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  • 23.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Vergütung kippt Strukturen, Hacker destabilisieren Vertrauen, Produktion untergräbt Sicherheit
    23.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Vergütung kippt Strukturen, Hacker destabilisieren Vertrauen, Produktion untergräbt Sicherheit
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Honorarkrise, Cyberangriffe, Produktionsstopps: Wie Apotheken in Deutschland zunehmend zwischen politischer Lethargie und systemischer Unt...

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Vergütung kippt Strukturen, Hacker destabilisieren Vertrauen, Produktion untergräbt Sicherheit

 

Wie Apotheken unter politischer Untätigkeit, digitaler Verwundbarkeit und regulatorischem Umweltdruck leiden

Apotheken geraten zunehmend in eine Dreifachkrise, deren Ursachen zwar klar benennbar, aber politisch bislang unzureichend beantwortet sind. Die stagnierenden Honorare bilden dabei mehr als nur ein finanzielles Problem – sie sind Ausdruck einer systemischen Entwertung pharmazeutischer Versorgung, die Apotheken immer stärker zu reaktiven Dienstleistern degradiert, statt ihnen Raum für strukturelle Mitgestaltung zu geben. Parallel dazu offenbart der jüngste Cyberangriff auf den Versandhändler Volksversand eine empfindliche Schwachstelle der digitalen Infrastruktur: Wo Medikationsdaten, Adressen und Zahlungsinformationen potenziell kompromittiert werden, steht mehr auf dem Spiel als Datenschutz – es geht um Vertrauen in die digitale Arzneimittelversorgung. Dritte Achse der Krise ist der geplante Rückzug von Sandoz aus der Salbutamol-Produktion. Ausgelöst durch die regulatorische Zielsetzung, fluorierte Treibhausgase zu verbannen, droht nicht nur eine Versorgungslücke bei einem lebenswichtigen Asthmamittel, sondern auch ein Zielkonflikt zwischen Umweltregulierung und akuter Therapie. Was sich hier entfaltet, ist kein isoliertes Versorgungsversagen, sondern eine strukturelle Kaskade, in der politische Lethargie, ökonomischer Druck und regulatorische Ideallogik kollidieren. Apotheken sind dabei nicht bloß Leidtragende, sondern systemische Frühwarnstellen. Doch anstatt Lösungen zu skizzieren, bleibt die Politik auf Tauchstation – und überlässt den Apotheken das Risiko.

 

Vergütung stagniert, Versorgung leidet, Politik laviert

Apothekenhonorare bleiben Symbol statt Steuerungsinstrument – und die ePA füllt sich nicht von allein

Wenn über Apotheken gesprochen wird, geht es in der öffentlichen Debatte meist um Arzneimittelversorgung, gelegentlich um Lieferengpässe – selten aber um das Fundament ihrer Arbeit: die Honorierung. Dabei ist genau dieses Thema längst zum Kipppunkt geworden. Was früher als stabile Säule im Gesundheitswesen galt, droht zur Sollbruchstelle zu werden. Seit Jahren stagnieren die Vergütungspauschalen, während Aufgaben und Anforderungen kontinuierlich steigen. Die Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen, neue digitale Schnittstellen und die steigende Erwartungshaltung seitens der Politik und Öffentlichkeit sind nicht ohne Auswirkungen geblieben – doch die finanzielle Anerkennung blieb aus.

Stattdessen erleben Apotheken eine Art ritualisierte Reformvermeidung. Der Gesetzgeber hangelt sich von Symbolentscheidung zu Pilotprojekt, verwechselt Aktionismus mit Strategie und lässt dabei ein Berufsbild ausbluten, das maßgeblich für wohnortnahe Versorgung steht. Dass das E-Rezept noch immer nicht flächendeckend praktikabel funktioniert, ist dabei nur das sichtbarste Symptom eines systemischen Versagens. Auch die elektronische Patientenakte (ePA), einst als Schlüssel zu integrierter Versorgung gepriesen, wird von den wenigsten aktiv genutzt. Ihre technische Existenz wird nicht zur gelebten Realität – ein digitales Gehäuse ohne inhaltliche Füllung.

Was aus Sicht der Politik wie Zukunftstechnologie aussieht, ist für viele Apotheker:innen Alltag mit Anachronismen: technische Instabilitäten, unklare Zuständigkeiten, ein bürokratisches Labyrinth, in dem jede neue Lösung gleich wieder zum Problem wird. Die Kosten für die Implementierung digitaler Prozesse liegen häufig bei den Apotheken selbst, während die politischen Gremien auf Erprobung und Nachjustierung setzen. Es ist ein Verfahren, das auf Verschleiß fährt – und zwar den der Beteiligten.

Genau hier muss sich die Perspektive verschieben: Wer gute Versorgung will, muss sie nicht nur technisch ermöglichen, sondern strukturell ermöglichen. Und das beginnt mit der Frage, was eine Apotheke leisten soll – und was diese Leistung wert ist. Denn die Debatte über die Honorierung ist keine betriebswirtschaftliche Randnotiz, sondern ein Maßstab für die Ernsthaftigkeit gesundheits­politischer Prioritätensetzung.

Dass es auch anders geht, zeigt der Blick nach Japan. In einer alternden Gesellschaft hat man dort nicht nur das Versorgungssystem angepasst, sondern auch klare Verantwortlichkeiten definiert. Apotheker:innen sind eingebunden in ein Netzwerk gesundheitlicher Vorsorge und Nachsorge, ihre Arbeit ist strukturell verankert und finanziell anerkannt. Deutschland hingegen leistet sich die Absurdität, einerseits neue Versorgungsrollen einzufordern, andererseits aber an einem Honorarsystem festzuhalten, das auf vergangene Bedürfnisse zugeschnitten ist.

Das alles geschieht in einer Gemengelage, in der Konzepte wie digitale Medikationspläne, Arzneimittelinformation und Dokumentationspflichten permanent erweitert werden – ohne dass sich daraus eine konsistente Gesamtstrategie ergibt. Stattdessen entstehen parallel laufende Modelle, die sich oft gegenseitig neutralisieren: die App hier, die Plattform dort, das Portal beim Ministerium. Was fehlt, ist Kohärenz.

Was sich dabei wie ein technisches Problem lesen lässt, ist in Wahrheit ein kulturelles: Der deutsche Reformdiskurs operiert in Modulen, nicht in Systemen. Es fehlt an Mut, Zuständigkeit neu zu denken, Zustandsdiagnosen in handlungsleitende Konsequenzen zu überführen. Genau das aber wäre erforderlich, um Apotheken nicht nur zu entlasten, sondern sie als aktive Steuerungsinstanzen im Versorgungssystem zu etablieren. Wer das nicht erkennt, wird weiter an Symptomen doktern – bis der Systemkollaps nicht mehr durch Digitalisierung, sondern nur noch durch Strukturbruch sichtbar wird.

Inmitten all dessen stehen Apotheken – überarbeitet, unterfinanziert, strukturell allein. Sie liefern Leistungen, die zunehmend weder abgebildet noch abgegolten werden. Wenn die elektronische Patientenakte ein leeres Versprechen bleibt und das E-Rezept zur digitalen Sackgasse verkommt, dann nicht, weil Apotheken versagen – sondern weil ihnen die Mitgestaltung verweigert wird. Eine Politik, die von Versorgung redet, ohne Vergütung zu verstehen, produziert Vertrauen nur als Rhetorik. Doch Vertrauen lebt nicht von Technik, sondern von Anerkennung. Und die beginnt dort, wo man Leistungen nicht als Kostenfaktor, sondern als Wert erkennt.

 

Hacker brechen digitale Arzneigrenzen, Kunden fürchten Datenmissbrauch, Apothekensicherheit steht infrage

Volksversand nach Cyberangriff unter Druck, Datenleck könnte sensible Medikationsinformationen betreffen

Der Angriff kam digital, aber die Folgen sind real: Beim tschechischen Versandapothekenanbieter Volksversand ist es zu einem gezielten Hackerangriff gekommen, bei dem Unbefugte in den Webshop eindrangen. Das Unternehmen mit Sitz in Liberec bestätigte einen „unbefugten Zugriff“ auf seine Systeme und hat nach eigenen Angaben sofort interne Sicherheitsprotokolle aktiviert sowie die zuständigen Datenschutzbehörden informiert. Die Versandapotheke, die vor allem Kunden in Deutschland beliefert, prüft aktuell das genaue Ausmaß des Vorfalls. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sensible Kundendaten wie Namen, Adressen, Bestellverläufe und womöglich auch Zahlungsinformationen betroffen seien.

Was als technischer Vorfall erscheint, ist mehr als ein digitaler Betriebsunfall. In einer Zeit, in der der Versand von Arzneimitteln längst zu einem festen Bestandteil der Versorgung geworden ist, berührt ein solcher Angriff den Kern des Vertrauensverhältnisses zwischen Apotheken und Patienten. Wenn Gesundheitsdaten gefährdet sind, geht es nicht nur um Datenschutz im juristischen Sinne – es geht um persönliche Integrität und das Grundversprechen, dass niemand durch seine Krankheit digital verletzlicher werden darf. Dass die Versandapotheke nun transparent kommuniziert und mit den Behörden kooperiert, ist notwendig, aber nicht ausreichend: Die Frage stellt sich, wie viele Apotheken, insbesondere international aufgestellte Anbieter, über ausreichend robuste IT-Infrastrukturen verfügen, um Cyberbedrohungen nicht nur zu registrieren, sondern aktiv zu verhindern.

Die Volksversand-Apotheke zeigt sich zwar handlungsbereit, doch der Vorfall offenbart strukturelle Schwächen in einem wachsenden Versorgungsmodell. Je mehr Apothekenleistungen digitalisiert und automatisiert werden, desto dringlicher wird ein Systemschutz, der nicht nur auf Reaktion, sondern auf Resilienz setzt. Prävention, Schulung, Monitoring und ein branchenspezifisches Frühwarnsystem gehören längst zur Pflicht, nicht zur Kür. Denn die Gefahr ist nicht hypothetisch: Arzneimittelbestellungen enthalten Rückschlüsse auf Krankheitsbilder, psychische Diagnosen, Therapieverläufe. Ein Datenleck in diesem Bereich ist keine Nebensache – es ist ein direkter Angriff auf die Intimsphäre der Patienten.

Die jetzt bekannt gewordene Cyberattacke könnte daher weitreichendere Folgen haben, als es der nüchterne Begriff „unbefugter Zugriff“ vermuten lässt. Sie stellt die digitale Widerstandskraft eines ganzen Versorgungskanals infrage. Dabei ist die Versandapotheke für viele Menschen – gerade im ländlichen Raum – zur festen Größe geworden, nicht zuletzt durch die zunehmende Akzeptanz des E-Rezepts und die Versorgungsengpässe im stationären Bereich. Umso kritischer ist zu bewerten, dass bislang keine verbindlichen digitalen Sicherheitsstandards für Online-Apotheken auf europäischer Ebene existieren. Die Regulierung hinkt der Realität hinterher – ein Vakuum, das Cyberkriminelle nur zu gerne ausnutzen.

In einer Zeit, in der der digitale Wandel den Gesundheitssektor transformiert, darf Sicherheit nicht länger nachrangig behandelt werden. Es braucht klare gesetzliche Leitplanken, definierte Mindeststandards für Apotheken-IT und vor allem eine Einsicht: Digitale Gesundheit ist nur dann zukunftsfähig, wenn sie nicht nur praktisch, sondern auch sicher ist. Der Fall Volksversand könnte ein Weckruf sein – wenn man ihn als solchen versteht.

 

Rettungsfehler als Staatsversagen, Patientenschutz als Maßstab, Beweislast als Gerechtigkeitsfrage

Was der BGH mit einem Urteil über Leitstellen entscheidet – und wie daraus ein Recht auf Kontrolle entsteht

Es war ein Notruf wie viele: Eine hochschwangere Frau meldet sich bei der Rettungsleitstelle, klagt über starke Schmerzen. Die Einsatzleitung schickt einen Rettungswagen – ohne Notarzt. Stunden später wird das Kind geboren, schwer geschädigt. Ein Jahr später stirbt es. Die Eltern verklagen den Träger der Rettungsstelle – und nun urteilt der Bundesgerichtshof (BGH): Gibt es Zweifel an der Richtigkeit der Leitstellenentscheidung, ist ein medizinisches Gutachten zur Klärung zwingend erforderlich. Liegt zudem ein grober Fehler vor, kehrt sich die Beweislast um – dann muss der Staat beweisen, dass er korrekt gehandelt hat.

Was auf den ersten Blick wie eine juristische Verfahrensfrage erscheint, offenbart bei genauerer Betrachtung ein strukturelles Ungleichgewicht im Verhältnis von Bürgern und Behörden: Bisher mussten Betroffene nachweisen, dass ein Fehler vorlag – eine faktisch kaum zu bewältigende Aufgabe angesichts der Informationsasymmetrie und der Komplexität medizinischer Entscheidungen. Mit dem BGH-Urteil wird dieses Missverhältnis zumindest teilweise korrigiert. Die Entscheidung stärkt das Vertrauen in ein Rechtssystem, das staatliche Institutionen nicht schützt, sondern prüft. Besonders bedeutsam ist die Feststellung, dass Routineprotokolle und Standardverfahrensweisen nicht pauschal als Entlastung ausreichen – entscheidend ist, was medizinisch geboten gewesen wäre, nicht nur, was organisatorisch vorgesehen war.

Damit rückt das Urteil auch die Rolle von Rettungsleitstellen in ein neues Licht. Sie agieren nicht nur als technische Koordinationsstellen, sondern als medizinisch bewertende Instanzen mit unmittelbarer Verantwortung. Der Anruf in der Zentrale ist oft der erste und einzige Moment, in dem über Leben, Gesundheit oder bleibende Schäden entschieden wird – ein Moment, der nicht delegiert werden kann. In dieser Konstellation ist es unerlässlich, dass jede Entscheidung überprüfbar bleibt. Nicht, um Schuldige zu finden, sondern um Gerechtigkeit zu ermöglichen.

Die BGH-Richter unterstreichen in ihrem Urteil, dass die Anforderungen an staatliche Sorgfaltspflichten nicht mit dem Einsatzfahrzeug enden. Wenn in einer Notsituation medizinisch relevante Informationen erkennbar waren und dennoch keine ärztliche Begleitung entsandt wurde, ist eine Überprüfung geboten – unabhängig davon, ob das Personal der Leitstelle „nach bestem Wissen und Gewissen“ handelte. Maßstab bleibt die medizinische Notwendigkeit – nicht der Dienstplan. Genau hier liegt der Kern des Urteils: Der Rechtsstaat darf sich nicht auf institutionelle Automatisierung zurückziehen, wenn individuelle Schicksale auf dem Spiel stehen.

Für die Eltern des verstorbenen Kindes bedeutet das Urteil keine Wiedergutmachung, aber vielleicht Gerechtigkeit. Für Rettungsdienste, Leitstellen und Behörden wird es zur Verpflichtung, die eigenen Standards und Abläufe neu zu kalibrieren. Und für alle, die im Notfall auf Hilfe hoffen, ist es ein Signal: Das war es noch nicht. Rechte müssen nicht nur bestehen – sie müssen durchsetzbar sein. Genau darin liegt der Fortschritt dieses Urteils: Nicht in der Theorie der Haftung, sondern in der praktischen Chance auf Gehör.

 

Honorar muss steigen, Strukturen müssen stehen, Verantwortung muss übernommen werden

Wie CDU und Apothekerschaft das Apothekensterben gemeinsam politisch angreifen wollen

In Enger, einer Stadt im ostwestfälischen Kreis Herford, traf der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Ebmeyer auf Jens Kosmiky, Apotheker und Vorsitzender der AVWL-Bezirksgruppe Herford. Was auf den ersten Blick wie ein lokales Gespräch wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein strategisch aufgeladener Dialog über das Überleben einer ganzen Versorgungsstruktur. Denn auch im ländlichen Raum, wo Apotheken oft die letzte Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten sind, droht der schleichende Rückzug – mit spürbaren Folgen für die Gesundheitsversorgung.

Joachim Ebmeyer, selbst Vater zweier kleiner Kinder, kennt die Bedeutung einer wohnortnahen Apotheke im Alltag – besonders in Notfällen. In seinem Wahlkreis sei das Apothekennetz bereits deutlich ausgedünnt: 20 Prozent der Betriebe haben seit 2014 geschlossen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, die Sorge des Politikers ist mehr als ein Bauchgefühl. „Die Apotheken sind als erste Anlaufstelle in vielen Gesundheitsfragen in weniger dicht besiedelten Gebieten unabdingbar“, erklärte Ebmeyer – und stellte klar: Die Koalition hat das Problem erkannt.

Doch Erkenntnis allein reicht nicht. Apotheker Kosmiky benennt den Kern des Problems mit entwaffnender Präzision: „Die Apotheken sind chronisch unterfinanziert.“ Seit über 20 Jahren sei das staatlich regulierte Honorar nicht substanziell angepasst worden. Gleichzeitig steigen Löhne, Energiekosten und Versicherungsprämien. Inzwischen schreiben sieben Prozent der Apotheken rote Zahlen, ein Viertel gilt als wirtschaftlich stark gefährdet. Kosmiky mahnt: „Wenn weitere Apotheken schließen, werden Wege für Patienten länger, Wartezeiten steigen – das System wird ungleich belastet.“

Was wie eine betriebswirtschaftliche Lagebeschreibung beginnt, entpuppt sich als strukturelles Warnsignal. Der CDU-Abgeordnete sieht in der im Koalitionsvertrag verankerten Honorarerhöhung einen „ersten wichtigen Schritt“, dem aber weitere folgen müssten. Bürokratieabbau, gezielte Aufgabenverlagerung auf Apotheken und eine strukturelle Einbindung in die Versorgungsarchitektur – all das müsse jetzt mit Nachdruck umgesetzt werden. Die politische Botschaft lautet: Wer Apotheken stärken will, muss ihnen nicht nur Vertrauen, sondern auch Verantwortung und Mittel übertragen.

Was in einem kommunalen Dialog zur Sprache kommt, könnte als Blaupause für die Bundespolitik dienen. Kosmiky bringt es auf den Punkt: „Wir Apotheken stehen bereit, mehr für Prävention und Erstversorgung zu leisten – aber wir brauchen den politischen Auftrag und ein funktionierendes Netz.“ Sein Appell richtet sich weniger an einen Gesprächspartner als an ein ganzes Regierungssystem, das die Rolle der Apotheken jahrzehntelang als selbstverständlich betrachtete, ohne sie strukturell weiterzuentwickeln.

Die CDU gibt sich bemüht, diesen Fehler zu korrigieren. Ebmeyer verweist auf die Bereitschaft seiner Fraktion, nicht nur finanzielle, sondern auch strukturelle Weichenstellungen vorzunehmen. Doch die Zeit arbeitet gegen die Reform: Jede weitere geschlossene Apotheke ist ein Versorgungsloch, das sich nicht einfach stopfen lässt.

Was in Enger diskutiert wurde, ist keine regionale Randnotiz, sondern ein Brennglas der bundesweiten Versorgungskrise. Wenn politische Handlungssignale nicht rasch in strukturelle Realität überführt werden, droht nicht nur ein wirtschaftlicher Aderlass in der Apothekerschaft – sondern ein nachhaltiger Verlust an Versorgungssicherheit. Das Gespräch in Enger ist ein Weckruf, der nicht im Lokaljournalismus verhallen darf.

Wenn aus Verantwortung Worte werden, braucht es den nächsten Schritt: Umsetzung. Denn ein Koalitionsvertrag ist kein Versorgungsvertrag. Und eine politische Erkenntnis ist kein Ersatz für eine strukturelle Entscheidung. Apothekenpolitik im Jahr 2025 heißt: Die Zeit zu handeln ist jetzt.

 

Piechotta übernimmt Verantwortung, Gürpinar tritt an, Oppositionsrolle wird neu definiert

Wie Grüne und Linke ihre gesundheitspolitischen Zuständigkeiten für Apothekenpolitik aufstellen

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat ihre gesundheitspolitischen Zuständigkeiten neu bestätigt – und setzt dabei auf personelle Kontinuität: Paula Piechotta bleibt auch in der neuen Legislaturperiode zuständig für das Themengebiet Apotheken. Die promovierte Ärztin und Bundestagsabgeordnete aus Leipzig war bereits während der letzten Wahlperiode Berichterstatterin für Apothekenfragen und wird diese Rolle nun aus der Opposition heraus fortführen. Auch Dr. Janosch Dahmen bleibt gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion, was auf eine strategische Verstetigung der gesundheitspolitischen Linie hinweist.

Der Übergang von der Regierungs- in die Oppositionsrolle verändert jedoch das Gewicht parlamentarischer Einflussmöglichkeiten – und stellt die handelnden Personen vor neue Herausforderungen. In einer Regierung lässt sich gestalten, in der Opposition vor allem fordern, mahnen, positionieren. Gerade in Zeiten politisch angespannter Debatten um Apothekenvergütung, Lieferengpässe und Versorgungsgerechtigkeit ist dieser Rollenwechsel kein bloß formaler: Die Grünen müssen ihren gesundheitspolitischen Markenkern ohne direkte Regierungsverantwortung behaupten.

Gleichzeitig strukturiert sich auch die Fraktion der Linken in diesem Bereich neu. Ates Gürpinar, bayerischer Bundestagsabgeordneter und bereits in der vorherigen Legislaturperiode im Gesundheitsausschuss vertreten, übernimmt die Zuständigkeit für Arzneimittel- und Apothekenpolitik. Er folgt auf Kathrin Vogler, die nicht mehr zur Bundestagswahl angetreten war. Gürpinar bringt gesundheitspolitische Erfahrung und rhetorische Schärfe mit, wird aber ebenfalls die begrenzten Handlungsspielräume der Opposition ausloten müssen.

Bemerkenswert ist, dass beide Parteien – Grüne und Linke – in ihrer Neuaufstellung auf erfahrene, bereits etablierte Parlamentarier setzen. Anstelle von Neuanfang lautet das Signal: Weiterarbeit mit Wiedererkennungswert. Für die Apotheken bedeutet das potenziell verlässliche Ansprechpartner in einem zunehmend fragmentierten gesundheitspolitischen Umfeld. Die Bundestagsdebatten zur Apothekenfinanzierung, Digitalisierung und Versorgungsarchitektur der kommenden Monate werden zeigen, ob aus dieser personellen Stabilität auch politische Wirksamkeit entsteht.

Die Bestätigung von Piechotta in dieser Schlüsselrolle belegt zugleich eine strategische Zielrichtung: Apothekenpolitik bleibt auch für die Grünen ein zentrales Themenfeld – nicht trotz, sondern gerade wegen der neuen Oppositionsrolle. Denn Opposition verpflichtet zur Schärfung des Profils, zur inhaltlichen Abgrenzung und zur Verstärkung parlamentarischer Kontrolle. Der Anspruch ist hoch: Mit weniger Einfluss mehr Wirkung zu erzielen.

 

Starke Stimme, schwache Marge, klare Warnung

Phagro bestätigt Führungsspitze und fordert gesetzliche Sicherung der Großhandelsvergütung

Der Großhandelsverband Phagro setzt weiter auf Kontinuität – und auf Konfrontation, wenn es um den Erhalt der wirtschaftlichen Grundlagen der Arzneimittelversorgung geht. Marcus Freitag, Deutschlandchef des Pharmagroßhändlers Phoenix, wurde für weitere zwei Jahre als Vorsitzender des Verbands bestätigt. Unterstützt wird er künftig von Kerem Inanc, Geschäftsführer von Alliance Healthcare Deutschland. Die neue Doppelspitze steht in einem entscheidenden Moment an der Spitze des Verbands: Der Streit um das Skonto-Verbot entwickelt sich zur Grundsatzfrage über die Zukunft des Großhandels und die Sicherung der Arzneimittelverteilung.

Freitag nutzte die Mitgliederversammlung für eine klare Ansage: Der Pharmagroßhandel sei „eine Branche, ohne die eine flächendeckende Arzneimittelversorgung undenkbar“ sei. Man werde daher „weiter entschieden vor negativen Folgen politischer Maßnahmen warnen“. Inanc ergänzte, dass jede Stärkung der Apotheken, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt sei, nicht zu einer Schwächung des Großhandels führen dürfe. „Wir brauchen eine gesicherte Mindestvergütung zum Erhalt unserer Leistungsfähigkeit“, so Inanc. Die Mitgliedsunternehmen des Phagro sehen in der aktuellen politischen Debatte ein ernstzunehmendes Risiko: Insbesondere die angekündigte Aufhebung des Skonto-Verbots drohe, die Wirtschaftlichkeit des Handelswegs massiv zu untergraben.

Die Zahlen untermauern die Sorge: Die Großhandelsmarge sei im vergangenen Jahr auf ein historisches Tief von 3,77 Prozent gesunken. Gleichzeitig bleibe der gesetzliche Festzuschlag bei 73 Cent pro Packung ein entscheidendes Instrument zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ohne diesen Zuschlag drohten Versorgungsabbrüche, insbesondere im ländlichen Raum und bei temperaturempfindlichen Arzneimitteln. Was als technisch klingende Frage der Handelsvergütung erscheint, ist in Wahrheit ein politischer Prüfstein für das Gesundheitswesen: Wird Effizienz zur Deckungsvorgabe – oder Versorgung zum Maßstab des Handelns?

Der Phagro formuliert seine Antwort unmissverständlich: Wer am Skonto-Verbot rüttelt, riskiert das Fundament der Apothekenlogistik. Die Gleichzeitigkeit von Margendruck, politischer Erwartungshaltung und strukturellem Reformstau verschärft die Ausgangslage zusätzlich. In diesem Kontext gewinnt die Bestätigung Freitags als Vorsitzender doppelte Bedeutung – als personelle Kontinuität und strategisches Signal zugleich. Es geht nicht nur um Köpfe – es geht um den Kurs.

 

Produktion endet, Versorgung bricht, Umweltziel wankt

Wie Sandoz’ Rückzug bei Salbutamol die Medikamentensicherheit bedroht, Klimaziele konfrontiert und politische Passivität offenlegt

Die geplante Ausphasung der Salbutamol-Produktion durch Sandoz für den europäischen Markt markiert einen stillen, aber folgenreichen Einschnitt in die Versorgungslandschaft für Millionen Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen. Während die europäische Umweltgesetzgebung das Ziel verfolgt, fluorierte Treibhausgase (HFA) bis 2050 vollständig zu verbannen, geraten zentrale Medikamente wie Salbutamol unter Druck – nicht wegen mangelnder medizinischer Evidenz, sondern wegen ihrer galenischen Form. Dosieraerosole, die bislang auf HFA basieren, geraten dadurch zunehmend in regulatorisches Fahrwasser. Für viele Betroffene ist Salbutamol nicht einfach ein Standardpräparat, sondern ein lebenswichtiges Notfallmedikament – der Griff zum Inhalator im Anfall entscheidet oft über Klinik oder Kontrolle.

Dass Sandoz nun ankündigt, die Produktion dieser Inhalatoren in den kommenden Jahren zu beenden, wirft ein Schlaglicht auf eine tiefere strukturelle Schieflage. Der Rückzug des Konzerns ist nicht isoliert zu betrachten, sondern steht exemplarisch für eine stille Erosion pharmazeutischer Produktionsverantwortung in Europa. Lieferengpässe bei Salbutamol werden seit Monaten gemeldet, nun droht daraus ein chronisches Defizit zu werden. Derzeit gibt es kaum ausreichende Ersatzpräparate in trockener Pulverform oder mit alternativen Treibmitteln, die in der Breite verfügbar wären. Die Herstellung neuer Formulierungen ist möglich, aber langwierig – und angesichts regulatorischer Hürden nicht ohne Weiteres skalierbar.

Was als klimapolitischer Fortschritt verkauft wird, kann in der Versorgungsrealität schnell zur sozialen Rückabwicklung werden. Denn zwischen Zielsetzung und Umsetzung klafft eine Leerstelle, in der regulatorische Ambition auf industrielle Kalkulation trifft – und dabei die Versorgungsverantwortung zu Boden fällt. Wer Klimaziele vorgibt, aber keine industriepolitische Infrastruktur schafft, gefährdet den Zugang zu Grundarzneimitteln. Der Sandoz-Rückzug zeigt, dass pharmazeutische Planungssicherheit nicht mehr selbstverständlich ist – und dass europäische Versorgung zunehmend von globalen Konzernentscheidungen abhängt.

Besonders alarmierend ist, dass auf politischer Seite bislang keine konzertierten Reaktionen erfolgen. Weder gibt es signifikante Innovationsförderungen für umweltfreundliche Inhalationssysteme, noch verbindliche Vorgaben zur Sicherstellung von Versorgungskontinuität bei laufender Produktionsumstellung. Die Situation offenbart eine gefährliche Inkohärenz: Der Regulierungswille ist hoch, die Umsetzungsarchitektur jedoch fragmentiert. Wer auf den Ersatz durch importierte Präparate setzt, verkennt zudem die fragile globale Lieferkette – ein Lernprozess, der in der Pandemie eigentlich durchlitten wurde.

Zwar ist der Ausstieg aus klimaschädlichen Produktionsweisen notwendig, doch braucht er ein Übergangsmanagement, das Sicherheit garantiert. Andernfalls wird ökologische Ambition zur realen Bedrohung für chronisch Erkrankte. Die Politik muss deshalb endlich aus der bloßen Zielvorgabe in die operative Verantwortung übergehen: Substitutionsprogramme, Zulassungsbeschleunigungen, Produktionsförderungen und Transparenzpflichten für Hersteller gehören in ein koordiniertes Maßnahmenpaket. Nur so kann verhindert werden, dass aus dem Produktionsende von Sandoz ein Präzedenzfall für weitere Rückzüge wird – mit langfristigen Konsequenzen für die Arzneimittelverfügbarkeit in Europa.

 

Meta treibt KI mit Nutzerdaten an, Apotheken geraten in Zugzwang, Verbraucherschützer klagen

Wie öffentliche Social-Media-Beiträge zum Rohstoff für künstliche Intelligenz werden – und was jetzt noch verhindert werden kann

Die Entscheidung von Meta, ab dem 27. Mai öffentliche Beiträge auf Facebook und Instagram für das Training seiner KI-Systeme zu verwenden, markiert eine neue Eskalationsstufe im Umgang mit Nutzerdaten. Der US-Konzern bezieht sich dabei ausdrücklich auf Inhalte, die Nutzer:innen in der Vergangenheit öffentlich gepostet haben – also Beiträge, Kommentare, Fotos sowie deren Beschreibungen. Ausgenommen sind laut Konzernangaben lediglich private Nachrichten, wobei auch hier Ausnahmen für „bewusst geteilte Inhalte mit KI-Systemen“ eingeräumt werden. Für WhatsApp-Nachrichten gilt das Vorhaben ausdrücklich nicht, da diese Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind.

Meta begründet das Vorgehen mit der Notwendigkeit, seine KI-Modelle zu verbessern – eine Argumentation, die in Europa zunehmend auf Widerstand stößt. Besonders in Deutschland ist der Protest deutlich spürbar. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat bereits juristische Schritte eingeleitet und eine einstweilige Verfügung beim Oberlandesgericht Köln beantragt. Sie sieht in Metas Vorgehen einen klaren Verstoß gegen europäisches Datenschutzrecht. Bereits im vergangenen Jahr hatte Meta ähnliche Pläne nach einer ersten Abmahnung zurückgestellt – nun aber den erneuten Versuch gestartet, die öffentliche Debatte auszutesten.

Dass dieses Mal eine direkte Umsetzung erfolgen soll, lässt den Spielraum für Gegenwehr schrumpfen. Zwar stellt Meta ein Widerspruchsformular bereit, doch ist die Frist denkbar knapp: Wer nicht will, dass seine Beiträge für KI-Zwecke verarbeitet werden, muss bis zum 26. Mai aktiv widersprechen. Andernfalls werden die Inhalte ab dem darauffolgenden Tag automatisiert in den Datenpool eingespeist – endgültig, wie die Verbraucherzentrale betont. Einmal ins Training eingespeist, lassen sich die Daten nicht mehr löschen oder rückgängig machen.

Gerade Apotheken stehen vor einer diffizilen Situation. Viele nutzen Facebook oder Instagram aktiv zur Kundenkommunikation – etwa zur Bekanntgabe von Notdiensten, Gesundheitsaktionen oder zur Aufklärung über neue Präparate. Wer hier ungewollt zum Rohstofflieferanten für ein US-amerikanisches KI-Projekt wird, riskiert nicht nur die Integrität seiner digitalen Außendarstellung, sondern möglicherweise auch berufsrechtliche Fragen. Denn während für klassische Patientenakten höchste Datenschutzstandards gelten, bewegt sich die öffentliche Gesundheitskommunikation über Soziale Medien in einer Grauzone, die Meta nun für sich beansprucht.

Was sich hinter diesem Vorgang verbirgt, ist weniger ein technisches Update als ein kulturpolitisches Signal: Der Konzern beansprucht die Deutungshoheit über öffentlich Gesagtes – auch wenn dieses ursprünglich nie für maschinelle Interpretation bestimmt war. Der Versuch, durch formularbasierte Opt-out-Verfahren eine Zustimmung zu konstruieren, widerspricht dem europäischen Grundverständnis von informationeller Selbstbestimmung. Dass Meta gleichzeitig betont, „Transparenz“ und „Nutzerkontrolle“ sicherstellen zu wollen, wirkt wie ein rhetorisches Placebo, das den tatsächlichen Kontrollverlust kaschieren soll.

Inmitten dieser Gemengelage wirkt die juristische Initiative der Verbraucherzentrale wie ein notwendiger Akt demokratischer Selbstbehauptung. Dass ausgerechnet eine zivilgesellschaftliche Einrichtung anstelle staatlicher Behörden gegen einen der mächtigsten Digitalkonzerne der Welt vorgehen muss, illustriert das strukturelle Vakuum in der europäischen Digitalpolitik. Denn selbst wenn das OLG Köln eine einstweilige Verfügung erlässt, bleibt die grundsätzliche Frage: Warum müssen Nutzer:innen überhaupt widersprechen, wenn keine aktive Zustimmung erfolgt ist?

Meta setzt auf Geschwindigkeit, juristische Dehnungsspielräume und globale Asymmetrien. Die EU-Bürger:innen hingegen setzen auf ihre Rechte – und haben nur noch bis zum 26. Mai Zeit, sie geltend zu machen. Danach könnte das, was einmal gesagt wurde, für immer Teil eines Systems sein, das aus Sprache Maschinenintelligenz formt – ohne dass die ursprünglichen Sprecher:innen davon je erfahren hätten, was daraus wurde.

 

Behandlungsintervalle verändern Versorgung, Studiendaten stützen Vertrauen, Bayer stärkt Marktstrategie

Wie Eylea 8 mg das Therapieschema bei Netzhauterkrankungen revolutionieren und ein neues EU-Kapitel eröffnen könnte

Die Aussicht auf verlängerte Behandlungsintervalle bei chronischen Netzhauterkrankungen gewinnt an regulatorischer Substanz: Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat eine Empfehlung zur Zulassungserweiterung für das Augenarzneimittel Eylea in der 8-Milligramm-Dosierung ausgesprochen. Diese betrifft die Anwendung bei zwei schwerwiegenden Indikationen – der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration (nAMD) sowie dem diabetischen Makulaödem (DMÖ). Sollte die Europäische Kommission der Empfehlung folgen, könnten Patientinnen und Patienten künftig mit nur zwei Injektionen jährlich versorgt werden – eine spürbare Entlastung für Betroffene wie auch für die Versorgungssysteme.

Der Pharmakonzern Bayer, der Eylea außerhalb der USA vertreibt, bewertet die Empfehlung als potenziellen Wendepunkt in der Therapiegestaltung. Das Präparat, entwickelt in Partnerschaft mit dem US-Konzern Regeneron, zählt mit einem Jahresumsatz von 3,3 Milliarden Euro längst zu den umsatzstärksten Medikamenten des Leverkusener Unternehmens. Im Zentrum der nun zur Bewertung stehenden Zulassungserweiterung steht die Möglichkeit, das Injektionsintervall bei stabilen Verläufen auf bis zu sechs Monate auszudehnen. Grundlage der Entscheidung sind die Ergebnisse zweier dreijähriger Verlängerungsstudien, die laut Bayer eine dauerhafte Stabilisierung sowohl der anatomischen als auch der funktionellen Parameter belegen.

Doch was auf den ersten Blick wie ein reiner Therapiefortschritt erscheint, ist zugleich ein regulatorisches Exempel: Die Entscheidung, den Behandlungsrhythmus bei einer chronisch-progredienten Erkrankung zu strecken, ist nicht nur Ausdruck pharmakologischen Vertrauens, sondern auch ein Prüfstein für die Versorgungsrealität. Wenn 24 Prozent der nAMD-Patient:innen und 28 Prozent der Betroffenen mit DMÖ nach drei Jahren ein letztes festgelegtes Intervall von sechs Monaten erreichten, belegt das nicht nur therapeutische Wirkung, sondern wirft zugleich Fragen nach Monitoringfrequenz, Nachsorgekonzepten und Sicherheitsnetzwerken auf. Denn je länger das Intervall, desto kritischer wird das Zeitfenster für potenzielle Komplikationen. Diese neue Logik der Verlängerung verlangt mehr als molekulare Stabilität – sie braucht Vertrauen in eine systemisch tragfähige Begleitung.

Bayer selbst hebt in der Mitteilung das Potenzial hervor, mit Eylea 8 mg einen neuen Standard in der Augenheilkunde zu setzen. Christine Roth, Executive Vice President Global Product Strategy and Commercialization, betont die Vorteile reduzierter Arztbesuche und die Entlastung für Patienten. Dies entspricht einer grundlegenden Verschiebung in der Therapiearchitektur: von engmaschiger Intervention hin zu individualisierter Langzeitstrategie. Gleichzeitig birgt diese Verschiebung eine neue Verantwortung. Die Versorgungslogistik, die digitale Nachverfolgung und die Risikobewertung in Langzeitintervallen werden zum integralen Bestandteil des Behandlungserfolgs. In einem europäischen System, in dem nicht alle Länder auf gleiche Ressourcen oder digitale Infrastrukturen zurückgreifen können, wird die praktische Umsetzung zum Lackmustest der Empfehlung.

In der strategischen Gesamtschau gewinnt Eylea durch die EMA-Empfehlung nicht nur an Marktmomentum, sondern positioniert sich als Modellfall für die regulatorische Öffnung hin zu behandlungssparenden Interventionen. Die finale Entscheidung der Europäischen Kommission wird in den kommenden Wochen erwartet. Sollte sie positiv ausfallen, ist nicht nur mit einer beschleunigten Adaption in spezialisierten Augenkliniken zu rechnen – auch die ökonomischen und gesundheitspolitischen Implikationen wären weitreichend. In einer alternden Gesellschaft mit steigender Prävalenz retinaler Erkrankungen sind Therapieformen gefragt, die Effizienz mit Evidenz verbinden. Eylea 8 mg könnte dafür zum Schlüssel werden – vorausgesetzt, der Vertrauensvorschuss in verlängerte Intervalle wird durch tragfähige Versorgungsstrukturen eingelöst.

 

Zerschlagung beschlossen, Märkte verschoben, Strukturen zerfallen

Wie Rite Aid untergeht, CVS expandiert und Apothekenstandorte entkernt werden

Die Zerschlagung der US-Apothekenkette Rite Aid ist offiziell eingeleitet: Ein Gericht hat dem Antrag des Konzerns stattgegeben, das Unternehmen vollständig zu verkaufen – Filiale für Filiale, Standort für Standort. Was in der Öffentlichkeit als finale Kapitulation erscheint, war aus Sicht des Managements offenbar der letzte strukturierte Schritt, um zumindest Teile des operativen Geschäfts zu retten. Denn seit der im Jahr 2022 eingereichten Insolvenz zieht sich ein restriktiver Umbau durch das Unternehmen, der letztlich über 800 Filialschließungen nicht verhindern konnte. Nun sollen auch die verbliebenen rund 500 Standorte über Veräußerungen an Wettbewerber abgewickelt werden. Erste Vereinbarungen mit CVS – dem größten Apothekenkonzern der USA – liegen vor.

Damit endet ein Kapitel amerikanischer Apothekengeschichte. Über Jahrzehnte galt Rite Aid als verlässlicher Anbieter stationärer Gesundheitsversorgung. Doch in einem zunehmend digitalisierten und kostengetriebenen Markt haben sich die ökonomischen Parameter radikal verschoben. Während das Management versuchte, über ein gerichtlich überwachtes Verfahren den Übergang zu steuern, verschärften sich die Probleme im Kerngeschäft. Margendruck, sinkende Erstattungspreise und die Direktvermarktung von Arzneimitteln im Rahmen chronischer Versorgungspfade raubten dem stationären Handel die Grundlage. Zudem drohte der Einstieg neuer Akteure wie Amazon in die Gesundheitsdistribution, während klassische Ketten begannen, ihre Dienstleistungen in zentrale Logistikzentren zu verlagern – mit dem Ziel, Skaleneffekte zu erzielen und Personalkosten zu minimieren.

Was sich hier abzeichnet, ist mehr als ein unternehmerisches Scheitern – es ist ein Strukturbruch, der das gesamte Apothekensystem der USA betrifft. Die Insolvenz von Rite Aid ist dabei weniger Ausdruck individueller Fehlentscheidungen als vielmehr Symptom eines Marktes, der seine eigene Versorgungsbasis verschlankt, um Effizienz zu gewinnen. Der daraus entstehende Preis ist hoch: Personalabbau, Versorgungsabrisse und ein wachsendes Vakuum in unterversorgten Regionen. Dass CEO Matt Schroeder dennoch bemüht ist, Optimismus zu signalisieren und vom Interesse nationaler wie regionaler Käufer spricht, kann nicht über die dramatische Erosion der Apothekeninfrastruktur hinwegtäuschen.

Gerade darin liegt die politische Brisanz: Die US-Gesundheitsökonomie scheint ihre dezentralen Versorgungsmodelle zugunsten zentralisierter Lieferlogistik aufzugeben. Die gerichtliche Genehmigung zur Fortzahlung von Löhnen und Sozialleistungen mag kurzfristige Stabilität suggerieren, doch langfristig ist unklar, wie viele der rund 45.000 Beschäftigten tatsächlich übernommen werden – und unter welchen Bedingungen. Die Aussage des CEO, der Apothekenbetrieb solle reibungslos weiterlaufen, steht im Kontrast zur Realität massiver Standortverluste und wachsender Verunsicherung unter den Beschäftigten.

Der Ausverkauf, der mit rund zwei Milliarden US-Dollar Finanzhilfen begleitet wird, offenbart zudem eine paradoxe Finanzarchitektur: Liquidität wird organisiert, um Insolvenz zu managen – nicht um Strukturen zu bewahren. Die operative Versorgung wird bis zum letzten Tag aufrechterhalten, nur um anschließend filetiert zu werden. Was danach übrig bleibt, sind Bilanzreste, Immobilienwerte und fragmentierte Kundenbeziehungen. Für die betroffenen Regionen bedeutet das oft: keine Apotheke mehr in erreichbarer Nähe, keine Beratung, kein persönlicher Kontakt – dafür automatisierte Logistik und algorithmische Versorgungsvorschläge.

Dass ausgerechnet ein Unternehmen mit einer über 60-jährigen Geschichte nun zum Symbol eines Versorgungsmodells wird, das nicht mehr trägt, verweist auf eine tiefere Systemfrage. Denn hinter der Insolvenz steht ein struktureller Rollenkonflikt: Apotheken sollen Dienstleister, Logistikzentren, Beratungsstellen und Preiswächter zugleich sein – in einem Markt, der auf Effizienz und Kapitalrendite ausgelegt ist. Rite Aid hat diesen Spagat nicht überlebt. Und wenn Politik und Gesellschaft nicht klären, welche Rolle die stationäre Apotheke in einer digitalisierten Gesundheitsökonomie noch spielen soll, wird sie nicht mehr sterben – sondern verschwinden.

 

Hygiene gerät ins Wanken, Versorgung verliert Stabilität, Verwaltung blockiert Pflichtversorgung

Wie fehlende HiMi-Nummern Desinfektionsmittel im Mai unbrauchbar machen, Apotheken in Unsicherheit stürzen und Pflegeverträge unterbrechen

Desinfektionsmittel für Hände und Flächen gehören seit jeher zu den zentralen Elementen der Pflegehilfsmittelversorgung. Sie sind nicht Luxus, sondern Grundausstattung – gedacht zum Schutz der Pflegeperson, die tagtäglich in direkten Kontakt mit Pflegebedürftigen tritt. Laut Systematik der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zählen sie zur Produktgruppe 54 der Pflegehilfsmittel zum Verbrauch. Doch ausgerechnet diese Selbstverständlichkeit verliert im Mai 2025 ihre rechtliche Fassung: Mehrere Produkte mit Arzneimittelstatus erscheinen ohne Hilfsmittelpositionsnummer im Verzeichnis – und können daher nicht mehr über die Pflegekasse abgerechnet werden.

Dass ausgerechnet Desinfektionsmittel – Inbegriff hygienischer Mindeststandards – für einen Monat aus der regulären Versorgung fallen, illustriert ein strukturelles Missverständnis im Pflegesystem: Sicherheit darf nicht prozessorientiert gedacht werden, sondern muss dauerhaft gewährleistet sein. Die Versorgungslücke im Mai offenbart mehr als eine bürokratische Ungenauigkeit. Sie verweist auf die Fragilität eines Systems, das bei der kleinsten Verschiebung ins Schlingern gerät. Die Verantwortung wird von Herstellern auf Kassen, von Kassen auf Apotheken, von Apotheken auf Vertragspartner geschoben – während die Pflegebedürftigen und ihre Versorger in der Praxis mit Unsicherheiten leben müssen. Wer Hygiene zur Pflicht erhebt, darf sie nicht durch Verwaltungslogik ausbremsen.

Formell regelt das Hilfsmittelverzeichnis die Listung der Produkte – und damit die Voraussetzung für eine Abgabe zu Lasten der GKV. Händedesinfektionsmittel sind dort mit der HiMi-Nummer 54.99.02.0001 aufgeführt, Flächendesinfektionsmittel mit 54.99.02.0002. Doch die Fortschreibung der Produktgruppe 54 unterbricht diese Listung temporär: Bis zur Inkraftsetzung des neuen Pflegehilfsmittelvertrags im Juni bleibt eine Grauzone bestehen, in der nicht mehr klar ist, welche Produkte abrechnungsfähig sind – und welche nicht.

Gleichzeitig bleibt der Abgabemodus formalisiert: Die Nettopreise betragen laut Anlage 1 des Pflegehilfsmittelvertrags 1,40 Euro je 100 ml Händedesinfektion und 1,30 Euro je 100 ml Flächendesinfektion. Da die üblichen Gebindegrößen 500 oder 1000 ml umfassen, müssen Apotheken bei der Dokumentation in Anlage 2 korrekt faktorisieren: Faktor 5 bei 500 ml, Faktor 10 bei 1000 ml – Zwischenmengen wie 250 ml sind nicht vorgesehen und damit nicht abrechnungsfähig.

Die maximale Obergrenze der Versorgung bleibt bei 42 Euro im Monat. Innerhalb dieses Rahmens dürfen Apotheken kombinieren – vorausgesetzt, alle Produkte sind gelistet. Im Mai jedoch greift diese Voraussetzung nicht. Die Folge: Der Verwaltungsbruch blockiert eine hygienische Selbstverständlichkeit.

Für viele Apotheken bedeutet das ein Dilemma zwischen Versorgungsverantwortung und Abrechnungskonformität. Wer liefert, läuft Gefahr, auf den Kosten sitzen zu bleiben. Wer nicht liefert, riskiert Lücken in der Pflege. Ein System, das auf Listungszeilen basiert, gerät ins Wanken, wenn es die Realität nicht mehr erfassen kann. Die Rückkehr der betroffenen Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis im Juni ist daher mehr als eine Formalie – sie ist eine Reparatur an der Schnittstelle zwischen Theorie und Alltag. Doch die eigentliche Frage bleibt: Warum existiert diese Bruchstelle überhaupt?

 

Mehr Leistungen, mehr Rücklagen, weniger Wirkung

Warum das pDL-System wächst, aber nicht greift – und welche Reform jetzt nötig wäre

Knapp 9000 Apotheken bundesweit haben im zweiten Halbjahr 2024 pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) erbracht und abgerechnet. Laut aktuellen Zahlen des Nacht- und Notdienstfonds (NNF) waren es exakt 8957 Betriebe, die mindestens eine der fünf vergüteten Leistungen in Anspruch nahmen – ein moderater Anstieg gegenüber dem ersten Halbjahr, als 7763 Apotheken pDL-Leistungen geltend machten. Die dabei ausgezahlte Summe belief sich auf rund 15,6 Millionen Euro. Parallel dazu wuchs das Rücklagenvolumen im Fonds auf nunmehr 444,8 Millionen Euro an – bei gleichbleibenden Einnahmen von rund 79,6 Millionen Euro im Halbjahr. Bereits im ersten Halbjahr 2024 lag die Auszahlungssumme mit 10,9 Millionen Euro deutlich unter den Einnahmen, ebenso wie im Vorjahr. Auch 2023 hatten sich die tatsächlichen Ausgaben auf lediglich 4,6 Millionen im ersten und 7 Millionen Euro im zweiten Halbjahr summiert.

Was sich in diesen Zahlen abzeichnet, ist eine paradoxe Entwicklung: Obwohl die Zahl teilnehmender Apotheken langsam wächst, bleibt der Mittelabfluss gering, während sich der Fonds weiter füllt. Hintergrund ist die gesetzliche Konstruktion des pDL-Systems, das seit Ende 2021 über einen 20-Cent-Aufschlag auf jede verschreibungspflichtige Arzneimittelpackung finanziert wird. Jährlich sollen so laut Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) rund 150 Millionen Euro für neue pharmazeutische Leistungen bereitstehen – für gesetzlich wie privat versicherte Patient:innen. Doch das Schiedsverfahren endete erst im Juni 2022, und bis heute hakt es an der flächendeckenden Umsetzung.

Wenn ein System jährlich Millionen generiert, aber nur in Tröpfchenform wirkt, liegt das Problem nicht beim Engagement, sondern in der Architektur. Die Apotheken haben geliefert: fast 9000 Betriebe, zahlreiche Fortbildungen, fünf klar definierte Leistungen – und dennoch bleibt der Effekt begrenzt. Denn was fehlt, ist ein verbindlicher Rahmen, der Angebot und Bedarf zusammenführt. Die Rücklagen von über 440 Millionen Euro stehen symptomatisch für eine politische Lähmung: Die Mittel sind da, die Struktur aber verhindert Wirksamkeit. Es geht längst nicht mehr um einzelne Dienstleistungen, sondern um die Anschlussfähigkeit der pDL an die Versorgungsrealität. Wo bleibt die Integration in Disease-Management-Programme? Wo die systematische Verknüpfung mit Hausärzt:innen, Pflege, Prävention? Wer Apotheken zu Dienstleistern machen will, darf sie nicht wie Sondereinsatzkommandos behandeln, die nur punktuell eingreifen. Vielmehr braucht es eine übergeordnete Steuerung, die aus den Einzelleistungen ein dauerhaftes Versorgungsinstrument formt. Nur dann wird aus einer guten Idee auch ein dauerhaft wirksames System.

Gleichzeitig spitzt sich der politische Druck zu. Die gesetzlichen Krankenkassen hatten bereits in der Vergangenheit Rückforderungen ins Spiel gebracht, da Mittel ungenutzt im Topf verblieben. Apothekerverbände dagegen fordern seit Monaten eine vollständige Ausschüttung der Mittel – etwa im Rahmen eines Sofortprogramms zur Stärkung der Betriebe. Nun plant die neue Regierungskoalition aus Union und SPD, die künftigen Einnahmen zumindest teilweise umzuwidmen. Vorgesehen sind jährliche Zweckbindungen in Höhe von 75 Millionen Euro zur Unterstützung von Landapotheken sowie 25 Millionen Euro für Projekte zur Einbindung der Apotheken in die Prävention. Das neue Finanzregime könnte das pDL-System also in eine andere Richtung lenken – weg von der originären Leistungsfinanzierung, hin zu strukturpolitischen Zwecken.

Der Handlungsspielraum dafür wäre vorhanden: Die laufenden Einnahmen übersteigen die aktuell ausgeschütteten Beträge weiterhin um ein Vielfaches. Doch eine dauerhafte Lösung steht aus. Branchenvertreter kritisieren, dass das System nach wie vor auf Einzelabrechnung und Einzelimpuls basiert, statt auf kontinuierlicher Verankerung. Fünf Leistungsarten wurden bislang definiert – von der erweiterten Medikationsberatung über die Betreuung von Organtransplantierten und Patient:innen mit oraler Antitumortherapie bis hin zur standardisierten Blutdruckerfassung und Inhalationstechnikschulung. Doch die Nutzung bleibt verhalten, die bürokratischen Hürden hoch, und der Rückfluss an Vergütung gering.

Der politische Kurs in den kommenden Monaten wird entscheidend sein. Setzt sich das Modell der Zweckbindung durch, könnte die ursprüngliche Idee – eine neue Säule pharmazeutischer Versorgung – zurückgedrängt werden. Bleibt die Nachfrage aus, verstärkt sich der Druck auf die Legitimität des Fonds. Und gelingt keine strukturelle Einbindung, droht das pDL-System zu einer Parallelsphäre zu verkommen: gesetzlich gewollt, finanziell abgesichert, aber faktisch ungenutzt. Ein Rückblick auf das Jahr 2024 zeigt damit nicht nur eine wachsende Zahl teilnehmender Apotheken – sondern vor allem ein Versorgungsinstrument auf der Suche nach politischer und praktischer Orientierung.

 

Knappe Luft für Asthmapatienten, F-Gas-Regeln greifen, Ärzte ahnungslos

Wie die Salbutamol-Krise Apotheken unter Druck setzt, Versorgung improvisiert wird und politische Übergänge fehlen

Die Versorgung mit Salbutamol steht unter Druck. Immer häufiger berichten Apotheken davon, dass Dosieraerosole zur Behandlung von Asthma und chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung nicht lieferbar sind. Der Engpass hat sich in den vergangenen zwei Jahren schleichend verschärft – nun droht eine kritische Phase. Betroffen sind vor allem die klassischen Inhalatoren mit dem Wirkstoff Salbutamol in treibgasbasierter Darreichungsform. Dass ausgerechnet diese Darreichung zunehmend aus dem Markt gedrängt wird, ist kein Zufall, sondern direkte Folge regulatorischer Eingriffe: Die europäische F-Gas-Verordnung sieht eine schrittweise Reduktion fluorierter Treibhausgase vor – bis 2050 sollen diese vollständig ersetzt werden. Was aus klimapolitischer Perspektive notwendig scheint, erzeugt in der praktischen Arzneimittelversorgung ein Vakuum, das bislang niemand systematisch gefüllt hat.

Apotheken versuchen, die Lücken mit Restbeständen, Alternativpräparaten oder importierten Arzneien zu überbrücken. Doch diese Maßnahmen stoßen an Grenzen – organisatorisch, haftungsrechtlich und therapeutisch. Denn nicht jedes Präparat lässt sich eins zu eins austauschen. „Noch können wir irgendwie versorgen, aber oft nur mit erheblichem Aufwand und nicht immer leitliniengerecht“, erklärt eine Apothekerin. Der Alltag besteht zunehmend aus Improvisation. Besonders kritisch ist, dass viele Arztpraxen offenbar nichts vom Ernst der Lage wissen. „Die Engpässe sind auf der Verordnungsebene noch gar nicht angekommen. Das verschärft die Lage“, berichtet sie weiter. Patienten bekommen Verordnungen, die nicht belieferbar sind, während Ersatz nicht automatisch verfügbar oder erstattungsfähig ist.

Und hier liegt das eigentliche Problem: Die Umstellung auf F-Gas-freie Inhalatoren erfolgt ohne klare Übergangsregelungen. Es gibt keinen strukturierten Rückhalt, keine Verteilmechanismen, keine gezielte Kommunikation. Stattdessen dominieren Unsicherheit und Stillstand. Politik und Behörden scheinen davon auszugehen, dass sich die Umstellung von selbst regelt. Doch wer Versorgung denkt, darf das nicht dem Zufall überlassen. Es geht um Millionen Menschen, die auf eine jederzeit verfügbare Therapie angewiesen sind. Eine Atemwegserkrankung kennt keinen Aufschub – sie verlangt funktionierende Infrastruktur.

Wenn ökologische Transformation zur therapeutischen Desorientierung wird, ist eine kritische Schwelle überschritten. Die Klimapolitik darf nicht zur Versorgungslücke führen – schon gar nicht dort, wo es um Sekunden geht, um Atemnot, um Leben. Dass Apotheken zu Versorgungsfeuerwehren werden, ist kein Ausdruck funktionierender Daseinsvorsorge, sondern Beleg politischer Ausblendung. Wer Nachhaltigkeit will, muss Übergänge gestalten – nicht erzwingen. Die Salbutamol-Krise ist ein frühes Warnsignal, dass regulatorische Zielpfade ohne Versorgungssicherheit ins Leere laufen. Jetzt wäre die Gelegenheit, diesen Fehler zu korrigieren – mit einem abgestimmten Maßnahmenplan, einer besseren Information der Ärzteschaft und einem realistischen Fahrplan für die Inhalationstherapie von morgen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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