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  • 05.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Er regiert gegen die Verfassung, spaltet den Markt, überfordert die Gesellschaft
    05.06.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Er regiert gegen die Verfassung, spaltet den Markt, überfordert die Gesellschaft
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Trump hebelt demokratische Prinzipien aus, der DAV-Bericht zeigt dramatische Marktdrift, und gesellschaftlicher Gestaltungswille schwindet...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Er regiert gegen die Verfassung, spaltet den Markt, überfordert die Gesellschaft

 

Wie Trump Amerikas Institutionen entkernt, der Apothekenbericht gezielte Reformen verlangt und intellektuelle Ehrlichkeit zum Schlüssel einer demokratischen Erneuerung wird

Donald Trump nutzt seine Rückkehr ins Präsidentenamt, um das amerikanische System strategisch umzubauen – nicht zur Stabilisierung, sondern zur dauerhaften Entkernung rechtsstaatlicher Grundmechanismen. Während sich in den USA autoritäre Macht verdichtet, dokumentiert der DAV-Wirtschaftsbericht 2024 die tiefgreifende Spreizung innerhalb des deutschen Apothekenmarkts, deren Ursachen nicht in falscher Moral, sondern in strukturellem Reformversagen liegen. Die wirtschaftliche Entkoppelung zwischen ertragsschwachen und überdurchschnittlich erfolgreichen Betrieben verweist auf eine gescheiterte Pauschallogik im Vergütungssystem. Parallel verdichtet sich die intellektuelle Krise westlicher Gesellschaften: Statt Erkenntnisfähigkeit und Differenzierungswillen dominiert ein gefährlicher Mix aus Bequemlichkeit, Polarisierung und analytischer Erschöpfung. Verstärkt wird diese Lage durch demografische Lastverschiebungen, einen eskalierenden Fachkräftemangel und eine Digitalisierung, die zwar technische Tools bereitstellt, aber ohne strukturelle Führung nicht tragfähig ist. Die BGH-Verhandlung zur Rx-Preisbindung legt offen, dass selbst juristische Gleichheitsgrundsätze im Gesundheitswesen unter Druck geraten. Zugleich zeigen Einzelurteile – wie zu steuerlicher Privatnutzung von Dienstwagen oder dem Kindergeldanspruch bei Fernstudium mit Nebenjob – wie stark die Kluft zwischen Lebensrealität und Gesetzeslage geworden ist. Auch der Streitfall um ein testamentarisch verfügtes Grundstück zugunsten eines Hausarztes rückt den Konflikt zwischen Berufsrecht und persönlicher Bindung ins Licht: Was zählt mehr – Testierfreiheit oder berufsethische Integrität? Im Hintergrund eskaliert zudem die Versorgungslage: Die IKK classic beendet den Hilfsmittelvertrag mit dem DAV – was für Apotheken faktisch einen Versorgungsstopp bedeutet. Und auch in der medizinischen Forschung zeigen sich Brüche und Chancen zugleich: Die Immuntherapie gegen Erdnussallergie eröffnet neue Hoffnung – erstmals auch für Erwachsene –, verlangt jedoch zusätzliche Beratungslast und Sicherheitsvorkehrungen durch Apotheken. All diese Entwicklungen zeigen: Wo politische Führung versagt, wirtschaftliche Steuerung blockiert wird und gesellschaftliche Vernunft verlorengeht, entsteht keine Krise – es entsteht Systemversagen.

 

Er zersetzt Institutionen, entmachtet die Gewaltenteilung, gefährdet den Staat

Wie Donald Trump als wiedergewählter Präsident das amerikanische System in autoritäre Bahnen lenkt

Donald Trump ist zurück – nicht als Außenseiter, nicht als Kandidat, sondern als 47. Präsident der Vereinigten Staaten. Mit dem Amtsantritt im Januar 2025 beginnt nicht einfach eine zweite Amtszeit, sondern ein politisches Projekt der Rückabwicklung demokratischer Leitplanken. Der Mann, der bereits zwischen 2017 und 2021 mit permanenten Tabubrüchen regierte, nutzt nun seine Rückkehr ins Weiße Haus, um jene Teile des politischen Systems, die ihn zuvor bremsten, systematisch zu entmachten. Es ist ein Umbau der Exekutive im Schatten des Rechts, legitimiert durch den Wahlsieg, aber getragen von einem destruktiven Mandat: Trump regiert nicht zur Heilung der Nation, sondern zur Vollendung seines Angriffs auf die Fundamente der amerikanischen Demokratie.

Die Vereinigten Staaten erleben mit Trump 2025 keine bloße politische Polarisierung, sondern einen inneren Systembruch. Der Präsident umgibt sich mit Getreuen, nicht mit Fachleuten. Kritische Behördenleiter wurden entlassen oder ersetzt, die Unabhängigkeit von Justiz und Bundespolizei wird offen in Frage gestellt. Die Abwicklung der sogenannten „Deep State“-Strukturen, die Trump und seine Anhänger als Feindbild stilisieren, hat institutionelle Realität angenommen. In Ministerien herrscht ein Klima der Einschüchterung, Ermittlungsbehörden werden neu ausgerichtet, Loyalität ersetzt Qualifikation. Damit ist Trump kein Ausnahmepolitiker mehr – er ist ein operativer Systemgegner mit voller Machtfülle.

Während frühere Präsidenten institutionelle Stabilität als Rahmen ihrer Politik verstanden, betrachtet Trump diese Stabilität als Hindernis. Checks and Balances, also die gegenseitige Kontrolle von Exekutive, Legislative und Judikative, sind für ihn kein Schutzmechanismus der Verfassung, sondern Werkzeuge seiner Gegner. Entsprechend aggressiv betreibt er den Umbau der Verwaltung: Ernennungen in Schlüsselpositionen erfolgen ausschließlich entlang persönlicher Loyalität, Behörden werden durch Exekutivanordnungen entmachtet, oppositionelle Gouverneure öffentlich diffamiert. Besonders gefährlich ist dabei die schleichende Delegitimierung der Justiz. Urteile gegen Trump-nahe Funktionäre werden als parteipolitisch motiviert bezeichnet, Richter als „Systemfeinde“ diffamiert. Es ist ein rhetorischer Umbau der Rechtsstaatlichkeit – von einem neutralen Schutzmechanismus zur angeblichen politischen Waffe.

In der öffentlichen Kommunikation verfestigt Trump das Narrativ eines Präsidenten, der sich gegen ein korruptes System behauptet. Doch diese Geschichte ist längst zum Herrschaftsinstrument geworden: Der Mann, der 2021 den Sturm auf das Kapitol moralisch absicherte, nutzt 2025 die staatliche Infrastruktur zur Sicherung seiner Macht. Der öffentliche Dienst wird zum ideologischen Feldlager umfunktioniert, regierungskritische Medien als „Feinde des Volkes“ bezeichnet, Bildungseinrichtungen unter ideologische Beobachtung gestellt. Der Umbau ist subtil und legalistisch, aber hochwirksam. Trump regiert mit dem System gegen das System – und bleibt dabei stets innerhalb jener Graubereiche, die demokratische Ordnungen offenlassen, weil sie Redlichkeit voraussetzen.

Doch genau diese Redlichkeit ist verschwunden. Trumps Präsidentschaft basiert auf strategischer Eskalation: Medienkonflikte, Migration, Strafverfolgung und internationale Politik dienen ihm vor allem als Bühne zur Inszenierung seiner Unersetzbarkeit. Auf außenpolitischer Ebene hat er bestehende Allianzen relativiert, internationale Verpflichtungen infrage gestellt und autoritäre Staatschefs wie Putin und Orban als Partner stilisiert. Innenpolitisch verfolgt er eine Konfrontationsstrategie, die Konflikte schürt, statt sie zu lösen – von der Aufhebung von Umweltauflagen über die gezielte Schwächung von Minderheitenrechten bis hin zur Politisierung der öffentlichen Verwaltung.

Dass er damit durchkommt, ist nicht nur ein Zeichen seiner Macht, sondern der Schwäche des politischen Systems, das ihm erneut die Tür öffnete. Die republikanische Partei ist faktisch gleichgeschaltet, Kritiker wurden marginalisiert oder verließen das politische Feld. Die demokratische Opposition ringt mit strategischer Orientierungslosigkeit, während der Supreme Court sich zunehmend vor der Frage drücken muss, ob und wie er die Eskalation des Präsidenten begrenzen kann. Die Gewaltenteilung lebt, aber sie zittert.

Trumps zweite Amtszeit ist damit kein Rückfall, sondern ein struktureller Dammbruch. Er hat gezeigt, wie leicht eine Demokratie von innen heraus ausgehöhlt werden kann, wenn Mehrheiten mit Misstrauen, Rechtsstaatlichkeit mit Opportunismus und politische Kultur mit propagandistischem Durchgriff ersetzt werden. Amerika unter Trump 2025 ist kein autoritärer Staat – aber ein gefährdeter. Die eigentliche Frage ist nicht mehr, ob Trump das System sprengt. Sondern ob es überhaupt noch fest genug ist, um dem standzuhalten.

 

Gewinnspanne weitet sich, Gießkannenlogik versagt, Strukturförderung wird Pflicht

Warum der DAV-Wirtschaftsbericht 2024 die Spreizung im Apothekenmarkt offenlegt, Pauschalforderungen in die Irre führen und gezielte Maßnahmen überfällig sind

Der Apothekenmarkt in Deutschland ist längst kein homogenes Feld mehr – er ist eine Landschaft wachsender Kontraste. Der aktuelle DAV-Wirtschaftsbericht 2024 bringt diese Entwicklung in schmerzlicher Klarheit auf den Punkt: Während sich das unterste Drittel der Apotheken mit einem Betriebsergebnis unterhalb von 75.000 Euro durch den Alltag kämpft, erzielt das obere Drittel Jahresergebnisse jenseits der 250.000 Euro. Die daraus resultierende Schieflage ist nicht nur betriebswirtschaftlich relevant, sondern politisch und strukturell brisant. Denn wo auf der einen Seite Apothekenteams mit dem Rücken zur Wand stehen, bauen andere solide auf – und das unter dem Dach desselben Vergütungssystems.

Noch gravierender wird die Problematik, wenn man berücksichtigt, dass die Statistik selbst ein verzerrtes Bild zeichnet: Sie unterscheidet nicht zwischen Haupt- und Filialapotheken. Wenn also eine Hauptapotheke mit sechsstelligen Gewinnen die rote Null mehrerer ihrer Filialen ausgleicht, verschleiert dies die reale Existenzbedrohung einzelner Standorte. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die Lage im unteren Segment könnte in Wahrheit noch dramatischer sein, als es die offiziellen Zahlen nahelegen. Betriebsschließungen – häufig kommentarlos – sind das letzte, oft stille Symptom eines Systems, das nicht mehr trägt.

Die politische Antwort darauf lautet bisher: mehr Geld für alle – konkret 75 Millionen Euro jährlich, wie im Koalitionsvertrag verankert. Doch die Diskussion, wie diese Mittel verteilt werden sollen, offenbart eine bemerkenswerte Ratlosigkeit. Der Vorschlag von DAV und ABDA, das Rx-Fixum für die ersten 20.000 Packungen von 9,50 Euro auf 11 Euro anzuheben, mag auf den ersten Blick plausibel klingen. Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich: Diese Maßnahme wirkt wie ein Antidiabetikum bei Hypoglykämie – Diagnose richtig, Therapie grundlegend falsch. Denn sie hilft auch denen, die keine Hilfe benötigen, und verschärft die systematische Verzerrung zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Apotheken eher noch.

Mehr noch: Der Versuch, die 75 Millionen Euro durch Rechentricks auf 510 Millionen Euro hochzurechnen, erinnert an jene Phase der Finanzpolitik, in der man Schulden in kreative Kreditverträge umetikettierte. Politisch mag das kurzfristig erfolgreich sein, strategisch ist es fahrlässig. Die Konsequenz eines solchen Gießkannenprinzips ist absehbar: Es wird das bestehende Gefälle weiter zementieren, nicht auflösen.

Wenn also Strukturförderung wirklich das Ziel ist, muss sie auch strukturiert erfolgen. Das bedeutet nicht, in einem bürokratischen Albtraum Apotheken auf den Cent genau nach Bedarf zu fördern – es bedeutet aber sehr wohl, Kriterien zu definieren, mit denen gezielt in gefährdete Versorgungsräume investiert werden kann. Ländliche Regionen, prekäre Sozialräume, unterversorgte Stadtteile: Dort müssen Mittel gebündelt ankommen. Wenn die Politik stattdessen weiter ungezielt ausschüttet, subventioniert sie letztlich auch jene Filialverbünde, die längst hochprofitabel arbeiten und wenig Anlass zur Klage haben.

Was fehlt, ist eine entschlossene Differenzierung – eine Strategie, die zwischen strukturellem Bedarf und betrieblicher Optimierung unterscheidet. Dass dies nicht trivial ist, darf nicht als Vorwand dienen, das Gegenteil zu tun. Im Gegenteil: Die Spreizung im Markt ist inzwischen so offensichtlich, dass sie nicht länger ignoriert werden kann, ohne das Apothekensystem als Ganzes zu gefährden. Wer heute noch glaubt, dass pauschale Zuschläge als Antwort auf differenzierte Notlagen ausreichen, hat das Wesen der Krise nicht verstanden. Die Zukunft der wohnortnahen Arzneimittelversorgung entscheidet sich nicht in der Höhe eines einheitlichen Fixums, sondern in der Bereitschaft zur gezielten Förderung und strategischen Marktsteuerung.

 

Komfort als Risiko, Wissenschaft als Ausweg, Gesellschaft als Aufgabe

Wie intellektuelle Ehrlichkeit unsere Zukunft sichern kann, warum Hoffnung mehr ist als Gefühl und weshalb Ideologie durch Vernunft ersetzt werden muss

Das intellektuelle Fundament westlicher Gesellschaften scheint in Schieflage geraten – weniger durch Mangel an Information, sondern durch eine gefährliche Mischung aus Selbstvergessenheit, institutionellem Starrsinn und dem weitgehenden Verlust von Gestaltungswillen. Dabei ist die Lage, nüchtern betrachtet, durchaus formbar – auch wenn sie als eine der komplexesten ihrer Art gelten darf. Was fehlt, ist nicht die Hoffnung, sondern der Wille zur systematischen Reorganisation. Wer den aktuellen Zustand als bloß temporäres Tief verklärt, verkennt die strukturelle Tiefe der Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnet aber genau diese Tiefe auch die Möglichkeit, alte Fehler nicht zu wiederholen, sondern durch zielgerichtetes Denken echte Fortschritte zu machen.

Ob in Fragen der Sicherheit, der Kriegsfolgen oder der wirtschaftlichen und demografischen Transformation – der systemische Reformstau ist kein Schicksal. Er ist das Resultat jahrelanger Passivität im politischen Denken, flankiert von einer Öffentlichkeit, die sich zu lange auf sentimentale Narrative und das Prinzip der Verdrängung verlassen hat. Dabei wäre die Lösungsarchitektur vieler Probleme längst vorhanden – sowohl technologisch als auch konzeptionell. Die Möglichkeit, CO₂ als Rohstoff zu nutzen statt als reines Schreckgespenst zu inszenieren, ist ein Paradebeispiel. Es fehlt nicht an Erkenntnissen, sondern an der Bereitschaft, diese gegen eingespielte Routinen durchzusetzen.

Auch der Umgang mit geopolitischen Konflikten zeigt: Die mediale und politische Reflexlogik bleibt oft in der binären Welt von Freund und Feind stecken. Stattdessen braucht es eine vielstimmigere Erzählung, die sich nicht in Parolen erschöpft, sondern Frieden als strukturelle Leistung und nicht als vage Hoffnung begreift. Denn Frieden entsteht nicht aus Waffenstillstand allein, sondern aus Ordnung, Gerechtigkeit und Perspektive. Genau hier wären europäische Gesellschaften gefordert, neue diplomatische Modelle zu schaffen – nicht um sich aus der Verantwortung zu stehlen, sondern um ihre Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.

Ökonomisch stellt sich die Frage nach neuer Selbstständigkeit. Warum Europa weiterhin in Abhängigkeit von Lieferketten existieren soll, die zunehmend politische oder systemische Unsicherheiten bergen, ist nicht erklärbar. Die Renaissance der Eigenproduktion – etwa im Pharmasektor – ist nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern strategisch überfällig. Dass dies mit kurzfristigen Mehrkosten verbunden ist, ist evident – aber langfristig wäre es ein Investment in Handlungsfreiheit und Stabilität. Auch hier gilt: Ideologiefrei denken, strukturell handeln, wertebasiert entscheiden.

Die innere Selbstverzwergung jedoch bleibt das größte Risiko. Ein Gesellschaftsmodell, das wachsendes Einkommen bei schrumpfender Leistung als Fortschritt begreift, wird sich nicht dauerhaft tragen. Hier versagt nicht nur der wirtschaftliche Realitätssinn, sondern auch die politische Kommunikation. Die Bereitschaft zur Leistung darf nicht delegitimiert, sondern muss differenziert gefördert werden. Die Tendenz, öffentliche Systeme mit zunehmend administrativen Bremsklötzen zu überziehen – insbesondere im Gesundheits- und Bildungsbereich –, gefährdet nicht nur deren Effizienz, sondern deren Existenz. Die Überkomplexität ersetzt dort längst die Problemlösung. Das Resultat ist eine strukturkonservative Bürokratie mit negativem Innovationssaldo.

Doch Hoffnung ist kein Mythos, sondern ein Arbeitsprinzip. Wer Hoffnung mit Verantwortung verbindet, transformiert sie in Wirkung. Die Erkenntnis, dass sich Komfortzonen nicht konservieren lassen, wird allmählich spürbar – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die entscheidende Frage wird sein, ob aus dieser Erkenntnis Taten folgen. Denn wer sich den strukturellen Notwendigkeiten entzieht, der verfehlt nicht nur die Gegenwart, sondern verrät die Zukunft. Die intellektuelle Wiederauferstehung aus den Ruinen der Selbsttäuschung wäre möglich – wenn man sie will.

 

Demografie verspricht Potenzial, begrenzt aber das Wachstum, zwingt zur Effizienz

Wie alternde Gesellschaften Apotheken kurzfristig stützen, langfristig aber stagnierende Erträge und wirtschaftliche Gegenwinde bringen

Der demografische Wandel wird häufig als ökonomischer Segen für das Gesundheitswesen beschrieben – insbesondere für Apotheken, deren Geschäft an Medikamentenverbräuche und alterstypische Erkrankungen gekoppelt ist. Doch die Annahme, dass mehr alte Menschen automatisch mehr Umsatz bedeuten, greift zu kurz. Die Realität ist komplexer, langfristig sogar ernüchternd – und sie zwingt die Branche zu unbequemen strategischen Anpassungen.

Die Grundthese scheint auf den ersten Blick bestechend logisch: Mit zunehmendem Alter steigen Krankheitsrisiken, Medikationsbedarfe und damit auch die Pro-Kopf-Ausgaben. Die Krankenkassendaten bestätigen das eindrucksvoll: Ein über 80-jähriger Mann verursacht rund siebenmal so hohe Arzneimittelausgaben wie ein 20- bis 30-Jähriger. Auch bei Frauen liegt der Faktor bei etwa fünf. Von 2013 bis 2023 stiegen die Pro-Kopf-Kosten für ältere Männer um 81 %, bei Frauen immerhin um 49 %. Die jährlichen Zuwächse lagen damit deutlich über der Inflationsrate. Auch bei den Jüngeren ist ein signifikanter Anstieg zu beobachten – allerdings auf deutlich niedrigerem Kostenniveau.

Die positive Perspektive verliert jedoch an Glanz, sobald man die absoluten Bevölkerungszahlen ins Spiel bringt. Die Szenarien der Bevölkerungsentwicklung zeigen, dass der demografisch bedingte Zuwachs im Apothekenumsatz enttäuschend ausfällt. In sämtlichen vier durchgerechneten Varianten – von stagnierender Bevölkerung ohne Zuwanderung bis hin zu massiver Migration mit steigender Lebenserwartung – ergibt sich nur ein moderates Umsatzplus bis 2070. Szenario D, das ambitionierteste, prognostiziert eine Verbrauchszunahme von rund 30 % bis dahin – bei gut 100 Millionen Einwohnern. Der Rest bleibt bei etwa 15 % oder darunter.

Ausschlaggebend ist dabei die demografische Struktur. Zwar steigt der Anteil älterer Menschen zunächst, aber mit dem Sterben der Babyboomer fällt die Rentnergeneration später wieder deutlich kleiner aus. Gleichzeitig lassen sinkende Geburtenraten und schwankende Zuwanderung keine stabile Bevölkerungsbasis erwarten. Die Folge: Die erhofften „goldenen Zeiten“ für Apotheken bleiben aus – zumindest, wenn man sie allein aus der Alterung heraus ableitet. In realer Kaufkraft gerechnet, und unter Berücksichtigung der heutigen Honorarsysteme, ergibt sich nur ein jährliches Wachstumspotenzial von unter einem Prozent.

Die realen Apothekenumsätze verhalten sich ohnehin zunehmend entkoppelt von diesen Szenarien. Während der Verbrauch sich in etwa entlang der demografischen Linien entwickelt – also stabil bis leicht steigend –, divergieren die Erlöse deutlich. Das liegt zum einen an politischen Eingriffen, etwa über Festbeträge und Rabattverträge, zum anderen an der Differenzierung der Apothekenlandschaft. Filialketten, Versandapotheken und spezialisierte Anbieter können durch andere Strukturen und Skaleneffekte abweichende Entwicklungen erzeugen.

Nicht minder bedeutsam: Die Rohertragsentwicklung zeigt, dass die aktuelle Honorierungssystematik nicht zukunftsfähig ist. Rechnet man die aktuellen Packungszahlen (810 Mio. Rx, 1.050 Mio. Non-Rx) mit heutigen Durchschnittsspannen (5,5 % Rx, 40 % Non-Rx) in inflationsbereinigter Form durch, ergibt sich bei stabiler Entwicklung kaum mehr als Stagnation. Steigen die Kosten – etwa durch Personal, Energie oder Digitalisierung – stärker als die allgemeine Preisentwicklung, geraten die Betriebsergebnisse unweigerlich unter Druck.

Die Konsequenz? Ohne Reform der Honorarsystematik und ohne verbesserte Ertragsbasis bleibt Apotheken langfristig nur der sogenannte „Friedhofseffekt“: Der Rückgang der Apothekenzahl erhöht rein rechnerisch die Umsätze der verbleibenden Betriebe. Doch das ist keine Strategie, sondern eine Erosionsdynamik, die unternehmerisch kaum planbar ist. Die bessere Antwort liegt in einer strukturellen Erneuerung: zielgerichtete Zuwanderung, wirtschaftliche Stabilisierung, digital unterstützte Versorgungsmodelle und eine Rückbesinnung auf das pharmazeutische Kerngeschäft.

So erweist sich der demografische Wandel zwar als positiver Faktor – aber nicht als Haupttreiber. Wer heute auf eine demografisch getriebene Apothekerblüte hofft, wird sich langfristig enttäuscht sehen. Was zählt, ist die Fähigkeit, wirtschaftlich und politisch gegenzusteuern. Die demografischen Zahlen liefern dafür allenfalls den Takt – gespielt werden muss das Stück von einer Politik, die Versorgungssicherheit, betriebswirtschaftliche Realität und gesellschaftliche Erwartungen in Einklang bringt.

 

Demografie treibt die Nachfrage, Fachkräftemangel begrenzt den Nutzen, Digitalisierung verlangt Struktur

Wie der Alterungsschub Apothekenkunden bringt, warum die Versorgung dennoch brüchig bleibt und wieso digitale Prozesse mehr sind als elektronische Etiketten

Der demografische Wandel wird gerne als Zukunftsszenario beschrieben – doch die Realität in deutschen Apotheken zeigt: Die Zukunft ist schon da. In kaum einem anderen Sektor wirken sich Alterungsprozesse so unmittelbar auf den Geschäftsalltag aus wie im Apothekenwesen. Mit jedem Jahr steigt der Anteil älterer Patienten, die auf eine kontinuierliche Versorgung angewiesen sind – und mit ihm die Nachfrage nach Beratung, Medikationsmanagement und pharmazeutischen Dienstleistungen. Die Zahlen sind eindeutig: 80-jährige Männer verursachen heute mehr als das Siebenfache an Arzneimittelausgaben wie 30-jährige. Bei den Frauen beträgt das Verhältnis etwa 5:1. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich diese Werte um bis zu 80 % erhöht – ein Trend, der sich laut Prognosen bis 2035 nochmals verdoppeln könnte. Doch die vermeintliche Goldgrube ist in Wahrheit eine komplexe Gemengelage, deren betriebswirtschaftliche Dynamik durch drei Faktoren gebrochen wird: Fachkräftemangel, Preisdeckelung und strukturelle Überforderung.

Denn so zahlungsintensiv multimorbide Patient:innen für das System sein mögen – die Apotheken haben davon wenig. Fixum und Abschläge begrenzen die betriebswirtschaftliche Hebelwirkung, gerade bei aufwendiger Beratung. Die neue Rolle der Apotheken als erweiterte Gesundheitslotsen für eine alternde Gesellschaft steht daher auf tönernen Füßen: Wer mehr leisten muss, aber dafür nicht adäquat vergütet wird, betreibt Versorgung auf Verschleiß. Hinzu kommt: Die Belastung steigt nicht linear, sondern exponentiell. Ein Patient mit sieben Dauermedikationen benötigt nicht siebenmal, sondern oft zwanzigmal so viel Beratung wie einer mit nur einer Medikation – allein schon wegen Interaktionsrisiken, kognitiven Einschränkungen und Rückfragen. Ohne digitale Assistenzsysteme und durchgängige Strukturprozesse lassen sich solche Konstellationen nicht effizient bewältigen.

Doch hier offenbart sich der nächste Engpass: Die Digitalisierung ist in vielen Apotheken ein Etikett ohne Infrastruktur. Das E-Rezept wird umgesetzt, aber nicht integriert; Automatisierung wird diskutiert, aber nicht finanziert; Daten werden erfasst, aber nicht vernetzt. Die Folge: statt Entlastung entsteht Frust. Der Zugriff auf Medikationsdaten ist lückenhaft, weil die ePA weder vollständig befüllt noch in Echtzeit verfügbar ist. Robotik und Telepharmazie bleiben Pilotprojekte, obwohl sie im demografischen Kontext dringend gebraucht würden – insbesondere im ländlichen Raum. Apothekenleiterinnen und -leiter sehen sich damit zunehmend in einer paradoxen Rolle: Sie stehen einer wachsenden, alternden und beratungsintensiven Kundengruppe gegenüber, ohne dass das System ihre Rolle neu bewertet hätte. Der gesetzliche Rahmen scheint auf dem Stand der 1990er zu verharren, während die Patient:innen des Jahres 2030 bereits in der Offizin stehen.

Ein weiterer Aspekt: Die Standortverteilung entspricht längst nicht mehr der Bedarfslage. Zwar konzentrieren sich viele Apotheken in urbanen Räumen, doch die Wachstumsdynamik findet auf dem Land statt – dort, wo es bereits heute an ärztlicher Grundversorgung fehlt. Der Altersdurchschnitt liegt dort teils über 50, während unter 30-jährige Pharmazeuten selten bereit sind, sich in strukturschwachen Regionen niederzulassen. Die demografische Wucht trifft somit auf ein Versorgungsvakuum. Hinzu kommt, dass viele dieser älteren Patient:innen nicht nur polymediziert sind, sondern auch mobil eingeschränkt – was die Anforderungen an Botendienste, pharmazeutische Interventionen vor Ort und barrierefreie Kommunikation massiv erhöht. Doch die personellen Kapazitäten schrumpfen. Ohne eine systematische Entlastung und eine veränderte Honorierungslogik droht hier eine doppelte Erosion: sowohl auf Seiten der Patientenversorgung als auch auf Seiten der betrieblichen Tragfähigkeit.

Die Konsequenz: Die demografische Entwicklung bringt den Apotheken keine goldenen Zeiten, sondern steigende Anforderungen bei stagnierender Unterstützung. Die Herausforderung besteht nicht darin, mehr Kund:innen zu bedienen – sondern die Versorgung aufrechtzuerhalten, obwohl zentrale Ressourcen fehlen. Digitalisierung könnte helfen, wenn sie nicht nur als technisches Projekt, sondern als strukturverändernde Kraft begriffen würde. Und wenn sie nicht den ohnehin überlasteten Betrieben aufgebürdet, sondern systemisch gefördert würde. Es geht um mehr als Software: Es geht um neue Versorgungsmodelle, smarte Datenverarbeitung und interprofessionelle Netzwerke. Der demografische Wandel ist kein isoliertes Phänomen – er ist ein Strukturbruch, der nur durch strukturelle Reformen aufgefangen werden kann. Apotheken stehen dabei nicht am Rand, sondern im Zentrum.

 

Recht verliert Bindung, Markt verliert Gleichheit, Politik verliert Richtung

Wie das BGH-Signal zur Rx-Preisbindung den Apothekenwettbewerb neu justiert, Versandapotheken strategisch bevorteilt und regulatorisches Umdenken verlangt

Die Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) am 7. Mai 2025 markiert keinen juristischen Endpunkt, aber einen strategischen Wendepunkt in der Auseinandersetzung um die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel in Deutschland. Im Revisionsverfahren I ZR 74/24, das sich mit den Rx-Boni einer niederländischen Versandapotheke befasste, machten die Karlsruher Richter deutlich, dass sie die bisherige Linie der Preisbindung für ausländische Anbieter nicht länger als alternativlos betrachten. Zwar steht eine endgültige Entscheidung noch aus, doch bereits die Tonlage der Befragung offenbart eine tektonische Verschiebung im Verständnis von Gleichheit im Wettbewerb.

Zentraler Kritikpunkt des Gerichts war die bislang geltende Anwendung des § 78 AMG auf ausländische Versandapotheken, insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorgaben. Der Versuch, das nationale Preisrecht auf Anbieter zu übertragen, die außerhalb der deutschen Rechtsordnung agieren, sei nicht nur juristisch fragwürdig, sondern auch strukturell angreifbar. Das BGH machte deutlich: Der Schutz der Arzneimittelpreisbindung kann nicht um den Preis der Wettbewerbsverzerrung aufrechterhalten werden. Eine Schieflage, bei der inländische Apotheken keinerlei Rabatte gewähren dürfen, während ausländische Anbieter mit Boni operieren, werde zunehmend als systemisch ungerecht empfunden.

Das Verfahren reiht sich ein in eine Serie juristischer und politischer Herausforderungen an die Rx-Preisbindung seit dem bekannten EuGH-Urteil von 2016, das Boni für ausländische Apotheken ausdrücklich erlaubte. Seither versuchten deutsche Instanzen, mit teils kreativen Argumentationen gegenzusteuern. Doch mit der nun offen artikulierten BGH-Skepsis ist offensichtlich geworden, dass eine gerichtliche Verteidigung der bisherigen Linie auf immer dünnerem Eis steht.

Für die deutsche Apothekenlandschaft bedeutet das nicht zwangsläufig das Ende der Preisbindung – wohl aber das Ende ihrer bisherigen Verteidigungsstrategie. Die Preisbindung als solche genießt nach wie vor breite Unterstützung in der Gesundheitspolitik, doch ihre Legitimation muss stärker über den Zweck als über den Formalismus erfolgen. Nicht der Preis als Zahl, sondern der Markt als Ganzes steht zur Debatte. Wer heute noch versucht, mit starren Normen europäische Marktlogik zu domestizieren, verliert vor Gericht nicht nur die Argumente, sondern zunehmend auch die Glaubwürdigkeit.

Der BGH hat damit die Tür geöffnet für einen Strategiewechsel: Statt die Gleichpreisigkeit als schützenswerten Selbstzweck zu verteidigen, sollte die künftige Argumentation auf die strukturelle Wettbewerbsverzerrung zielen, die durch Boni und Rabatte aus dem Ausland entsteht. Apothekenrecht ist kein reines Marktregulierungsrecht, sondern immer auch Gesundheitsversorgungsrecht – mit sozialstaatlicher Verantwortung. Ein Verzicht auf nationale Preisbindung ohne Ausgleichsmaßnahmen würde diesen Versorgungsauftrag gefährden, insbesondere in ländlichen Regionen mit hoher Apothekendichte.

Ein solcher Strategiewechsel setzt voraus, dass Politik, Verbände und Kammern nicht länger in juristischen Reflexen verharren, sondern mit wirtschaftspolitischer Intelligenz agieren. Das bedeutet: nicht auf den Schutz eines Normsatzes zu setzen, der unter europäischer Perspektive immer schwerer zu halten ist, sondern auf die systematische Beweisführung, dass ungleiche Preisfreiheit zur Entkernung eines sozialen Sicherungssystems führt. Wer mit Rabatten Kunden lenkt, greift letztlich in die Versorgungsstruktur ein – und damit in den Kern staatlicher Steuerung.

Die aktuelle BGH-Verhandlung zeigt damit weniger das Scheitern einer Rechtsauffassung als das Ende einer juristischen Epoche. Nicht mehr die reine Verteidigung der Preisbindung steht im Fokus, sondern ihre kontextualisierte Neubegründung: als Instrument sozialer Gleichbehandlung, wirtschaftlicher Stabilisierung und flächendeckender Versorgung. Dafür braucht es neue Argumente, bessere Narrative und ein selbstbewusstes politisches Bekenntnis zum Schutz der Versorgungsinfrastruktur. Nicht das Recht bröckelt – sondern die Taktik. Zeit, sie zu erneuern.

 

Dienstwagen verpflichtet, Privatnutzung provoziert Nachfragen, Steuerrisiko droht Präzedenzfall

Warum reine Privatfahrten mit Firmen-Pkw das Finanzamt auf den Plan rufen, welche Kriterien für betriebliche Nutzung zählen und wie Unternehmen Haftung vermeiden

Die Überlassung eines Firmenwagens gehört für viele Arbeitnehmer zum Statussymbol beruflicher Anerkennung. Doch was steuerlich als geldwerter Vorteil verbucht wird, gerät rasch zum Risikofaktor, wenn sich herausstellt, dass das Dienstfahrzeug faktisch gar nicht für berufliche Zwecke genutzt wird. Das Finanzamt bewertet nämlich nicht nur den formalen Anspruch, sondern die tatsächliche Verwendung – und gerade diese bringt in jüngerer Zeit verstärkt Fälle ans Licht, in denen die betriebliche Anbindung nur auf dem Papier bestand.

In der gängigen Praxis wird ein Dienstwagen in der Regel mit der Option zur privaten Nutzung überlassen. Diese Option ist nicht nur verbreitet, sondern steuerlich durch die 1%-Regelung bzw. Fahrtenbuchmethode auch anerkannt und einkalkuliert. Allerdings setzt das Modell voraus, dass eine betriebliche Veranlassung der Überlassung überhaupt vorliegt. Fehlt es an einer solchen, gerät das gesamte steuerliche Konstrukt ins Wanken – mit Folgen sowohl für den Arbeitnehmer als auch für das Unternehmen.

Denn steuerrechtlich gilt: Wird ein Fahrzeug ohne jede dienstliche Fahrleistung dauerhaft zur Verfügung gestellt, verliert die betriebliche Veranlassung ihre Grundlage. Das Bundesfinanzministerium und diverse Finanzgerichte sehen hierin ein Indiz für eine verdeckte Lohnzahlung – mit potenziellen Nachforderungen der Lohnsteuer und gegebenenfalls auch Sozialabgaben. Für den Arbeitgeber bedeutet das nicht nur eine Nachversteuerungspflicht, sondern unter Umständen auch eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme.

Besonders kritisch wird die Lage, wenn bei Betriebsprüfungen keine dienstlichen Fahrten nachgewiesen werden können oder der Betroffene im Homeoffice arbeitet und weder Dienstreisen noch Außentermine nachgewiesen sind. In solchen Konstellationen gehen die Prüfer zunehmend davon aus, dass der Dienstwagen ausschließlich als Privatfahrzeug genutzt wird – was den Status als „betriebliches Fahrzeug“ infrage stellt und die steuerliche Behandlung als lohnsteuerpflichtigen Vorteil verstärkt. Unternehmen sind daher gut beraten, nicht nur die Überlassungsverträge, sondern auch die tatsächliche Verwendung regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls dokumentieren zu lassen.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf der umgekehrten Situation: Wenn Privatfahrzeuge für dienstliche Zwecke eingesetzt werden, entstehen ebenfalls steuerrechtliche Fragen. Hier geht es nicht um Vorteile, sondern um Erstattungen, Betriebsausgaben und die steuerliche Anerkennung der Nutzung. Unternehmen müssen daher in beide Richtungen denken: Welche Fahrzeuge sind wie verwendet – und wie ist das jeweils belegt?

Die Rechtsprechung hat inzwischen mehrere Präzedenzfälle geschaffen, in denen ein rein privat genutzter Firmenwagen als steuerlich nicht zulässige Gestaltung gewertet wurde. Ein Rückgriff auf die 1%-Regel schützt nicht automatisch, wenn die Grundlage – also die dienstliche Notwendigkeit – fehlt. Das entscheidende Kriterium ist immer der betriebliche Anlass der Überlassung. Wer diesen nicht plausibel belegen kann, muss mit der Aberkennung steuerlicher Vorteile und entsprechenden Konsequenzen rechnen.

Auch für Geschäftsführer, Selbstständige und GmbH-Gesellschafter gilt: Der Privatgebrauch von Firmenfahrzeugen muss betrieblich gerechtfertigt sein. Andernfalls droht die Einstufung als verdeckte Gewinnausschüttung – mit zusätzlichen steuerlichen Folgen für die Gesellschaft wie für die Einzelperson.

Die Lösung liegt nicht in der Abschaffung der Privatnutzung, sondern in deren klarer Verankerung und Nachweisführung im betrieblichen Gefüge. Unternehmen sollten daher durch klare Regelungen, dokumentierte Anlässe und regelmäßig überprüfbare Nutzungsmuster sicherstellen, dass der Firmenwagen nicht zur steuerlichen Belastungsprobe wird. Der Dienstwagen ist ein leistungsbezogenes Instrument – aber auch ein Prüfstein für korrekte steuerliche Behandlung. Wer ihn ausschließlich zum privaten Freizeitmobil umfunktioniert, betreibt unter Umständen genau das: Steuerfreizeit.

 

Erwerbstätigkeit bleibt erlaubt, Fernstudium bleibt gültig, Kindergeld bleibt Anspruch

Warum Gerichte doppelte Belastung anerkennen, wie Eltern ihre Nachweise sichern und was Familienkassen künftig akzeptieren müssen

Wer heute studiert, jobbt oft – nicht, weil Freizeit lockt, sondern weil Lebenshaltung und Studienkosten steigen. Wer beides gleichzeitig stemmt, steht jedoch schnell unter Verdacht: Die Familienkasse prüft, ob das Studium überhaupt noch im Mittelpunkt steht. Besonders kritisch wird es, wenn sich Studierende für ein Fernstudium entscheiden – also ohne klassische Präsenzstruktur, aber mit akademischer Zielrichtung. Genau hier beginnt der Streit um das Kindergeld.

Rein rechtlich liegt der Anspruch auf Kindergeld bei Kindern bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres dann vor, wenn sie sich in einer „Berufsausbildung“ befinden (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG). Bei Erstausbildung oder Erststudium darf parallel gearbeitet werden – aber nur, wenn die Erwerbstätigkeit den Ausbildungscharakter nicht verdrängt. Ab einer Arbeitszeit von regelmäßig über 20 Stunden pro Woche sehen viele Familienkassen diesen Charakter nicht mehr gegeben.

Doch diese Praxis ist juristisch nicht haltbar. Das Finanzgericht Niedersachsen hat mit seinem Urteil (Az. 3 K 24/23) klargestellt: Auch bei über 20 Wochenstunden Job sei der Kindergeldanspruch möglich, wenn das Studium ernsthaft betrieben wird. Dazu zählt nicht nur die Einschreibung, sondern vor allem: Prüfungsnachweise, aktive Belegung von Modulen, erkennbarer Studienfortschritt und eine plausible Studienplanung.

Der Schlüsselbegriff lautet: Ausbildungswille. Die Gerichte fordern keine klassische Präsenzuni, sondern einen strukturierten Studiennachweis. Es sei nicht die Form entscheidend – Fernstudium oder nicht –, sondern die konkrete Durchführung. Auch Studierende, die über ein digitales Modell lernen, Prüfungen bestehen und das Curriculum zielgerichtet verfolgen, erfüllen das Tatbestandsmerkmal „Berufsausbildung“.

Diese Entwicklung ist mehr als nur eine juristische Fußnote. Sie betrifft tausende Familien, in denen Kinder mit BAföG, Nebenjob oder elterlicher Unterstützung studieren – oft hybrid, häufig digital. Wer sich selbst finanziert, braucht rechtliche Klarheit. Der pauschale Argwohn gegenüber Erwerbstätigen in Ausbildung verkennt die Wirklichkeit: Die klassische Studentin mit Ein-Zimmer-Wohnung und elterlichem Unterhalt ist längst die Ausnahme.

Auch Apotheken sind betroffen: PTA-Schülerinnen, Pharmaziepraktikanten oder dual Studierende, die im Betrieb mitarbeiten, geraten schnell in diese Konfliktzone. Arbeitgeber wie Apothekenleitungen sollten sich daher bewusst sein, dass Beschäftigungsnachweise, Arbeitszeiten und Ausbildungsbezug dokumentierbar bleiben müssen – auch zur Unterstützung der betroffenen Familien im Kindergeldverfahren.

Die Familienkassen indes zeigen sich häufig formalistisch. Der Verdacht, das Studium diene nur der Kindergeldsicherung, genügt oft, um Leistungen zu streichen. Eltern sind dann in der Beweispflicht – sie müssen Struktur, Fortschritt und Ausbildungsabsicht ihres Kindes nachweisen. Nicht selten führt das zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, obwohl die Rechtslage längst differenzierter ist.

Hier versagen Verwaltung und Gesetzgebung im Gleichklang: Die soziale Wirklichkeit moderner Studienformen wird nicht angemessen berücksichtigt. Der Gesetzgeber verweigert sich einer Reform, die Erwerbsarbeit im Studium nicht als Makel, sondern als Realität anerkennt. Und die Behörden klammern sich an veraltete Maßstäbe.

Dass sich Gerichte nun schützend vor die Studierenden stellen, ist deshalb nicht nur juristisch bedeutsam, sondern ein notwendiger Realitätsabgleich. Kindergeld darf kein Privileg für Wohlstandskinder sein – es ist ein familienpolitisches Instrument zur Ausbildungssicherung. Und die funktioniert heute eben oft hybrid, digital und mit Nebenjob.

 

Ärztliche Nähe, standesrechtliche Grenze, verfassungsrechtliche Schranke

Warum ein Grundstück als Gegenleistung für ärztliche Betreuung vor Gericht landet, was § 32 der Berufsordnung bedeutet und wie weit die Testierfreiheit reicht

Die Grenze zwischen Fürsorge und Vorteilnahme hat in diesem Fall nicht nur eine medizinethische, sondern eine zivil- und insolvenzrechtliche Dimension: Ein Hausarzt soll als Gegenleistung für mehrjährige ärztliche Versorgung eines älteren Patienten ein Grundstück geerbt haben. Doch während die medizinische Nähe dokumentiert ist, steht nun die standesrechtliche Ferne im Raum – mit erheblichen Folgen. Der Fall, der vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt wird, wirft die Grundsatzfrage auf, ob ein testamentarisches Vermächtnis an einen behandelnden Arzt wirksam sein kann, wenn es gegen ein berufsrechtliches Zuwendungsverbot verstößt. Die juristische Kernfrage: Überwiegt die Testierfreiheit des Erblassers oder der Schutz des Vertrauens in die Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen?

Im Zentrum steht ein notarieller Vertrag aus dem Jahr 2016, den der Erblasser gemeinsam mit seinem Hausarzt sowie einer Pflegerin und deren Tochter geschlossen hatte. Der sogenannte „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ versprach dem Arzt ein Grundstück, sofern er sich im Gegenzug zur weiteren medizinischen Versorgung des Erblassers verpflichtete – Hausbesuche, medizinische Beratung, telefonische Erreichbarkeit inklusive. Nach dem Tod des Patienten im Jahr 2018 nahm die Pflegerin den Nachlass in Besitz, während der Hausarzt später in Insolvenz geriet. Der Insolvenzverwalter will das Grundstück nun der Insolvenzmasse zuführen.

Das Landgericht Bielefeld sowie das Oberlandesgericht Hamm sahen dafür jedoch keine Grundlage. Beide Gerichte werteten die Grundstückszuwendung als unwirksames Vermächtnis. Begründung: Der Arzt habe gegen § 32 der Berufsordnung verstoßen, indem er sich einen geldwerten Vorteil in Form eines Grundstücks für seine ärztlichen Leistungen versprechen ließ. Nach Auffassung der Vorinstanzen handelt es sich dabei um einen „anderen Vorteil“ im Sinne des § 32 Abs. 1 der Berufsordnung, der den Anschein der Abhängigkeit ärztlicher Entscheidungen erwecken könne. Die Rechtsfolge: Nichtigkeit gemäß § 134 BGB i. V. m. § 2171 BGB. Die Regelung diene nicht nur dem individuellen Schutz von Patient:innen, sondern dem Vertrauen in das ärztliche Berufsbild insgesamt.

Besonders brisant ist die verfassungsrechtliche Dimension: Die Gerichte mussten abwägen, ob das Verbot die durch Artikel 14 GG geschützte Testierfreiheit des Erblassers unverhältnismäßig einschränkt. Ihre Antwort ist eindeutig: Die standesrechtliche Integrität überwiege. Die Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht des Erblassers könne nicht den Eindruck legitimieren, dass ärztliche Entscheidungen käuflich seien. Diese Einschätzung greift tief in das Fundament heilberuflicher Ethik und dürfte auch in anderen Konstellationen Maßstäbe setzen – etwa bei Verfügungen zugunsten von Pflegekräften, Therapeuten oder Apotheken, wenn eine berufsbedingte Machtasymmetrie vorliegt.

Die Revision wurde vom Oberlandesgericht Hamm zugelassen, der Bundesgerichtshof wird nun prüfen, ob die Verbindung von Zuwendung und medizinischer Betreuung ein unzulässiges Kopplungsgeschäft darstellt oder ob der Wille des Erblassers trotz Berufsordnung Bestand haben kann. Entscheidend wird dabei sein, wie streng § 32 BO in diesem Zusammenhang auszulegen ist – als berufsständische Orientierung oder als rechtlich bindende Schranke für zivilrechtliche Verfügungen von Todes wegen. Sollte der BGH die Vorinstanzen bestätigen, hätte das weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Gestaltungen im medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Bereich.

Die Entscheidung wird somit nicht nur im Erbrecht Beachtung finden, sondern auch für Insolvenzrecht, ärztliche Berufsordnung und standesrechtliche Compliance neue Maßstäbe setzen. Der IV. Zivilsenat steht vor einer Abwägung zwischen individueller Selbstbestimmung und systemischer Vertrauenssicherung. Die Frage, ob ärztliche Nähe durch materielle Versprechen korrumpiert wird oder legitime Würdigung darstellt, steht im Zentrum eines Urteils, das weit über den Einzelfall hinausreicht.

 

Apotheken verlieren Vertrag, Versicherte verlieren Weg, Versorgung verliert Vertrauen

Warum das Hilfsmittel-Aus der IKK classic in Apotheken mehr bedeutet als nur einen Lieferstopp, welche Risiken für Patienten entstehen und wie Verbände und Kasse strategisch auf Konfrontation setzen

Was zunächst wie ein gewöhnlicher Vertragsauslauf klingt, entwickelt sich zur systemischen Sollbruchstelle in der Hilfsmittelversorgung: Ab dem 1. Juli 2025 dürfen Apotheken keine Hilfsmittel mehr zulasten der IKK classic abgeben. Die apothekengestützte Versorgung endet, weil die Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und der Krankenkasse scheiterten – und zwar offenbar nicht aus technischen, sondern aus ökonomisch-strategischen Gründen. Die Kasse selbst schiebt die Verantwortung zurück: Die Kündigung sei vom DAV ausgegangen, der allerdings zunächst auf eine Fristverlängerung gesetzt hatte. Diese endet nun endgültig zum 30. Juni. Danach folgt ein systemischer Schnitt.

Für Versicherte bedeutet das konkret: Pennadeln, Inhalationshilfen oder Insulinapplikationszubehör erhalten sie nicht mehr in ihrer Stamm-Apotheke. Die IKK classic beruhigt: Es werde keine Versorgungslücke geben, Sanitätshäuser und Diabetesfachhandel stünden bereit. Doch diese Aussage verschleiert die reale Alltagspraxis: Nicht jeder Wohnort bietet ein nahtloses Netz alternativer Anbieter, nicht jedes Produkt lässt sich substituieren, nicht jeder Patient ist mobil genug, um neue Wege zu beschreiten. Zudem verschiebt sich die Verantwortung von der wohnortnahen Apotheke zu Hotlines und Schreiben. Das klingt nach Organisation – ist aber Rückzug.

Besonders kritisch ist, dass ausdrücklich auch Hilfsmittel zur Arzneimittelapplikation betroffen sind – eine Kategorie, die medizinisch nicht selten mit Therapieabbrüchen, Dosierungsfehlern oder Versorgungslücken korreliert. Der Versuch der IKK classic, Apotheken durch Einzelverträge doch noch ins Boot zu holen, bleibt eher kosmetisch: Die Konditionen seien laut Apothekerverbänden wirtschaftlich untragbar. In Nordrhein wie Westfalen-Lippe ruft man zur Solidarität gegen die Zersplitterung der Versorgungsstruktur auf. Der Appell ist klar: Einzeltarife hebeln das System aus, unterminieren die Verhandlungsmacht und belasten das Vertrauensverhältnis zu den Patienten. Wer sich dennoch beteiligt, tut das nicht aus Überzeugung, sondern aus betriebswirtschaftlichem Zwang.

Derweil versucht die Kasse, den Vorwurf des Patientenrisikos mit dem Hinweis auf verbleibende Alternativen und weiterhin bestehende Verträge – etwa zur Inkontinenzversorgung – zu entkräften. Doch entscheidend ist nicht, was bleibt, sondern was verloren geht: Die Apothekennähe als niedrigschwelliger Anker der Hilfsmittelversorgung. Mit dem Wegfall dieses Vertrages wird das Prinzip einer flächendeckenden, wohnortnahen und niedrigschwellig zugänglichen Grundversorgung in Frage gestellt. Es ist ein strategischer Umbau, kein bloßes Vertragsdetail. Und einer, bei dem nicht die Kassen oder Verbände die Hauptlast tragen – sondern die Versicherten.

 

Immuntherapie weckt Hoffnung, Forschung klärt Risiken, Alltag bleibt gefährlich

Wie neue Studien zur Erdnussallergie Erwachsenen helfen könnten, warum eine Therapie kein Freibrief ist und worauf Apotheken bei Beratung und Versorgung achten müssen

Die Erdnussallergie ist mehr als eine Einschränkung – sie ist eine permanente Bedrohung, eine allgegenwärtige Unsicherheit, die sich tief in die Lebensgestaltung der Betroffenen eingräbt. Kein anderer Auslöser unter den Nahrungsmittelallergenen führt derart häufig zu schweren anaphylaktischen Reaktionen. In westlichen Industrieländern betrifft sie etwa 1 bis 2 % der Bevölkerung und manifestiert sich meist bereits im Kindesalter. Während einige Allergien mit den Jahren nachlassen, bleibt die Erdnussallergie in der Regel bestehen – ein medizinisches Damoklesschwert, das über Jahrzehnte hinweg die Ernährung, die sozialen Kontakte und die psychische Belastbarkeit der Betroffenen strukturiert. Dass für diese chronisch Betroffenen nun ein therapeutischer Lichtblick in Sicht kommt, ist deshalb weit mehr als eine medizinische Nachricht: Es ist ein mögliches Paradigmenzeichen.

In den letzten Jahren wurde die orale Immuntherapie (OIT) bei Kindern intensiv beforscht und hat mit Palforzia sogar ein erstes standardisiertes Präparat mit EMA-Zulassung erreicht. Erwachsene jedoch blieben außen vor – nicht aus Desinteresse, sondern wegen fehlender Studien, ethischer Bedenken und einer unklaren Risiko-Nutzen-Bilanz. Doch genau hier beginnt sich nun eine neue Forschungslinie zu etablieren: Erste Studien aus den USA und Großbritannien deuten darauf hin, dass auch Erwachsene durch OIT eine relevante Desensibilisierung erreichen können. Unter kontrollierten Bedingungen gelang es, die Schwelle für allergische Reaktionen signifikant anzuheben – im besten Fall so weit, dass unbeabsichtigte Aufnahmen kleiner Mengen nicht mehr zur Anaphylaxie führen. Eine Heilung ist damit zwar nicht erreicht, aber eine Stabilisierung, die den Alltag fundamental verändert.

Gleichzeitig ist die Euphorie mit Vorsicht zu genießen. Denn die Immuntherapie ist kein risikofreier Prozess. Erwachsene zeigen im Vergleich zu Kindern häufiger Nebenwirkungen – von gastrointestinalen Beschwerden über systemische Reaktionen bis hin zu behandlungsbedürftigen Anfällen. Die Sicherheitsprofile variieren stark, ebenso wie die individuellen Toleranzgrenzen. Und nicht zuletzt liegt in der täglichen Einnahme von Allergenpräparaten eine psychologische Barriere, die besonders bei Patientinnen und Patienten mit traumatisierenden Vorerfahrungen tief sitzt. Die Entscheidung für eine OIT ist deshalb nicht nur eine medizinische, sondern eine biografische, die in der Beratung mit größtem Respekt begleitet werden muss.

Genau hier beginnt die erweiterte Verantwortung der Apotheken. Nicht nur als Ort der Arzneimittelabgabe, sondern als Kompetenzzentrum für Risikoaufklärung, Therapiebegleitung und Notfallvorsorge. Apotheken sind häufig die erste Anlaufstelle für Fragen zur Allergieprävention, zur Nutzung von Adrenalin-Autoinjektoren und zur Interpretation neuer Therapiekonzepte. Die Aufgabe besteht nicht darin, Heilsversprechen zu formulieren – sondern Realismus und Hoffnung ins Gleichgewicht zu bringen. Wer heute eine Immuntherapie beginnt, braucht nicht nur Mut und medizinische Begleitung, sondern auch ein Netz aus verlässlichen Informationsquellen. Apotheken können dieses Netz sein, wenn sie ihre Rolle als moderner Gesundheitsdienstleister mit fachlicher Tiefe und kommunikativer Sensibilität ausfüllen.

Hinzu kommt: Die regulatorische Landschaft steht erst am Anfang. Zwar nimmt die EMA derzeit erste Anträge zur Anwendung bestehender OIT-Produkte bei Erwachsenen entgegen, doch eine flächendeckende Zulassung ist nicht in Sicht. Parallel dazu entstehen neue Darreichungsformen – etwa epikutane Pflaster oder mikroverkapselte Allergenpartikel –, die eine bessere Verträglichkeit versprechen. Studien aus Kanada und Frankreich arbeiten mit modifizierten Immunpeptiden, um die Immunantwort gezielter und nebenwirkungsärmer zu beeinflussen. Ob diese Entwicklungen zu einem Therapiewechsel führen oder sich als Nische etablieren, ist derzeit offen. Klar ist nur: Die Nachfrage steigt – und mit ihr die Notwendigkeit zu fundierter, unabhängiger Beratung.

Der Alltag der Betroffenen bleibt indes widersprüchlich. Viele leben in ständiger Alarmbereitschaft, meiden Restaurants, verzichten auf Auslandsreisen, kontrollieren Zutatenlisten mit chirurgischer Präzision. Der soziale und berufliche Radius schrumpft – nicht selten auf Kosten der Lebensqualität. Eine partielle Desensibilisierung kann dieses Korsett lockern, das Gefühl von Sicherheit stärken, ohne die Allergie zu verleugnen. Insofern ist der Nutzen nicht allein immunologisch zu bewerten, sondern ganzheitlich: Wer weniger Angst verspürt, lebt selbstbestimmter. Doch dieser psychologische Gewinn darf nicht in eine Verharmlosung des Verfahrens umschlagen. Gerade Apotheken sind gefordert, die Gratwanderung zwischen Entlastung und falscher Sicherheit mitzugehen – professionell, empathisch und ohne jede Bagatellisierung.

Auch wirtschaftlich ist Bewegung im Spiel. Der globale Markt für Allergenimmuntherapien wächst rasant, getrieben von Biotech-Innovationen, strategischen Partnerschaften und wachsendem Bewusstsein. Doch mit dem Marktpotenzial wächst auch die Versuchung zur Übertherapie – ein Phänomen, das Apotheken aus anderen Bereichen nur zu gut kennen. Wenn Therapien nicht mehr individuell indiziert, sondern marketinggetrieben verkauft werden, droht eine gefährliche Verzerrung der Versorgungslogik. Umso wichtiger ist es, dass pharmazeutische Fachkräfte ihren Beratungsauftrag nicht delegieren, sondern aktiv gestalten – auch, indem sie Therapieverzicht als legitime Option verteidigen, wenn der Nutzen nicht klar überwiegt.

Die Erdnussallergie wird nicht verschwinden – aber sie könnte ihren Schrecken verlieren. Für Erwachsene, die ihr Leben bislang unter dem Diktat der Vorsicht geführt haben, entsteht nun eine neue Entscheidungsfreiheit. Sie bedeutet nicht das Ende der Allergie, aber den Beginn eines selbstbestimmteren Umgangs. Damit dieser Weg gangbar bleibt, braucht es nicht nur Forschung und Arzneimittel, sondern Dialogräume, Risikokompetenz und ehrliche Begleitung. Apotheken können hier nicht alles leisten – aber sie können viel bewirken. Denn echte Therapie beginnt nicht im Labor, sondern im Alltag. Und dieser beginnt oft in der Apotheke.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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