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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Wenn Apotheken sich auf Standardversicherungen verlassen, die im Schadensfall genau dort aussetzen, wo es brennt – bei chemischen Zwischenfällen, Infrastrukturkaskaden oder Haftungsfolgen für ganze Straßenzüge –, wenn politische Entscheidungsträger Versorgung nicht als resilient zu gestaltende Daueraufgabe, sondern als Sparmasse für Haushaltskosmetik behandeln, wenn ein Bundesland trotz Ärztemangel Fachweiterbildungen kürzt, Modellregionen kappt und die Geriatrie ohne Netz laufen lässt, wenn steuerliche Erbschaftslasten ohne Liquidität zum Zwangsverkauf führen und Besitz zur Bürde wird, wenn ein Halbsatz des Bundespräsidenten die reale Apotheke durch die Online-Plattform ersetzt und damit ungewollt das Berufsbild ins symbolische Off drängt, wenn apothekennahe Werbemedien dem Versandhandel diskret Tür und Tor öffnen und loyale Sichtbarkeit unterwandern, wenn Inklusion zwar lokal gelingt, aber strukturell nicht mitgedacht wird, und wenn sich gleichzeitig globale Entwicklungen wie Migration, Alterung und geopolitische Machtverschiebungen auf das Personal, die Patienten und die Perspektiven der Versorgung auswirken, dann sind das keine Einzelfälle, sondern Bestandteile eines strukturellen Vertrauensbruchs – und genau deshalb beginnt systemische Resilienz dort, wo Klarheit, Verantwortung und strategische Haltung gelebt statt behauptet werden: in der Apotheke, in der Politik, in der Gesellschaft.
Apotheken unterschätzen Brandschutz, Versicherungsschutz versagt, Dritte zahlen den Preis
Wenn ein einzelner Schaden ausreicht, um ganze Straßenzüge in juristische Haftung zu zwingen
In den engen Gassen einer Innenstadt kann ein einziger Funke genügen, um ein halbes Quartier zu gefährden. Wenn dieser Funke aus einer Apotheke stammt, reichen die Folgen oft weit über die Grenzen des eigenen Betriebs hinaus. Denn Apotheken sind nicht nur Lagerstätten für brennbare Substanzen, sondern Knotenpunkte hochsensibler Infrastruktur. Im Brandfall oder bei einem chemischen Unfall endet das Risiko daher nicht an der eigenen Türschwelle. Es beginnt dort.
Die juristische Betrachtung dieser Szenarien führt mitten hinein in das Spannungsfeld von Haftungsrecht, Umweltschutz und Versicherungslogik. Dabei steht die Apotheke mit einem Bein immer auch im Risikodreieck zwischen Schaden, Schuld und Schutzlücke – und zwar selbst dann, wenn sie keine Schuld im engeren Sinne trifft. Wer etwa infolge eines elektrischen Defekts einen Brand verursacht, aus dem sich ein benachbarter Betrieb mit millionenschwerem Verlust ergibt, haftet im Zweifel mit dem gesamten Privatvermögen – außer, eine speziell abgestimmte Versicherung übernimmt die Deckung. Die Praxis zeigt: Viele Apothekeninhaber verlassen sich auf Standards, die im Ernstfall nicht genügen.
Schon der Begriff „Feuer“ führt in der juristischen Definition ein Doppelleben: Als versicherte Gefahr in der Sachversicherung wird es anders behandelt als im Rahmen der erweiterten Betriebshaftpflicht. Und während etwa kontaminierte Flächen unter Umständen als Umweltschaden gelten, kann dieselbe Substanz bei anderer Verteilung als Sachschaden betrachtet werden. Für Apotheken wird diese Unschärfe zur tickenden Zeitbombe – insbesondere dann, wenn Dritte geschädigt werden: etwa durch Rauchgas, kontaminierte Niederschläge oder Sperrungen infolge polizeilicher Maßnahmen.
Noch heikler wird es bei der Frage nach dem sogenannten erweiterten Umweltschaden. Denn dieser umfasst nicht nur „klassische“ Naturgüter wie Böden oder Gewässer, sondern auch sogenannte Biodiversitätskomponenten – also geschützte Arten und deren Lebensräume. Brennt eine Apotheke in der Nähe eines Natura-2000-Gebiets und gelangen toxische Rückstände durch Löschwasser in ein Biotop, kann aus einem Feuer ein millionenschwerer Fall für den Umwelthaftungsfonds werden – und für die Apotheke ein Fiasko, wenn keine spezielle Deckung existiert.
Gleichzeitig verändert sich die Risikobewertung mit der Nähe zu sensiblen Strukturen: Liegt die Apotheke in einem historischen Stadtkern, steigt das Risiko für übergreifende Brandschäden an denkmalgeschützten Fassaden. Ist sie in ein Ärztehaus eingebunden, entstehen durch Betriebsausfälle bei Nachbarn Regressforderungen mit unkalkulierbarer Höhe. Auch in Einkaufszentren kann ein einzelner Brand – etwa durch eine unsachgemäß betriebene Laborheizung – zur Räumung ganzer Komplexe und damit zur Beeinträchtigung Dutzender Mieter führen. Die Haftung für solche sogenannten Ausfallschäden ist zwar theoretisch begrenzbar – aber nur, wenn der Versicherungsvertrag exakt auf diese Eventualitäten abgestimmt wurde. Im Alltag ist das oft nicht der Fall.
Dass viele Apothekenleitungen sich mit pauschalen Versicherungen begnügen, liegt weniger an Leichtsinn als an struktureller Komplexität. Die Vielzahl an Gefährdungstatbeständen überfordert die klassische Beratung, zudem sind Spezialdeckungen für Umwelthaftung, Gewässerschäden oder erweiterte Feuerfolgen oft kostenintensiv. Doch wer spart, spart unter Umständen am Fundament. Denn gerade die Gefahr eines übergreifenden Umweltschadens kann eine Apotheke wirtschaftlich vollständig vernichten – auch dann, wenn keine schuldhafte Handlung vorliegt.
In der apothekerlichen Praxis zeigt sich der blinde Fleck dieser Risiken oft erst im Schadensfall. Eine Erhebung unter Betriebshaftpflichtversicherern legt nahe, dass ein Großteil der Apothekenverträge keine klar definierte Deckung für Sekundärschäden bei Dritten enthält. Damit wird ein Ereignis wie ein chemischer Reinigungsfehler, der in einem benachbarten Gastronomiebetrieb zur Evakuierung und Küchenschließung führt, zu einem bedrohlichen Szenario. Ebenso wenig abgedeckt sind oft Schäden an der öffentlichen Infrastruktur, wenn etwa eine kontaminierte Kanalisation gereinigt werden muss.
Selbst grundlegende Aspekte wie der Umgang mit Rückständen brennbarer Flüssigkeiten oder die Lagerung von Gefahrstoffen in Rezeptur und Defektur werfen Fragen auf, deren juristische Tragweite im Alltag leicht unterschätzt wird. Ein überlaufender Lösungsmittelkanister kann – in Kombination mit einem technischen Defekt – ausreichen, um ein Szenario auszulösen, das zivilrechtlich, öffentlich-rechtlich und strafrechtlich zugleich bewertet wird. In der Gesamtschau liegt hier ein Versäumnis der gesundheitspolitischen Aufmerksamkeit: Während der Gesetzgeber Apotheken in vielen Bereichen eng reguliert, bleibt die Verpflichtung zur Risikoabdeckung weitgehend pauschalisiert.
Was daraus folgt, ist klar: Ohne individuell abgestimmte Versicherungslösungen, die über die klassische Betriebshaftpflicht hinausgehen, bleibt jede Apotheke im Feuerfall verletzlich. Es braucht vertraglich saubere Regelungen, die auch Umweltschäden an Dritten, Regressforderungen infolge von Betriebsunterbrechungen und kontaminationsbedingte Sachschäden erfassen – inklusive expliziter Leistungspflichten, klarer Ausschlüsse und präziser Deckungssummen.
Denn die Realität ist: Wer mit pharmazeutischen Substanzen arbeitet, operiert per Definition in einem Umfeld potenzieller Gefahr. Apotheken sind kein Sonderfall in einem harmlosen Gewerbegebiet, sondern Teil kritischer Infrastruktur mit einer eigenen Risikologik. Solange das nicht in die Standardlogik der Versicherungssysteme einfließt, bleibt der Schaden nicht nur eine Frage des Feuers – sondern vor allem des fehlenden Schutzes danach.
Demografie verändert Märkte, Migration gestaltet Versorgung, China warnt vor Trägheit
Wie Unternehmer die Bevölkerung neu denken müssen – und was wir aus globalen Fehlentwicklungen lernen können
Wenn sich der Alltag mit seinen konkreten Anforderungen in den Vordergrund drängt, bleibt selten Raum für den großen Blick: die langfristige Strategie, den Überblick über globale Entwicklungen, die stille Bewegung unterhalb der sichtbaren Oberfläche. Wer in einem Unternehmen Verantwortung trägt, weiß das nur zu gut – schließlich geht es im Tagesgeschäft oft um das Hier und Jetzt: Lieferfähigkeit, Mitarbeitermotivation, Digitalisierung, Rentabilität. Doch je länger man in dieser Haltung verharrt, desto riskanter wird das Spiel – denn manche Weichen werden nicht in der Bilanz, sondern auf Ebene der Bevölkerung gestellt.
Demografie ist kein abstraktes Feld für Soziologen und Statistiker. Sie ist der stille Treiber aller ökonomischen, sozialen und politischen Prozesse – mit verzögertem, aber unumkehrbarem Effekt. Wer wissen will, wie es seinem Geschäft in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren geht, muss auf die Altersstruktur schauen, auf die Zuwanderungspolitik, auf die Fertilitätsraten, auf Rentenprognosen, auf Bildungstrichter und Urbanisierung. Es ist kein Zufall, dass der amerikanische Politologe James Carville einst zugespitzt formulierte: „It’s the economy, stupid.“ In Wirklichkeit aber lautet die Formel: „It’s the demography, stupid.“
Und wer dabei zuerst nach China blickt, lernt auf bittere Weise, wie weitreichend die Folgen verfehlter Politik sein können. Jahrzehntelang setzte die Volksrepublik auf die Ein-Kind-Politik, nun erlebt sie das große demografische Zurückschlagen. Die Bevölkerungszahl schrumpft bereits – und was noch viel gravierender ist: Die Alterung galoppiert. Laut aktuellen Prognosen könnten bis zum Jahr 2100 zwei Drittel der Chinesen älter als 65 sein. Ein ökonomisches Desaster droht, und obwohl die politische Führung reagiert – mit Lockerungen, Prämien, Propaganda – bleibt das Kind sprichwörtlich im Brunnen. Denn Demografie ist ein träger Tanker. Wenn die Geburten ausbleiben, lässt sich das auch durch KI, Robotik oder Einwanderung nur begrenzt kompensieren.
Deutschland wiederum steht mitten in dieser Zangenbewegung: Fachkräftemangel, Pflegenotstand, schrumpfende Belegschaften, überforderte Rentensysteme – das alles ist kein Zukunftsszenario, sondern längst Realität. Gleichzeitig verheddert sich die politische Debatte immer wieder in tagesaktuellen Aufregern: Migration ja oder nein, Grenzschutz oder Aufnahme, Transfer oder Integration. Der strategische Blick fehlt. Dabei ist klar: Ohne gesteuerte Zuwanderung aus dem globalen Süden, ohne gezielte Förderung von Erwerbsintegration und Bildungsaufstieg ist der Fachkräftemarkt der Zukunft schlichtweg nicht mehr zu bedienen. Und das betrifft nicht nur die Industrie oder die Pflege – sondern genauso Apotheken, Handwerk, Handel und alle dezentralen Strukturen.
Doch nicht nur wer kommt, sondern auch wo die Menschen leben, ist entscheidend. Der Faktor „Standortbindung“ wird oft unterschätzt. Apothekeninhaber beispielsweise binden sich in der Regel über Jahrzehnte an einen Ort – und sind damit vollständig abhängig von der lokalen demografischen Entwicklung. Wird der Stadtteil jünger oder älter? Gibt es Zuzug oder Abwanderung? Wie entwickeln sich Kaufkraft, Schulbildung, Geburtenraten? Diese Fragen entscheiden über Umsatzpotenziale, Beratungsbedarf, Personalrekrutierung. Wer strategisch denkt, muss demografisch lesen können – auf Mikro- wie Makroebene.
Die Bevölkerungsstruktur ist dabei nicht nur ein Hintergrundrauschen. Sie wirkt bis in die Produktentwicklung, Marketingstrategie und Standortwahl. Wer weiß, dass in seinem Umfeld die Zahl älterer Alleinlebender steigt, wird andere Services anbieten müssen als in einem Viertel mit junger, multikultureller Elternschaft. Wer erkennt, dass sich eine Region in einen „demografischen Korridor“ verwandelt – mit schrumpfender Bevölkerung, leerstehenden Immobilien und Überalterung –, sollte über neue Geschäftsmodelle, digitale Ergänzungen oder Kooperationen mit Kommunen nachdenken.
Demografie ist kein Schicksal, aber ein mächtiger Rahmen. Der globale Süden etwa wächst rasant – Afrika wird zum Kontinent der Zukunft. Indien hat China als bevölkerungsreichstes Land überholt, während viele westliche Industrieländer mit dem demografischen Einbruch kämpfen. Der Wettbewerb um Menschen, Ideen und Innovationskraft verlagert sich – mit Folgen für Außenhandel, Pharmaindustrie, Technologieexporte und Bildungspolitik. Gerade Unternehmer, die heute planen, was morgen tragen soll, müssen das strategisch mitdenken.
Und ja, es stimmt: Computer, KI, Roboter werden viele Dinge effizienter machen. Aber keiner von ihnen bezahlt Steuern, kauft Medikamente, pflegt Angehörige oder geht zur Wahl. Es bleiben die Menschen, die das Rückgrat jeder Gesellschaft bilden. Je besser wir sie verstehen, desto besser können wir gestalten – als Unternehmer, als Bürger, als politische Akteure.
Deshalb lohnt der Blick in die demografische Glaskugel – nicht als Selbstzweck, sondern als Pflichtprogramm für alle, die nicht nur auf Sicht fahren wollen.
Primärarzt wird Schaltstelle, Facharzt wird Gate, Apotheke wird Partner
Wie die Koalition Versorgung umkrempelt, Rollen neu verteilt und Chancen für Apotheken schafft
Die Koalitionsvereinbarungen der künftigen schwarz-roten Regierung enthalten auf den ersten Blick unscheinbare Formulierungen, die bei näherem Hinsehen tief in die Versorgungsarchitektur eingreifen. Insbesondere die geplante Stärkung eines verbindlichen Primärarztsystems bei freier Arztwahl innerhalb der hausarztzentrierten Versorgung markiert einen Paradigmenwechsel. Unter dem Deckmantel von Strukturverbesserung, Entlastung des Praxispersonals und Wartezeitverkürzung wird faktisch eine Gatekeeper-Funktion des Hausarztes eingeführt – oder besser: reaktiviert. Denn was wie eine innovative Steuerungsidee daherkommt, ist in Wahrheit ein Rückgriff auf alte Ordnungsmuster der Gesundheitsversorgung, diesmal jedoch mit strategischem Unterbau.
Zweifellos hat das Primärarztsystem in Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien seine Bewährungsprobe längst bestanden. Es reduziert Mehrfachuntersuchungen, bündelt die Steuerung medizinischer Leistungen und kanalisiert Patientenströme entlang medizinischer Indikation statt subjektivem Gefühl. Doch ein bloßer Verweis auf internationale Vorbilder ersetzt nicht die nüchterne Auseinandersetzung mit den Eigenheiten des deutschen Systems – vor allem nicht mit seiner historisch gewachsenen Pluralität und den festgefahrenen Interessenlagen der Akteure.
Die politische Absicht ist klar: Patientinnen und Patienten sollen strukturiert durch die Versorgung gelenkt werden, mit dem Hausarzt als initialer Schaltstelle. Die frei vagabundierende Facharztwahl wird dadurch zumindest eingeschränkt. Für die Apotheken ergibt sich daraus eine strategische Chance – der Hausarzt als zentrales Bindeglied wird für die Arzneimittelversorgung noch bedeutsamer. Ein klarer, kontinuierlicher Kanal ärztlicher Verschreibungen stärkt die pharmazeutische Anbindung. Gerade im Hinblick auf Medikationsmanagement, Interaktionskontrolle und Chronikerprogramme könnte dies eine neue Ära der Versorgungspartnerschaft einläuten.
Doch der Strukturplan krankt an seiner operativen Umsetzung. Die Realität zeigt: Der Mangel an Hausärzten ist kein theoretisches Zukunftsszenario, sondern vielerorts akute Versorgungsbremse. Zusätzliche Koordinationspflichten könnten das System nicht nur stärken, sondern massiv überlasten. Hinzu kommt der berufspolitische Widerstand innerhalb der Ärzteschaft: Fachärztinnen und Fachärzte fürchten eine Abhängigkeit von Überweisungen, einen Verlust an Autonomie und ökonomischer Sicherheit. Der Hausarzt als "Spinne im Netz" ist nicht für alle gleichermaßen attraktiv – auch nicht für Hausärzte selbst, die zwischen medizinischem Anspruch, bürokratischem Druck und begrenzter Zeit zerrieben werden.
Das Koalitionspapier schweigt sich über flankierende Maßnahmen aus. Es bleibt unklar, ob die hausärztlichen Kapazitäten ausgebaut, strukturell aufgewertet oder digital gestützt werden sollen. Ohne diese Begleitarchitektur ist das Primärarztsystem mehr Wunsch als Wirklichkeit. Zudem fehlt ein entscheidendes Element: die Akzeptanz der Patienten. Zwar gilt die freie Arztwahl in Deutschland als heilige Kuh, doch die damit verbundenen Versorgungsirrwege werden nicht von den Patienten allein verursacht, sondern durch das System selbst begünstigt. Dass Hausärzte wieder zur Zugangsschranke für Spezialisten werden, dürfte kaum Begeisterungsstürme auslösen – aber auch kaum Widerstand. Die Patienten sind gewohnt zu ertragen, was ihnen vorgesetzt wird. Die politische Lenkung durch Verordnung ersetzt nicht die kommunikative Einbindung der Betroffenen.
Vor diesem Hintergrund gewinnt ein alternativer Gedanke an Schärfe: Wenn schon ein Primärarztsystem etabliert wird, warum nicht auch ein Primärapothekensystem? Ein Modell, in dem sich Patienten verbindlich einer "Hausapotheke" zuordnen, könnte Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und therapeutische Kontinuität erheblich verbessern. Es wäre ein Gegengewicht zum Versandhandel, ein strukturierender Pfeiler für pharmazeutische Versorgungstreue. Ein solches Modell müsste jedoch zwingend mit neuen Honorierungsstrukturen, Beratungsrechten und digitalen Schnittstellen unterfüttert werden – und genau hier scheuen Politik und Kassen regelmäßig den Systemwechsel.
Was bleibt, ist ein bekanntes Muster: Die Versorgungsreform kommt in homöopathischen Dosen, die Schlagworte klingen wohlfeil, doch die strukturelle Tiefe bleibt gering. Ein Primärarztsystem kann nur dann funktionieren, wenn es auf einem stabilen Fundament steht – sowohl in personeller als auch in finanzieller Hinsicht. Ohne mutige Investitionen, neue Rollenverteilungen und die Einbindung der Patienten droht das Vorhaben zur nächsten teuren Idee ohne Durchschlagskraft zu verkommen.
Steuer drängt zur Entscheidung, Liquidität bleibt aus, Besitz wird zum Problem
Warum geerbte Immobilien schnell zur Steuerfalle werden – und Stundung kein sicherer Ausweg ist
Erben und Beschenkte, die eine Immobilie übertragen bekommen, haben oft nicht mit einem sofortigen finanziellen Engpass gerechnet. Schließlich geht es vermeintlich um einen Vermögenszuwachs – doch dieser birgt einen steuerlichen Stolperstein, der besonders bei knapper Liquidität eine bedrohliche Wendung nehmen kann. Denn obwohl das Objekt selbst keinen Cent bar in die Hand spielt, fordert das Finanzamt binnen Monatsfrist eine präzise Wertermittlung und – je nach Freibetragsgrenze – womöglich eine erhebliche Steuerzahlung. Die Folge: Wer nicht vorbereitet ist, muss verkaufen, beleihen oder auf Zeit spielen. Doch nicht immer ist Letzteres ohne Weiteres möglich.
Dass gerade Immobilien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer regelmäßig zum Problemfall werden, liegt an der steuerlichen Systematik. Bewertet wird nicht der ideelle Wert oder die emotionale Bindung an ein Elternhaus, sondern der Verkehrswert – also der Betrag, den ein Käufer unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zahlen würde. In Zeiten hoher Immobilienpreise, steigender Bodenrichtwerte und stark schwankender Lagen kann dies zu massiven Belastungen führen, selbst wenn das Objekt eigentlich nicht liquidierbar ist. Gerade bei eigengenutztem Wohnraum oder vermieteten Mehrfamilienhäusern bedeutet dies: Die Steuer wird auf ein Vermögen erhoben, das sich nicht ohne weiteres in Geld umwandeln lässt.
Im Einzelfall kann der Fiskus die Steuer stunden – eine Möglichkeit, die in § 222 der Abgabenordnung geregelt ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die sofortige Einziehung eine „erhebliche Härte“ darstellen würde und die Steuerforderung durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Doch was bedeutet das konkret? Und wer entscheidet, ob eine Härte tatsächlich vorliegt?
Stundung ist kein Automatismus. Sie ist ein Ermessensakt, der stark von der regionalen Finanzpraxis, den vorgelegten Nachweisen und der persönlichen Einschätzung des Sachbearbeiters abhängt. In der Praxis zeigt sich, dass die Voraussetzungen eng ausgelegt werden. Selbst eine offensichtliche Illiquidität – etwa weil die Immobilie bewohnt, denkmalgeschützt oder schwer verkäuflich ist – führt nicht automatisch zur Stundung. Häufig verlangt das Finanzamt detaillierte Auskünfte, Sachverständigengutachten und Rücklagenpläne. Zudem wird der Stundungsbetrag verzinst, derzeit mit 0,5 Prozent pro Monat – ein nicht unerheblicher Kostenfaktor, wenn es sich um sechsstellige Summen handelt.
Hinzu kommt: Der Antrag auf Stundung muss frühzeitig, in der Regel vor Fälligkeit der Steuer gestellt werden. Wer hier zu spät handelt, läuft Gefahr, dass der Antrag als „nachträglich“ abgelehnt wird – mit der Folge, dass Zinsen und Mahngebühren zusätzlich auflaufen. Die meisten Steuerberater raten daher, bereits mit dem Erbschaftsfall eine professionelle Wertermittlung und Liquiditätsplanung zu erstellen. Denn häufig wird der Immobilienwert durch die vom Finanzamt zugrunde gelegten pauschalen Bewertungsmethoden (Ertragswert, Sachwertverfahren) deutlich überschätzt, was wiederum eine überhöhte Steuerforderung zur Folge haben kann. Ein fundiertes Gegengutachten kann hier unter Umständen eine Minderung der Steuerlast bewirken – aber auch das kostet Zeit und Geld.
Besonders kritisch wird die Lage, wenn emotionale und finanzielle Ebenen unvereinbar werden. Gerade Familienimmobilien sind oft mit Erinnerungen, Verpflichtungen und Identität aufgeladen. Doch das Steuerrecht kennt keine Rücksicht auf ideelle Werte. Der Staat bewertet nach Marktlogik, ungeachtet familiärer Nutzung oder fehlender Liquidierbarkeit – und zwingt viele in eine paradoxe Situation: Sie müssen ihr Erbe aufgeben, um es behalten zu dürfen. Die Steuerforderung kann so zum Brandbeschleuniger innerfamiliärer Konflikte werden, etwa wenn Geschwister unterschiedliche Vorstellungen von Verkauf oder Finanzierung haben. Was als generationsübergreifende Sicherung gedacht war, wird durch staatlichen Zahlungsdruck zur existenziellen Bedrohung. Besonders dort, wo Vermögen nicht auf Konten liegt, sondern in Wänden steckt, bedeutet das oft: verkaufen oder verschulden.
Auch politisch ist die Problematik kein Geheimnis. Seit Jahren werden höhere Freibeträge, verlängerte Zahlungsfristen oder standardisierte Stundungsverfahren diskutiert. Doch bis heute bleibt es bei der Einzelfallprüfung. Selbst wenn ein denkmalgeschütztes Objekt mit Erhaltungsverpflichtung übertragen wird, zählt allein der Wert auf dem Papier – und nicht, ob sich real ein Käufer findet. Die Praxis verhindert damit nicht nur Eigentumskontinuität, sondern begünstigt einen schleichenden Ausverkauf von Familienbesitz.
Wer eine Immobilie erbt oder geschenkt bekommt, sollte sich deshalb nicht allein auf rechtliche Titel oder emotionale Werte verlassen, sondern von Beginn an mit einem professionellen Blick auf die Liquiditätslage schauen. Stundung kann helfen, ist aber weder garantiert noch kostenfrei. Vor allem ersetzt sie keine vorausschauende Strategie – und erst recht keine politische Lösung, die nach Jahrzehnten endlich anstehen würde.
Werbung tarnt sich, Konkurrenz expandiert, Apotheken verteilen mit
Wie ein Mode-Einleger die Umschau zur Einbahnstraße für Versandhändler macht
Was auf den ersten Blick wie eine harmlose Modebeilage wirkt, offenbart bei genauerem Hinsehen einen potenziell folgenschweren strategischen Fehler: In der aktuellen Ausgabe der Apotheken Umschau findet sich ein Werbeeinleger des Versandunternehmens „Sieh an!“, das auf seiner Webseite neben Kleidungsstücken auch apothekenübliche Gesundheitsprodukte anbietet – darunter Blutdruckmessgeräte, Inkontinenzeinlagen und orthopädische Hilfsmittel. Die Präsenz dieser Beilage in einem Medium, das traditionell als loyaler Partner der Vor-Ort-Apotheken wahrgenommen wird, stellt damit nicht nur eine werbliche Inkonsequenz dar, sondern legt auch die Schwachstellen im Selbstverständnis der Apothekenkommunikation offen. Es ist ein scheinbar beiläufiger Vorgang – und doch einer mit Sprengkraft.
Denn es geht nicht einfach um einen beiliegenden Prospekt, sondern um die Frage, wessen Interessen in der Kommunikationshoheit einer bundesweit vertriebenen Kundenzeitschrift vertreten werden. Die Umschau, herausgegeben vom Wort & Bild Verlag, ist mit einer Auflage von über sieben Millionen Exemplaren das auflagenstärkste Gesundheitsmagazin Deutschlands. Für viele Apotheken ist sie Teil ihres Serviceangebots, ein Instrument der Kundenbindung, eine Brücke zu niederschwelliger Gesundheitsinformation. Doch wenn ausgerechnet dieses Medium nun – bewusst oder unbewusst – Werbeflächen für Akteure öffnet, die in unmittelbarem Wettbewerb zu Apotheken stehen, dann verliert diese Brücke ihre Einbahnregelung. Und der Begriff Kundenbindung bekommt eine neue, unerwünschte Richtung: hinaus statt hinein.
Brisant wird der Vorgang vor allem durch die juristische Grauzone, in der sich die Konstruktion bewegt. Der Einleger wirbt ausschließlich für Kleidung und bleibt damit formal innerhalb der redaktionellen Freiheit und Werberichtlinien. Doch ein kurzer Besuch auf der beworbenen Website genügt, um festzustellen: Wer dort Modestücke bestellt, kann mit wenigen Klicks auch Medizinprodukte erwerben, die typischerweise in Apotheken zu finden sind – und das oft zu günstigeren Preisen. Der Modemantel ist in diesem Fall nur die Eintrittskarte in ein digital erweitertes Sortiment mit Gesundheitsbezug. Und hier beginnt die eigentliche Herausforderung: Die Schwelle zwischen modischer Konsumwelt und gesundheitsbezogenem Versandhandel wird ästhetisch verpackt, aber funktional überschritten.
Die Verteidiger des Einlegers werden einwenden, dass es sich nicht um einen pharmazeutischen Anbieter handelt, sondern um einen klassischen Modeversand. Doch die entscheidende Frage ist nicht, ob „Sieh an!“ ein Arzneimittel anbietet – das tut der Shop nicht –, sondern ob er apothekenähnliche Produkte ins Sortiment aufnimmt, mit denen sich Margen erzielen lassen, die normalerweise zur betriebswirtschaftlichen Stabilisierung von Apotheken beitragen. Inkontinenzartikel, Verbandsmaterialien, Wellnessprodukte, Messgeräte: All das gehört zum erweiterten Kernsortiment einer Apotheke, vor allem im Hinblick auf die zunehmend bedeutungsvolle Freiwahlzone.
Dass der Wort & Bild Verlag den Einleger zugelassen hat, lässt zweierlei vermuten: Entweder wird der Interessenkonflikt nicht erkannt – oder billigend in Kauf genommen. Beides wäre problematisch. Denn die redaktionelle Unabhängigkeit einer Zeitschrift, deren Verbreitungsweg an die Infrastruktur der Apotheken geknüpft ist, darf nicht zur Aushöhlung ihrer Glaubwürdigkeit führen. Genau das aber geschieht, wenn die Apotheken als Verteiler dienen für Botschaften, deren Absender in direkter Konkurrenz zu ihrem wirtschaftlichen Fundament stehen. In einer Zeit, in der die ökonomische Lage vieler Apotheken prekär ist, wirkt dies nicht nur fahrlässig, sondern – aus Sicht vieler Inhaber:innen – wie ein Affront.
Der Vorfall zeigt auch, wie wenig strategisches Sensorium aufseiten der Verlagspartner vorhanden ist, wenn es um die wirtschaftliche Lage ihrer Vertriebspartner geht. Statt im Schulterschluss gegen die Zunahme von Versandkonkurrenz zu agieren, wird die Infrastruktur der Apotheken genutzt, um genau diese Konkurrenz mitzufördern. Das Argument, es handele sich lediglich um eine Werbebeilage und nicht um redaktionellen Inhalt, greift zu kurz. Denn in einem Printprodukt wie der Umschau, das bewusst als seriöse Informationsquelle positioniert ist, wirkt jeder Einleger wie eine kuratierte Empfehlung. Was hier beilag, wird nicht als beliebige Werbung wahrgenommen, sondern als Bestandteil des Kommunikationsmixes – und entfaltet damit seine Wirkung im Vertrauensraum der Apotheke.
Was bleibt, ist die Lehre, dass mediale Allianzen auch in der Gesundheitskommunikation nicht immun sind gegen ökonomische Kurzsichtigkeit. Die Apotheken sollten sich daher dringend die Frage stellen, ob sie ihre Rolle als Verteilstelle für Dritte weiterhin ohne Mitsprache erfüllen wollen – oder ob nicht ein neues Konzept für apothekennahe Patientenkommunikation entwickelt werden muss, das diese Widersprüche vermeidet. Der Vorfall mit dem „Sieh an!“-Einleger könnte der Auslöser sein für eine überfällige Debatte über Kommunikationshoheit, Werbeethik und strukturelle Solidarität.
Sparen ohne Plan, gefährden ohne Einsicht, verlieren ohne Widerstand
Warum Sachsens Kürzungspläne das Gesundheitssystem destabilisieren und die Grünen auf Versorgungssicherung pochen
Es ist haushaltspolitisch verständlich, dass Sachsen sparen muss. Aber es ist gesundheitspolitisch fahrlässig, gerade dort zu kürzen, wo das System bereits auf Kante genäht ist: in der medizinischen Versorgung. Besonders im ländlichen Raum ist der Ärztemangel nicht mehr nur ein absehbares Problem, sondern längst bittere Realität. Dass ausgerechnet jetzt, in einer Phase multipler Herausforderungen, Einschnitte bei der Weiterbildung von Fachärztinnen und Fachärzten sowie bei sektorenübergreifenden Modellprojekten wie dem Geriatrienetzwerk Ostsachsen geplant sind, zeugt von einer Prioritätensetzung, die mehr auf kurzfristige Haushaltskonsolidierung als auf mittel- und langfristige Versorgungsstabilität abzielt. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag ist das eine gefährliche Schieflage – und eine politische Einladung zur Gegenwehr.
Franziska Schubert, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Entwurf des Doppelhaushalts 2025/2026 in dieser Form nicht mittragen kann. Ihre Diagnose: eine „Spartherapie“, die mehr zerstört als erhält. 380 unbesetzte Hausarztstellen im vergangenen Jahr seien kein Warnsignal mehr, sondern der offene Befund eines Versorgungssystems im Rückzug. Hinzu kommt der dramatische Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten in vielen Regionen. Dass das Sozialministerium gerade jetzt Kürzungen bei Weiterbildungsbudgets und Modellprojekten wie dem geriatrischen Netzwerk in Görlitz plane, sei ein Realitätsverlust mit Ansage – insbesondere angesichts des demografischen Wandels, der eine alternde Bevölkerung nicht zur Ausnahme, sondern zur Regel macht.
Der Kontext dieser Entwicklung ist politisch wie strukturell aufgeladen. Sachsen wird von einer Minderheitsregierung aus CDU und SPD geführt, der im Landtag zehn Stimmen zur Mehrheit fehlen. Das zwingt die Koalition, oppositionelle Fraktionen frühzeitig einzubinden – in einem eigens etablierten Konsultationsmechanismus, der in Theorie Transparenz und Kompromiss ermöglichen soll. In der Praxis jedoch scheint dieser Mechanismus die grüne Opposition eher zu marginalisieren als zu inkludieren. Zwar ist die AfD von der Zusammenarbeit ausgeschlossen, was demokratietheoretisch geboten ist – doch das entbindet die Regierung nicht von der Pflicht, mit den demokratischen Fraktionen ernsthaft an tragfähigen Lösungen zu arbeiten.
Die Kürzungspläne im Bereich Gesundheit zeigen, wie schnell sich politische Kompromisse gegen das Gemeinwohl richten können, wenn ideologische Fixierungen auf Einsparungen wichtiger werden als strukturelle Vernunft. Der Verzicht auf Investitionen in die Weiterbildung gefährdet nicht nur den jetzigen Versorgungsstand, sondern zerstört auch Perspektiven für Nachwuchsmediziner. Modellprojekte, die intersektorale Zusammenarbeit fördern, wie das Geriatrienetzwerk Ostsachsen, sind keine Luxusprojekte – sie sind Bausteine für eine zukunftsfähige regionale Versorgung. Dass ausgerechnet hier der Rotstift angesetzt wird, offenbart ein Gesundheitsverständnis, das von bürokratischer Streichungslogik dominiert ist – nicht von medizinischer Verantwortung.
Hinzu kommt: Die Folgen solcher Kürzungen sind nicht nur abstrakt, sie sind konkret und betreffen Menschen. Wer heute ein geriatrisches Netzwerk zerschlägt, weil die Mittel gekürzt werden, der reduziert morgen Pflegeheime auf reine Verwahranstalten. Wer die Weiterbildung streicht, schafft übermorgen keine Nachfolger für ausscheidende Landärztinnen. Und wer die Gegenwart stabilisieren will, indem er in der Zukunft spart, untergräbt beide.
Vor diesem Hintergrund wirken die Änderungsanträge der Grünen wie ein verzweifelter Versuch, das politische Steuer herumzureißen. Tatsächlich geht es aber nicht um Parteitaktik, sondern um die Einhaltung des Verfassungsauftrags zur Daseinsvorsorge – ein Anspruch, der im Gesundheitssystem keine haushalterischen Ausnahmen duldet. Dass dieser Punkt in der parlamentarischen Debatte überhaupt umstritten ist, zeigt, wie tief die Krise der gesundheitspolitischen Orientierung reicht.
Der Haushalt wird im Juni verabschiedet – die Zeit drängt. Ob die Grünen mit ihren Änderungsanträgen durchdringen, ist offen. Aber ihre Warnung steht: „Ein dickes Minus bei unserer Gesundheit ist in jedem Fall keine Lösung.“ Wer diesen Satz ignoriert, verkennt nicht nur die Realität in Sachsens Wartezimmern, sondern auch das Versprechen politischer Verantwortung. Sparen ja – aber nicht auf Kosten der Versorgung. Wer an der falschen Stelle spart, riskiert mehr als Zahlen: Er riskiert Vertrauen, Gesundheit und das Fundament solidarischer Politik.
Inklusion verändert Alltag, Vertrauen wächst lokal, Apotheken zeigen Haltung
Wie ein Bote mit Down-Syndrom zur Versorgungsstärke beiträgt – und was andere daraus machen können
Inmitten der hitzig geführten Diskussion um Lieferengpässe, Apothekenschließungen und strukturelle Disparitäten im Gesundheitssystem scheint die folgende Geschichte beinahe zu leise. Doch wer genau hinhört, entdeckt darin eine gesellschaftliche Wucht, die sich nicht in Zahlen oder politischen Reformpapieren messen lässt: Robin Mutscheller, 37 Jahre alt, fährt an zwei Tagen in der Woche Medikamente aus – für eine Apotheke, in der er mehr ist als nur ein Teil der Botendienststruktur. Mutscheller lebt mit dem Down-Syndrom. Und weil er die Tour gemeinsam mit seinen Eltern absolviert, wird jeder Auslieferungsgang zur kleinen Familienfahrt – und zur stillen Herausforderung an die Gesundheitsbranche, Inklusion nicht als Projekt, sondern als Haltung zu begreifen.
Birgit Hölzer, Inhaberin der Apotheke, sagt es mit einfacher Klarheit: „Wir brauchten eine Lösung, und Robin ist diese Lösung.“ Die Personalnot war real, der Bedarf an verlässlicher Auslieferung ebenso. Dass beides auf eine Weise zusammenkam, die weit über organisatorische Pragmatik hinausweist, zeigt sich im Alltag: Wo andere Prozesse automatisieren, setzt Hölzer auf Beziehung. Wo andere über kulturelle Teilhabe sprechen, lebt ihr Betrieb sie – konkret, erfahrbar, menschenzentriert.
Dabei wirkt die Geschichte nicht nur innerhalb der Apotheke, sondern auch nach außen. Patientinnen und Patienten begegnen dem neuen Boten mit Offenheit, mit Wertschätzung, mit einem Lächeln. Die Resonanz sei durchweg positiv, berichtet das Team. Und das ist bemerkenswert – denn es zeigt, wie wenig Berührungsängste bestehen, wenn sich der Alltag nicht durch Ideologie, sondern durch Begegnung verändert. Was viele Programme zur beruflichen Integration bislang oft versäumt haben – nämlich die Normalisierung des Besonderen –, gelingt hier aus dem Moment heraus.
Der Blick auf das Besondere ist dabei kein Akt der Romantisierung. Inklusion ist keine PR-Strategie, sondern eine Entscheidung – für Verantwortung, für Vertrauen, für den Mut, gängige Prozesse zu hinterfragen. Wer das Beispiel Mutscheller auf andere Apotheken überträgt, erkennt sofort: Es gibt kein allgemeines Rezept. Jede Apotheke muss ihren Weg finden, jedes Team seinen Rhythmus, jedes Quartier seine Dynamik. Doch das Beispiel macht deutlich, dass sich auch in einem hochregulierten Umfeld wie dem Apothekenwesen Spielräume öffnen lassen – wenn man sie sucht.
Der Botendienst ist ohnehin ein unterschätzter Faktor im Wettbewerb mit dem Versandhandel. Er bringt nicht nur Arzneimittel, sondern auch Haltung zur Haustür. Wenn er zugleich ein Ort gelebter Inklusion wird, entstehen zusätzliche Effekte: Sichtbarkeit, Zugehörigkeit, lokale Verwurzelung. Das Vertrauen, das Apotheken für ihre Rolle in der Primärversorgung dringend brauchen, beginnt nicht selten auf dem Bürgersteig, wenn jemand die Klingel drückt und freundlich „Guten Tag, ich bin vom Apothekenbotendienst“ sagt – und dabei alle Vorstellungen davon sprengt, wie ein Bote zu sein hat.
Natürlich ist nicht jeder Tag leicht. Die Abläufe müssen eingeübt werden, die Verantwortung bleibt beim pharmazeutischen Team, und der rechtliche Rahmen erlaubt keine Kompromisse bei Qualität oder Sicherheit. Doch all das spricht nicht gegen solche Modelle – im Gegenteil: Es belegt, wie ernst man sie nimmt. Die Eltern von Robin Mutscheller begleiten ihn nicht nur aus familiärer Verbundenheit, sondern auch als Unterstützungssystem im Sinne des deutschen Arbeitsrechts. Ihre Präsenz ermöglicht eine rechtssichere, organisatorisch tragfähige Umsetzung. Das Modell ist somit nicht nur menschlich bewegend, sondern auch juristisch haltbar.
Im größeren Zusammenhang verweist der Fall auf eine Leerstelle in der Debatte über Inklusion: die Frage, wie Apotheken als soziale Räume Verantwortung übernehmen können – nicht nur als Leistungserbringer, sondern auch als Arbeitgeber. Während viele Großbetriebe über Diversity-Strategien schreiben, während Industriekonzerne ihre Inklusionsquoten angeben, bleibt das kleinteilige Gesundheitssystem oft außen vor. Und doch ist es genau dieser Bereich, in dem Begegnung unweigerlich stattfindet – direkt, unmittelbar, mit Wirkung auf beide Seiten des Tresens.
Dass Apotheken dies leisten können, zeigt das Beispiel Hölzer. Dass sie es leisten sollten, ergibt sich aus ihrer gesellschaftlichen Rolle. Denn wenn sie mehr sein wollen als Verteilzentren für Packungen, müssen sie Menschen ernst nehmen – nicht nur als Kunden, sondern auch als Kolleginnen und Kollegen. Robin Mutscheller ist kein Einzelfall im moralischen Sinne, wohl aber ein seltenes Beispiel gelebter Realität. Ihm und seiner Familie gebührt dafür Respekt. Der Branche aber stellt sich die größere Frage: Wer folgt?
Kapital als Kunst, Strategie als Selbstporträt, Realität als Prüfung
Wie DocMorris mit „Rembrandt“ die eigene Zukunft neu zeichnet – zwischen Marktlogik, Vision und regulatorischer Korrektur
Als DocMorris seine jüngste Kapitalmaßnahme unter dem Titel „Projekt Rembrandt“ veröffentlichte, mag mancher im Finanzmarkt kurz gestutzt haben. Der Name, kunstvoll und vielschichtig, zielt weit über das hinaus, was sonst nüchtern „Kapitalerhöhung“ heißt. Rembrandt, der Maler der Schatten, der Anatomien, der schonungslosen Selbstporträts – das klingt nicht nur nach Stil, sondern auch nach Risiko. Tatsächlich wurde das Projekt zu einer symbolbeladenen Operation, in der sich ökonomische Notwendigkeit, strategische Neupositionierung und mediale Selbstinszenierung auf eigentümliche Weise überlagern. Dass ausgerechnet ein Versandapothekenkonzern auf einen Künstler zurückgreift, der in Licht und Dunkelheit gleichermaßen zu Hause war, sagt viel über die Lage von DocMorris – und über den Blick der Führung auf sich selbst.
Denn hinter dem kunstvollen Titel verbirgt sich nichts Geringeres als ein massiver Eingriff in die Kapitalstruktur. Mit 200 Millionen Schweizer Franken wurde frisches Geld eingesammelt, um die Plattformstrategie des Unternehmens weiter zu finanzieren – ein Schritt, der angesichts zunehmender Kosten, wachsender politischer Skepsis und komplexer technologischer Herausforderungen kaum vermeidbar war. Zugleich aber drängt sich die Frage auf, ob damit nur Löcher gestopft oder tatsächlich neue Räume geöffnet werden sollen. Das Unternehmen, einst als Pionier der digitalen Arzneimittelversorgung gefeiert, sieht sich heute mit einem Markt konfrontiert, in dem der Wind schärfer weht – regulatorisch, wettbewerblich und reputativ. Während DocMorris expandiert, experimentiert und integriert, bleibt das Verhältnis zur stationären Apothekenlandschaft gespannt, das Vertrauen der Gesundheitspolitik fragil.
Wer sich „Rembrandt“ nennt, lädt zur Betrachtung ein – aber auch zur Kritik. Der Name ist ein Fenster, durch das man nicht nur das Projekt, sondern auch das Selbstverständnis der DocMorris-Führung betrachten kann. Es ist ein Bekenntnis zur Kunst des Möglichen, zur Eleganz der Strategie, aber auch zum Risiko der Überhöhung. Denn das Problem liegt nicht im Anspruch, sondern in der Erwartung: Der Kapitalmarkt verzeiht keine Fehleinschätzungen, und die Gesundheitspolitik verzeiht keine Arroganz. Die Herausforderung liegt daher weniger in der Kapitalerhöhung als in der Kapitalverwendung – und im Willen, nicht nur Plattform zu sein, sondern auch Partner. Ob das gelingt, entscheidet sich nicht im Rembrandt-Licht, sondern im rauen Tageslicht des regulatorischen Alltags.
Während sich Investoren wie Pelion offen zum Unternehmen bekennen, bleiben Fragen nach der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells offen. DocMorris will mehr sein als bloßer Arzneimittelversender: Gesundheitsbegleiter, Technologieplattform, Medikationsmanager. Diese Ambitionen verlangen nach Investitionen, nach IT-Kapazitäten, nach datengestützter Infrastruktur – doch der Return on Vision lässt auf sich warten. In der Zwischenzeit steigt der Druck, messbare Ergebnisse zu liefern, und der Handlungsspielraum schrumpft. Die Plattformstrategie ist komplexer als das alte Versandgeschäft, die Margen fragiler, die Schnittstellen zur öffentlichen Hand sensibler. In dieser Gemengelage wird aus einem Finanzprojekt schnell ein Glaubwürdigkeitstest – und genau das macht „Projekt Rembrandt“ zu mehr als einer Randnotiz auf dem Kapitalmarkt.
Denn jenseits aller Zahlen bleibt das Bild, das man von sich selbst malt. DocMorris möchte in einem Zug genannt werden mit Innovation, Versorgungssicherheit und digitaler Kompetenz. Doch jedes Bild ist nur so stark wie der Blick, der es prüft. Die Öffentlichkeit ist kritischer geworden, die Branche wacher, die Politik vorsichtiger. Mit Rembrandt auf dem Deckblatt segelt man nicht automatisch in die Zukunft – man riskiert auch, dass aus Licht Schatten wird. Die Kapitalerhöhung ist damit nicht nur Finanzspritze, sondern Selbstbekenntnis: ein Versuch, Kontrolle über das eigene Narrativ zurückzugewinnen und zugleich das System zu überzeugen, dass aus dem Apotheker der digitalen Moderne kein bloßer Händler geworden ist. Das wird sich nicht im stilisierten Selbstbild entscheiden, sondern in der Praxis: am Tresen, auf dem Bildschirm, im Alltag der Versorgung. Genau dort wird sich zeigen, ob die Metapher trägt – oder ob sie verblasst wie ein schlecht konserviertes Gemälde.
Politik verkennt Nähe, Sprache verfehlt Menschen, Apotheker kontern Symbolik
Wie Steinmeiers Halbsatz ein ganzes Berufsbild verletzt – und was daraus folgen muss
Es war eine Einladung an alle, ein Angebot zum Mitmachen, ein Signal für Zusammenhalt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier präsentierte am 23. Mai seine Vision eines künftigen nationalen Ehrentages, der Orientierung stiften und Gemeinschaft fördern soll. Doch kaum war die Ansprache verklungen, entzündete sich an einem einzigen Satz ein Sturm der Enttäuschung – nicht laut, aber schmerzhaft genau: „Da helfen junge Menschen Seniorinnen und Senioren bei WhatsApp und bei der Bestellung in der Online-Apotheke.“ Was für viele Bürgerinnen und Bürger harmlos klingt, trifft einen ganzen Berufsstand ins Mark. Es ist weniger die Rede selbst als der Subtext, der sich in diesen Satz hineinschleicht: Apothekerinnen und Apotheker als überflüssige Kulisse in einem digitalen Fortschrittsnarrativ. Menschliche Nähe, pharmazeutische Kompetenz, ortsgebundene Versorgung – all das scheint in Steinmeiers Bild nicht vorzukommen. Und doch sind es genau diese Elemente, die für Millionen Patientinnen und Patienten jeden Tag den Unterschied machen.
Der Zorn in den Apotheken kommt nicht zufällig. Er speist sich aus einem über Jahre gewachsenen Gefühl, nicht gehört, nicht gesehen, nicht gewürdigt zu werden. Wer tagtäglich unter Hochdruck gegen Lieferengpässe, Personalnot, Bürokratie und Dumpingpreise anarbeitet, wer mitunter Medikamente selbst durch das Viertel fährt, um schwerkranken Menschen das Notwendige zu bringen, der empfindet einen solchen Satz nicht als kleine Unachtsamkeit – sondern als Entwertung dessen, was vor Ort geleistet wird.
Dr. Christian Gerninghaus, Inhaber einer Apotheke in Schlitz, reagierte umgehend. Seine Worte: ein offener Appell auf Facebook, direkt an das Staatsoberhaupt gerichtet. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von 160.000 Mitarbeitenden in deutschen Apotheken“, schreibt er. Seine Argumentation: Drei Millionen Menschen pro Tag werden in Apotheken versorgt – persönlich, qualifiziert, empathisch, ohne Umweg. Eine Leistung, die sich nicht in Logistikketten oder Versandstrukturen abbilden lässt. Der Kontrast, den Gerninghaus beschreibt, könnte schärfer nicht sein: Während sich das Bild des Bundespräsidenten auf digitale Unterstützung fokussiert, verweisen Apotheken auf kontrollierte Abgabe, Kühlketten, Beratungsqualität – und auf eine Gemeinschaft, die real statt virtuell existiert.
Dass Gerninghaus mit seinem Unmut nicht allein steht, zeigt auch die Reaktion von Dr. Christian Ude, Präsident der Landesapothekerkammer Hessen. Auf LinkedIn beschreibt er Steinmeiers Formulierung als „große Enttäuschung für einen ganzen Berufstand“. Wer an einem Tag der Verbundenheit ausgerechnet die Online-Bestellung lobt, ignoriere das, was Apotheken tagtäglich ausmache: Nähe, Vertrauen, das gesprochene Wort zwischen Menschen. In einer Zeit, in der das Gesundheitswesen unter Dauerstress steht, werde mit solchen Bildern nicht nur Symbolpolitik betrieben – sondern auch Realität verzerrt.
Es ist ein gefährlicher Trend: Wenn politische Sprache die reale Versorgungssituation übermalt, wenn ausgerechnet höchste Repräsentanten die digitale Erzählung zum Ideal verklären, dann verliert die analoge Wirklichkeit an Geltung. Genau das aber, so Ude, sei der falsche Weg. Er lädt Steinmeier in seine Apotheke ein – nicht als Protest, sondern als Einladung zum Dialog, zur Rückbindung an das echte Leben. „Wir kämpfen jeden Tag für Menschlichkeit in unserem Land“, schreibt er. Ein Satz, der klingt wie eine Mahnung.
Denn die Kränkung liegt tiefer: Sie betrifft nicht nur ein Berufsbild, sondern die grundsätzliche Wertigkeit von Präsenz. Die Vorstellung, Arzneimittel könnten wie Bücher oder Socken bestellt, verpackt und anonym versendet werden, verkennt, was Versorgung bedeutet. Es geht um Risikoerkennung, Interaktionskontrolle, Krisenberatung – oft auch um das, was kein Onlineportal leisten kann: Blickkontakt, Zwischenfragen, spontane Hilfe. Wer das nicht berücksichtigt, argumentiert aus der Ferne.
Der Bundespräsident hat kein Gesetz erlassen, keine Reform verkündet, keine Honorare gestrichen. Und doch hat er in einem entscheidenden Moment ein Bild gezeichnet, das symbolische Wirkung entfaltet. Denn wenn politische Kommunikation suggeriert, Apotheken seien verzichtbar, entzieht das dem öffentlichen Diskurs die Grundlage für eine echte Debatte über Systemrelevanz. Die Reaktion der Apothekerschaft ist also mehr als Empfindlichkeit – sie ist Ausdruck eines kollektiven Bemühens, sichtbar zu bleiben in einer Welt, die zunehmend auf Datenströme und Automatisierung setzt.
Vielleicht war es nur ein Halbsatz. Vielleicht war es gut gemeint. Doch Wirkung und Intention verlaufen in der Politik nicht immer parallel. Und wenn ausgerechnet am Ehrentag der Gesellschaft ein Berufsstand das Gefühl bekommt, nicht mehr Teil dieser Gesellschaft zu sein, dann braucht es mehr als ein Statement. Es braucht Anerkennung – nicht nur im Wort, sondern im Bild.
Frösche imitieren Technik, Forscher überschreiten Grenzen, Namen stiften Bedeutung
Wie Madagaskars neue Arten klingen wie Tricorder, zu Popikonen werden und wissenschaftliche Neugier feiern
In den nächtlichen Höhenzügen Madagaskars, fernab vom Lärm der Zivilisation, hallen pfeifende Rufe durch die tropischen Baumkronen – keine gewöhnlichen Quaklaute, sondern klangliche Miniaturen, die an die akustischen Signaturen von Tricordern, Raumgleitern oder Bootsmannspfeifen erinnern. Es sind die Lockrufe neu identifizierter Baumfroscharten aus der Gattung Boophis, deren akustische Besonderheiten nicht nur in der Fachwelt für Aufhorchen sorgen. Sie führen zu einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen Biologie und Popkultur, zwischen entlegener Regenwald-Realität und interstellaren Science-Fiction-Visionen.
Das internationale Forschungsteam, das auf Madagaskar in entlegene Höhenzüge vordrang, tat mehr als nur zoologische Erhebungen: Es stieß auf ein taxonomisches Missverständnis mit System. Die Tiere, die in ihrer äußerlichen Morphologie bereits bekannten Arten glichen, offenbarten bei genauerer Analyse eine musikalische Eigenständigkeit – und damit das entscheidende Kriterium für ihre wissenschaftliche Neubewertung. Denn der Klang ihrer Rufe war nicht nur außergewöhnlich, sondern individuell reproduzierbar. Was bislang als Varianten derselben Spezies geführt wurde, erwies sich als eigenes Kapitel der Evolution.
In der Taxonomie zählt jeder Unterschied – das gilt für DNA-Sequenzen ebenso wie für Verhalten, Fortpflanzungsbiologie oder eben Lautmuster. Dass sich nun ausgerechnet diese Pfeiflaute als Bestimmungsmerkmal durchsetzten, ist ein seltenes, fast poetisches Beispiel für das Zusammenspiel von Sinnesbiologie und Arterkennung. Der Regenwald wird zur Bühne eines akustischen Auswahlverfahrens, bei dem nicht nur Weibchen, sondern nun auch Wissenschaftler selektieren. Die Folge: Die sieben neuen Arten wurden nicht einfach durchnummeriert, sondern erhalten Namen mit kulturellem Widerhall – Kirk, Picard, Sisko, Janeway, Archer, Burnham und Pike.
Diese Benennung ist keine Spielerei, sondern eine bewusste Wahl – mit doppelter Funktion. Sie ist erstens eine Brücke zur Öffentlichkeit, ein sprachlich-stilistischer Brückenschlag aus der Fachliteratur in die Lebenswelt einer breiteren Zielgruppe. Und sie ist zweitens ein Statement: für Forschungsfreiheit, Entdeckermut und den interdisziplinären Geist, den auch die fiktive Enterprise verkörpert. Die Parallele zwischen wissenschaftlicher Expedition und interstellarer Mission ist dabei nicht nur metaphorisch gemeint. Wer sich in Madagaskars Nebelwälder wagt, nimmt vergleichbare Risiken auf sich wie Captain Kirk bei der Landung auf unbekannten Planeten: Unwägbarkeiten, Isolation, logistische Herausforderungen, klimatische Extreme.
Dazu passt auch das überraschende akustische Ergebnis. Die Frösche nutzen eine ungewöhnlich hohe Tonfrequenz – evolutionär betrachtet ein logischer Zug, um sich inmitten tosenden Wassers, zirpender Insekten und prasselnden Regens akustisch durchzusetzen. Ihre Laute durchschneiden die Klangwand des tropischen Umfelds wie ein Signal an fremde Welten. So wird aus einem Sexualruf ein Überlebensinstrument – und in der wissenschaftlichen Rückschau ein Hinweis auf eine bislang überhörte Biodiversität.
Hier liegt auch ein zentraler Punkt: Die Verwechslungsgefahr mit optisch ähnlichen Arten verweist auf ein strukturelles Problem in der Erfassung biologischer Vielfalt. Gerade in artenreichen, schlecht erforschten Regionen drohen zahlreiche Spezies in Sammelkategorien zu verschwinden – nicht aus böser Absicht, sondern aus methodischer Begrenzung. Die Froschstudie belegt, wie entscheidend neue Ansätze – von Bioakustik bis Genetik – sind, um die biologische Wirklichkeit wirklich abzubilden. Und sie zeigt, dass Biodiversität nicht nur eine Frage des Bestands, sondern auch der Aufmerksamkeit ist.
Denn jede neue Art verändert auch den Blick auf die alten. Wenn man heute von Boophis marojezensis spricht, meint man nicht mehr einheitlich klingende Vertreter einer Population, sondern ein Mosaik individueller Stimmen – eine Kakophonie der Diversität, die plötzlich zur Sinfonie wird. Dass diese Stimmen Namen wie Picard oder Burnham tragen, mag irritieren – doch genau das ist die Stärke: Wissenschaft, die nicht abschottet, sondern erzählt. Die nicht nur klassifiziert, sondern kommuniziert. Die sich nicht hinter Fachbegriffen verschanzt, sondern kulturelle Codes nutzt, um Bedeutung zu erzeugen.
So mutiert die Forschung selbst zur Erzählung, in der Expedition, Erkenntnis und gesellschaftliche Anschlussfähigkeit ein Ganzes bilden. Der Klang dieser Frösche ist damit nicht nur Teil des natürlichen Repertoires – er ist Echo einer Idee, dass Naturbeobachtung, Kreativität und kultureller Dialog keine Gegensätze sein müssen. In diesem Sinne ist es fast folgerichtig, dass Madagaskars nächtlicher Regenwald plötzlich klingt wie ein Ort aus einer anderen Galaxie.
Glosse: Testfall auf Rezept, Theater auf Knopfdruck, Kammer als Jury
Wie Dr. Frederike Kniffke die Apotheken prüft, die Wahrheit inszeniert und mit einem Druckfehler ganze Versorgungsketten entlarvt
Wenn die Welt am HV-Tisch zur Bühne wird, ist sie nicht weit: Dr. Frederike Kniffke, PharmDr, Pseudo-Person, Kammerkraft im Auftrag der Arzneimittelsicherheit. Ihr Terrain: Rezept, Reaktion, Relevanz. Ihr Werkzeug: ein gefälschter Humira-Vordruck mit minimaler Makelgröße. Ihr Ziel: die Präzisionsprüfung unter Realbedingungen – ohne Netz, aber mit doppeltem Boden. Sie nennt es „offizinisches Erkenntnistheater“. Andere sagen: ziemlich frech.
Es ist Freitag, kurz vor Feierabend. Die Schiebetür klackt träge, die HV-Kräfte sehen müde aus, das Thermometer zeigt Apothekenalltag. Doch was dann kommt, ist ein Wechsel der Dimension: Kniffke tritt auf. Trenchcoat, Tasche, Haltung wie in einer Arte-Doku. Das Rezept in ihrer Hand ist makellos – fast. Nur die Krankenkassenzeile weicht typografisch ab, um exakt 0,4 Punkt. Wer’s merkt, gewinnt. Wer’s übersieht, hat verloren. Und das nicht nur moralisch, sondern womöglich auch finanziell: Denn die Kammer lobt zwei beitragsfreie Jahre aus. Willkommen im Wettbewerb um Wahrnehmung.
Natürlich ist Kniffke nicht allein. Ihr Begleitfahrzeug, klimaneutral, mit Spitzenausstattung und Sichtverbindung zum HV, dient der Protokollierung. Jede Codewort-Floskel, jede Reaktionssekunde wird gespeichert. „Pfiffigkeit“ ist intern gleichgesetzt mit „bestehenswürdig“. Und während Kniffke scheinbar freundlich um ein Medikament bittet, nimmt das Testprotokoll Fahrt auf. Ein falsches Stirnrunzeln, eine richtige Rückfrage – schon beginnt der apothekerliche Krimi.
Doch dann kippt das Spiel ins Surreale: Zwei echte Polizisten stürmen die Offizin, weil die Dramaturgie eine Pointe braucht. Der HV friert ein, der Inhaber schluckt. Kniffke aber bleibt cool. Mit einer Geste zwischen medizinischer Offenbarung und Showeinlage zieht sie den Kammerausweis. Es folgt eine Gratulation, ein Polaroid, ein Versprechen. Der Apothekenleiter wird auf der Kammer-Website als Reaktionschampion gefeiert – bis jemand schneller ist.
Der Kommentar ist längst Teil der Erzählung: Was wie ein Theaterstück wirkt, ist bitterer Ernst. Die Rezeptfälschungen häufen sich. Krebsmedikamente, GLP-1-Agonisten, Schmerztherapeutika – alles, was teuer ist, wird Zielscheibe krimineller Kreativität. Die Kassen warnen, das BKA alarmiert, die Realität hinkt. Kniffke ist eine Antwort darauf – überzeichnet, aber notwendig. Denn der größte Feind der Sicherheit ist nicht die Fälschung selbst, sondern ihre Unauffälligkeit. Wer sie nicht erkennt, öffnet die Tür zur Manipulation.
Ist das noch Aufklärung oder schon autorisierte Übergriffigkeit? Was als pfiffige Aktion startet, wird zum Prüfstein apothekerlicher Wachsamkeit. Und die Lehre? Niemand ist sicher. Nicht mal die Sicherheit selbst. Es sei denn, man schaut genau hin. Und kennt den Unterschied zwischen Arial 10,5 und Arial 11.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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