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  • 05.06.2025 –  Apotheken-Nachrichten von heute: Rendite schwindet, Verantwortung wächst, Vorsorge wird Chefsache
    05.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Rendite schwindet, Verantwortung wächst, Vorsorge wird Chefsache
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Versorgungswerke unter Druck, stille Abschreibungen in Millionenhöhe, Apothekenleiter zwischen Vertrauensverlust und Führungsverantwortu...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Rendite schwindet, Verantwortung wächst, Vorsorge wird Chefsache

 

Warum Apothekenleiter die Stabilität der Versorgungswerke hinterfragen, neue Strategien entwickeln und private Absicherung zur Führungsaufgabe machen müssen

Die ökonomischen Spannungen innerhalb der berufsständischen Versorgungseinrichtungen haben das Vertrauen vieler Apothekenleiter erschüttert und machen deutlich, dass Altersvorsorge im Jahr 2025 nicht mehr nur eine Frage individueller Sicherheit, sondern betrieblicher Verantwortung ist. Sinkende Buchwerte, stille Abschreibungen und Bewertungsverluste bei einst soliden Anlageklassen zwingen Apothekeninhaber dazu, ihre Rolle neu zu definieren: nicht mehr nur als Beitragszahler, sondern als Führungspersönlichkeiten mit strategischem Weitblick und Risikokompetenz. Wer heute eine Apotheke führt, muss morgen die Altersversorgung seines Teams mitdenken und übermorgen eigene Rücklagen sichern, weil das Kollektivsystem der Versorgungswerke keine absolute Stabilität mehr verspricht. Während manche Versorgungswerke noch um Fassade und Kommunikationsdisziplin bemüht sind, sprechen die Bilanzen längst eine andere Sprache – und der Handlungsbedarf wächst. Die betrieblichen Herausforderungen – von Margendruck über Personalmangel bis zur Nachfolgeproblematik – lassen sich nicht mehr ohne strategische Vorsorgeplanung lösen. Deshalb wird Altersvorsorge zur Chefsache: Sie verlangt nicht nur Disziplin und Überblick, sondern auch Transparenz, systemische Reformbereitschaft und die Fähigkeit, langfristige Verantwortung aktiv zu gestalten.

 

Rendite schwindet, Verantwortung wächst, Vorsorge wird Chefsache

Warum Apothekenleiter die Stabilität der Versorgungswerke hinterfragen, neue Strategien entwickeln und private Absicherung zur Führungsaufgabe machen müssen

Die ökonomische Statik berufsständischer Versorgungseinrichtungen gerät ins Wanken – und mit ihr das Vertrauen vieler Apothekenleiter in ein System, das über Jahrzehnte als Garant solider Altersvorsorge galt. Die jahrzehntelange Niedrigzinsphase, gefolgt von einem abrupten Zinsanstieg, entfaltet nun ihre volle Wirkung: Immobilienbewertungen stürzen, stille Reserven schmelzen, zinssensitive Anlagen verlieren massiv an Buchwert. Für Apothekeninhaber bedeutet das: Was früher planbar erschien, wird zur strategischen Herausforderung. Denn sie sind nicht nur Beitragszahler und Leistungsempfänger, sondern zugleich Arbeitgeber, die ihren Teams betriebliche Stabilität schulden – auch in Fragen der Altersabsicherung.

Die Folgen sind tiefgreifend. Apothekerversorgungswerke, lange als robuster Pfeiler der sozialen Infrastruktur empfunden, sehen sich bilanziell zu Abschreibungen gezwungen. Die internen Rechnungsgrundlagen verändern sich, die Anpassungsspielräume für künftige Renten geraten unter Druck. Während Bestandsrenten derzeit noch unangetastet bleiben, ist bei neuen Zusagen mit Zurückhaltung zu rechnen. Diese Verschiebung trifft sowohl angestellte als auch selbstständige Mitglieder, erzeugt jedoch besonders bei Apothekenbetreibern eine doppelte Belastung: Sie tragen Verantwortung für ihre eigene Altersvorsorge und die ihrer Mitarbeitenden – und beides steht zunehmend auf tönernen Füßen.

Was das betriebswirtschaftlich bedeutet, ist klar: Wenn Beitragssätze steigen und Rentenerwartungen gleichzeitig sinken, gerät das unternehmerische Gleichgewicht ins Rutschen. Besonders heikel ist dabei die asymmetrische Verteilung der Lasten. Jüngere Mitglieder finanzieren mit ihren Beiträgen ein System, dessen Versprechen ihnen selbst womöglich nicht mehr vollständig zugutekommt. Gleichzeitig fehlt es an transparenten Modellen, wie sich Versorgungseinrichtungen zukunftssicher aufstellen könnten. Vielerorts wurden Strategien zu spät angepasst, Diversifikation wurde hinausgezögert, Risiken unterschätzt. Der Vertrauensschaden ist enorm.

In dieser Gemengelage wird Vorsorge zur Managementaufgabe. Es reicht nicht mehr, auf die Formalmitgliedschaft im Versorgungswerk zu setzen. Gefragt ist ein strategischer Blick auf Kapitalstruktur, Risikotragfähigkeit und Ausfallrisiken. Apothekenleiter, die auf Dauer unternehmerisch sicher agieren wollen, müssen sich intensiv mit den Jahresabschlüssen ihrer Versorgungseinrichtung befassen – und mit deren Grenzen. Es geht nicht um Misstrauen, sondern um realistische Einschätzung. Wer heute seine finanzielle Unabhängigkeit nicht aktiv plant, riskiert morgen ein Vakuum in der Bilanz – privat wie geschäftlich.

Dabei rücken ergänzende Modelle in den Fokus: Private Rücklagen, breit gestreute Kapitalanlagen, unternehmenseigene Pensionszusagen oder hybride Modelle der betrieblichen Altersvorsorge. In der Praxis sind es genau diese Elemente, die über zukünftige Stabilität entscheiden. Die Absicherung der Inhaber ist dabei ebenso entscheidend wie die Attraktivität des Betriebs als Arbeitgeber. Wer heute nicht in die Sicherheit von morgen investiert, wird im Wettbewerb um Fachkräfte und Kunden zurückfallen – und das ausgerechnet in einer Phase, in der viele Apotheken bereits wirtschaftlich unter Druck stehen.

Die politischen und standespolitischen Akteure können sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Versorgungswerke unterliegen nicht dem freien Markt, sondern besonderen Rahmenbedingungen – und diese wurden in der Vergangenheit oft unzureichend reformiert. Die Zeit der stillschweigenden Kontinuität ist vorbei. Die Träger der Systeme müssen Transparenz schaffen, Reformwillen zeigen und strukturelle Debatten führen. Der Verweis auf formale Garantien reicht nicht mehr, wenn deren Substanz erodiert. Nur mit Offenheit, Anpassungsfähigkeit und Beteiligung der Mitglieder lässt sich eine drohende Entsolidarisierung verhindern.

Was daraus folgt, ist mehr als nur eine betriebswirtschaftliche Detailfrage. Die Situation der Apothekenversorgung ist exemplarisch für viele freiberufliche Systeme – sie zeigt, wie sehr die Altersvorsorge heute zur aktiven Gestaltungsaufgabe wird. Der Umbau des Systems hat längst begonnen. Wer jetzt klug handelt, kann Sicherheit zurückgewinnen. Wer abwartet, verliert womöglich mehr als Geld – nämlich Vertrauen, Handlungsfreiheit und betriebliche Resilienz.

 

 Restrukturierung statt Stillstand, Verantwortung statt Insolvenz, Versorgung braucht Resilienz

Warum Apotheken auf gesetzliche Sanierungsoptionen setzen sollten, wie wirtschaftliche Frühwarnsysteme Betriebsuntergänge verhindern können und welche politische Verantwortung sich daraus ergibt

Während das Wort „Insolvenz“ noch immer als betriebswirtschaftliches Tabu im Apothekenalltag gilt, wächst im Hintergrund die Zahl derer, die kurz davorstehen. Nicht alle geraten in die öffentliche Wahrnehmung. Einige verschwinden lautlos. Andere retten sich unter Verlusten in Schließung oder Verkauf. Nur wenige wählen aktiv den Weg, der einen Ausstieg aus der Abwärtsspirale ermöglichen könnte, bevor der juristische Zwang beginnt: die Restrukturierung. Dabei liegt mit dem StaRUG – dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen – ein rechtlich abgesichertes Instrument vor, das die Insolvenz nicht nur hinauszögert, sondern in vielen Fällen vermeiden kann. Das Paradox: Gerade Apothekenbetriebe, die als systemrelevant gelten, nutzen es bislang kaum. Die Gründe dafür sind vielschichtig – und genau deshalb gefährlich.

Das seit Januar 2021 geltende StaRUG wurde geschaffen, um Unternehmen mit gesicherter, aber bedroht erscheinender Zahlungsfähigkeit eine Sanierung in Eigenverantwortung zu ermöglichen. Es erlaubt, unter klar definierten Bedingungen einen gerichtlichen Restrukturierungsplan aufzustellen, der auch Gläubiger miteinbezieht, ohne dass ein Insolvenzverwalter eingesetzt oder das Verfahren öffentlich wird. Das Unternehmen – im konkreten Fall: die Apotheke – bleibt operativ handlungsfähig, kann Lieferantenbindungen bewahren und Mitarbeitende halten. Vor allem aber: Es kann Zeit gewinnen. Zeit für operative Konsolidierung, strategische Neuausrichtung und wirtschaftliche Stabilisierung. Das jedoch setzt voraus, dass Verantwortliche früh handeln, professionell begleitet werden und die betriebliche Lage realistisch einschätzen.

Genau hier beginnt die zentrale Herausforderung. Apothekenleitungen, oft stark in den Alltag eingebunden und mit wachsender Verwaltungsbelastung konfrontiert, übersehen betriebswirtschaftliche Frühindikatoren. Oder sie verdrängen sie bewusst. Wer auf Rezeptabrechnung und Nacht-Notdienst fokussiert ist, hat selten Raum für Krisenfrüherkennung, Szenarienplanung oder Verhandlungsvorbereitung mit Gläubigern. Hinzu kommt die strukturelle Isolation vieler Einzelbetriebe: Anders als große Unternehmensgruppen fehlt es oft an externen Controllern, juristischen Stäben oder eingespielten Sanierungsprozessen. Die Betriebswirtschaft wird zur Nebensache – bis es zu spät ist.

Dabei geht es längst nicht nur um individuelle Risiken. Apotheken schließen nicht im luftleeren Raum. Sie sind Ankerpunkte der wohnortnahen Gesundheitsversorgung, insbesondere in ländlichen Regionen oder strukturell schwachen Räumen. Eine insolvente Apotheke bedeutet dort nicht nur ein versorgungsökonomisches Problem, sondern ein infrastrukturelles Vakuum, das meist nicht wieder gefüllt wird. Je früher jedoch eine Restrukturierung beginnt, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Team gehalten, der Standort gesichert und die Versorgungslinie erhalten bleibt – in manchen Fällen durch Filialisierung, in anderen durch betriebswirtschaftliche Sanierung oder durch externe Investoren unter Fortführung des Betriebsmodells. Das StaRUG ist in dieser Logik kein Insolvenzaufschub, sondern eine Weichenstellung für Fortführung und Überleben.

Doch warum bleiben diese Optionen in der Apothekenrealität bislang so untergenutzt? Ein zentrales Hindernis ist die kulturelle Schieflage, mit der wirtschaftliches Handeln in der Branche häufig bewertet wird. Sanierung wird als Schwäche ausgelegt, nicht als Stärke. Betriebswirtschaftliche Analyse gilt vielen noch immer als „Kasseninteresse“, nicht als strategische Verantwortung. Der wirtschaftlich reflektierende Apotheker hat keinen festen Platz im tradierten Selbstbild der versorgenden Heilberufe. Doch genau diese Denkschablonen müssen durchbrochen werden – nicht ideologisch, sondern systemisch. Wer eine Apotheke heute führt, muss betriebswirtschaftlich und juristisch navigieren können. Nicht um Gewinne zu maximieren, sondern um die Versorgung zu sichern.

Der Gesetzgeber hat mit dem StaRUG ein Instrument geschaffen, das Apotheken hilft, wirtschaftliche Schieflagen zu überstehen, ohne dass die öffentlichkeitswirksame Insolvenz zur einzigen Lösung wird. Aber gesetzliche Instrumente entfalten nur dann Wirkung, wenn sie bekannt, verstanden und praktikabel sind. Hier beginnt die politische Verantwortung: Es braucht strukturierte Informationskampagnen, Schulungssysteme für Apothekenleitungen und eine enge Verzahnung mit Kammern, Verbänden und spezialisierten Beratern. Die Versorgungssicherheit kann nicht allein auf dem Schultern engagierter Einzelpersonen lasten, sondern muss infrastrukturell abgesichert werden – auch wirtschaftlich. Die Einführung eines strukturierten Sanierungsmonitorings durch die Aufsichtsbehörden, flankiert von Schulungspflichten in betriebswirtschaftlicher Früherkennung, wäre ein möglicher Anfang.

Die Erfahrung zeigt: Viele Betriebe handeln zu spät, weil sie Signale falsch deuten. Sinkende Margen werden als temporäre Marktstörung bewertet, nicht als strukturelles Alarmzeichen. Der Rückgang von Kundenzahlen erscheint erklärbar, wird aber nicht in Relation zu Fixkostensteigerungen gesetzt. Forderungsausfälle gegenüber Krankenkassen oder ausbleibende Rezeptvergütungen werden hingenommen, statt aktiv abgesichert. Das Restrukturierungsrecht erlaubt, diese Prozesse zu brechen – mit professioneller Planung, strategischem Controlling, Rechtsberatung und Kreditpartnern, die in tragfähige Konzepte eingebunden werden.

Dabei bieten nicht nur gerichtliche Restrukturierungen eine Chance. Auch außergerichtliche Sanierungsverhandlungen mit Gläubigern, Leasinggebern oder strategischen Partnern sind möglich – sofern frühzeitig begonnen und professionell moderiert. Entscheidend ist in allen Fällen die Transparenz der wirtschaftlichen Lage, die Bereitschaft zur Kommunikation und der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Die Apothekenlandschaft der Zukunft wird nicht durch Passivität erhalten, sondern durch aktives, strukturiertes Management. Wer rechtzeitig restrukturiert, muss nicht schließen. Wer sich vor Transparenz scheut, verliert Handlungsmacht.

Die große Leerstelle liegt zwischen dem juristisch Machbaren und dem kulturell Erlaubten. Sanierung gilt vielen noch immer als Eingeständnis des Scheiterns – dabei ist sie das Gegenteil: ein strategischer Akt der Führung, der Professionalität und der gesellschaftlichen Verantwortung. Der Berufsstand und seine Organe müssen diese Sichtweise stärken, statt stumm zu schweigen. Es genügt nicht, auf bessere Rahmenbedingungen zu hoffen. Es braucht ein anderes Verhältnis zur wirtschaftlichen Realität: nüchtern, handlungsorientiert, mit Rückgrat.

Denn eine restrukturierte Apotheke bleibt eine funktionierende Apotheke. Und eine funktionierende Apotheke bleibt ein Garant für dezentrale Versorgung, für Arbeitsplätze, für Heilberuflichkeit im Alltag. Wer das bewahren will, muss rechtzeitig handeln – nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung. Die Zeit, in der Sanierung als Scheitern galt, ist vorbei. Heute ist sie die professionelle Alternative zur Krise.

 

Innovation braucht Schutzräume, Versorgung braucht Stabilität, Gesetzgebung braucht Weitsicht

Wie das EU-Pharmapaket Marktzugänge reguliert, Versorgungspflichten stärkt und zwischen Standortförderung und Patientennutzen balancieren muss

Die Einigung des EU-Rates auf das Pharmapaket markiert einen entscheidenden Schritt für die tiefgreifendste Überarbeitung des europäischen Arzneimittelrechts seit mehr als zwanzig Jahren. In einer Zeit wachsender Versorgungsrisiken, regulatorischer Komplexität und geopolitischer Herausforderungen liegt der Fokus auf struktureller Neuausrichtung: sichere, bezahlbare Arzneimittel für alle, innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für forschende Unternehmen und ein funktionierender Binnenmarkt. Während die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Parlament am 17. Juni starten sollen, steht fest: Die neuen Vorschriften werden das Kräfteverhältnis zwischen Industrieinteresse, Versorgungssicherheit und Wettbewerb neu definieren.

Zentral sind dabei fünf Zielachsen, die Versorgung, Innovation und Nachhaltigkeit in Einklang bringen sollen: Patientinnen und Patienten in ganz Europa sollen unabhängig vom Wohnort Zugang zu sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln erhalten. Gleichzeitig soll die europäische Pharmaindustrie durch Vereinfachung des Rechtsrahmens und Entbürokratisierung wettbewerbsfähiger werden. Besonders brisant ist der Fokus auf Versorgungssicherheit: Mit klaren Vorschriften zur Lieferverpflichtung und erweiterten Eingriffsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten gegenüber Herstellern adressiert das Paket akute Engpassrisiken. Zudem sollen Umweltaspekte der Arzneimittelproduktion stärker reguliert und durchgesetzt werden.

Das Mandat des Rates enthält mehrere Neuregelungen, die über die bisherigen Kommissionsvorschläge hinausgehen: So wird der regulatorische Datenschutz für innovative Arzneimittel auf acht Jahre festgelegt – ein markanter Kompromiss im Ringen um Schutzfristen. Zusätzlich kann ein Jahr Marktexklusivität gewährt werden, wenn bestimmte Versorgungs- oder Forschungsziele erfüllt werden. Brisant ist die Einführung eines übertragbaren Exklusivitätsgutscheins – allerdings unter strengen Umsatzgrenzen, um Missbrauch durch Blockbuster-Produkte zu vermeiden. Umgekehrt wird die sogenannte Bolar-Ausnahme für Generika präzisiert und erweitert: Damit soll der Markteintritt günstigerer Alternativen erleichtert und beschleunigt werden.

Auch ein bislang umstrittenes Instrument wurde gesetzlich gestärkt: Der neu eingeführte Artikel 56a ermöglicht es Mitgliedstaaten, Unternehmen zur Bereitstellung ausreichender Arzneimittelmengen zu verpflichten – eine Maßnahme, die auf Notfallsituationen, aber auch auf strukturelle Unterversorgung zielt. Damit greift das Pharmapaket tief in die unternehmerische Planungssicherheit ein, verfolgt jedoch ein übergeordnetes Ziel: Resilienz durch verbindliche Versorgungspflichten.

Die Reaktionen aus der Industrie folgten prompt – und kritisch. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) befürchtet ein gefährliches Signal an global agierende Unternehmen. Präsident Han Steutel warnt vor einer Schwächung Europas als Pharmastandort, sollten Schutzfristen verkürzt und Exklusivitäten beschnitten werden. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen seien risikoreiche Forschungsinvestitionen kaum vertretbar. Der vfa ruft das Europäische Parlament auf, im weiteren Verfahren Korrekturen vorzunehmen, um die forschungsgetriebene Wettbewerbsfähigkeit Europas zu sichern. Denn: Wer globale Player halten will, darf den regulatorischen Boden nicht unter ihren Füßen entziehen.

Das Spannungsfeld ist klar umrissen: Der Gesundheitsmarkt Europas soll widerstandsfähiger und gerechter werden – aber nicht auf Kosten seiner eigenen Innovationskraft. Die Trilog-Verhandlungen müssen dieses Gleichgewicht präzise austarieren, ohne den Reformimpuls zu zerfasern. Zwischen digitaler Transformation, Umweltverantwortung und Standortlogik wird das Pharmapaket zum Lackmustest für europäische Gesundheitsgovernance im 21. Jahrhundert.

 

Kritik erreicht Brüssel, Versorgung gerät unter Druck, Hersteller fordern Konsequenzen

Warum die EU-Kommission die Abwasserrichtlinie neu bewerten will, die Arzneimittelproduktion gefährdet ist und Generikahersteller mit dem Rückzug drohen

Die politische Debatte um die EU-Kommunalabwasser-Richtlinie (KARL) bekommt eine neue Wendung: Nach massiver Kritik aus Industrie und Gesundheitssektor hat die Europäische Kommission angekündigt, die Folgen der Regelung für die Arzneimittelversorgung und die betroffenen Herstellerbranchen nochmals umfassend zu evaluieren. Damit rückt Brüssel von der bislang unbeirrt verfolgten Linie ab – ein Signal, das in Berlin wie in den Vorstandsetagen der Pharmabranche gleichermaßen registriert wurde.

Hintergrund ist die zum 1. Januar 2025 in Kraft getretene Richtlinie, die eine vierte Klärstufe zur Entfernung von Mikroschadstoffen in kommunalen Abwasseranlagen vorschreibt. Die Kosten hierfür – rund eine Milliarde Euro – sollen zu mindestens 80 Prozent von Pharma- und Kosmetikunternehmen getragen werden. Grundlage ist das Verursacherprinzip. Doch gerade darin liegt das Problem: Die Industrie kritisiert die wirtschaftliche Überlastung, strukturelle Wettbewerbsnachteile gegenüber außereuropäischen Standorten und eine Gefährdung der Arzneimittelverfügbarkeit im europäischen Binnenmarkt.

Ein zentrales Beispiel: Metformin. Der Wirkstoff ist unverzichtbar in der Diabetestherapie, aber besonders schwer abbaubar. Weil er voraussichtlich mit hohen Reinigungsanforderungen belegt wird, ist er im Zentrum der Debatte gelandet. Wie der „Spiegel“ berichtete, denken Generikahersteller inzwischen laut über einen Marktrückzug nach. Die politischen Alarmglocken schrillen: Wird der Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten zur Frage der Umwelttechnik?

Die Kommission hat nun reagiert – wenn auch spät. Im Mai hatte das Europäische Parlament eine Nachbesserung gefordert, EU-Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi sprach sich öffentlich für eine umfassende Neubewertung der Folgen aus. Am Mittwoch folgte die Ankündigung: Eine neue Evaluierung der Auswirkungen der Richtlinie auf die betroffenen Branchen sei beauftragt, teilte die EU-Kommission mit. Dabei werde es nicht nur um die Kostenverteilung, sondern ausdrücklich auch um die Stabilität der Versorgung mit Humanarzneimitteln gehen.

Die Reaktion der Industrie: erleichtert, aber ungeduldig. Jörg Wieczorek, Vorsitzender von Pharma Deutschland, bezeichnete die Entscheidung als „überfällig“. Er betonte, es brauche nun eine belastbare, wissenschaftlich fundierte Folgenabschätzung und eine politische Kurskorrektur – andernfalls könne die Richtlinie das Gegenteil dessen bewirken, was sie eigentlich leisten solle: Schutz. „Die Kritik ist angekommen. Jetzt müssen Daten, Versorgungssicherheit und industriepolitische Vernunft das Ruder übernehmen“, so Wieczorek.

Auch im Bundesgesundheitsministerium wächst die Sorge. Zwar äußerte man sich offiziell zurückhaltend, doch ein Sprecher bestätigte auf Nachfrage, dass „signifikante Auswirkungen auf Arzneimittel“ erwartet werden. Die Bundesregierung stehe mit den betroffenen Akteuren in engem Austausch und wolle die EU-Analyse abwarten, um auf nationaler Ebene zu entscheiden, wie die Vorgaben der Richtlinie rechtssicher und ohne Gefährdung der Arzneimittelversorgung umgesetzt werden können.

Die Brisanz liegt auf mehreren Ebenen: Produktionsverlagerungen drohen – vor allem bei margenarmen Generika. Gleichzeitig steht der Anspruch der EU auf eine resilientere, strategisch unabhängige Arzneimittelproduktion im Widerspruch zu den finanziellen Belastungen durch die Richtlinie. Experten warnen vor einem „systemischen Zielkonflikt“ zwischen Umweltpolitik und Versorgungssicherheit. Und Apotheken? Sie merken erste Lieferengpässe, etwa bei Diabetesmedikamenten, schon jetzt. Was derzeit als Richtlinie über Kläranlagen firmiert, ist in Wahrheit längst zur Frage europäischer Gesundheitssouveränität geworden.

 

Politik fordert Dialog, Industrie verlangt Taten, Versorgung braucht Standfestigkeit

Warum der parlamentarische Abend von Pro Generika zum Brennpunkt gesundheitspolitischer Zielkonflikte wurde, was Pilsinger, Piechotta und Machalet fordern und wie die Industrie auf die neue Koalition reagiert

Während sich auf der politischen Bühne gesundheitspolitische Forderungen und strategische Vorschläge überschlagen, hat der Verband Pro Generika beim parlamentarischen Abend am 4. Juni in Berlin ein unüberhörbares Signal gesetzt: Die Zeit der Willensbekundungen ist vorbei, es braucht konkrete Handlungen. Im Zentrum der Veranstaltung standen zentrale Strukturfragen der Arzneimittelversorgung, akute Finanzsorgen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und die Fragilität pharmazeutischer Lieferketten. Bork Bretthauer und Andreas Burkhardt eröffneten den Abend mit einer scharf formulierten Einladung an die Politik: Statt „Wir wollen“ müsse es künftig „Wir machen“ heißen. Diese rhetorische Wende markierte den Grundton der Veranstaltung – engagiert, konfrontativ, lösungsorientiert.

CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger legte den Finger in die offene Wunde der GKV-Finanzierung. Die unzureichende staatliche Beteiligung an den Beiträgen für Bürgergeldempfänger gefährde die Solidargemeinschaft und müsse dringend korrigiert werden. Zudem warnte er, dass die geplante Krankenhausreform nicht zur finanziellen Destabilisierung der Kassen führen dürfe. Seine Schätzung von 25 Milliarden Euro Reformkosten verknüpfte er mit einem unorthodoxen Finanzierungsvorschlag: Der Klimatransformationsfonds (KTF) solle einspringen – ein Signal für eine neue haushaltspolitische Debatte. Grüne-Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta unterstützte diesen Impuls, forderte jedoch ein neues GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und kritisierte die politische Langsamkeit: „Wann wird aus dem Dialog endlich Handeln?“

Deutliche Worte kamen auch von Tanja Machalet (SPD), die eindringlich vor erneuten Versorgungslücken bei essenziellen Medikamenten warnte. Angesichts geopolitischer Spannungen dürfe Deutschland nicht erneut in die Situation geraten, lebenswichtige Arzneimittel – insbesondere für Kinder – nicht liefern zu können. Anhand des Unternehmens Eli Lilly veranschaulichte sie, wie bedeutend der Produktionsstandort Deutschland sei und appellierte an ein gemeinsames Handeln zur Standortstärkung. Zugleich betonte sie die Notwendigkeit stabiler Rahmenbedingungen, um internationale Player langfristig binden zu können.

Die Vertreter von Pro Generika ließen die Forderungen nicht unkommentiert stehen. Vorstandsvorsitzender Andreas Burkhardt stellte klar, dass die Generikabranche ihre Effizienzgrenzen längst erreicht habe – eine weitere Auspressung sei nicht nur betriebswirtschaftlich verantwortungslos, sondern volkswirtschaftlich gefährlich. Investitionen ließen sich nicht durch kurzfristige Rabattrunden refinanzieren, sondern verlangten eine verlässliche Strategie. Besonders kritisch sah Burkhardt die Übertragung der Rabattlogik auf biotechnologische Arzneimittel – ein Bereich, der bereits in der Entstehung durch Regulierungsdruck entwertet werden könnte.

Während Piechotta das Selbstverwaltungsprinzip des Gesundheitswesens lobte und es aus dem politischen Tagesgeschäft heraushalten wollte, war die Perspektive von Pro Generika grundlegend anders akzentuiert: Gerade weil das System auf viele Schultern verteilt sei, müsse auch die Verantwortung endlich verbindlich verteilt werden – zwischen Politik, Krankenkassen und Industrie. Dass alle Gesprächsteilnehmer sich wiederholt für einen „neuen Pharmadialog“ aussprachen, unterstreicht den Handlungsdruck ebenso wie das Misstrauen in bloße Ankündigungen.

Der parlamentarische Abend hat damit deutlich gemacht: Der industriepolitische Handlungsrahmen im Arzneimittelsektor ist neu zu vermessen. Weder kurzfristige Sparrunden noch rhetorischer Schulterschluss genügen, wenn es um Versorgungssicherheit, Finanzierungsrealismus und Produktionssouveränität geht. Der Aufruf von Pro Generika, vom Dialog zur Entscheidung zu kommen, ist kein Appell – sondern ein Warnsignal.

 

Krankheitsprogression bremsen, Therapielücken schließen, Zulassungsprozess beschleunigen

Wie Nerandomilast bei IPF und PPF in Phase III überzeugt, bestehende Behandlungen ergänzt und regulatorisch auf der Zielgeraden ist

Die Behandlung fortschreitender fibrosierender interstitieller Lungenerkrankungen steht trotz etablierter Wirkstoffe wie Nintedanib und Pirfenidon weiterhin vor substantiellen Herausforderungen – sowohl im Hinblick auf therapeutische Wirksamkeit als auch auf Verträglichkeit. Mit Nerandomilast hat Boehringer Ingelheim nun einen potenziell bahnbrechenden PDE4B-Inhibitor in der Pipeline, der in zwei Phase-III-Studien eine klinisch relevante Verlangsamung der Lungenfunktionsverschlechterung bei idiopathischer Lungenfibrose (IPF) und progredienter pulmonaler Fibrose (PPF) zeigte. Die positiven Studienergebnisse und die eingereichten Zulassungsanträge lassen auf eine baldige Erweiterung des antifibrotischen Therapieangebots hoffen – für Patientinnen und Patienten mit einer bislang limitierten Behandlungsoption.

In den Studien FIBRONEER™-IPF und FIBRONEER™-ILD wurde Nerandomilast bei insgesamt über 2.000 Probanden mit IPF oder PPF untersucht – jeweils mit und ohne zusätzliche Standardtherapie. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der forcierten Vitalkapazität (FVC) nach 52 Wochen. Dieser wurde in beiden Studien signifikant erreicht. Bei IPF-Patienten sank die FVC unter Placebo im Jahresverlauf durchschnittlich um 183,5 ml, während unter Nerandomilast 9 mg zweimal täglich ein Rückgang von 138,6 ml und unter 18 mg zweimal täglich nur noch 114,7 ml gemessen wurde. Bei PPF-Patienten ergab sich ein noch deutlicherer Unterschied: 165,8 ml Rückgang unter Placebo gegenüber 84,6 ml (9 mg) bzw. 98,6 ml (18 mg) unter Verum.

Dabei ist die progrediente pulmonale Fibrose – als Syndrom unabhängig von der Grunderkrankung – ein bislang untertherapierter Bereich. Viele der zugrunde liegenden Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder systemische Sklerose führen langfristig zu fibrosierenden Verläufen, die mit einem ähnlichen Mortalitätsrisiko wie bei IPF einhergehen. Weltweit sind Millionen betroffen, doch das therapeutische Arsenal ist überschaubar. Nerandomilast bringt hier nicht nur eine neue Wirkstoffklasse ins Spiel, sondern adressiert über PDE4B-Inhibition gezielt immunmodulatorische und antifibrotische Mechanismen.

Besonders hervorzuheben ist die orale Applikation, die in Kombination mit dem bisherigen Standard eine flexible Integration in bestehende Therapieschemata ermöglicht. Die Nebenwirkungsrate war in beiden Studien moderat, wobei Diarrhö am häufigsten auftrat, jedoch nur in seltenen Fällen zum Therapieabbruch führte. Diese Verträglichkeitsbilanz, gepaart mit dem belegten funktionellen Nutzen, könnte Nerandomilast zu einer zentralen Säule in der multiplen Antifibrose-Therapie machen.

Zulassungsanträge in der EU, den USA und China sind bereits gestellt. Ein positives Votum der Behörden könnte das erste zugelassene PDE4B-haltige Medikament zur Behandlung fibrosierender ILDs markieren – ein Meilenstein für die Betroffenen und ein strategischer Zugewinn für die klinische Praxis. Parallel zum regulatorischen Verfahren dürfte das pharmakoökonomische Interesse wachsen: Bei einem chronisch-progressiven Krankheitsbild, das mit Hospitalisierung, Oxygenierung und nicht selten Lungentransplantation endet, kann jede Verlängerung stabiler Lungenfunktion auch gesundheitsökonomisch erhebliche Vorteile bedeuten.

Damit stellt sich Nerandomilast nicht nur als Hoffnungsträger für eine neue klinische Zielgruppe dar, sondern auch als Prüfstein für regulatorische und marktstrategische Prozesse, die zunehmend auf individualisierte, pathophysiologisch gezielte Therapien ausgerichtet sind. Entscheidend wird sein, wie rasch die Behörden die vorliegenden Daten bewerten und ob die Ergebnisse auch in der Praxis – etwa bei komorbiden Patienten oder unter multipler Medikation – ihre Tragfähigkeit behalten. Das Fenster für neue antifibrotische Optionen ist offen – Nerandomilast steht bereit, es zu durchschreiten.

 

Organspenden steigen nur leicht, Warteliste bleibt lang, politischer Handlungsdruck wächst

Warum die Zahl postmortaler Spenden zwar zunimmt, der Bedarf aber dramatisch übersteigt und wie Tag der Organspende zum Umdenken bewegen soll

Es ist ein zartes Signal – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Zahl der postmortalen Organspenden in Deutschland steigt zu Beginn des Jahres 2025 leicht an, doch das Missverhältnis zwischen vorhandenen Spenderorganen und der Zahl wartender Patientinnen und Patienten bleibt eklatant. Wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) mitteilt, wurden in den ersten fünf Monaten des Jahres 426 Verstorbene als Spender registriert – 44 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Ein Plus von elf Prozent, das Hoffnung andeutet, aber keine strukturelle Wende bedeutet.

Die Situation auf der Warteliste spitzt sich derweil weiter zu: Rund 8100 Menschen hoffen derzeit auf ein überlebenswichtiges Organ. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) spricht von einer »dringenden Notwendigkeit, mehr Spender zu gewinnen«. Auch der Medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, mahnt zur Perspektivverschiebung: »Die Zahlen machen Mut, aber wir stehen weiterhin vor einer dramatischen Versorgungslücke.«

Zum bundesweiten Tag der Organspende am 7. Juni richtet sich der Appell deshalb an die Bevölkerung: informieren, entscheiden, dokumentieren. Der Aktionstag will nicht nur für das Thema sensibilisieren, sondern auch auf den Missstand hinweisen, dass viele Menschen zwar spendenbereit wären, dies aber nicht verbindlich festgehalten haben.

Parallel wird politisch weiter über die Einführung einer Widerspruchsregelung debattiert – ein System, bei dem Menschen grundsätzlich als Spender gelten, sofern sie dem nicht explizit widersprochen haben. Die Debatte war zuletzt ins Stocken geraten, obwohl internationale Vergleiche – etwa mit Spanien oder Österreich – zeigen, dass ein solches Modell die Spenderzahlen signifikant steigern kann.

Dabei steht die Bundesrepublik nicht nur vor einer ethischen, sondern auch einer praktischen Herausforderung: Die Zahl der Transplantationen ist im laufenden Jahr von 1231 auf 1350 gestiegen – was eine leicht verbesserte Verfügbarkeit der Organe signalisiert. Doch auch diese Erhöhung reicht nicht aus, um der tatsächlichen Nachfrage gerecht zu werden.

Im Zentrum des Problems stehen oft die Krankenhausstrukturen, fehlende Ressourcen bei der Organspende-Koordination und ein gesellschaftliches Spannungsfeld zwischen persönlicher Entscheidung und staatlicher Verantwortung. Die DSO sieht in Aufklärung, Gesprächsbereitschaft und struktureller Unterstützung die zentralen Stellschrauben für eine Trendwende. Der Appell richtet sich daher an viele Ebenen: an Ärztinnen und Ärzte, Klinikleitungen, Politikerinnen – und an jede einzelne Person.

Denn hinter jeder Zahl auf der Warteliste steht ein Leben, das auf Zeit spielt. Der Tag der Organspende erinnert daran – und stellt die Frage in den Raum, auf die Deutschland noch keine kollektiv tragfähige Antwort gefunden hat: Wann ist der richtige Moment, Ja zu sagen?

 

Hormonspiegel sinkt schleichend, Symptome treffen gezielt, Therapie braucht klare Diagnostik

Warum Männer keinen Wechsel haben, aber trotzdem aus dem Gleichgewicht geraten – und wann Testosteron wirklich hilft

Es gibt keine männlichen Wechseljahre – aber es gibt Männer, die mit Stimmungstiefs, nachlassender Libido und einem tiefen Leistungstank durch den Alltag schleichen. Wer dabei vorschnell zu »Testosteron-Boostern« greift, verfehlt nicht nur den therapeutischen Kern, sondern riskiert im schlimmsten Fall, an einem vermeidbaren Irrweg festzuhalten. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) bringt es auf den Punkt: Der altersbedingte Rückgang des Testosteronspiegels ist kein abrupter Umbruch wie bei Frauen, sondern ein kontinuierliches Absinken, das in seiner Wirkung dennoch tiefgreifend sein kann – und medizinisch ernst genommen werden muss.

Ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Testosteronwert bei Männern im Schnitt um ein Prozent pro Jahr. Der Körper vollzieht diesen Wandel lautlos – zumindest in der Anfangsphase. Erst ab etwa 60 zeigen sich bei manchen Männern Symptome wie Antriebslosigkeit, Muskelschwund, Konzentrationsprobleme oder sexuelle Unlust. Der Berliner Endokrinologe Professor Dr. Sven Diederich spricht von einem »schleichenden Prozess, der oft übersehen wird – bis die Lebensqualität leidet«. Testosteron beeinflusse weit mehr als die Sexualität. Es habe Effekte auf Energiehaushalt, Schlafqualität, Muskelkraft, Stimmung und das gesamte psychosomatische Gleichgewicht.

Und doch: Nicht jede Abweichung vom Normwert ist therapiebedürftig. Gerade bei vorübergehenden Belastungen wie Schlafmangel, Dauerstress oder exzessivem Alkoholkonsum sinken die Spiegel nur temporär. Wer in dieser Phase mit Präparaten gegenreguliert, schießt an der Ursache vorbei. Die DGE verweist auf einfache Korrekturfaktoren: weniger Alkohol, mehr Bewegung, Normalgewicht – all das kann den Testosteronspiegel wieder anheben, ohne dass ein Hormonpräparat nötig wird.

Erst wenn der Wert unter 8 nmol/l liegt – ein Schwellenwert, den die DGE als Behandlungsgrenze definiert –, spricht man medizinisch von einem echten Mangel. Hier kommen Ursachen wie Hodeninsuffizienz oder Störungen in der Hypophyse in Betracht. In solchen Fällen ist die Substitution nicht Lifestyle-Optimierung, sondern zwingend notwendig – meist dauerhaft. Doch auch dann gilt: Ohne begleitenden Lebensstilwechsel bleibt der Therapieerfolg brüchig.

Ein besonderes Augenmerk richtet die DGE auf das wachsende Segment der »freien Tester«. Speichelanalysen aus dem Internet, Nahrungsergänzungen mit vermeintlicher Testosteronwirkung, »Männerkuren« aus der Fitnessszene – all das unterlaufe eine fundierte Diagnostik und simuliere Wirksamkeit. »Testosteron ist kein Wellness-Elixier, sondern ein medizinisch reguliertes Hormon«, warnt Dr. Birgit Harbeck vom Endokrinologikum Kiel. Wer Symptome hat, braucht eine valide Hormonbestimmung durch venöse Blutabnahme am Vormittag – keine Selbstvermessung im Badezimmer.

Auch Apothekerinnen und Apotheker sind gefragt, wenn Männer mit diffusen Beschwerden nach »etwas gegen Müdigkeit und Unlust« suchen. Denn das Missverständnis ist weit verbreitet: Ein niedriger Testosteronwert ist nicht per se krankhaft – und eine Substitution ohne medizinische Indikation kann gesundheitlich riskant sein. Die DGE mahnt deshalb zur Aufklärung in der Fläche: Männer sollen Symptome ernst nehmen, aber nicht in den Behandlungsmodus verfallen, bevor eine gesicherte Diagnose vorliegt.

Die Langzeitwirkung von Testosteronpräparaten ist gut untersucht – vorausgesetzt, sie werden fachlich überwacht. Nebenwirkungen wie Blutverdickung, Schlafapnoe oder Veränderungen der Prostatagesundheit machen die engmaschige Kontrolle zur ärztlichen Pflicht. Die DGE betont: Wer die Therapie braucht, profitiert – wer sie missbraucht, riskiert den gegenteiligen Effekt. Damit wird aus dem vermeintlichen Booster ein heimlicher Bremsklotz.

Die Botschaft an Männer in den Sechzigern, aber auch an jüngere Betroffene, ist klar: Es gibt keine Wechseljahre, aber es gibt einen Wandel. Dieser Wandel braucht keine Dramatisierung – aber Aufmerksamkeit. Denn wer Leistung, Lust und Lebensfreude verliert, darf sich Hilfe holen. Nur bitte nicht aus dem Regal mit den Testosteronshots, sondern aus der Praxis mit Labordiagnostik.

 

HPV-Prävention neu denken, Versorgung entstigmatisieren, Gesundheitsräume erweitern

Wie Apotheken zur Frauengesundheit beitragen könnten, was Menstruationsurlaub mit Respekt zu tun hat und warum geschlechtersensible Versorgung ökonomisch wirkt

Wenn der Blick aus dem Konferenzraum an der Spree über den wechselhaften Berliner Himmel schweift, ist das sinnbildlich für das Thema des Nachmittags: Frauengesundheit in allen Schattierungen, vom diffusen Tabu bis zur klaren Forderung nach Systemwandel. Beim Forum zu Frauengesundheitsstrategien in der D-A-CH-Region, organisiert vom Medizintechnikhersteller Hologic, ging es um mehr als gesundheitspolitische Formalien – es ging um den Anspruch, das Leben von Frauen differenzierter zu betrachten und systematisch besser zu versorgen. Und mittendrin die Apotheke: als bislang unterschätzter Ort der Prävention, Begleitung und Vertrauensbildung.

Marion Kiechle, Direktorin der Frauenklinik an der TU München und frühere bayerische Gesundheitsministerin, stellte die Frage offen in den Raum: »Warum nicht HPV-Impfung auch in der Apotheke?« Der Vorschlag, zunächst fast beiläufig formuliert, sorgte für einen deutlichen Impuls – gerade weil die logistische Nähe, die niedrigschwellige Erreichbarkeit und das Vertrauen in Apothekenteams für viele Mädchen und Frauen praktische Vorteile bringen könnten. Vor dem Hintergrund schleppender Impfquoten und terminlicher Engpässe in der Facharztversorgung wird deutlich: Hier ist nicht nur Pragmatismus gefragt, sondern eine politische Entscheidung über die Zuständigkeit für Lebensgesundheit.

Auch Sylvia Gaiswinkler von der GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) und Christiane Bigler vom Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern machten klar: Frauengesundheit beginnt nicht beim Krankenhausaufenthalt, sondern bei Beratung, Alltag und Zugang. Apotheken könnten durch strukturierte Angebote zu Verhütung, Zyklusgesundheit und Früherkennung einen entscheidenden Beitrag leisten – vorausgesetzt, sie werden strategisch eingebunden und nicht weiter als reines Dispensiersystem behandelt. Das Anliegen, Apotheken als Orte gesellschaftlicher Gesundheitskompetenz neu zu begreifen, zog sich wie ein roter Faden durch das Forum – nicht als Konkurrenz zur ärztlichen Versorgung, sondern als Ergänzung mit Wirkung.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Georg Kippels (CDU), ließ per Grußwort übermitteln, dass die aktuelle Legislatur das Thema »geschlechterspezifische Gesundheit« zur Aufgabe gemacht habe. In der Praxis jedoch fehlt es bislang an Umsetzung. Kiechle erinnerte: Noch vor wenigen Jahren sei man mit Themen wie Endometriose, hormonelle Disbalancen oder prämenstruelles Syndrom an vielen Stellen auf Unverständnis gestoßen – heute finde zumindest ein Wandel im Diskurs statt. Doch zwischen Diskurs und Versorgungsklarheit klafft eine Lücke.

So zeigt etwa der Menstruationsbericht Österreichs 2024, dass 31 Prozent der Frauen noch nie von Endometriose gehört haben – ein Befund, der nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich alarmiert. Die Idee eines bezahlten Menstruationsurlaubs, wie ihn Freiburg in der Schweiz oder Spanien eingeführt haben, wird in Zürich bereits pilotiert, doch 61 Prozent der befragten Frauen nehmen ihn nicht in Anspruch. Bigler nannte das Kind beim Namen: Stigmatisierung. Viele Frauen fürchten abwertende Bemerkungen, Zweifel an ihrer Leistungsfähigkeit oder unterschwellige Diskriminierung – eine Angst, die in Deutschland ebenso real ist.

Kiechle sieht den Ursprung nicht nur im Arbeitsrecht, sondern in der Erziehung: »Wenn Jungen nie lernen, wie weiblicher Zyklus, Schmerzen oder Fruchtbarkeit funktionieren, dann entstehen später Scham und Schweigen – statt Respekt und Gleichberechtigung.« Gesundheitspolitik müsse also ganzheitlich denken: Bildung, Arbeitsrecht, Versorgung – und ja, auch Apotheken als Orte aktiver Gesundheitsgestaltung einbeziehen. Dass eine HPV-Impfung in der Apotheke nicht nur denkbar, sondern umsetzbar wäre, ist mehr als ein Appell – es ist ein Realitätsabgleich.

Denn längst geht es nicht mehr nur um Gendermedizin als akademische Disziplin, sondern um ökonomische Folgen gesundheitlicher Ungleichbehandlung. Fehlzeiten, Frühverrentungen, Produktivitätseinbußen und psychische Belastungen von Frauen sind kein Randthema, sondern ein betriebswirtschaftlicher Faktor – in Unternehmen ebenso wie im Gesundheitswesen selbst. Wenn Frauengesundheit als Systemlogik anerkannt wird, müssen Orte wie Apotheken endlich einbezogen und ausgestattet werden – mit Rechtssicherheit, Kompetenzförderung und Finanzierung.

Am Ende steht nicht nur die Frage »Warum nicht in der Apotheke?«, sondern die Feststellung: Wenn der Wille zur Prävention, Aufklärung und Gleichstellung ernst gemeint ist, dann beginnt er genau dort – bei der Frau vor Ort, mit einem Gespräch über Gesundheit, frei von Scham, frei zugänglich und klar verankert im System. Apotheken können diesen Raum bieten. Jetzt muss Politik liefern.

 

Heilpflanze mit Geschichte, Öl mit Wirkung, Therapie mit Fragezeichen

Warum die Gemeine Nachtkerze zur Heilpflanze 2026 gekürt wurde, was ihr Öl gegen Juckreiz und Hormonstörungen leisten kann und wie weit die Evidenz wirklich trägt

Sie öffnet ihre Blüten in der Dämmerung, glänzt mit leuchtendem Gelb und hat ein botanisches Comeback zu feiern: Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis) ist zur Heilpflanze des Jahres 2026 gekürt worden – eine Wahl mit Signalwirkung, die gleich mehrere Ebenen berührt: historische Nutzung, naturheilkundliche Breitenanwendung, kosmetisch-pharmazeutischer Mehrwert und eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Erfahrungswissen und klinischer Evidenz. Gekürt wurde sie vom Naturheilverein NHV Theophrastus, der in seiner Begründung nicht nur auf die unter Wert gehandelten Potenziale der Pflanze verweist, sondern auch auf ihre Vielseitigkeit in der Anwendung und die symbolische Bedeutung für eine ganzheitliche Phytotherapie.

Die Gemeine Nachtkerze stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde im 17. Jahrhundert in europäischen Gärten als Zierpflanze eingeführt. Ihre leuchtenden, nur kurz geöffneten Blüten gelten als Symbol der Vergänglichkeit – ihre pharmakologische Wirkung hingegen als robust. Besonders bedeutsam ist das aus ihren Samen gewonnene Nachtkerzenöl (Oenotherae oleum): eine fettreiche Substanz mit einem hohen Anteil an Linolsäure (60–80 %) und γ-Linolensäure (8–14 %), die als entzündungshemmend und immunmodulierend beschrieben werden. Eingesetzt wird es innerlich und äußerlich – bei atopischer Dermatitis, hormonellen Dysbalancen, Zyklusstörungen und Hyperaktivitätssymptomen bei Kindern. Doch während die Anwendung traditionell weit verbreitet ist, bleibt der klinische Beleg für viele dieser Indikationen schwach.

Die HMPC-Monographie der europäischen Arzneimittelagentur sieht die Indikation zur Linderung von Juckreiz bei Hautkrankheiten als durch Erfahrungswissen gestützt, aber nicht durch robuste Studien belegt. Nachtkerzenöl darf innerlich erst ab dem Alter von zwölf Jahren verwendet werden. Unerwünschte Wirkungen – von Hautausschlägen bis hin zu Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit, Kopfschmerzen und erhöhter Temperatur – sind selten, aber möglich. Besonders in der Selbstmedikation, etwa im Rahmen der Frauenheilkunde, wird das Öl dennoch gerne empfohlen – oft mit Verweis auf individuelle Berichte, anekdotische Erfolge und therapeutische Traditionen. Auch bei hormonell bedingter Akne und prämenstruellem Syndrom (PMS) ist Nachtkerzenöl populär – in Drogeriemärkten ebenso wie in der Beratung durch Heilpraktiker.

Diese Popularität trifft auf eine Forschungslage, die ambivalent bleibt. Metaanalysen aus der Cochrane-Bibliothek und systematische Reviews konnten bislang keinen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis für die Behandlung der atopischen Dermatitis liefern – die Effekte gelten als gering oder statistisch nicht signifikant. Trotzdem sehen viele naturheilkundliche Fachkreise einen Wert in der jahrzehntelangen Anwendung, in deren Rahmen sich Nachtkerzenöl als ergänzende Maßnahme zur Basistherapie bewährt habe. Der Widerspruch zwischen Evidenzhierarchie und Erfahrungsheilkunde tritt damit einmal mehr offen zutage.

In der Küche wird die zweijährige Pflanze ebenfalls geschätzt: Wurzel, Blätter, Blüten und Samen gelten als essbar. Die Wurzeln ähneln im Geschmack der Schwarzwurzel, Blätter und Blüten können Salate verfeinern. Doch ihre eigentliche Bühne bleibt die Phytotherapie. Und dort steht sie 2026 nicht nur im Scheinwerferlicht als Heilpflanze des Jahres, sondern auch exemplarisch für die Herausforderung, traditionelle Anwendungen mit modernen Maßstäben zu bewerten.

Die Entscheidung des NHV Theophrastus, die Gemeine Nachtkerze ins Zentrum zu rücken, ist somit mehr als eine Würdigung einer unterschätzten Pflanze – sie ist ein Appell an Wissenschaft und Öffentlichkeit, der Erfahrungsmedizin mehr systematische Beachtung zu schenken, ohne die Standards der Wirksamkeitsprüfung aufzugeben. Es ist der Versuch, eine Brücke zu bauen zwischen dem, was wirkt, weil es wirkt – und dem, was wirkt, weil man es glaubt. Die Gemeine Nachtkerze steht dabei mit all ihrer Pracht, Geschichte und Vieldeutigkeit im Zentrum einer Debatte, die weit über eine Jahreskür hinausgeht.

 

Hitzeschutz beginnt im Alltag, Beratung wirkt durch Nähe, Prävention braucht Erfrischung

Wie die Adler Apotheke in Hilden Hitzeaktionswissen in die Offizin bringt, pharmazeutische Leistungen konkret verknüpft und mit kleinen Gesten große Wirkung erzielt

Wenn der Sommer über Nordrhein-Westfalen hereinbricht, wird die Apotheke zur Klimafestung. In Hilden hat das Team der Adler Apotheke dieses Prinzip längst verinnerlicht – nicht als theoretisches Konzept, sondern als gelebte Fürsorge mitten im Versorgungsalltag. Zum bundesweiten Hitzeaktionstag zeigt die Offizin, wie kluges Engagement aussehen kann: Dort stehen nicht nur Informationsmaterialien bereit, sondern auch ein Krug Wasser, ein Glas zum Auffüllen, Elektrolytmischungen für besonders gefährdete Patientengruppen – und eine schlichte Bank, auf der man sich kurz abkühlen kann. Was im ersten Moment wie eine kleine Geste wirkt, ist in Wahrheit ein strukturierter Ansatz zur Hitzekompetenz, der weit über den Aktionstag hinausweist.

Denn die Adler Apotheke nutzt die erhöhte Aufmerksamkeit für das Thema Hitze systematisch: Beratungsgespräche zu Medikation und Temperatur, Hinweise auf die hitzesensiblen Eigenschaften bestimmter Arzneistoffe und die Erklärung körperlicher Reaktionen auf erhöhte Außentemperaturen werden aktiv angeboten – nicht nur bei Hochbetagten oder Herz-Kreislauf-Erkrankten. Auch Schwangere, Kinder und Berufstätige mit wechselnder Aufenthaltsdauer im Freien sind im Blick. Der Leitgedanke dabei: Prävention ist mehr als die Weitergabe eines Faltblatts. Sie beginnt mit einem Glas Wasser – und entfaltet Wirkung durch Vertrauen, Gespräch und Wiedererkennung.

Dass pharmazeutische Dienstleistungen integraler Bestandteil des Konzepts sind, ist kein Zufall. Die Apotheke verknüpft Medikationsanalysen bei Risikopatienten mit Informationen zur Thermolabilität, bietet gezielte Inhalationsschulungen für hitzebelastete Atemwegspatienten an und begleitet Diabetiker durch hitzesensible Tagesprofile. Es ist ein erweitertes Versorgungsszenario, das sich mit den Grundwerten pharmazeutischer Arbeit deckt: Aufmerksamkeit, Kontext, Kontinuität. Hitzeschutz ist in dieser Perspektive keine Nebensache, sondern Teil gesundheitlicher Daseinsvorsorge – mit der Apotheke als niedrigschwelliger, alltagsnaher Struktur.

Und während politische Diskussionen über Klimaresilienz oft fern und abstrakt bleiben, zeigt sich in der Adler Apotheke, wie konkret Versorgung gestaltet werden kann. Die Bank zum Durchatmen in der Offizin ist kein Symbol, sondern ein Versprechen: Wer hier eintritt, darf versorgt werden – nicht nur mit Arznei, sondern mit Zuwendung. Genau darin liegt der Unterschied zwischen abstrakter Gesundheitsprävention und gelebter Verantwortung im Stadtteil.

 

Hitze verstärkt psychische Krisen, gefährdet Therapietreue, fordert medizinische Reaktion

Warum hohe Temperaturen für vulnerable Gruppen zur Gefahr werden, psychische Symptome eskalieren und Medikamentenpläne hinterfragt werden müssen

Extremtemperaturen stellen nicht nur ein somatisches, sondern zunehmend auch ein psychiatrisches Gesundheitsrisiko dar. Für Menschen mit bestehenden psychischen Erkrankungen wird Hitze zur doppelten Belastung: Sie triggert Symptome, stört Schlafrhythmen und verschärft bestehende psychische Instabilität – in vielen Fällen so gravierend, dass ärztliche Intervention oder medikamentöse Anpassungen notwendig werden. Dass dies keine theoretische Annahme ist, belegen Erfahrungswerte aus Kliniken und Notaufnahmen: Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) steigt die Zahl hitzebedingter Suizide und psychiatrischer Notfälle nachweislich an besonders heißen Tagen. Die Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Andrea Benecke, warnt ausdrücklich vor einer wachsenden Gefahrenlage für psychisch Erkrankte – und fordert strukturelle Vorsorge.

Die klinischen Folgen intensiver Hitze sind in der Praxis längst sichtbar: Psychosen dekompensieren, Affektstörungen nehmen an Intensität zu, aggressive Zwischenfälle häufen sich. Besonders vulnerable sind Menschen, die in sozialer Isolation leben, unter Antriebsminderung leiden oder in ihrer Exekutivfunktion eingeschränkt sind. Wer sich aus psychischen Gründen ohnehin schwer zu Selbstfürsorge motivieren kann, versäumt bei Hitze oft elementare Schutzmaßnahmen – von ausreichender Flüssigkeitsaufnahme bis zum rechtzeitigen Aufsuchen kühlerer Räume. Nicht selten müssen Angehörige oder ambulante Pflegedienste in letzter Minute intervenieren. In stationären Settings und geschützten Wohnformen wiederum sind Pflegepersonal und Betreuungsteams gezwungen, zusätzliche Kühlstrategien und lückenlose Trinkprotokolle einzuführen.

Doch nicht nur Verhalten und Umfeld spielen eine Rolle: Auch medikamentöse Faktoren verschärfen die Lage. Viele psychotrope Substanzen – darunter Antipsychotika, Tranquilizer oder Antidepressiva – beeinflussen die Thermoregulation oder begünstigen eine Dehydratation. Anticholinerge Effekte, Kreislaufbelastungen oder eine verlangsamte Schweißsekretion können in Hitzephasen lebensbedrohliche Zustände auslösen. Für behandelnde Ärztinnen und Ärzte bedeutet das: Eine differenzierte Sommeranpassung der Medikation ist häufig notwendig – nicht nur zur Wirkoptimierung, sondern zum Schutz vor Komplikationen. Auch Wechselwirkungen mit Alkohol oder Drogen, die in belasteten Situationen verstärkt konsumiert werden, erfordern besonders an heißen Tagen ein striktes Monitoring.

Die BPtK hat im Zuge des bundesweiten Hitzeaktionstags ein spezielles Schutzkonzept für psychisch Erkrankte vorgelegt, das sich auch an Apotheken, ambulante Dienste und soziale Einrichtungen richtet. Klare Empfehlungen zur Flüssigkeitsaufnahme, zur Vermeidung körperlicher Belastung, zum Umgang mit Sport und Substanzkonsum sowie zur Krisenplanung mit Therapeut*innen sollen verhindern, dass extreme Wetterlagen zur Eskalation psychischer Notlagen führen. Besonders hervorgehoben wird die Notwendigkeit, bei hohen Temperaturen alle Beteiligten im medizinischen Umfeld – von der psychiatrischen Praxis bis zur öffentlichen Apotheke – in Hitzeschutzstrategien aktiv einzubinden.

Kinder und Jugendliche gelten dabei als besonders gefährdet. Ihre Thermoregulation ist noch nicht vollständig entwickelt, was die körperliche und psychische Belastbarkeit im Hitzefall stark einschränkt. Studien belegen, dass bei Kindern unter Hitze Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsmangel und affektive Instabilität zunehmen. Bei Jugendlichen werden depressive Verstimmungen, Impulsdurchbrüche oder sozialer Rückzug durch Hitzestress messbar verschärft. Für Eltern, Schulpsychologen, Jugendämter und therapeutische Fachkräfte ergibt sich daraus eine klare Forderung nach Frühintervention und Sensibilisierung – nicht nur in akuten Wetterlagen, sondern auch präventiv im Rahmen schulischer und kommunaler Gesundheitsförderung.

Was als Wetterphänomen beginnt, wird so zum systemischen Risiko für die seelische Gesundheit – mit steigender Relevanz in einer durch Klimawandel geprägten Zukunft. Der Hitzenotfall ist dabei kein seltenes Einzelereignis mehr, sondern ein vorhersehbarer Extremzustand mit hoher Wiederholungswahrscheinlichkeit. Sobald die gefühlte Temperatur tagsüber die 30-Grad-Marke übersteigt und auch nachts nicht unter 20 Grad fällt, beginnt eine Phase akuter Gefahr, nicht nur für das Herz-Kreislauf-System, sondern für den gesamten psychoneuronalen Organismus. In solchen Phasen braucht es klare Handlungsketten – nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich: mit schützenden Alltagsstrukturen, sensibler Kommunikation und einer gesamtgesellschaftlichen Bereitschaft, psychische Belastung nicht länger zu marginalisieren.

 

Mehr Abkühlung, mehr Verantwortung, mehr Systemlogik

Wie der Hitzeschutzplan für Sportler gesundheitsgerechtes Verhalten fördern, hitzebedingte Risiken eindämmen und Veranstalter zu präventiver Planung verpflichten soll

Die Temperaturen steigen, die Risiken auch – doch lange fehlte es an konkreten Maßnahmen, um Sportlerinnen und Sportler im Breitensport systematisch vor den Folgen extremer Hitze zu schützen. Mit dem neuen „Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport“, der vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) erarbeitet wurde, liegt nun erstmals ein strukturierter Orientierungsrahmen vor, der sportliche Aktivitäten an heißen Tagen gesundheitsgerecht lenken soll. Ziel ist es, körperliche Überlastung, hitzebedingte Notfälle und langfristige Folgeschäden durch vorbeugende Maßnahmen und gezielte Kommunikation zu vermeiden. Angesichts einer Zunahme extremer Hitzetage infolge des Klimawandels mit jährlich mehreren Tausend Hitzetoten in Deutschland, wie das Robert Koch-Institut betont, gewinnt dieser Plan an unmittelbarer Relevanz.

Das Grundprinzip des Plans beruht auf drei Ebenen: Erstens geht es um infrastrukturelle Vorbereitung an Sportstätten, etwa durch Bereitstellung kühler Getränke, schattiger Ruhebereiche und Erste-Hilfe-Stationen. Zweitens formuliert der Plan klare Handlungsleitlinien für Verantwortliche im Vereinssport, insbesondere zur Einschätzung von Belastungssituationen, zur Definition von Abbruchkriterien und zur Einweisung von Übungsleitern in hitzebezogene Notfallmaßnahmen. Drittens enthält der Plan Empfehlungen für das individuelle Verhalten bei hohen Temperaturen: ausreichend trinken, auf Alkohol und Koffein verzichten, auf offene Feuerstellen wie Grills verzichten, sich mit heller Kleidung und Kopfbedeckung schützen, körperliche Belastung reduzieren oder – bei entsprechendem Risiko – ganz aussetzen. Diese Empfehlungen gelten ausdrücklich nicht als Verbote, sondern als gesundheitsorientierte Orientierungspunkte mit präventiver Intention.

Die Reaktionen auf den Plan fallen differenziert aus: Während viele Sportvereine die Handlungsempfehlungen als hilfreiche Struktur empfinden, sorgt insbesondere die Kritik an Alkoholgenuss und Grillabenden in manchen Sportkreisen für Unmut – ein Zeichen dafür, dass gesunde Verhaltensänderung nicht nur über Fakten, sondern auch über kulturelle Praktiken verhandelt werden muss. Dennoch betont das Ministerium, dass es sich bei allen Punkten um nichtverbindliche Empfehlungen handelt. Verbände und Vereine sind jedoch angehalten, sich in ihrer jeweiligen Organisationsform und Region eigene Umsetzungsstrategien zu geben. Für den rechtlichen Rahmen und verbindliche Maßnahmen bleiben Länder und Kommunen zuständig.

Als zentraler Ausgangspunkt für den aktuellen Plan gilt der 2023 von Karl Lauterbach vorgestellte Nationale Hitzeschutzplan für Gesundheit. In der Weiterentwicklung wurde dieser nun modular auf unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche übertragen: Neben dem Sport wurden zuletzt auch Apotheken sowie ambulante psychotherapeutische Einrichtungen mit branchenspezifischen Empfehlungen bedacht. Damit trägt das Ministerium einem wachsenden Bedarf an sektorspezifischer Hitzestrategie Rechnung – und setzt auf eine dezentrale, anpassungsfähige Struktur statt auf pauschale Verpflichtung.

Ob der Plan Wirkung zeigt, wird nicht allein von Temperaturkurven, sondern vor allem von der Bereitschaft zum kulturellen Wandel im Sport abhängen. Denn trotz steigender Gesundheitsgefahren bei Hitze ist das Ideal des durchhaltenden, leistungsstarken Körpers vielerorts tief verankert. Erst wenn Hitze als medizinisch ernstzunehmendes Phänomen akzeptiert ist – und nicht als temporäre Unannehmlichkeit –, können Empfehlungen wie diese ihre präventive Kraft entfalten. Der Hitzeschutzplan liefert dafür die Systemlogik – ob daraus auch Praxis wird, liegt in der Verantwortung derer, die ihn nutzen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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