68 Prozent der Befragten die Impfung in der Apotheke als „gleichwertig oder besser“ im Vergleich zur ärztlichen Durchführung empfinden. Gründe sind vor allem Erreichbarkeit, Vertrauensbasis und Zeiteffizienz. Gleichzeitig äußerten sich über 70 Prozent offen für zusätzliche apothekerbasierte Leistungen – insbesondere im Bereich Reiseimpfungen, HPV, Hepatitis und allgemeine Impfchecks.
Politisch jedoch bleibt es ambivalent. Während sich einige Kantone für einen „Pharmacy First“-Ansatz mit klaren Zuständigkeiten und Vergütungsstrukturen starkmachen, zögern andere – insbesondere aus standespolitischer Rücksicht gegenüber der Ärzteschaft. Hier droht ein föderaler Flickenteppich, der weniger Versorgungsvielfalt als Verwirrung erzeugt. pharmaSuisse fordert daher ein nationales Dienstleistungsrahmenkonzept, das die Impfbefugnisse apothekenweit harmonisiert, klare Weiterbildungsstandards definiert und die Finanzierung sichert. Ohne einheitliche Rahmenbedingungen bleibt der Fortschritt lokal beschränkt – und strukturell gefährdet.
Besonders hervorzuheben ist, wie dieser Prozess das Berufsbild verändert. Die Impfung verlangt nicht nur technische Kompetenz, sondern kommunikative Souveränität. Wer eine Nadel ansetzt, muss mit Vorbehalten, Ängsten, Fehlannahmen umgehen können. Die Apothekerin wird zur Vertrauensperson auf Augenhöhe, nicht nur zur Wissensvermittlerin, sondern zur Gesundheitsakteurin im direkten Kontakt. Damit entsteht eine neue Form von Nähe, die besonders in polarisierten Impfdebatten dringend gebraucht wird.
Diese Entwicklung ist auch international beachtet. Während viele europäische Länder noch über Impfkompetenz in Apotheken diskutieren, wird die Schweiz zum Studienobjekt für funktionierende Implementierung. Die Kombination aus liberaler Regulierung, hoher Bildungsqualität und politischer Koordination bietet ein Modell, das übertragbar wäre – wenn gewollt.
Für die Zukunft wird entscheidend sein, ob Apotheken aus dem Impfauftrag ein strategisches Kompetenzfeld entwickeln. Dafür braucht es gesetzliche Klarheit, tarifäre Anreize, technische Infrastruktur und eine politisch gewollte Vision. Die Schweiz zeigt, dass es geht. Die Frage ist: Geht sie noch weiter?
Demografie verschärft Blutkrebsrisiko, Jugend fehlt in Spenderdateien, DKMS warnt vor Versorgungslücke
Mit dem Alter schrumpfen die Spenderzahlen drastisch, junge Menschen registrieren sich immer seltener, die DKMS fordert politische und gesellschaftliche Gegenmaßnahmen
Die Versorgung mit lebensrettenden Stammzellspenden steht vor einem Kipppunkt. Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) schlägt Alarm: Allein im Jahr 2025 gehen ihr über 150.000 Spenderinnen und Spender altersbedingt verloren – mehr als je zuvor. Diese Entwicklung ist nicht neu, aber in ihrer Dynamik besorgniserregend. Denn der demografische Wandel schreitet unaufhaltsam voran, während gleichzeitig die Neuregistrierungen junger Menschen kontinuierlich zurückgehen. Ein unheilvoller Trend, der sich trotz aller Aufklärungs- und Werbekampagnen nicht umkehren lässt – zumindest nicht im aktuellen Tempo.
Schon zur Jahresmitte bilanziert die DKMS nüchtern: Zwar haben sich seit Januar rund 150.000 Menschen neu registriert – doch das gleicht gerade einmal den altersbedingten Schwund aus. Netto also kein Zuwachs, sondern Stagnation. Für den gemeinnützigen Geschäftsführer Stephan Schumacher ist das nicht nur ein statistisches Problem, sondern eine Frage der medizinischen Gerechtigkeit. Denn Stammzellspenden entscheiden über Leben oder Tod – insbesondere bei Blutkrebs, der in Deutschland alle zwölf Minuten diagnostiziert wird.
Dabei ist der Bedarf nicht etwa gleichbleibend, sondern wachsend. Und mit jeder Person, die kein passendes Spenderprofil findet, bleibt eine Therapieoption ungenutzt. Laut DKMS findet heute noch immer jede zehnte Patientin oder jeder zehnte Patient keinen passenden Spender – obwohl es weltweit über 42 Millionen Registrierte gibt. In Deutschland allein zählt die DKMS rund 7,8 Millionen davon. Das zeigt: Die Größe einer Datei sagt wenig über ihre Wirksamkeit aus, wenn die Altersstruktur kippt. Denn medizinisch gesehen sind junge Spenderinnen und Spender im Alter bis 30 besonders gefragt – sie gelten als robuster, risikoärmer und besser geeignet für eine erfolgreiche Transplantation.
Doch genau diese Gruppe fehlt zunehmend. Vor der Pandemie – im Jahr 2019 – konnte die DKMS noch 688.000 Neuregistrierungen in Deutschland verzeichnen. 2023 waren es nur noch 411.000, im Jahr 2024 dann 344.000. Der Rückgang ist nicht nur eine statistische Kurve, sondern ein Weckruf. Und zwar ein doppelter: Denn erstens scheinen viele junge Menschen keinen direkten Bezug mehr zur Thematik zu haben. Zweitens bröckelt offenbar das Vertrauen in gemeinnützig organisierte Gesundheitskampagnen – oder deren Sichtbarkeit sinkt im digitalen Rauschen der Plattformökonomie.
Die DKMS versucht gegenzusteuern – mit Kampagnen in Schulen, bei Sportevents, auf Musikfestivals, in sozialen Medien. Die Zielgruppe ist klar: Jung, gesund, erreichbar. Doch der Widerstand ist subtiler geworden. Es geht nicht mehr nur um mangelnde Information, sondern oft auch um diffuse Ängste, Desinteresse oder Prioritätenverschiebungen. Die Frage, ob eine Registrierung „etwas bringt“, trifft auf eine Generation, die sich ohnehin vielfach überfordert fühlt – wirtschaftlich, psychisch, sozial.
Parallel dazu steigen die Verluste aufseiten der bestehenden Datei. Waren es 2019 noch 66.000 Menschen, die altersbedingt ausschieden, stieg diese Zahl über 86.000 im Jahr 2021 auf nunmehr 150.000 in diesem Jahr. Der Schwund ist strukturell – und politisch relevant. Denn die Frage, wie eine Gesellschaft mit knappen Ressourcen umgeht, stellt sich auch hier. Und die Antwort lautet: Es reicht nicht, auf Engagement zu hoffen. Es braucht gezielte Maßnahmen – etwa steuerlich geförderte Anreizsysteme für Spenderinnen und Spender, schulische Bildungsprogramme, verpflichtende Aufklärungskampagnen im Rahmen von Berufsorientierung oder Bundesfreiwilligendienst.
Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die aktuelle Altersgrenze für Spenden liegt bei 61 Jahren. Für eine Registrierung hingegen gilt eine Obergrenze von 55 Jahren. Diese medizinisch motivierten Grenzen sind nachvollziehbar, führen aber dazu, dass sich große Kohorten der Babyboomer sukzessive verabschieden. In zehn Jahren wird die DKMS einen Großteil ihrer aktuellen Datenbasis durch Verluste ersetzen müssen – was nur gelingt, wenn junge Nachrücker systematisch gewonnen werden.
Rein formal kann sich heute jede gesunde Person zwischen 17 und 55 Jahren registrieren. Ab dem 18. Geburtstag ist dann auch eine Spende möglich. Doch im Alltag zeigen sich neue Barrieren: Datenschutzsorgen, Online-Müdigkeit, Misstrauen gegenüber Organisationen, selbst wenn sie gemeinnützig agieren. Deshalb ist die politische Debatte über die Rolle öffentlicher Gesundheitsdatenbanken dringend notwendig. Denn die DKMS ist kein kommerzielles Unternehmen, sondern eine spendenfinanzierte Stiftung mit internationaler Reichweite: Neben Deutschland ist sie in den USA, Großbritannien, Polen, Chile, Indien und Südafrika tätig.
Weltweit konnte die Organisation bereits über 125.000 Stammzellspenden vermitteln. In der Gesamtbilanz der registrierten Spender entfallen etwa 30 Prozent aller Datensätze auf die DKMS. Doch auch international gilt: Die Altersstruktur ist der unsichtbare Gegner. Mit jedem Jahr nimmt die Wahrscheinlichkeit ab, dass ein Patient einen optimal passenden Spender findet – selbst wenn die Zahlen absolut steigen. Denn „Match“ bedeutet nicht nur genetische Kompatibilität, sondern auch körperliche Eignung, psychosoziale Stabilität und schnelle Verfügbarkeit.
Ein zentrales Problem: Die Öffentlichkeit nimmt die Dringlichkeit des Themas meist nur punktuell wahr – etwa bei prominenten Fällen oder emotionalisierten Medienberichten. Was fehlt, ist eine strukturelle Sensibilität. Eine, die das Thema Stammzellspende nicht als Nische betrachtet, sondern als integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Die DKMS allein kann das nicht leisten. Hier sind Gesundheitspolitik, Medien, Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Akteure gleichermaßen gefordert.
Anaphylaxie ohne Nadel, Anwendungssicherheit im Fokus, neue Optionen für Angstpatienten
Wie Eurneffy® den Notfallzugang verändert, welche Grenzen bei Rhinitis und Einzeldosierung bestehen und warum Apotheken die Adrenalinversorgung neu denken müssen
Mit der Zulassung des neuen Adrenalin-haltigen Nasensprays Eurneffy® steht in Deutschland erstmals eine nadelfreie Notfallapplikation zur Verfügung, die potenziell Millionen Menschen mit schwerer Allergieneigung einen niedrigschwelligen Zugang zur Akutversorgung eröffnet. Das Arzneimittel ist für die Behandlung schwerer anaphylaktischer Reaktionen vom Typ I zugelassen, verursacht durch Allergene wie Insektenstiche, bestimmte Lebensmittel, Medikamente oder körperliche Belastung. Zugelassen ist es für Erwachsene und Kinder ab 30 Kilogramm Körpergewicht.
Die Bedeutung dieser Neuerung liegt nicht nur im medizinisch-pharmakologischen Bereich, sondern vor allem in der psychosozialen Schwelle zur Anwendung: Viele betroffene Personen – insbesondere Kinder, Jugendliche oder Angstpatienten – schrecken im Notfall vor der Anwendung eines Adrenalin-Autoinjektors zurück. Auch helfende Dritte wie Eltern, Lehrer oder Betreuungspersonal zeigen in Studien Hemmungen, eine intramuskuläre Injektion durchzuführen. Mit Eurneffy® wird nun ein Applikationsweg erschlossen, der deutlich intuitiver, schneller und niedrigschwelliger umsetzbar ist – vorausgesetzt, das Handling wird korrekt vermittelt.
Konkret enthält das Nasenspray 2 mg Adrenalin in einer Einzeldosis. Es wird bei den ersten Anzeichen einer schweren allergischen Reaktion in ein Nasenloch appliziert. Sollte sich nach zehn Minuten keine Besserung einstellen oder sollten erneut Symptome auftreten, ist eine zweite Dosis erforderlich – in das gleiche Nasenloch. Daraus ergibt sich eine wichtige Praxisregel: Der Patient muss immer zwei Einheiten mit sich führen, da Eurneffy® als Einzeldosissystem keine Nachverabreichung erlaubt.
Pharmazeutisch relevant ist dabei die Information, dass das Medikament auch unter Bedingungen von Nasenverstopfung bzw. Rhinitis untersucht wurde. Die nasale Resorption von Adrenalin wurde in entsprechenden Studien auch bei leicht eingeschränkter Nasenpassage als ausreichend eingestuft. Dennoch besteht hier eine theoretische Wirksamkeitsgrenze – insbesondere bei starkem Schleimhautödem oder verstopften Nasennebenhöhlen, etwa infolge von Infekten oder Allergien.
Hinzu kommt: Die korrekte Anwendung muss absolut zuverlässig beherrscht werden. Fehler beim Einführen, Abknicken oder Schräghalten des Sprühkopfes können den Erfolg der Notfallbehandlung massiv gefährden. Laut Fachinformation ist der Sprühkopf gerade zu halten, nicht zur Naseninnenwand geneigt, und der Sprühstoß ist mit kräftigem Druck auf den Kolben auszulösen – ohne Vorabsprühen. Apotheken spielen daher eine entscheidende Rolle bei der aktiven Einweisung und Beratung: Das klassische Abverkaufsgespräch reicht nicht aus. Eine nachvollziehbare, hands-on-fähige Schulung ist essenziell – nicht nur für den Patienten selbst, sondern auch für Angehörige oder potenzielle Notfallhelfer.
Ein weiterer kritischer Aspekt betrifft die Nebenwirkungen: Sehr häufig wurden bei klinischer Prüfung lokale Reizerscheinungen wie Brennen in der Nase, Halsschmerzen, Kopfschmerzen und vorübergehende Verwirrtheit („Zerfahrenheit“) beschrieben. Auch hier sind Apotheken in der Pflicht, aktiv aufzuklären – ohne dabei die Bedeutung der Notfallanwendung zu relativieren. Denn: Die lebensrettende Wirkung von Adrenalin überwiegt das Risiko lokaler Beschwerden bei weitem.
Im Vergleich zu Autoinjektoren bringt Eurneffy® neue Chancen, aber auch neue Risiken. Die vereinfachte Anwendung kann die Versorgungslücke bei Angst vor Nadeln reduzieren, birgt aber zugleich die Gefahr von falscher Sicherheit. Wichtig ist deshalb die Einhaltung der zentralen Regel: Eurneffy ersetzt nicht die Notfallhilfe, sondern überbrückt die Zeit bis zum Eintreffen professioneller Rettungsdienste. Patienten müssen also immer angewiesen werden, nach Gabe des Sprays umgehend den Notruf abzusetzen und keine Verzögerung in der Nachversorgung zu riskieren.
Aus Sicht der Versorgungssicherheit stellt sich die Frage, wie das neue Präparat in bestehende Medikationspläne integriert wird. Für Kinder unter 30 Kilogramm ist das Spray nicht geeignet. Für ältere Kinder oder Erwachsene, die keine Injektion anwenden können oder wollen, kann es hingegen eine sinnvolle Alternative sein – möglicherweise sogar zusätzlich zu einem Autoinjektor. Gerade für Patienten mit starker Allergieanamnese, multiplen Auslösern oder psychosozialer Belastung kann die Verfügbarkeit beider Systeme eine erhöhte Sicherheit bieten.
Apotheken sollten ihre Beratungskompetenz hier aktiv einsetzen. Die Produktneueinführung ist Anlass, erneut über individuelle Notfallpläne, Trageverhalten („immer dabeihaben“), Schulsituationen und Versorgungsverantwortung in der Familie zu sprechen. Wer in diesem Kontext nur informiert statt integriert, verpasst die Chance zur aktiven Patientensicherung.
Gosse: Verträge selektieren Menschen, Kassen befehlen Wege, Apotheken verlieren Stimme
Wie die IKK classic Versorgung neu schreibt, Patientinnen auslistet und Strukturen zerschneidet
Es war einmal ein Rezept. Es reichte, um in einer Apotheke Hilfe zu bekommen. Der Mensch trat ein, zeigte seine Verordnung, wurde beraten, versorgt, begleitet. So funktionierte Versorgung. So funktionierte Nähe. Das alles ist Vergangenheit. Die IKK classic, drei Millionen Versicherte schwer, hat sich entschieden, das Spiel neu zu definieren. Nicht zum Wohle der Patientinnen, sondern zum Vorteil des Systems. Wer ab 1. Juli ein Hilfsmittel benötigt, darf sich auf das vorbereiten, was man euphemistisch „strukturierte Einzelverträge“ nennt – und was in Wahrheit nichts anderes ist als ein Versorgungsausschluss auf formaler Basis.
In diesem Spiel hat nicht der Bedarf das letzte Wort, sondern das Vertragsregister. Steht die Apotheke nicht auf der Liste, bleibt das Produkt im Lager, der Patient vor der Tür und die Frage im Raum, wann ein Gesundheitswesen aufhört, eines zu sein. Die Liste entscheidet, nicht die Nähe. Der Vertrag gibt den Takt vor, nicht die Diagnose. Die Kasse weist zu, die Menschen folgen – oder auch nicht, wenn sie es nicht schaffen, sich durch Formulare, Rufnummern, Karten, Apps und räumliche Entfernungen zu kämpfen. Denn wer in einem Ort wohnt, der keine Vertragsapotheke mehr hat, gehört ab Juli nicht mehr zur versorgten Realität, sondern zur verwalteten Irrelevanz.
In der Theorie heißt es, die Patientinnen könnten sich „eigenständig“ eine neue Apotheke suchen. In der Praxis bedeutet das, sie sollen sich durch ein Gesundheitssystem bewegen, das ihnen die Türen verschließt und die Verantwortung überträgt, die es selbst nicht mehr tragen will. Es ist ein Rückzug in administrativer Verkleidung. Die Krankenkasse entledigt sich der Fläche, der Nähe, der Breite – und ruft das dann Effizienz. Die Apotheken, die keinen Vertrag unterschrieben haben, werden stillgestellt, in die Ecke gedrängt, zu Zuschauern degradiert. Ihr Wissen zählt nicht mehr, ihre Beziehungen auch nicht. Sie haben sich nicht verweigert, sie haben sich geweigert – gegen Bedingungen, die nicht verhandelt, sondern diktiert wurden.
Das ganze System erinnert an eine Lotterie ohne Gewinner. Die Versicherten verlieren Vertrauen, die Apotheken verlieren Reichweite, die Politik verliert Übersicht. Und während all das geschieht, erscheinen neue Wirkstoffe wie der 8-Wochen-Pen von Ozempic, der alles verspricht, aber keine Strukturprobleme löst. Apotheken müssen ihre Webauftritte bis zum 28. Juni barrierefrei gestalten, was die Gebühren nahezu verdoppelt – als gäbe es zu wenig betriebliche Belastung. Die Apothekerkammer Nordrhein wird durch ein Gerichtsurteil gezwungen, Millionen an Rücklagen aufzulösen – ein weiterer Baustein im Puzzle der dysfunktionalen Selbstverwaltung. Und der Bundeshaushalt? Der spart sich das Thema Apotheke gleich ganz. Keine Linie, kein Posten, kein Impuls.
Man könnte es eine Reform nennen, wenn man das Wort Reform für eine Entleerung gebrauchen wollte. Was die IKK classic tut, ist keine Verbesserung. Es ist eine Fragmentierung. Eine Vereinzelung. Eine radikale Rücknahme dessen, was Versorgung bedeutet. Es ist das Einführen einer Bedingtheit, wo früher Verlässlichkeit war. Und es ist ein Angriff auf die Idee, dass Gesundheit wohnortnah, menschlich, kontinuierlich sein sollte. Jetzt ist sie selektiv, kühl, systemintern.
Die Apotheken stehen in diesem Prozess nicht nur unter wirtschaftlichem, sondern auch unter moralischem Druck. Wer sich gegen einen Vertrag entscheidet, entscheidet sich für das Prinzip, dass Versorgung nicht käuflich, nicht zu diktieren, nicht zu monopolisieren sein sollte. Dass sie keine Abhängigkeit von Listen, von Logistikzentren oder interaktiven Portalen sein darf. Und dass Nähe, gerade im Gesundheitswesen, kein Luxus ist, sondern ein Menschenrecht. Die IKK classic sieht das anders. Ihre Versorgung beginnt jetzt beim Vertrag. Und endet beim Vertrauen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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