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  • 25.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Versicherung stützt Versorgung, Vertrauen baut Brücken, Technik deckt Schwächen auf
    25.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Versicherung stützt Versorgung, Vertrauen baut Brücken, Technik deckt Schwächen auf
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Wie Apotheken zwischen Fälschungsschutz, Kooperationsmodellen und Digitalisierung bestehen müssen – und warum Versicherung zur neuen S...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Versicherung stützt Versorgung, Vertrauen baut Brücken, Technik deckt Schwächen auf

 

Wie PharmaRisk® OMNI neue Sicherheitslogik bringt, das Projekt ARMIN auf Zusammenarbeit zielt und das E-BtM-Rezept an der Haushaltsrealität scheitert

Apotheken sind längst mehr als Medikamentenausgabestellen – sie sind systemische Ankerpunkte in einer Gesundheitsstruktur im Umbau, und genau hier setzt PharmaRisk® OMNI an: nicht als bloßes Schadensprodukt, sondern als strategische Antwort auf ein Versorgungssystem im Umbruch, das mit digitalen Bruchstellen, regulatorischer Ungewissheit, Vertrauensdefiziten, ineffektiver Interprofessionalität und stagnierenden pDL kämpft, während zugleich gefälschte Rezepte für Hochrisikomedikamente die Sicherheitslücke des Papierzeitalters offenlegen, Lauterbach auf technologische Bühnen wechselt und der Sachverständigenrat eine neue Preislogik fordert – zwischen Absicherung, Innovation und Verantwortung entsteht damit ein neuer Handlungsrahmen für zukunftsfähige Apotheken.

 

Versicherung als Zukunftsinstrument, Risiko als Gestaltungskraft, Vertrauen als strategische Ressource

Wie PharmaRisk® OMNI Apotheken gegen Systemrisiken absichert, technologische Umbrüche integriert und regulatorische Unsicherheit kalkulierbar macht

In der zunehmend fragmentierten und risikobeladenen Betriebsrealität deutscher Apotheken bildet sich ein neues strategisches Paradigma heraus: Versicherung nicht nur als Regressinstrument im Schadensfall, sondern als infrastrukturelle Voraussetzung für dauerhafte Betriebsfähigkeit im Wandel. Die Police PharmaRisk® OMNI, entwickelt von Aporisk, repräsentiert diesen Anspruch mit beachtlicher Konsequenz – als eine Lösung, die nicht mehr nur auf Vorhersehbarkeit reagiert, sondern Unsicherheit proaktiv verankert. Ihr Leistungsspektrum gleicht keinem klassisch versicherungstechnischen Produkt, sondern vielmehr einer komplexen Antwort auf den inneren Strukturbruch der Apothekenlandschaft im digitalen Zeitalter.

Der Ausgangspunkt für diese Entwicklung ist bekannt: Apotheken sehen sich einer multiplen Bedrohungskonstellation ausgesetzt. Die Digitalisierung schreitet schneller voran, als es Infrastruktur und Personal in der Fläche bewältigen können. Der Kostendruck auf Seiten der gesetzlichen Krankenversicherungen entlädt sich in einer beispiellosen Welle an Retaxationen. Zugleich verändert sich die öffentliche Erwartungshaltung an die Apotheke: Sie soll impfen, beraten, digital begleiten – und zwar jederzeit. Diese Tektonik erzwingt auch eine Neuausrichtung der Risikobewältigung, bei der klassische Versicherungsmodelle an ihre Grenze stoßen.

Die PharmaRisk® OMNI positioniert sich als Generalantwort auf diese Herausforderung. Ihr Kernversprechen lautet nicht: „Wir regulieren Schäden“, sondern: „Wir machen Schäden als Betriebsrisiko beherrschbar.“ In der Praxis bedeutet dies eine durchgängige Absicherung über alle relevanten Risikokategorien hinweg. Die Betriebshaftpflicht ist mit einer Deckungssumme von bis zu 30 Millionen Euro kalkuliert – ein Maßstab, der nicht nur auf den Ernstfall vorbereitet, sondern die wirtschaftliche Existenz einer Apotheke selbst in Großschadensszenarien schützen soll. Wer heute etwa an mögliche Schadenersatzforderungen bei Impfkomplikationen, fehlerhaften BtM-Abgaben oder Datenschutzverletzungen denkt, erkennt den strategischen Stellenwert dieser Summe.

Gleichzeitig integriert die Police alle klassischen Absicherungen der Inhalts- und Sachversicherung – bis zu fünf Millionen Euro gegen Feuer, Einbruch, Leitungswasserschäden oder Vandalismus. Entscheidend ist jedoch weniger die Höhe der Deckung als ihre Durchlässigkeit: Apotheken sind keine statischen Betriebe mehr, sondern dynamische Gesundheitsschnittstellen, die zwischen pharmazeutischer Praxis, telemedizinischer Beratung, digitalem Workflow und betriebswirtschaftlicher Regulierung oszillieren. Die Police erkennt diese Bewegung an – und sie bleibt ihr strukturell gefolgt.

Ein prägnantes Beispiel dafür ist die Kühlgutversicherung: Viele Apotheken lagern heute temperaturempfindliche Präparate – etwa mRNA-Impfstoffe oder Biologika –, deren Verderb nicht nur ein finanzielles Risiko darstellt, sondern auch haftungsrechtliche Implikationen entfalten kann. PharmaRisk® OMNI kalkuliert diese Risiken ein, nicht als Ausnahme, sondern als Standard. Technologische Störungen in der Kühlkette sind im Versicherungskern berücksichtigt – ein Detail, das in Zeiten wachsender Klimarisiken an Relevanz gewinnt.

Noch weitreichender wirkt die Einbeziehung einer Retaxationsversicherung. In kaum einem anderen Bereich äußert sich die Dysfunktion des GKV-Systems so unverhohlen wie in den Abrechnungspraktiken der Krankenkassen. Apotheken, die nach bestem Wissen und Gewissen tätig werden, sehen sich regelmäßig mit Rückforderungen in teils existenzbedrohender Höhe konfrontiert. PharmaRisk® OMNI federt diese Rückforderungen nicht nur finanziell ab – sie macht sie kalkulierbar. In Kombination mit rechtlicher Begleitung und digital gestütztem Risiko-Monitoring verwandelt sich die Police in ein Frühwarnsystem für Systemversagen.

Einen besonderen Akzent setzt das Konzept durch die sogenannte Bestands- und InnovationsGarantie (BIG): Diese vertraglich verankerte Verpflichtung erlaubt es Aporisk, Leistungen und Deckungsinhalte fortlaufend an neue Gegebenheiten anzupassen – ohne Zusatzkosten für die Apotheken. Auf diese Weise wird aus der Police ein lernendes System, das sich mit der Branche entwickelt. Wer heute eine Apotheke versichert, deren Leistungen sich durch neue pharmazeutische Dienstleistungen, digitale Plattformintegration oder Telemedizin erweitern, muss keine Neuverhandlung befürchten – sondern erhält automatisch eine aktualisierte Police.

Das ist nicht nur ein Komfortmerkmal, sondern Ausdruck eines Paradigmenwechsels: In einem Betrieb, dessen Geschäftsmodell in einem permanenten regulatorischen Umbauprozess steckt, braucht es eine Versicherung, die nicht nur Bestand schützt, sondern Innovation antizipiert. Die BIG-Funktion wird damit zum systemischen Antwortgeber auf die politische Volatilität – und ein Schutzschild gegen das regulatorische Fieber, das viele Apotheken in den letzten Jahren zermürbt hat.

Die strategische Logik der PharmaRisk® OMNI erschöpft sich daher nicht im Umfang der Deckung, sondern liegt im Verständnis des Versicherten als Systemakteur. Die Police begleitet keine statische Apotheke, sondern eine lernende Organisation – wirtschaftlich, rechtlich, technologisch und menschlich. Genau darin liegt ihre Relevanz. Denn in einer Zeit, in der Apotheken ihre Sicherheitsarchitektur regelmäßig anpassen müssen, reicht ein Versicherungskonzept nicht mehr aus, das bloß vergangene Schäden ersetzt. Es braucht ein Konzept, das Zukünftigkeit modelliert – als Risiko, aber auch als Ressource.

 

Mut gefordert, Klartext erwartet, Kooperation vertagt

Wie das ABDA-Zukunftspapier ausweicht, Impfanreize verfehlt und interprofessionelle Allianzen blockiert werden

Es beginnt mit einem Papier, das mehr sein will als ein Positionspapier – ein Zukunftsentwurf, ein Impuls, ein Appell an Politik, Gesellschaft und Heilberufepartner. Doch das „Zukunftspapier“ der ABDA bleibt in der Wirkung merkwürdig blass. Wo die Öffentlichkeit Reibung, Richtung und Reformkraft erwartet hätte, scheint sich die Standesvertretung in Absichtserklärungen zu verlieren. Dass die Debatte darüber nicht von der ABDA selbst, sondern durch das „Abyou Future.Lab“ angestoßen wurde, verdeutlicht das Dilemma: Der Nachwuchs sucht Anschlussfähigkeit, während das Hauptorgan die große Linie zwar skizziert – aber nicht zeichnet. Dabei geht es um nicht weniger als die Frage, ob Apotheken künftig aktiver Gesundheitsakteur oder strukturpolitisches Anhängsel bleiben.

Im Zentrum steht der Anspruch, Apotheken zu erweiterten Leistungserbringern zu machen – konkret genannt: das Impfen. Ein zentraler Punkt, der im Papier prominent auftaucht, aber in der Umsetzung an mehreren Fronten stockt. Die Zahlen sprechen Bände: Bei der Techniker Krankenkasse wurden 2023 gerade einmal rund ein Prozent der Grippeimpfungen in Apotheken durchgeführt. Tim Steimle, Arzneimittelexperte der TK, sieht darin eine verpasste Chance. Doch seine Kritik trifft nicht nur die Betriebe – sondern die Politik und das Konzept der ABDA gleichermaßen. Wenn das Zukunftspapier diesen Weg ernsthaft meint, braucht es mehr als Worthülsen: Es braucht rechtliche Klarheit, finanzielle Attraktivität, betriebswirtschaftliche Stimmigkeit und – vielleicht am dringendsten – das Vertrauen der Ärzteschaft. Genau hier liegt das Kernproblem, das auch die Diskussion beim „Future.Lab“ offenbarte: Zwischen Apothekerschaft und Ärzteschaft herrscht keine Einigkeit darüber, wer welche Rolle künftig übernimmt. Die Fronten sind diffus, das Gesprächsklima abwartend. Steimle formulierte es diplomatisch: Es fehle der Konsens mit der Ärzteschaft, man sei aber gesprächsbereit.

Franziska Scharpf, Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer, betonte in derselben Runde, dass die ABDA sehr wohl auf Verständigung mit der Ärzteschaft setze. Aber auch hier blieb vieles in Andeutungen. Statt klarer Bekenntnisse zum Interprofessionalismus oder einer konkreten Strategie für Kooperationsmodelle gab es den Verweis auf einen „ersten Impuls“. Dorothee Brakmann, Hauptgeschäftsführerin des Herstellerverbands Pharma Deutschland, ließ das nicht gelten. Ihr fehlte im ABDA-Papier der Klartext – die Bereitschaft, auch unbequeme Reformschritte zu benennen. Das betrifft nicht nur das Impfen, sondern auch die Positionierung der Apotheken im Bereich Medikationsmanagement, digitale Gesundheitskompetenz und Prävention.

Doch gerade hier rächt sich die Strategie der harmonischen Abstufung, mit der die ABDA ihre Positionen derzeit formuliert. In einer Zeit, in der der Gesetzgeber in rasantem Takt Kompetenzen neu verteilt – und damit die Rolle der Apotheken mitdefiniert –, ist Zurückhaltung kein Gebot der Diplomatie, sondern ein strukturelles Risiko. Denn wenn nicht klar benannt wird, wo die Apotheke der Zukunft konkret steht, wird dieser Platz von anderen eingenommen. Ärzt:innen, Krankenkassen, Telemedizinplattformen, Digitalversorger – sie alle sind längst auf dem Vormarsch und besetzen die Felder, in denen die Apotheke aktiv werden will.

Dabei ist gerade das Impfen ein Beispiel für entgrenzte Gesundheitsversorgung. Wer hier nur saisonal denkt, bleibt hinter den Erwartungen zurück. Brakmann sprach es aus: Apotheken müssten ganzjährig impfen dürfen. Das sei betriebswirtschaftlich sinnvoll – und gesundheitspolitisch geboten. In einer alternden Gesellschaft mit sinkender Durchimpfungsrate ist jede verlässliche Impfstelle ein Gewinn. Dass nur wenige Apotheken das volle Fortbildungsspektrum im Bereich Impfen absolvieren, liegt nicht allein am Willen, sondern auch an Unsicherheiten: Was darf ich, was werde ich bezahlt, was ist rechtlich abgesichert? Fragen, die das Zukunftspapier zwar streift – aber nicht beantwortet.

Ein weiterer blinder Fleck liegt in der politischen Anbindung. Der Gesetzgeber wird im Papier implizit adressiert, aber nicht explizit gefordert. Dabei ist längst klar: Ohne gesetzgeberische Neuausrichtung bleibt der Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen ein Torso. Auch hier wäre eine klarere Stoßrichtung hilfreich gewesen – zum Beispiel die Forderung nach einer eigenständigen Budgetierung für präventive Apothekendienstleistungen, einem vergüteten Impffokus jenseits der Grippesaison oder einer rechtlich gesicherten Kooperation mit Arztpraxen.

Es ist paradox: Während Apotheken in der Pandemie zeigten, dass sie impfen können, dürfen sie es im Regelbetrieb nur eingeschränkt. Das Vertrauen, das während der Corona-Krise entstanden ist, wurde nicht in Strukturen überführt. Es blieb ein Moment der Not – und kein Element der Normalität. Der Impuls des Zukunftspapiers, hier aktiv zu werden, ist grundsätzlich richtig. Aber er verliert seine Wirkung, wenn er ohne realpolitische Durchsetzungskraft bleibt.

Das „Abyou Future.Lab“ hat mit seinem Debattenformat gezeigt, dass Zukunft nur dann entsteht, wenn sie nicht nur gedacht, sondern durchstritten wird. Dafür braucht es Widerspruch, Reibung, Positionierung. Genau das hätte auch das ABDA-Zukunftspapier leisten müssen – ein klares Szenario, ein belastbares Rollenbild, ein Plan mit Konfliktlinien und Zielpfaden. Doch stattdessen bleibt der Eindruck eines Textes, der von allem ein bisschen will – und dadurch wenig erreicht. Zwischen vorsichtiger Formulierung und politischer Rücksichtnahme verliert sich das größte Gut, das ein Zukunftskonzept haben muss: Richtung.

Was nun folgen müsste, ist kein weiteres Papier – sondern eine offene, kontroverse Auseinandersetzung mit der Ärzteschaft, den Kassen und der Politik. Die Apothekerschaft darf sich nicht mehr mit der Rolle des Ergänzungserbringers zufriedengeben. Wer Versorgung sichern will, muss Verantwortung fordern – laut, sichtbar und unverrückbar.

 

Apotheke will mehr, Kasse fordert mehr, System gibt nicht her

Warum pharmazeutische Dienstleistungen ohne Kulturwandel, Geld und Kommunikation nicht zünden

Es hätte ein Aufbruch sein können, ein Zeichen für die neue Rolle der Apotheke in einem überlasteten Gesundheitssystem, das Entlastung sucht und Kompetenzpotenziale heben will. Doch die Realität ist zäh, widersprüchlich und ernüchternd konkret: Lediglich 0,4 Prozent der Versicherten der Techniker Krankenkasse (TK) haben bislang eine pharmazeutische Dienstleistung (pDL) erhalten. Tim Steimle, Arzneimittelexperte der TK, brachte diese Zahl nüchtern und fast beiläufig in die Diskussion ein – doch sie wirkt nach, entfaltet ihre politische Sprengkraft gerade in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die ABDA nennt die pDL ein Erfolgsmodell. Aber was genau soll dieser Erfolg sein, wenn selbst bei einem digitalen Vorreiter wie der TK nicht einmal ein halbes Prozent der Versicherten in den Genuss der Angebote gekommen ist?

Der Begriff „pharmazeutische Dienstleistungen“ sollte den Paradigmenwechsel markieren: Apothekerinnen und Apotheker sollen nicht nur Arzneimittel abgeben, sondern aktiv in die patientenzentrierte Versorgung eingebunden werden – etwa durch Medikationsanalysen, erweiterte Beratung bei Polymedikation oder standardisierte Blutdruckmessungen bei antihypertensiver Therapie. Doch dieser Anspruch kollidiert mit dem Alltag vieler Apotheken, die angesichts von Personalmangel, wirtschaftlichem Druck und digitalem Transformationsstau kaum noch Spielraum für strukturelle Neuerfindung sehen.

Vizepräsidentin Franziska Scharpf von der Bundesapothekerkammer bleibt trotzdem optimistisch. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagte sie beim Abyou Future.Lab – dem Zukunftsformat der Nachwuchsorganisation der ABDA. Ein Satz, der Vertrauen signalisieren soll, aber in seiner Vagheit das strukturelle Vakuum nicht überdecken kann. Denn dieser Weg ist kein Sprint, sondern ein beschwerlicher Marsch – einer, den viele Apotheken weder personell noch finanziell stemmen können. Der gesetzliche Anspruch ist da, die Vergütung ebenso – doch es fehlt an Integration, Sichtbarkeit und systemischer Akzeptanz.

Scharpf spricht vom notwendigen Wandel des Selbstbildes im Berufsstand und von einem neuen Gesellschaftsbild der Apotheke. Ein Satz mit Tiefenwirkung: Denn tatsächlich geht es nicht nur um neue Leistungen, sondern um eine neue kulturelle Verortung des Berufs. Die Apotheke als Beratungszentrum, als niederschwellige Anlaufstelle, als Lotsin im Therapiedschungel – das wäre eine echte Rolle, keine PR-Behauptung. Aber diese Rolle verlangt andere Voraussetzungen: Zeit, Personal, Qualifikation – und einen verlässlichen, systemisch abgesicherten Rahmen.

Dorothee Brakmann vom Herstellerverband Pharma Deutschland betont in der Diskussion den kulturellen Umbruch: Für viele Bürgerinnen und Bürger sei die Apotheke noch immer primär ein Ort der Abgabe – nicht der Beratung oder Intervention. Auch deshalb nehme die Inanspruchnahme pharmazeutischer Dienstleistungen nur zögerlich zu. „Das braucht Zeit“, sagt Brakmann – und sie hat recht. Doch Zeit allein wird nicht reichen. Ohne strategische Kommunikation, strukturelle Entlastung und politische Flankierung bleibt das Ganze ein Reformversuch in der Warteschleife.

Steimle von der TK formuliert den Bedarf klar: „Wir wollen viel mehr davon.“ Der Satz ist nicht nur ein Wunsch, sondern eine Forderung an das System. Es geht um eine Entlastung der hausärztlichen Versorgung, um Patientensicherheit, um Effizienz in der Arzneimitteltherapie. Dass die Krankenkassen längst bereit wären, hier stärker zu investieren, steht außer Frage. Doch der Umsetzung fehlen die Schnittstellen. Noch sind die pDL ein Parallelangebot, nicht systemisch integriert. Noch fehlt die flächendeckende Schulung. Noch ist nicht einmal jeder Apotheke bewusst, welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden dürfen – und wie sie korrekt abgerechnet werden.

Das zentrale Missverständnis: Man kann einen Systemwechsel nicht allein durch die Einführung neuer Abrechnungsziffern erzwingen. pDL sind kein Add-on, sie sind eine kulturelle Revolution – und die verlangt mehr als Informationsbroschüren. Was fehlt, ist eine kooperative Gesamtstrategie: Fortbildungen mit Praxisbezug, digitale Infrastruktur, patientenzentrierte Kommunikation, Unterstützung durch Ärztinnen und Ärzte. Doch gerade diese letzte Gruppe hat sich bisher kaum eingebunden gezeigt – zu groß ist der Argwohn gegenüber einem Berufsstand, dem man traditionell die Kompetenz jenseits der Arzneimittelabgabe nur eingeschränkt zuschreibt.

Dabei wäre das Gegenteil der Fall: Gerade in der flächendeckenden Versorgung können Apotheken Lücken schließen, Orientierung geben, therapiebegleitend stabilisieren. Doch solange diese Rolle nicht offensiv beworben, von der Politik gestützt und innerhalb der Versorgungslogik legitimiert wird, bleibt sie Ausnahme statt Normalfall.

Man darf deshalb auch die ABDA nicht aus der Verantwortung entlassen. Wer von einem „Erfolgsmodell“ spricht, sollte zumindest erklären, worin dieser Erfolg aktuell besteht – und was genau der nächste Schritt ist. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungsinitiativen, digitale Tools für pDL-Erfassung und Abrechnung: Das alles wäre nötig, um aus einem theoretischen Instrument ein alltagstaugliches Werkzeug zu machen.

Und dann ist da noch das Geld. Die derzeitige Vergütung der pDL ist zwar formal geregelt, doch gemessen am Aufwand häufig nicht kostendeckend. Das führt zu einer paradoxen Situation: Apotheken, die pharmazeutisch engagiert arbeiten wollen, werden für ihre Mühe oft nicht belohnt – sondern überfordert. Wer den Ausbau der pDL ernst meint, muss deshalb auch über Refinanzierung sprechen, über Budgetgarantien, über strukturelle Anreize.

Denn eines ist sicher: Der lange Marsch zu mehr pDL führt nur dann ins Ziel, wenn er nicht nur als gesetzlicher Auftrag verstanden wird, sondern als gesellschaftliches Projekt – mit politischen Partnern, ärztlicher Akzeptanz, medialer Sichtbarkeit und finanzieller Rückendeckung. Ohne diese Dimensionen wird die Apotheke der Zukunft keine neue Rolle übernehmen, sondern sich weiter in der alten aufreiben.

 

Ein Vertrauensvorschuss, ein Modellprojekt, ein Paradigmenkonflikt

Wie ARMIN neue Wege zwischen Ärzten und Apothekern eröffnete, warum Vertrauen politische Strukturen übertrifft und Medikationsanalysen zum Beziehungstest werden

Vertrauen ist keine Variable in Verordnungen, kein Anhängsel in Verträgen und kein Bonusprogramm in der Telematikinfrastruktur. Vertrauen ist ein Zustand – fragil, notwendig, oft überfordert. Und genau an dieser Stelle steht die Beziehung zwischen Ärzteschaft und Apothekerschaft: zerrissen zwischen politischen Leitbildern, praktischen Missverständnissen und strukturellen Zumutungen. Was als interprofessionelles Ideal auf Kongressen beschworen wird, zerfasert im Alltag zwischen Rezeptblock und Kassenabrechnung. Doch es gibt einen Vorschlag, der mehr als nur eine Idee war – ARMIN. Und es gibt einen Satz, der mehr als nur eine Meinung ist: „Das funktioniert nur mit gegenseitigem Vertrauen.“

Was der stellvertretende KBV-Vorsitzende Dr. Stephan Hofmeister kürzlich als positiven Impuls aussprach, war kein Lippenbekenntnis. Es war der Versuch, einen ernsthaften Dialog wiederzubeleben, der zwischenzeitlich fast vollständig verstummt war. Der Vorschlag: zurück zu ARMIN – oder vielmehr: vorwärts durch ARMIN. Das Modellprojekt der Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen galt jahrelang als Blaupause für eine koordinierte, patientenzentrierte Arzneimittelversorgung. Hausärzte und Apotheker sollten gemeinsam Medikationspläne prüfen, Risiken minimieren, Wechselwirkungen erkennen und Verantwortung teilen. Der medizinische Alltag wurde dadurch nicht nur sicherer, sondern auch menschlicher. Aber ARMIN kam nie in der Breite an.

Die Gründe dafür sind vielfältig: politische Ignoranz, föderale Inhomogenität, ökonomische Bremsklötze. Aber vor allem eines: Misstrauen. Denn wo die einen Kontrolle wähnen, sehen die anderen Kompetenzüberschreitung. Hofmeister benennt diesen wunden Punkt direkt: Eine Medikationsanalyse sei keine Apothekenaufsicht über ärztliche Entscheidungen. Genau an dieser Stelle wird deutlich, wie sehr Zusammenarbeit eben nicht nur technisch und normativ, sondern vor allem kulturell verankert sein muss.

Der Blick in die Gegenwart offenbart dabei ein paradoxes Bild: Während das ABDA-Zukunftspapier zur interprofessionellen Kooperation kaum nennenswerte Reaktionen auf ärztlicher Seite auslöste – KBV-Chef Gassen kommentierte es eher mit der Skepsis eines Grundsatzhüters, der sein Hoheitsgebiet verteidigt – ist es ausgerechnet Hofmeister, der das Gespräch sucht. Seine Kernbotschaft: „Wir brauchen persönliche Beziehungen zwischen Arzt und Apotheker, um Vertrauen aufzubauen – der Versandhandel kann das nicht leisten.“

Dass er damit zugleich ein deutliches Signal gegen die Entkopplung pharmazeutischer Versorgung durch Plattformökonomie setzt, ist kein Zufall. Die Versorgungsrealität an der Schnittstelle zwischen ärztlicher Verordnung und pharmazeutischer Beratung wird heute oft durch ökonomisch optimierte Prozesse statt durch kooperativ abgestimmte Verantwortung strukturiert. ARMIN war in dieser Hinsicht eine der wenigen ernsthaften Gegenerzählungen zum Trend der Entmenschlichung im Gesundheitswesen. Es ist daher bemerkenswert, dass Hofmeister nicht nur auf ARMIN verweist, sondern dessen Scheitern in der Fläche selbstkritisch einordnet – als systempolitische Sackgasse.

Doch wer ARMIN nur als Projekt in den Archiven der Modellprogramme ablegt, verkennt sein eigentliches Vermächtnis. Es war ein realitätsnaher Testlauf dafür, wie interprofessionelle Beziehungen gelingen können – unter Einbindung von Kassen, auf Grundlage transparenter Kommunikation und mit der gemeinsamen Überzeugung, dass Versorgung nicht durch Konkurrenz, sondern durch Kooperation besser wird. Es war der Versuch, das Silodenken der Heilberufe aufzubrechen.

Die Frage, die sich daraus heute stellt, ist keine technische: Wie viele Medikationsanalysen rechnen Apotheken korrekt ab? Wie viele Hausärzte spielen beim ABDA-Versorgungskonzept mit? Sondern: Wie stabil ist das Fundament gegenseitiger Anerkennung? Und wer baut daran mit?

Die Apothekerschaft könnte an dieser Stelle aus ihrer politischen Verteidigungshaltung heraustreten. Hofmeisters Aussagen bieten dazu eine Einladung. Es geht nicht mehr um das Ob der Zusammenarbeit, sondern um das Wie. Die Abda könnte daraus lernen: Weniger Positionspapier, mehr Beziehungspflege. Weniger Funktionsbeschreibung, mehr Kooperationsrealismus. Ein Zukunftspapier, das als Signal bei den ärztlichen Verbänden verpufft, verfehlt seinen Zweck. Ein gemeinsames ARMIN-Update dagegen könnte ihn erfüllen.

Denn der Grundsatz bleibt: Wer Versorgungsverantwortung teilt, muss Vertrauen wagen. Wer sich abschottet, zementiert Systemgrenzen. Hofmeisters Ruf nach neuer Nähe ist darum nicht nur medizinpolitisch, sondern gesellschaftlich relevant. Eine Wiederbelebung von ARMIN wäre kein Rückschritt, sondern ein zukunftsorientierter Schritt zur koordinierten Primärversorgung – und ein Lehrstück über das, was Gesundheitssysteme heute am meisten brauchen: das Vertrauen, dass die andere Profession nicht kontrolliert, sondern ergänzt.

 

Pharmazeutische Dienstleistungen brauchen Präsenz, Struktur, Konsequenz

Wie Apotheken mit Potenzial zögern, Vergütung verpufft und ein Gesundheitsversprechen auf der Strecke bleibt

„Einfach mal machen“, heißt es oft. Aber wie einfach ist das, wenn es um pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) geht? Der Blick auf die Zahlen des Not- und Nachtdienstfonds (NNF) für das zweite Halbjahr 2024 legt jedenfalls nahe: Noch immer wird das strukturell gut gemeinte Instrument in der Breite zu zögerlich genutzt. Lediglich 15,64 Millionen Euro von insgesamt jährlich verfügbaren 150 Millionen Euro wurden für pDL ausgezahlt – und das durch 8957 Apotheken. Damit liegt die Teilnahmequote im einstelligen Prozentbereich, bezogen auf die knapp 18.000 öffentlichen Apotheken in Deutschland. Zwar ist das eine Steigerung gegenüber dem ersten Halbjahr (10,94 Millionen Euro bei 7763 Apotheken), doch von einem Durchbruch oder gar flächendeckenden Erfolg zu sprechen, wäre selbst mit größtem Optimismus gewagt.

Der Wille zur Umsetzung scheint vorhanden – zumindest auf Verbandsebene. Die ABDA wirbt seit Monaten mit Schulungsmaterialien, Anleitungen, Organisationshilfen und praktischen Umsetzungsbeispielen. Sie betont die Chance, das pharmazeutische Profil zu stärken und die Position in der interprofessionellen Versorgung zu festigen. Doch die Realität vor Ort zeigt: Zwischen Struktur und Alltag klafft eine Lücke. Denn so sehr die Idee der pDL als Schlüssel zur Weiterentwicklung des Berufsstands gefeiert wird – sie ist zeitaufwändig, personalintensiv, formal aufgeladen und wirtschaftlich schwer kalkulierbar. Die Rechnung ist einfach: Eine Inhalatorschulung bringt 20 Euro netto, eine Blutdruckkontrolle 11,20 Euro. Wer jedoch eine strukturierte Medikationsberatung nach dem Dienstleistungsvertrag erbringt, kann 90 Euro netto abrechnen – vorausgesetzt, die Beratung wird dokumentiert, mit einem Patienten durchgeführt, der fünf oder mehr systemisch wirksame Arzneimittel regelmäßig einnimmt, und das Gespräch dauert mindestens 20 bis 30 Minuten.

Diese Anforderungen sind keineswegs überzogen, aber sie konkurrieren mit einer betrieblichen Realität, die vom Personalmangel, Überstunden, Bürokratie, Lieferengpässen und einem konstanten Spagat zwischen Kundenservice und wirtschaftlichem Selbsterhalt geprägt ist. Wer pDL ernst nimmt, muss Zeit freiräumen, Räume schaffen, Prozesse umbauen. Und er muss das Team mitnehmen. Dabei sind es oft nicht die vermeintlich großen Hürden, die lähmen, sondern die vielen kleinen Widerstände: die Unsicherheit, wie die Leistung dokumentiert werden muss, wie das Gespräch geführt wird, wie der Patient eingebunden werden kann, ohne dass Missverständnisse oder gar Konflikte entstehen. Nicht zu unterschätzen: Viele Apothekeninhaber fragen sich auch, ob sich diese Leistungen überhaupt lohnen – nicht ideell, sondern betriebswirtschaftlich.

Denn was bringen 90 Euro für eine Beratung, wenn die Vor- und Nachbereitung, die Mitarbeiterschulung und die interne Umstrukturierung weit mehr an Kosten, Zeit und Ressourcen verschlingen, als der Ertrag decken kann? Genau hier setzt die eigentliche Herausforderung an: pDL sind keine simplen Add-ons, sondern strukturelle Leistungen, die einen Paradigmenwechsel in der Versorgung bedeuten. Es geht um mehr als nur zusätzliche Honorierung – es geht um ein neues Selbstverständnis. Um eine Positionierung, die sich abseits des reinen Dispensierens bewegt. Um die Rolle der Apotheke als Begleiterin, Koordinatorin, Erklärerin, Frühwarnsystem.

Doch während Inhalatorschulungen bei der TK immerhin 80 Prozent der pDL-Leistungen ausmachen, bleiben die „großen Drei“ – Medikationsberatung, Betreuung bei oraler Antitumortherapie, Betreuung transplantierter Patienten – nach wie vor Randerscheinungen. Dabei sind sie die eigentlich richtungsweisenden Angebote, die das Versorgungsprofil dauerhaft schärfen könnten. Dass der NNF seit Kurzem keine Aufschlüsselung mehr über die genauen Leistungsanteile veröffentlicht, dürfte dabei eher kontraproduktiv wirken. Es erschwert nicht nur die öffentliche Bewertung, sondern nimmt Apotheken auch die Chance zur strategischen Ausrichtung auf das, was offenbar sinnvoll und praktikabel funktioniert.

Die Ursache liegt jedoch nicht allein bei den Apotheken. Auch die Kassenlandschaft sendet widersprüchliche Signale: Einige Kassen bewerben die pDL aktiv, andere ducken sich weg. Die Abrechnungssysteme sind komplex, die Genehmigungslogik mitunter zäh. Und nicht zuletzt bleibt auch die Kommunikation gegenüber den Versicherten ausbaufähig. Wie viele Patientinnen und Patienten wissen überhaupt, dass sie Anspruch auf diese Leistungen haben? Wie viele verstehen, was damit gemeint ist? In einer Zeit, in der Vertrauen, Nähe und Gesundheitskompetenz zentrale Ressourcen sind, wären pDL eigentlich das perfekte Vehikel – aber sie wirken vielerorts wie ein ungeschliffener Rohdiamant, der in der Schublade vergessen wurde.

Was also tun? Warten, hoffen, appellieren? Nein – die Zeit des Abwartens ist vorbei. Wer den Beruf verändern will, muss Verantwortung übernehmen. Wer Beratung und Kompetenz einfordert, muss sie leben. Wer sich nicht auf das Erbringen von Dienstleistungen einlässt, riskiert auf Dauer die politische Argumentationslinie für eine flächendeckende Apothekenstruktur zu verlieren. Der Wettbewerb um Relevanz ist längst eröffnet. Wer heute keine pDL anbietet, wird morgen nicht mehr gefragt, wenn es um die Rolle der öffentlichen Apotheke im Versorgungssystem geht.

Die ABDA hat geliefert. Die Mittel stehen bereit. Die Kassen signalisieren – mit Ausnahmen – Zustimmung. Es liegt nun an den Apotheken selbst. Natürlich ist das keine einfache Aufgabe, aber vielleicht beginnt sie wirklich mit einem schlichten Gedanken: einfach mal machen.

 

E-BtM braucht Infrastruktur, Fälschungsschutz braucht Priorität, Digitalisierung braucht Haushaltsklarheit

Warum die elektronische Übermittlung von T- und BtM-Rezepten erneut scheitert, was das mit dem Haushalt 2026 zu tun hat und weshalb Apotheken bei der Sicherheit im Regen stehen

Wenn am 1. Juli 2025 – laut ursprünglicher Ankündigung – der elektronische Versand von T-Rezepten und BtM-Rezepten starten sollte, klingt das wie ein Symbol für Fortschritt. Tatsächlich entpuppt sich dieser Plan jedoch als weiteres Kapitel in einer Serie digitaler Versprechen ohne Substanz. Das Bundesgesundheitsministerium teilte auf Nachfrage nüchtern mit, dass die „Spezifikationen“ für T- und BtM-Rezepte noch nicht vorlägen, womit auch die technischen Voraussetzungen für einen Start fehlen. Der Grund: Geld. Für die notwendigen Anpassungen müsste der Bundeshaushalt 2026 Mittel bereitstellen – ob das geschieht, ist offen. Ein elektronisches BtM-Rezept (E-BtM) bleibt damit einstweilen ein Papiertiger.

Diese Verzögerung ist mehr als eine bürokratische Fußnote, sie ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die in der Versorgung tagtäglich mit den Risiken der Papierwelt konfrontiert sind: Apotheken. Gerade Betäubungsmittelrezepte sind anfällig für Fälschungen, Verluste oder Manipulationen. Ein digitales Format, wie es seit Jahren für GKV-Rezepte Standard wird, böte hier ein Mehr an Sicherheit – für Patienten, für Apotheken, für Krankenkassen. Doch das System zögert, vertagt, verrechnet sich.

Die Chronik dieses Scheiterns ist lang. Schon 2021 war die Rede von einem E-BtM-Pilotprojekt, erste Spezifikationen sollten folgen. Dann wurde der E-Rezept-Rollout zur Priorität erklärt, was faktisch bedeutete: Ressourcenverlagerung. Während für die Standardrezepte technisch und organisatorisch aufgerüstet wurde, dümpelten Spezialformate wie T- und BtM-Rezepte im Nachrang. Der politische Fokus richtete sich auf breite Umsetzbarkeit, weniger auf kriminalitätsanfällige Sonderverordnungen. Für das Jahr 2025 wurde dann plötzlich doch ein konkreter Starttermin gesetzt – vermutlich in der Hoffnung, bis dahin seien die Lücken schon gefüllt. Doch weder die Telematikstruktur noch die damit verbundenen Spezifikationsstandards waren tatsächlich ausentwickelt.

Dabei wäre der Bedarf unstrittig: In Apotheken berichten Mitarbeitende immer wieder von auffälligen BtM-Verordnungen, von kaum zu identifizierenden Fälschungen und von Unsicherheiten in der Belieferung, wenn Unterschriften unklar oder Begleitdaten lückenhaft sind. Das Papierformat zwingt zur Einzelfallprüfung – ein Vorgang, der Ressourcen frisst und Fehlerquellen birgt. Die Digitalisierung könnte genau hier ansetzen: strukturierte, überprüfbare, fälschungssichere Rezeptdaten, zentral dokumentiert und eindeutig validierbar. Technisch ist das möglich. Politisch offenbar nicht prioritär.

Dass es für die Digitalisierung von T- und BtM-Rezepten nun an Haushaltsmitteln mangelt, verweist auf ein tiefer liegendes Problem: Die Bundesregierung hat die Pflicht, kritische Versorgungselemente wie Suchtmittelverschreibung, Tumortherapien oder HIV-Prophylaxe nicht nur formal zu regulieren, sondern auch praktisch abzusichern. T-Rezepte betreffen Hochrisikoarzneien wie Thalidomid, Lenalidomid oder Pomalidomid – mit strikten Dokumentations- und Aufklärungsverpflichtungen. Dass ausgerechnet hier digitale Rückverfolgbarkeit fehlt, ist ein Anachronismus. Gleiches gilt für Betäubungsmittel. Gerade diese Medikamente sind sowohl in der Palliativversorgung als auch in der Suchtmedizin essenziell – ihr Missbrauchspotenzial jedoch macht sie zu einem sicherheitspolitischen Sonderfall. Und genau deshalb braucht es hier mehr als nur Ankündigungen: Es braucht konkrete Umsetzung.

Der Verweis auf den Haushalt 2026 wirkt in diesem Zusammenhang fast wie eine Ausrede. Denn was fehlt, ist nicht nur Geld – es fehlt der politische Wille, aus Digitalisierung mehr zu machen als Symbolpolitik. Während andere Länder längst strukturierte BtM-Verordnungen digital steuern, verliert Deutschland sich im Klein-Klein der Verwaltungsroutinen. Dass Apotheken diese Last am Ende schultern müssen, ist Teil eines Musters: Verantwortung wird formalisiert, aber nicht begleitet. So zeigt sich das wahre Problem der Digitalisierung: Sie ist nicht technologisch limitiert, sondern administrativ gebremst.

Dass der Nutzen eines E-BtM-Rezepts überfällig ist, weiß man auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das im Hintergrund für die technische Normung zuständig wäre. Doch ohne politische Rückendeckung, Budgetfreigabe und klare Fristen bleiben alle Pläne Makulatur. Apotheken, die auf Fortschritt hoffen, bleiben zurück. Sie müssen weiter mit Papier hantieren, mit Risiken umgehen und Prozesse absichern, die längst digital beherrschbar wären.

Insgesamt ergibt sich das Bild einer Reform, die ausgerechnet an dem scheitert, was ihr Kern sein sollte: Verlässlichkeit. Wo es auf Präzision, Dokumentation und Fälschungsschutz ankommt, lässt der Staat die Apotheken allein. Während Milliarden in andere digitale Prestigeprojekte fließen, fehlt für die alltägliche Versorgungsrealität das Kleingeld. Das ist kein Versäumnis mehr, es ist ein systemischer Verzicht – auf Sicherheit, auf Qualität, auf Verbindlichkeit.

 

Fälschung unterläuft Versorgung, Technik verhindert Betrug, Politik vertagt Sicherheit

Wie Papierrezepte für Fentanyl und Mounjaro missbraucht werden, digitale Lösungen ausgebremst sind und Apotheken zwischen Kontrolle und Risiko stehen

Fälschungsschutz ist keine Raketenwissenschaft – und doch eine ungelöste Aufgabe. In Apotheken häufen sich erneut Fälle gefälschter Rezepte für hochwirksame Arzneimittel. Besonders betroffen: Fentanyl-Pflaster, Tumormedikamente und die zunehmend im Zentrum illegaler Begehrlichkeit stehenden GLP-1-Rezeptoragonisten wie Ozempic oder Mounjaro. Dabei ist das Fälschen denkbar einfach – weil nach wie vor Papierformulare kursieren, die mit Scanner, Kopierer, Kugelschreiber und einem Quäntchen krimineller Energie zu „offiziellen“ Dokumenten gemacht werden. Dass die gesetzlichen Krankenkassen nun selbst Alarm schlagen, etwa durch einen aktuellen Warnhinweis der AOK Nordwest, zeigt, wie dringend das Problem ist – und wie wenig bislang dagegen getan wurde.

Das Dilemma hat System: Die technischen Mittel für mehr Sicherheit existieren längst, werden aber nicht flächendeckend eingesetzt – oder politisch blockiert. Elektronische Rezepte sind zwar offiziell eingeführt, bei BtM- und T-Rezepten jedoch weiter ausgesetzt. Und das, obwohl gerade hier der Schutz vor Fälschungen besonders nötig wäre: Ein eBtM-Rezept lässt sich – einmal korrekt ausgestellt – faktisch nicht manipulieren, kann digital nachvollzogen, sicher übermittelt und rechtssicher dokumentiert werden. Aber die Umsetzung scheitert derzeit an fehlenden Haushaltsmitteln, technischen Spezifikationen und politischer Priorität. Ein System, das Schutz verspricht, bleibt so ein bloßer Entwurf. Ein Armutszeugnis – gerade angesichts der Gefahren für Patientensicherheit und Apothekensicherheit.

Die Apotheken stehen dabei an vorderster Front – und auf der Anklagebank, wenn etwas schiefläuft. Wer ein gefälschtes Rezept einlöst, handelt unter Umständen fahrlässig, auch wenn Täuschung und Dokument nahezu perfekt waren. Strafrechtlich haftbar sind zwar meist die Fälscher selbst – aber wirtschaftlich bleibt der Schaden fast immer bei der Apotheke hängen. Retaxationen, Rückforderungen und manchmal sogar Ermittlungsverfahren sind die Folge. Besonders brisant wird es, wenn BtM-Rezepte betroffen sind: Hier können auch Versicherungsfragen akut werden, denn viele Policen decken grobe Fahrlässigkeit nicht. Der Prüfaufwand steigt, das Risiko bleibt – und die politische Antwort: bleibt aus.

Dabei fordern nicht nur Apothekerinnen und Apotheker seit Jahren die Einführung eines elektronischen BtM-Rezepts. Auch Krankenkassen wie die AOK mahnen nun zur „besonderen Achtsamkeit“ und appellieren gleichzeitig an die Arztpraxen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. BtM-Rezeptformulare sollen unter Verschluss gehalten, Zugänge limitiert, Papierbewegungen dokumentiert werden. Doch auch das sind nur Notlösungen in einem System, das digitale Souveränität längst versprochen hat – aber nicht einlöst.

Die GLP-1-Rezeptoragonisten bringen dabei eine neue Dimension ins Spiel: Sie sind teuer, knapp und beliebt – nicht nur bei Diabetikern, sondern zunehmend bei Gesunden, die sie zur Gewichtsreduktion missbrauchen. TikTok, Promi-Hype und Onlineforen haben dazu beigetragen, dass Ozempic & Co. längst nicht mehr nur Arzneimittel sind, sondern Objekte eines Schwarzmarktes. Dass nun auch noch gefälschte Rezepte auftauchen, verschärft die Versorgungsknappheit zusätzlich – und bringt Apotheken weiter in Zugzwang: Wie genau muss man prüfen? Was darf man noch glauben? Und wie viel Misstrauen ist im Praxisalltag tragbar?

Denn die Lösung, so paradox es klingt, liegt nicht im wachsameren Blick – sondern im Systemwechsel. Nur durch Digitalisierung, Validierung in Echtzeit und sichere Rezeptübermittlung lassen sich Arzneimittelfälschungen an der Wurzel bekämpfen. Papierrezepte sind Relikte einer Zeit, in der Betrug aufwendiger war – heute sind sie Einfallstore für organisierte Kriminalität. Besonders bei Arzneien mit Suchtpotenzial oder hohem Preis, wie bei Fentanyl und Mounjaro, ist der Schaden nicht nur finanziell, sondern potenziell tödlich.

Es braucht ein Signal – und ein System. Ein bundesweiter Rollout des eBtM-Rezepts würde nicht nur Apotheken entlasten, sondern auch Arztpraxen rechtlich schützen und Kassen vor Schadenssummen bewahren. Es würde Vertrauen schaffen in ein System, das heute zu oft überfordert wirkt. Der Appell der AOK Nordwest ist ein Tropfen auf dem heißen Stein – aber er zeigt, dass auch die Krankenkassen nicht länger schweigen wollen.

Und was macht das Bundesgesundheitsministerium? Es prüft, es vertagt, es wartet. Der offizielle Start für das elektronische BtM-Rezept war für Juli 2025 vorgesehen – doch dieser Termin ist längst illusorisch. Die Spezifikationen sind nicht fertig, das Geld fehlt im Haushalt 2026, die Verantwortlichkeiten sind diffus verteilt. Statt Fortschritt erleben Apotheken Alltag in der Gefahrenzone – mit hohem Einsatz, wenig Rückendeckung und einer Bürokratie, die Digitalisierung immer nur denkt, aber nie zu Ende bringt.

Die Apotheken brauchen keine weitere Achtsamkeit, sie brauchen eine Struktur, die schützt. Und die Politik muss sich fragen lassen, wie viele Fälschungen, Schäden und Risiken noch nötig sind, bis endlich gehandelt wird. Mehr Fälschungsschutz wäre so einfach – wenn man ihn denn wollte.

 

Wissenschaft wird Bühne, Politik wird Pause, Lauterbach wird Vorsitz

Wie der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach aus der Pandemie-Bühne in den Zukunftsausschuss wechselte, technische Visionen verspricht und alte Konflikte hinter sich lässt

Es ist ein Wechsel der Arenen, aber auch ein leiser Abgang aus dem Lärm der gesundheitspolitischen Frontlinien: Karl Lauterbach, einst omnipräsenter Pandemie-Erklärer, wurde zum Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung gewählt – einem Gremium, das nicht mit dem lauten Getöse klammer Kassen, resignierter Ärzte und maroder Digitalisierung hantiert, sondern mit leisen, aber gewichtigen Begriffen wie KI, Quantentechnologie, Medizinforschung und Raumfahrtvisionen operiert. Ein neues Spielfeld für einen alten Bekannten, dessen politische Biografie sich zwischen Talkshow-Kacheln und Pandemieverordnungen eingeschrieben hat – und der nun daran arbeitet, sich ein zweites Profil jenseits des Daueralarms zuzulegen.

Für Lauterbach bedeutet diese Wahl einen machtpolitischen Rückschritt, aber zugleich einen intellektuellen Freiraum. Während andere Minister:innen noch um Haushaltsreste feilschen, darf er sich mit Zukunftsfragen beschäftigen, die weit über das Alltagsgeschäft der Ampelkoalition hinausreichen. In einem Gremium, das selten Schlagzeilen macht, aber dafür umso mehr Visionen formulieren darf, kann Lauterbach seine wissenschaftsaffine Rhetorik neu inszenieren. Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist nicht nur ein Ort für Expert:innenanhörungen, sondern zunehmend ein Resonanzraum für gesellschaftliche Weichenstellungen. Seine Aufgaben reichen von der Bewertung technologischer Umbrüche bis zur ethischen Reflexion neuer Forschungsfelder – etwa bei KI-Assistenzsystemen, quantenphysikalischen Anwendungen oder der molekularen Humanmedizin.

Dass Lauterbach diesen Ausschuss übernimmt, ist mehr als nur ein karrierepolitischer Landeplatz. Es ist eine Rückkehr zu dem, was ihn vor seiner politischen Hauptrolle als Gesundheitsminister definiert hat: der Forscher, der Mahner, der Wissenschaftler im Politbetrieb. Schon vor seiner Ministerzeit war Lauterbach Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten und Ausschüssen, promovierter Gesundheitsökonom, Professor an der Universität Köln und publizistisch präsent. Doch diese frühere Seriosität war während der Pandemie durch das hektische Korsett tagespolitischer Zumutungen überdeckt worden – nun scheint er sich wieder auf vertrauteres Terrain zu begeben, wo er analysieren und konzipieren kann, ohne ständig verteidigen zu müssen.

Es ist auch ein Rückzug aus der Konfrontation mit den Leistungserbringern des Gesundheitswesens. Die Apothekenschaft, die ärztlichen Verbände, die Pflegeorganisationen – viele davon hatten in den letzten Jahren zunehmend lautstark gegen Lauterbachs Gesundheitspolitik protestiert. Der Vorwurf: Praxisferne, fehlende Dialogbereitschaft, Detailversessenheit ohne Reformkraft. Und auch wenn Lauterbach immer wieder betonte, den Systemwandel zu wollen, wurde er letztlich von der politischen Realität ausgebremst: Die Reform des GKV-Systems blieb fragmentarisch, die Krankenhausplanung ein Rohbau, die Digitalisierung ein Dauerstau. Nun also Forschung statt Rückstand, Zukunft statt Flickwerk – Lauterbach ist angekommen im „anderen Deutschland“, das nicht aus Budgetlöchern, sondern aus Möglichkeiten besteht.

Doch ganz ohne Reibung ist auch dieses neue Amt nicht. Denn die Themen, mit denen sich der Ausschuss beschäftigt, sind hochkomplex und politisch potenziell brisant. Wenn es um gentechnische Eingriffe, automatisierte Entscheidungen durch KI-Systeme oder militärische Anwendungen neuer Raumfahrttechnologien geht, wird aus Forschung sehr schnell eine ethische oder sicherheitspolitische Debatte. Als Ausschussvorsitzender wird Lauterbach hier nicht nur moderieren, sondern auch mitgestalten. Wie er das anlegen wird – ob als mahnender Aufklärer oder als technologischer Fortschrittsfreund – bleibt abzuwarten.

Zudem wird er mit Wissenschaftler:innen, Technologiekonzernen und Bürgerinitiativen gleichermaßen in Austausch treten müssen – ein Dialog, der weniger ideologisch aufgeladen ist als die Gesundheitsdebatte, aber nicht weniger konfliktreich. Und die Erwartungen sind hoch: In einer Zeit, in der Technikfolgenabschätzung zunehmend zur demokratischen Herausforderung wird – etwa beim Thema Datenschutz, synthetische Biologie oder dem sozialen Einfluss von Algorithmen – braucht es nicht nur politische Steuerung, sondern auch narrative Klarheit. Ob Lauterbach diese liefern kann?

Für Karl Lauterbach jedenfalls markiert dieser Ausschussvorsitz eine Art Reformation des Selbst. Kein Minister mehr, kein Getriebener des Ausnahmezustands, kein täglicher Alarmgeber in Talkrunden – sondern ein Politiker, der versucht, auf struktureller Ebene zu denken. Vielleicht ist das sein Weg, dem politischen Erschöpfungssyndrom zu entkommen. Denn wer jahrelang für das Hier und Jetzt Verantwortung trug, darf sich gelegentlich auch der Frage widmen, was morgen möglich sein soll. Ob es für Lauterbach tatsächlich ein Neuanfang ist oder nur eine Verschiebung der Bühne, das wird die Legislatur zeigen.

 

Preise unter Beobachtung, Systeme unter Druck, Innovation unter Vorbehalt

Wie der Sachverständigenrat neue Preisregeln vorschlägt, die GKV warnen muss und Fortschritt an Verantwortung geknüpft wird

Wenn Fortschritt einen Preis hat, stellt sich schnell die Frage, wer ihn zahlt – und zu welchen Bedingungen. Im deutschen Gesundheitssystem wird dieser Preis spätestens dann zur politischen Währung, wenn er die Belastungsgrenze der Solidargemeinschaft zu überschreiten droht. Der Sachverständigenrat für Gesundheit & Pflege hat in seinem Gutachten 2025 genau hier angesetzt: bei der Preisbildung für hochinnovative Arzneimittel, die nicht nur das Leben einzelner Patienten verändern können, sondern das gesamte System vor finanzielle, ethische und strukturelle Herausforderungen stellen.

Der Rat argumentiert mit ökonomischer Schärfe und regulatorischer Weitsicht. Zwar sei es legitim, dass medizinische Innovation mit erheblichen Entwicklungsaufwänden verbunden sei, die sich auch im Preis niederschlagen müssten. Doch das derzeitige Modell – bei dem pharmazeutische Hersteller zur Markteinführung zunächst einen Preis frei festlegen dürfen – begünstige einseitig den Anbieter und verschiebe die Verhandlungsmacht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Asymmetrie sei in einem lernenden, dynamischen Gesundheitssystem nicht nur finanzpolitisch riskant, sondern untergrabe auch das Prinzip der gerechten Versorgung.

Der Vorschlag des Rates ist ebenso pragmatisch wie potenziell disruptiv: ein „Interimspreis“ als vorläufige Regelvergütung ab Marktzugang, der sich am Kostenrahmen der zweckmäßigen Vergleichstherapie (zVT) orientiert. Parallel dazu soll eine systematische Evaluation des tatsächlichen Zusatznutzens stattfinden, auf deren Grundlage der endgültige Preis dann verbindlich verhandelt wird. Dieser Preis wäre nicht mehr das Resultat asymmetrischer Machtverhältnisse, sondern ein lernbasierter Wertausdruck medizinischer Innovation – legitimiert durch Evidenz und Effizienz.

Doch das Gutachten geht weiter: Es empfiehlt die konsequentere Anwendung gemeinsamer europäischer Beschaffungsmechanismen – insbesondere bei Hochpreistherapien, deren geringe Fallzahlen in einzelnen Mitgliedstaaten die Verhandlungsposition schwächen. Der Bezug auf das in der COVID-19-Pandemie erprobte EU-Verfahren zur Arzneimittelbeschaffung signalisiert einen Perspektivwechsel: weg von der nationalen Einzelverhandlung hin zu supranationaler Solidarität. Dieser Schritt könnte nicht nur die Kosten dämpfen, sondern auch Transparenz und Fairness erhöhen.

Ein weiterer Akzent liegt auf der Idee leistungsabhängiger Vergütungssysteme. Pay-for-Performance-Modelle, bei denen die Erstattungsbeträge an klinische Erfolge geknüpft sind, könnten laut dem Sachverständigenrat gerade bei personalisierten oder genbasierten Therapien sinnvoll sein. Dabei geht es um mehr als eine neue Abrechnungstechnologie – es geht um eine Kulturveränderung: weg vom „Preis für ein Produkt“, hin zur Honorierung konkreten Patientennutzens.

Diese Denkweise trifft jedoch auf ein System, das strukturell auf Durchschnittskosten und kollektive Leistungserbringung programmiert ist. Erfolgsmessung bei individuellen Therapieverläufen verlangt digitale Infrastruktur, valide Follow-up-Daten, regulatorische Flexibilität – und ein Verständnis von Versorgung, das nicht nur Krankheiten, sondern auch Behandlungswege differenziert. Genau hier liegt die nächste Systemgrenze: Das Gutachten bleibt bewusst unkonkret, wie ein solches Modell real implementiert werden könnte. Doch es benennt die Voraussetzung klar: ein lernfähiges, evidenzorientiertes Gesundheitssystem, das sowohl regulatorisch als auch kulturell bereit ist, neue Bewertungsmaßstäbe zu setzen.

Kritik an der bisherigen Preisbildung gibt es nicht nur von ökonomischer Seite. Auch Vertreter der gesetzlichen Kassen fordern seit Langem mehr Systematik, mehr Relevanz für den tatsächlichen Nutzen und mehr Durchgriff bei überzogenen Preisforderungen. Der GKV-Spitzenverband verwies zuletzt auf mehrere Fälle, in denen Herstellerpreise bei der Markteinführung über 1 Million Euro pro Patient lagen – ohne dass der Zusatznutzen gegenüber etablierten Therapien klar belegt war. Es sei nicht Aufgabe des Solidarsystems, jede Innovation blind zu finanzieren, heißt es dort, sondern nur jene, die tatsächlich mehr leistet als der Status quo.

Doch auch in der Politik beginnt ein Umdenken. Nina Warken, seit Kurzem neue Bundesgesundheitsministerin, erhält das SVR-Gutachten in einer Phase wachsender Systemunsicherheit. Die GKV-Finanzen sind angespannt, der Reformdruck hoch, das Vertrauen der Versicherten brüchig. Der Paradigmenwechsel, den das Gutachten vorschlägt, könnte zur ersten großen Nagelprobe ihrer Amtszeit werden. Setzt sie auf Systemdisziplin und strukturelle Weichenstellungen – oder bleibt es beim medizinischen Wunschkonzert unter Kostendruck?

Am Ende steht die Frage, die sich quer durch das Gutachten zieht wie ein roter Faden: Wie lässt sich medizinischer Fortschritt gestalten, ohne das System zu überfordern? Und wie lässt sich Verteilungsgerechtigkeit sichern, ohne Innovation zu blockieren? Der Interimspreis, die Verhandlungsbündelung, die erfolgsabhängige Vergütung – sie alle markieren Denkrichtungen, keine fertigen Lösungen. Aber sie zeigen: Die Zeit der alten Preisformeln ist vorbei. Jetzt beginnt die Phase der lernenden Bewertung. Und mit ihr – vielleicht – eine neue Ehrlichkeit in der Gesundheitsfinanzierung.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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