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  • 18.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Verteidigen, Versorgen, Vorwärts – Apotheken im Sturmjahr 2025
    18.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Verteidigen, Versorgen, Vorwärts – Apotheken im Sturmjahr 2025
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Angriffe auf TI‑Server, Hausärzte als Gatekeeper, Telemedizin‑Portale ohne Arztkontakt, ein gene­deter Ex‑Minister, neues Apothek...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Verteidigen, Versorgen, Vorwärts – Apotheken im Sturmjahr 2025

 

Cyberattacken, Primärarztreform und Genmedizin zwingen die Offizin, IT-Schutz zur Führungsdisziplin zu machen.

Vom virtuellen Einbruchsversuch ins Warenwirtschaftssystem bis zum politischen Schwenk hin zur Hausarzt‑Gatekeeper‑Medizin, von der personalisierten Genrettung eines Neugeborenen bis zur ersten Kassenfinanzierung von Raucherentwöhnungs‑Medikamenten: Das deutsche Gesundheitswesen steht 2025 an einer neuralgischen Kreuzung. Während Apotheken ihre Firewalls härten müssen, verhandelt die neue Koalition über Honorare, fixiert ein verbindliches Primärarztsystem und erlebt den Abgang – aber nicht das Verstummen – von Karl Lauterbach. Zugleich belegt eine iranische Studie den Einfluss des Darmmikrobioms auf Migräne, und Base‑Editing schreibt das Genom eines Säuglings um. Eine Bestandsaufnahme der tektonischen Verschiebungen – analytisch, hintergründig, aus der Vogelperspektive und doch nah an den Menschen.

 

Verteidigung ist Führungsaufgabe

Warum Apothekenleitung Cyberschutz zur Chefsache machen muss

Ein leises Ticken im Hintergrund, unhörbar für die meisten, aber mit Sprengkraft für jeden Apothekenbetrieb: Die digitale Verwundbarkeit wächst im Schatten der technischen Fortschritte. Während Scanner surren, Warenströme automatisiert fließen und e-Rezepte blitzschnell verarbeitet werden, baut sich unbemerkt eine neue Bedrohungslage auf – eine, die weder physisch sichtbar noch mit klassischen Sicherheitsroutinen zu greifen ist. Cyberbedrohungen, längst Alltag in Konzernen und Verwaltungen, erreichen nun auch den Mikrokosmos der öffentlichen Apotheke – mit gravierenden Folgen.

Was in der digitalen Infrastruktur vieler Apotheken als Effizienzgewinn gefeiert wird, offenbart bei genauerer Betrachtung oft ein gefährliches Sicherheitsvakuum. Veraltete Betriebssysteme, unsichere WLAN-Netze, mangelhaft gewartete Server, fehlende Verschlüsselung bei Patientendaten – es sind diese Schwachstellen, die Hacker nicht nur einladen, sondern geradezu durchwinken. Die Profession des Apothekenbetriebs wurde über Jahrzehnte analog geprägt, digitalisiert in wenigen Jahren – ein Entwicklungssprung, dem die Sicherheitsarchitektur nicht gefolgt ist.

Hinzu kommt ein fataler Trugschluss: Viele Apothekenleitungen glauben, mit der Beauftragung eines IT-Dienstleisters sei die Verantwortung abgegeben. Dabei beginnt Cybersicherheit genau dort, wo betriebliche Eigenverantwortung greift. Wer Systeme nutzt, muss sie auch verstehen, kontrollieren und verteidigen können. IT-Schutz ist keine externe Dienstleistung – er ist integraler Bestandteil der Betriebsführung. Ohne internes Risikobewusstsein wird jeder Dienstleister blind.

Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: In Apotheken gibt es kaum strukturierte Sicherheitskonzepte, kaum definierte Zuständigkeiten für die IT, selten regelmäßige Schulungen für Mitarbeitende. Notfallpläne, etwa für den Ausfall der Infrastruktur, existieren nur in Einzelfällen. Es ist nicht der technische Mangel, der hier gefährlich wird – es ist der organisatorische.

Dabei steht weit mehr auf dem Spiel als der Zugang zu Rezeptdaten. Cyberangriffe können Rezepturen vernichten, Warenwirtschaftssysteme blockieren, Kundendaten preisgeben und Vertrauensverhältnisse zerstören. Gerade weil Apotheken in der öffentlichen Wahrnehmung als vertrauenswürdige Institutionen gelten, wiegt der Reputationsschaden besonders schwer. Wer seine digitale Sorgfaltspflicht vernachlässigt, riskiert den Kern seiner Glaubwürdigkeit.

Verantwortungsträger stehen vor einer doppelten Aufgabe: Sie müssen einerseits die Sicherheit ihrer digitalen Systeme gewährleisten, andererseits gegenüber Datenschutzbehörden, Berufsorganisationen und nicht zuletzt der Bevölkerung Rechenschaft ablegen können. Die DSGVO macht keine Ausnahmen für Betriebsgröße oder Versorgungsrelevanz – sie verlangt Sicherheitsmaßnahmen auf aktuellem Stand der Technik. Auch der Haftungsrahmen ist eindeutig: Kommt es infolge organisatorischer Fahrlässigkeit zu einem Datenleck oder einem Betriebsstillstand, trägt der Apothekeninhaber die volle Verantwortung – juristisch, wirtschaftlich und reputativ.

Lösungen gibt es. Sie beginnen nicht mit Technik, sondern mit Haltung. Wer Cybersicherheit zur Chefsache macht, schafft die Grundlage für resiliente Strukturen. Dazu braucht es kein Großbudget, sondern klare Prozesse: regelmäßige Schulungen, nachvollziehbare Dokumentation, abgestufte Zugriffsrechte, systematische Updates, ein zertifizierter IT-Dienstleister mit dokumentierter Verantwortlichkeit. Parallel braucht es ein Frühwarnsystem – technisch wie organisatorisch. Denn in einer digitalen Bedrohungslage ist Zeit der kritischste Faktor.

Auch Versicherungsmodelle wie eine Cyber-Versicherung können hilfreich sein, sie sind jedoch keine Ersatzmaßnahme. Sie helfen im Fall des Falles, verhindern ihn aber nicht. Der Aufbau einer wirksamen Cyberschutzarchitektur bleibt Pflichtaufgabe des Apothekenbetriebs – und kann nicht delegiert werden.

Die Rolle der Verbände und Kammern ist in diesem Zusammenhang entscheidend. Es reicht nicht, auf bestehende Empfehlungen hinzuweisen oder Leitfäden zu versenden. Was fehlt, ist ein bundesweit einheitliches Mindestniveau digitaler Sicherheit, verpflichtend, kontrolliert und mit klaren Zuständigkeiten. Ebenso fehlt ein Förderinstrument, das kleinere Betriebe bei der Umsetzung entlastet. Denn Cybersicherheit darf keine Frage der finanziellen Ausstattung sein – sondern muss als versorgungsrelevante Infrastruktur begriffen werden.

Letztlich stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit. Die Apotheke als digital vernetzter Gesundheitsakteur wird nur dann Bestand haben, wenn sie ihre digitalen Räume schützt wie ihre physischen Offizinräume. Der Einbau einer Alarmanlage ist selbstverständlich – warum also nicht auch ein System zur Angriffserkennung auf digitale Prozesse? Der Stromausfall ist mit einem Notfallkonzept bedacht – warum nicht auch der Ausfall der Datenbank?

Die Apotheke der Zukunft steht nicht vor der Herausforderung der Digitalisierung. Sie steckt mittendrin. Was ihr jetzt fehlt, ist digitale Wehrhaftigkeit. Und die beginnt nicht mit Software, sondern mit einem Entschluss: der Entscheidung für Verantwortung.

Es gibt keinen Stillstand in der digitalen Bedrohungslage – nur Bewegung, meist in eine Richtung: Angriff. Während Apotheken immer stärker auf digitale Schnittstellen angewiesen sind, bleibt die Sicherheitskultur zurück. Und das nicht aus Ignoranz, sondern aus strukturellem Defizit. Die Branche hat sich in vielen Bereichen modernisiert – aber Sicherheit war dabei nie Teil des Fortschrittsbegriffs. Ein fataler Fehler.

Wer heute als Apothekenleitung keine Antwort auf die Frage hat, wie die IT bei einem Cyberangriff geschützt, reaktiviert und notversorgt werden kann, handelt nicht zukunftsblind, sondern verantwortungslos. Es reicht nicht, ein Backupsystem zu haben. Man muss wissen, wo es liegt, wer es bedient und wie schnell es wieder hochgefahren werden kann. Cyberschutz ist kein Etikett, sondern ein Prozess – und zwar ein ständiger.

Was fehlt, ist die Normalisierung des Sicherheitsdenkens. Der Gedanke, dass man Opfer eines Angriffs werden kann, muss in den Betriebsalltag einfließen. Schulungstage zum Thema IT-Risiken sollten denselben Stellenwert haben wie Schulungen zu Betäubungsmitteln. Sicherheitschecks müssen so selbstverständlich werden wie Hygienekontrollen.

Die Apothekenorganisationen sind gefordert. Wer Digitalisierung fordert, muss Cyberschutz fördern – nicht in Form von PDFs, sondern in konkreter Unterstützung: Audits, Fortbildungsprogramme, finanzielle Anschubhilfen. Wenn der Staat Investitionen in Digitalisierung kofinanziert, dann sollte er das auch beim Schutz dieser Strukturen tun.

Cybersicherheit ist kein Anhängsel der Technik. Sie ist Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein. Wer sie ignoriert, gefährdet nicht nur seine Daten, sondern auch das Vertrauen, das der Apotheke als Institution entgegengebracht wird. Und Vertrauen ist schwerer zu heilen als jede Datenbank.

  

Lenkung statt Vertrauen, Struktur statt Wahl, Stille statt Stimme

Wie die neue Gesundheitsordnung den Patienten verdrängt und die Versorgung verkehrt

Die künftige Bundesregierung will mit dem verbindlichen Primärarztsystem die ambulante Versorgung grundlegend umgestalten. Der Zugang zu Fachärztinnen und Fachärzten soll künftig nur noch über haus- oder kinderärztliche Erstkontakte erfolgen. Damit wird ein Paradigmenwechsel vollzogen: Weg von der freien Arztwahl, hin zu einem gelenkten System mit zentraler Steuerung.

Politisch wird das Vorhaben mit Begriffen wie Effizienz, Entlastung und Patientenorientierung verbrämt. Tatsächlich bedeutet es eine erhebliche Einschränkung der individuellen Gesundheitsfreiheit. Der Hausarzt wird zur Eingangsschleuse – nicht nur medizinisch, sondern auch administrativ. Was vorher eine Frage der persönlichen Entscheidung war, wird nun zur bürokratisch reglementierten Zugangskontrolle.

Für Apotheken ergibt sich daraus eine neue Versorgungsrealität. Wenn der Hausarzt zum alleinigen Zuweiser wird, wächst seine Rolle im Rezeptfluss. Die Offizin wird dadurch abhängiger von der hausärztlichen Frequenz – aber auch stärker integriert in die Versorgungslogik. Diese neue Bindung birgt Chancen, aber auch strukturelle Risiken.

Das Problem beginnt jedoch viel früher: Schon heute fehlt es in vielen Regionen an ausreichend Hausärzt:innen. Der Nachwuchs stockt, Praxen schließen, Termine sind knapp. Die Koalition setzt ausgerechnet auf eine Berufsgruppe, die unter der größten Belastung steht – und statt zu entlasten, wird sie zusätzlich zum Versorgungskoordinator aufgewertet.

In der Fachärzteschaft wächst die Sorge vor struktureller Entmachtung. Die Überweisungspflicht macht aus ehemals autonomen Praxen abhängige Einheiten. Die Vergabe von Patienten wird zum strategischen Gut, das Kooperation ebenso wie Konkurrenz neu organisiert. Es droht ein System der Zuweisung statt der Wahl.

Der Patient selbst spielt in dieser Reform keine Rolle. Sein Bedürfnis nach direktem Zugang, Vertrauen, eigener Navigation durch das Gesundheitswesen wird nicht einmal erwähnt. Die Reform ist systemisch gedacht – nicht menschlich. Sie setzt auf Steuerung, nicht auf Beziehung. Das Ideal des mündigen Patienten weicht der Vorstellung eines planbaren, lenkbaren Versorgungskörpers.

Wer das System so grundlegend umbaut, muss auch seine Partner neu definieren. Apotheken dürfen in diesem Wandel nicht länger als bloße Rezeptverarbeiter betrachtet werden. Ein Primärapothekensystem – mit festen Einschreibungen, verlässlicher Honorierung und klarer Verantwortung – könnte eine logische Ergänzung sein. Denn wenn Versorgung gelenkt wird, müssen alle Glieder dieser Kette gleichberechtigt eingebunden sein.

Der politische Vorstoß für ein Primärarztsystem wirkt auf den ersten Blick vernünftig. Kürzere Wege, weniger Doppeluntersuchungen, bessere Koordination – wer wollte das nicht? Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Hier wird nicht optimiert, sondern kontrolliert.

Die freie Arztwahl war bislang ein Fundament des solidarischen Gesundheitswesens. Wer krank war, konnte selbst entscheiden, welche Praxis er aufsuchen wollte. Diese Entscheidung wurde als Teil der Autonomie respektiert. Nun aber wird sie ersetzt durch ein Überweisungssystem, das nicht auf Vertrauen, sondern auf Lenkung setzt.

Die neue Rolle des Hausarztes ist nicht Ausdruck einer aufgewerteten Beziehung, sondern einer technischen Funktion. Er wird zum Gatekeeper, zur Voraussetzung für Versorgung. Das mag in Modellen effizient sein – in der Lebensrealität bedeutet es Frust, Wartezeit und neue Hürden. Und es bedeutet: weniger Freiheit für die, die das System tragen – die Patientinnen und Patienten.

Wer dabei gar nicht erst gefragt wird, ist genau diese Gruppe. Die Reform wird über sie hinweg beschlossen, ohne Beteiligung, ohne Rückkopplung. Das Signal ist eindeutig: Die Betroffenen sollen funktionieren – nicht entscheiden.

Gerade deshalb braucht es jetzt klare Gegenmodelle. Wenn das Hausarztmodell zur Norm wird, darf die Apotheke nicht am Rand bleiben. Ein Primärapothekensystem könnte nicht nur den Versand relativieren, sondern der Offizin eine systemische Rolle verschaffen. Nicht als Anhängsel – sondern als Partner auf Augenhöhe.

 

Cannabis auf Klick, Kontrolle im Blindflug

Wie Plattformen die Rezeptlogik auflösen und Apotheken zum Reparaturbetrieb machen

Die Geschäftsidee ist nicht neu, ihre Reichweite jedoch enorm gewachsen: Digitale Plattformen bewerben seit Jahren die unkomplizierte Ausstellung von Rezepten, vor allem für sogenannte Lifestyle-Arzneimittel. Dabei war es früher gängige Praxis, den Kontakt zu ausländischen Ärzt:innen herzustellen, etwa in der Schweiz, in Polen oder auf Malta.

Diese Praxis ist längst überholt, denn der Trend hat sich fundamental gewandelt – insbesondere im Bereich medizinischen Cannabis. Was früher als rechtliche Grauzone galt, ist heute ein professionalisiertes Geschäftsmodell mit wachsendem Einfluss auf die Verschreibungspraxis in Deutschland. Die Plattformen vermitteln nun inländische Videosprechstunden, bei denen binnen Minuten ein Rezept ausgestellt werden kann – häufig ohne die üblichen hausärztlichen Voruntersuchungen, ohne langfristige Begleitbetreuung, ohne therapeutische Tiefe.

Besonders brisant ist, dass die Diagnosen, auf denen die Cannabisverordnung basiert, oft unspezifisch und leicht zu rechtfertigen sind – etwa Schlafstörungen, Migräne, Unruhe oder „chronischer Stress“. Der Rezeptgenerator ersetzt das therapeutische Gespräch.

Apotheken berichten zunehmend von einer Verschiebung: Rezepte, die über solche Plattformen generiert wurden, machen mittlerweile einen erheblichen Teil der Cannabisverschreibungen aus. Das hat Auswirkungen – auf die Nachfrage, auf die Preise, auf die Erwartungshaltung der Patienten. Und auf die Glaubwürdigkeit des Medizinsystems insgesamt. Denn mit der technischen Legalisierung einer ärztlichen Ferndiagnose geht eine ethische Entgrenzung einher. Was bedeutet medizinisch notwendig – und wer definiert das künftig?

Während die Politik noch über strengere Regularien diskutiert, hat der Markt längst Fakten geschaffen. Die Plattformen werben gezielt mit „schnellen Rezepten ohne Wartezimmer“, besetzen Google mit aggressivem SEO und treten in sozialen Medien als Gesundheitsermöglicher auf. Der medizinische Kontext tritt in den Hintergrund – entscheidend ist die Klickrate.

Dass der Gesetzgeber mit der Freigabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken auch eine Grauzone für marktorientierte Rezepterzeugung öffnete, wird jetzt spürbar. Die Grenze zwischen Therapiefreiheit und Beliebigkeit verschwimmt.

Die Folge ist ein Vertrauensverlust, nicht nur gegenüber den Plattformen, sondern auch gegenüber der Substanz selbst. Apotheken geraten unter Druck, die steigende Nachfrage zu bedienen – und stoßen dabei auf komplexe Fragen der pharmazeutischen Verantwortung. Wie geht man mit Cannabisverordnungen um, die auf fragwürdiger Diagnosebasis ausgestellt wurden? Was bedeutet pharmazeutische Prüfungspflicht in einem System, das zunehmend auf Bequemlichkeit setzt?

Was als Vereinfachung gedacht war, ist zur strukturellen Herausforderung geworden – mit Auswirkungen auf ärztliche Praxis, apothekerliche Verantwortung und gesundheitspolitische Glaubwürdigkeit.

Es ist ein fundamentaler Wandel, der sich derzeit weitgehend unbeachtet vollzieht: Die ärztliche Verschreibung verliert ihren therapeutischen Ernst. Was früher Ergebnis einer längeren Anamnese, körperlicher Untersuchung und differenzialdiagnostischer Überlegung war, wird heute per Mausklick erledigt. Es genügt ein Bildschirmkontakt, eine algorithmusgestützte Entscheidungslogik, ein Selfreport. Und ein Geschäftsmodell, das Rezeptausstellung zur digitalen Dienstleistung deklariert.

Insbesondere die Cannabisversorgung ist zum Katalysator dieser Entwicklung geworden. Denn anders als bei Sildenafil oder hormonellen Kontrazeptiva hat Cannabis einen doppelten Symbolwert. Es steht einerseits für therapeutische Hoffnung bei chronischen Leiden, andererseits für eine liberale Haltung zum Konsum. Genau dieses Spannungsfeld nutzen die Plattformen. Sie versprechen individuelle Hilfe, bieten aber standardisierte Rezeptierung. Das ist kein Widerspruch, sondern Kalkül.

Es geht nicht mehr um Medizin, sondern um Markt. Die Ferndiagnostik befreit vom Wartezimmer – aber sie entkoppelt auch medizinische Verantwortung vom persönlichen Kontakt. Was dabei verloren geht, ist nicht nur die Glaubwürdigkeit einer Indikation, sondern das Prinzip von Fürsorge. Wenn Cannabisrezepte zum Ausdruck digitaler Kaufbereitschaft werden, bleibt vom Heilauftrag nicht viel übrig.

Die Politik hat diese Entwicklung nicht verhindert, sondern mitkonstruiert – durch eine Legalisierung ohne Grenzen, eine Digitalisierung ohne Kontrollen und eine Marktöffnung ohne Reflexion. Wer jetzt zurückrudern will, hat gegen einen bestens organisierten und technisch überlegenen Plattformkapitalismus kaum Chancen. Denn der ist längst schneller, lauter, bequemer – und wirkt damit glaubwürdiger als jede ärztliche Praxis.

Die Apothekerschaft steht nun vor der Aufgabe, pharmazeutische Seriosität in einem System zu bewahren, das auf Beliebigkeit setzt. Das ist keine leichte Aufgabe – aber eine dringend notwendige. Denn wenn das Rezept zum Produkt verkommt, verliert die Gesundheitsversorgung ihr ethisches Fundament.

 

Lauterbachs Rückzug, Warkens Start, Reformfragen ungelöst

Warum der Ex-Minister sich lobt, aber nicht wirklich loslässt

In einer dichten politischen Talkrunde bei „Markus Lanz“ sprach der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwochabend offen über seine Entmachtung, das neue Kabinett und die komplexen Altlasten des Gesundheitsministeriums. Die Worte fielen präzise, die Gestik kontrolliert, doch die Botschaften zwischen den Zeilen verrieten mehr als nur politische Routine.

Lauterbach, der seinen Ministerposten nach Regierungsbildung an Nina Warken (CDU) abtreten musste, beschrieb die Entscheidung der SPD-Führung als „Konsensprozess“, dem er sich gefügt habe. Enttäuschung schwang dennoch mit, besonders im Rückblick auf seine ambitionierte Krankenhausreform. Dass Warken fachfremd sei, kommentierte er nicht scharf, sondern mit nüchterner Gelassenheit: „Sie verdient eine faire Chance.“ Es sei entscheidend, dass sie gute Fachleute um sich versammele. Zwischen Anerkennung und Erwartungshaltung bleibt sein Blick auf die Nachfolgerin jedoch spürbar distanziert.

Im weiteren Gespräch mit Lanz, RND-Chefredakteurin Eva Quadbeck, Ökonom Rüdiger Bachmann und ZDF-Korrespondent Johannes Hano lenkte Lauterbach das Gespräch mehrfach zurück auf Versorgungsfragen, Krankenhausqualität und das Missverhältnis zwischen Ausgaben und Leistung im Gesundheitssystem. „Unser System ist zu teuer und liefert zu wenig“, sagte er. Er habe die Probleme nicht verschwiegen, sondern benannt und angepackt – wenn auch nicht vollendet.

Die Talkrunde war geprägt von Nachfragen zur SPD-Strategie, zur Zukunft Lauterbachs und zur Rolle der CDU im neuen sozialpolitischen Gefüge. Lauterbach betonte mehrfach, nun im Bundestag „sinnvolle Arbeit“ leisten zu wollen. Die gesundheitspolitische Bühne verlässt er demnach nicht freiwillig, sondern im Schatten eines Koalitionskompromisses, der ihn politisch entkernt.

Auch der Zeitpunkt und Stil der Amtsübergabe standen in der Kritik. Quadbeck warf die Frage auf, warum Lauterbach in der Übergabephase ein derart dramatisches Bild des Systems zeichnete, wenn er gleichzeitig den Anspruch erhob, seine Reformen zu Ende führen zu wollen. „Ich bin nicht ohne Eigenlob rausgegangen“, sagte Lauterbach – und ließ offen, ob die Selbstkritik der Situation gerecht wird.

Lauterbachs Auftritt bei Markus Lanz war ein Lehrstück politischer Selbstdisziplin und ein Hinweis auf das fragile Gleichgewicht zwischen Loyalität zur Partei und persönlichem Anspruch. Der einst omnipräsente Mahner, der sich über Jahre hinweg als Sachpolitiker ins öffentliche Bewusstsein eingebrannt hatte, wirkte gezügelt, aber nicht besiegt. Seine Aussagen zur neuen Gesundheitsministerin Warken waren korrekt, wohlwollend – aber nicht überzeugt.

Dass er seine Reformagenda nicht vollenden konnte, ist für Lauterbach sichtbar ein persönlicher Makel, den er nicht einfach abstreifen kann. Die Krankenhausreform war sein Projekt, die Transformation des Systems sein Ziel – nun bleibt ihm nur die Kommentatorenrolle. Seine Hoffnung, Warken könne mit guten Leuten arbeiten, ist mehr diplomatischer Reflex als echte Erwartung. Es ist ein kontrollierter Rückzug aus einer Position, die er nie freiwillig verlassen wollte.

Diese Inszenierung des „fairen Übergangs“ täuscht nicht darüber hinweg, dass mit dem Ressortwechsel auch eine inhaltliche Zäsur einhergeht. Die CDU übernimmt nicht nur die Verantwortung, sondern auch ein ungelöstes Systemversagen, das Lauterbach nun öffentlich seziert. Dass er dabei zwischen Analyse, Mahnung und stillem Eigenlob changiert, gehört zum letzten Auftritt eines Politikers, der mehr wollte als nur verwalten.

 

Fixum, Flächenapotheke, Finanzillusion 

Warum 11 Euro allein keine Struktur retten und politische Versprechen endlich konkret werden müssen

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro angekündigt. Für sogenannte versorgungsrelevante Apotheken auf dem Land ist sogar ein Satz von bis zu 11 Euro je abgegebener Rx-Packung vorgesehen. Doch wie genau diese Versorgungsrelevanz definiert wird und ob das neue Fixum überhaupt auskömmlich ist, bleibt unklar. Besonders bei kleinen, wirtschaftlich gefährdeten Apotheken herrscht Unsicherheit. BAK-Präsident Thomas Benkert zeigte sich zurückhaltend optimistisch, nannte die Signale der Koalition „konstruktiv, aber noch unvollständig“. Auch ABDA-Vize Mathias Arnold sprach von einem „brauchbaren Einstieg in eine differenzierte Honoraranpassung“.

Zentraler Begriff der aktuellen Diskussion ist die „Versorgungsrelevanz“ – ein noch nicht gesetzlich definierter Parameter, der über die Höhe der möglichen Vergütung entscheiden soll. Der Vorschlag der ABDA, auf eine flächendeckende Lösung zu setzen – „11 Euro für alle bis zur 20.000. Packung“ – wurde bislang nicht offiziell übernommen. Vielmehr scheint die Bundesregierung auf ein differenziertes Modell zu setzen, bei dem strukturelle Kriterien wie Erreichbarkeit, Öffnungszeiten, Notdiensthäufigkeit und Rezeptvolumen einfließen könnten.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Erwin Ude (SPD), mahnte zur Sachlichkeit: „Noch ist nichts in Stein gemeißelt. Die Umsetzung braucht parlamentarische Kontrolle und gesamtgesellschaftliche Rückendeckung.“ Laut Ude werde die Höhe des Fixums „nicht allein durch den Koalitionsvertrag entschieden, sondern durch Gesetzgebung und Haushaltsverhandlungen“. Branchenverbände fürchten indes, dass sich die Umsetzung bis weit ins kommende Jahr ziehen könnte – zu spät für viele bereits jetzt wirtschaftlich angeschlagene Betriebe.

Der GKV-Spitzenverband zeigte sich offen für eine Honorarerhöhung, fordert jedoch „klare Leistungskriterien und ein transparentes Monitoring“. Apothekenvertreter warnen vor einer Überregulierung, die den Verwaltungsaufwand weiter erhöht, ohne die Versorgung messbar zu verbessern. Währenddessen steigt die Zahl der Apothekenschließungen weiter an. Besonders betroffen: strukturschwache Regionen ohne ärztliche Präsenz.

Die Diskussion über ein gestaffeltes Apothekenfixum droht an ihrem eigenen Anspruch zu scheitern: differenziert, gerecht und strukturerhaltend zu sein. Zwar klingen 11 Euro auf dem Papier nach einer substantiellen Besserstellung – in der Realität entscheidet aber nicht allein die Zahl auf dem Kassenzettel, sondern die Struktur dahinter. Wer mit Fixumsbeträgen jongliert, ohne verbindlich zu regeln, welche Apotheken konkret als versorgungsrelevant gelten, produziert mehr Unsicherheit als Perspektive.

Es braucht dringend eine verbindliche Definition der Förderkriterien, die nicht im Ermessen von Verwaltung oder Kassen liegen darf. Gleichzeitig muss das Honorar dem realen Versorgungsaufwand Rechnung tragen – insbesondere bei Nacht-, Not- und Heimversorgungen, die viele Landapotheken aus eigener Kraft nicht mehr leisten können.

Der politische Reflex, mit symbolischen Summen das Apothekensterben aufzuhalten, greift zu kurz. Wenn das neue Fixum wirklich eine Trendwende einleiten soll, dann muss es Teil eines verbindlichen Gesamtkonzepts sein – inklusive Investitionshilfen, Personalzuschlägen und Bürokratieabbau. Sonst bleibt die Hoffnung auf 11 Euro ein rhetorischer Trostpflasterstreifen auf offener Strukturwunde.

 

Substanz ohne Spielraum

Wie Immobilienerben an der Steuerlast scheitern können – und wann eine Stundung der einzige Ausweg bleibt

Wer eine Immobilie erbt oder geschenkt bekommt, wird steuerpflichtig – oft schneller und umfassender, als erwartet. Zwar bestehen Steuerfreibeträge, etwa bei Ehepartnern oder Kindern, doch reichen diese bei höheren Immobilienwerten oder mehreren Übergaben selten aus. Die Steuerpflicht entsteht unmittelbar mit dem Erb- oder Schenkungszeitpunkt. Das Problem: Der Immobilienwert ist vorhanden, liquide Mittel oft nicht. Das Finanzamt setzt zügig fest, was zu zahlen ist – in vielen Fällen innerhalb weniger Monate. Die Immobilie selbst kann in dieser Zeit nicht immer schnell veräußert oder beliehen werden – sei es wegen familiärer Bindung, fehlender Marktnachfrage oder rechtlicher Bindungen.

In dieser Lage kommt die Möglichkeit einer Stundung ins Spiel. § 222 AO erlaubt unter engen Voraussetzungen, die Steuerzahlung aufzuschieben. Der Gesetzgeber spricht von einer „unbilligen Härte“, wenn die sofortige Einziehung wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Doch was nach Schutz klingt, wird in der Praxis zum Hindernislauf. Die Auslegung durch Finanzbehörden ist restriktiv, die Nachweispflichten liegen beim Steuerpflichtigen. Wer sich darauf beruft, muss belegen, dass keine anderen Mittel zur Verfügung stehen, dass ein Verkauf oder eine Belastung der Immobilie nicht möglich oder nicht zumutbar ist – und dass die Steuerzahlung aus eigenen Mitteln zu untragbaren Konsequenzen führen würde.

Der Stundungsantrag ist fristgebunden und formstreng. Wer zu spät reagiert oder unvollständige Angaben macht, verwirkt sein Recht. Auch Zinsfreiheit besteht nicht: Derzeit werden sechs Prozent jährlich auf gestundete Beträge erhoben. Damit wird der Aufschub selbst zur Belastung. Alternativen wie eine Zwischenfinanzierung über Kreditinstitute sollten daher geprüft werden. Nicht selten ist ein Bankdarlehen günstiger als der Stundungszins – vor allem, wenn der Steuerbescheid sechsstellige Summen ausweist.

Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Konstellation „Vererbung mit Bindung“. Viele geerbte Immobilien dienen der Selbstnutzung durch den Erben oder stehen unter Denkmalschutz, sind vermietet oder emotional besetzt. Wer hier unter Zeitdruck entscheiden muss, gerät in ein Dilemma: Bewahren oder verkaufen – zahlen oder verschulden. Die Steuer wird unabhängig vom Willen des Erben fällig. Damit steht fest: Wer eine Immobilie erhält, trägt nicht nur Verantwortung, sondern ein steuerliches Risiko, das ohne Planung zur Existenzfrage werden kann.

Die Erbschaftsteuer trifft oft nicht den Reichtum, sondern die Mittelschicht. Wer ein Haus erbt, ist in den Augen des Fiskus vermögend – auch wenn kein Euro auf dem Konto liegt. Der Gesetzgeber erlaubt zwar eine Stundung, doch diese ist kein Anspruch, sondern ein Gnadenakt. Die Hürden sind hoch, die Behörden zurückhaltend. In Zeiten steigender Immobilienpreise und stagnierender Löhne wächst die Schere zwischen Steueranspruch und Zahlungsfähigkeit.

Das eigentliche Problem liegt tiefer: Das Steuerrecht ignoriert, dass Substanzbesitz keine Liquidität bedeutet. Es abstrahiert vom konkreten Leben, von familiären Bindungen, von sozialen Konstellationen. Wer sich dem widersetzt, riskiert Zwangsmaßnahmen, obwohl er keine Schuld trägt – außer der, ein Haus geerbt zu haben.

Stundung muss aus dem Ausnahmefall herausgeführt werden. Es braucht transparente Kriterien, bundeseinheitliche Standards und klare Fristen. Es braucht ein Steuerrecht, das schützt, was es erhalten will – nicht eines, das durch fiskalischen Druck zerstört, was Generationen aufgebaut haben.

 

Mit Frosch, Format und Fürsorge

Wie eine Apotheke auf der Fahrradmesse für die DKMS wirbt und Haltung zeigt

Am vergangenen Samstag verwandelte sich Herzogenaurach wieder in einen Knotenpunkt für Radbegeisterte und Nachhaltigkeitsfreunde. Die alljährliche Fahrradmesse lockte zahlreiche Besucher in die Innenstadt – mittendrin die Stadtapotheke, die mit einem eigenen Stand erneut Präsenz zeigte. Zum zweiten Mal in Folge nutzte das Team rund um Apothekerin Cordula Görtz die Gelegenheit, sich nicht nur als pharmazeutischer Ansprechpartner, sondern als engagierter Teil der Stadtgesellschaft zu präsentieren.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand ein quietschgrüner Elektroroller – liebevoll „Elektrofrosch“ genannt –, der längst zum mobilen Markenzeichen der approbierten Apothekerin geworden ist. In diesem Jahr diente er nicht nur als Blickfang, sondern als Auftakt für ein ernstes Anliegen: die Unterstützung der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Die Apotheke stellte ihre Messepräsenz in den Dienst der lebenswichtigen Aufklärungsarbeit rund um die Stammzellspende.

Das Apothekenteam informierte Passanten über die Möglichkeiten, sich als potenzielle Stammzellspender registrieren zu lassen, klärte über Abläufe auf und räumte mit Ängsten auf. Informationsmaterialien lagen bereit, Gespräche fanden statt, und zahlreiche Besucher zeigten sich offen für das Thema. Damit setzte die Stadtapotheke ein starkes Signal: Pharmazeutisches Engagement endet nicht am HV-Tisch – es beginnt dort, wo Verantwortung öffentlich gelebt wird.

Wer meint, Apotheken seien nur Orte der Arzneiabgabe, sollte nach Herzogenaurach schauen. Dort hat eine Apotheke gezeigt, was möglich ist, wenn pharmazeutisches Selbstverständnis auf gesellschaftliche Haltung trifft. Der Messeauftritt war keine Werbeshow, sondern eine Intervention – still, freundlich, aber wirksam. Mit einem Elektrofrosch als Blickfang und der DKMS als Botschaft verwandelte sich der Stand der Stadtapotheke in eine Plattform für Zivilcourage.

Solche Aktionen sind kein dekoratives Beiwerk, sondern notwendige Korrekturen in einer Gesundheitslandschaft, die immer häufiger anonymer, entmenschlichter, digitaler wird. Die Apotheke kann hier gegensteuern – mit direktem Kontakt, mit Wissen und mit der Bereitschaft, mehr zu tun als das Nötigste. Genau das hat Cordula Görtz getan. Sie hat gezeigt, dass pharmazeutische Kompetenz nicht von gesellschaftlicher Verantwortung zu trennen ist. Eine Haltung, die Schule machen sollte.

 

Wenn das Lächeln zurückkehrt

Warum die Apothekenabgabe auf Helgoland mehr ist als ein persönlicher Befreiungsschlag

Carsten Hase und seine Frau Isolde Maiwald-Hase haben über ein Jahrzehnt lang die einzige Apotheke auf Helgoland betrieben – mit einem Engagement, das weit über das Übliche hinausging. An 365 Tagen im Jahr hielten sie den Betrieb aufrecht, versorgten eine abgeschiedene Inselbevölkerung und nahmen dabei nicht nur meteorologische, sondern zunehmend auch politische und wirtschaftliche Widrigkeiten in Kauf.
Die Apotheke war mehr als ein Gesundheitsort: Sie war eine infrastrukturelle Lebensader inmitten einer kleinen Welt im Wandel. Doch dieser Dienst auf der isolierten Insel ging über Jahre hinweg an die Substanz. Notdienste rund um die Uhr, keine Vertretung, permanente Verfügbarkeit – in einem System, das nicht mehr trägt. Die Rahmenbedingungen für kleine Apotheken, insbesondere in exponierten Lagen, verschlechterten sich zusehends: Bürokratie, Erstattungsdruck, Lieferengpässe, Fixumstarre.

Im April kam die ersehnte Wende: Eine Nachfolgerin übernahm die Apotheke – und mit ihr eine Verantwortung, die kaum zu überschätzen ist. Für Hase bedeutet der Schritt nicht nur das Ende einer Ära, sondern der Beginn einer Rückkehr zur eigenen Lebensqualität. „Ich bin sehr viel entspannter, ich gehe wieder mit einem Lächeln durch die Straßen“, sagt er. Und spricht damit aus, was viele Apotheker im Land fühlen: Erschöpfung durch Dauerbelastung, aber auch Erleichterung, wenn es gelingt, Verantwortung in gute Hände zu geben.

Die neue Inhaberin steht nun ihrerseits vor den bekannten Herausforderungen – allerdings mit einem funktionierenden System im Rücken, das sie nicht selbst aufbauen musste. Die Versorgung der Insel ist weiterhin gesichert, doch der Fall zeigt exemplarisch, wie fragil diese Sicherung ist. Ohne engagierte Einzelpersonen, die über Jahre hinweg persönliche Kraft und Verantwortung auf sich nehmen, wäre eine flächendeckende Versorgung in Deutschland mancherorts längst Geschichte.

Helgoland ist nur ein Beispiel – aber ein besonders deutliches. Carsten Hase hat nicht gekämpft für eine „Existenz“, sondern für eine Versorgungsstruktur, die ohne seinen unbedingten Einsatz nicht überlebt hätte. Was das bedeutet, zeigt sein Satz nach der Abgabe: „Ich gehe wieder mit einem Lächeln durch die Straßen.“ Es ist kein banaler Nachruhestandssatz, sondern eine stille Anklage gegen ein System, das Apotheker in strukturschwachen Regionen alleine lässt.

Es sind diese Einzelfälle, die die Realität verdeutlichen: Ohne gezielte Unterstützung, ohne administrative Entlastung und ohne wirtschaftliche Stabilität bleibt die Versorgung auf Inseln, in Tälern und Randlagen Glückssache. Wer dort eine Apotheke betreibt, zahlt mit Kraft, Zeit und Gesundheit. Der Preis ist hoch, der Dank gering.

Dass es nun eine Nachfolgerin gibt, ist ein Glücksfall – nicht nur für Hase, sondern für die gesamte Insel. Doch wie lange wird auch sie durchhalten, wenn sich am Grundproblem nichts ändert? Wenn die Politik nicht endlich versteht, dass Apotheke nicht nur Gesundheitsberuf, sondern Daseinsvorsorge ist?

Die Geschichte von Helgoland ist deshalb keine Anekdote, sondern eine Warnung. Und Hases Lächeln ist kein Ende – sondern ein Appell.

 

Maßgeschneiderte Rettung im Säuglingsalter

Die erste personalisierte Gentherapie gegen eine tödliche Mutation zeigt Wirkung

Eine neue Ära der personalisierten Gentherapie hat begonnen: In den USA wurde erstmals erfolgreich eine maßgeschneiderte Base-Editing-Behandlung bei einem Neugeborenen mit einem angeborenen CPS1-Mangel durchgeführt. Die seltene, autosomal-rezessive Erkrankung des Harnstoffzyklus führt unbehandelt zu toxischen Ammoniakansammlungen und oft zum Tod im Säuglingsalter. Eine Heilung war bislang nur durch eine riskante Lebertransplantation denkbar. Nun zeigt ein Einzeltherapie-Fall, wie hochpräzise Genkorrekturen binnen weniger Monate klinisch wirksam umgesetzt werden können.

Verantwortlich für den medizinischen Durchbruch ist ein Team um Professor Kiran Musunuru von der University of Pennsylvania. Es gelang, eine spezifische Punktmutation (Q335X) im CPS1-Gen des Patienten zu korrigieren. Die Behandlung erfolgte mit einem personalisierten CRISPR-Base-Editing-Verfahren, bei dem eine gRNA und eine mRNA, codierend für ein modifiziertes Cas-Enzym, in Lipidnanopartikeln gezielt zur Leber transportiert wurden. Der Editor NGC-ABE8e-V106W wandelte punktgenau eine DNA-Base und stellte die Genfunktion wieder her.

Begleitet wurde die Behandlung von umfangreichen Sicherheitsprüfungen in Zell- und Tiermodellen. Auch toxikologische Untersuchungen an Affen zeigten keine gravierenden Nebenwirkungen. Die FDA erteilte daraufhin eine Einzelgenehmigung im beschleunigten Zulassungsverfahren. Der klinische Verlauf des Säuglings bestätigte die Wirkung: Proteinaufnahme und Gewicht nahmen zu, die Ammoniakwerte sanken signifikant, neurologische Schäden blieben aus.

Was bislang nur Vision war, wird Realität: Eine auf ein einzelnes Genprofil zugeschnittene Therapie – entwickelt, geprüft und verabreicht in wenigen Monaten. Die Geschwindigkeit, mit der in diesem Fall Diagnostik, präklinische Modelle, regulatorische Prüfung und klinische Anwendung synchronisiert wurden, markiert einen Paradigmenwechsel.

Die translationalen Hürden der Genmedizin schrumpfen, wenn Wissenschaft, Klinik und Behörden kooperieren. Der Fall zeigt, dass technologische Innovation durch koordinierte Infrastruktur tatsächlich in Lebenszeit übersetzbar ist. Das ist ein Fortschritt, der nicht nur wissenschaftlich, sondern auch systemisch relevant ist.

Doch der Erfolg wirft auch ethische, soziale und strukturelle Fragen auf: Wer erhält Zugang zu solch individualisierter Hochleistungsmedizin? Wie lässt sich der Anspruch auf Gerechtigkeit mit der Singularität personalisierter Interventionen verbinden? Und: Wie weit sind wir von der Normalisierung solcher Therapien entfernt?

Der Fall CPS1 ist ein medizinisches Wunder – aber auch ein systemischer Stresstest. Er macht Hoffnung, aber er mahnt auch zur Debatte über Verteilung, Verantwortung und Vision.

 

Medikamente auf Rezept, digitale Programme, klare Hürden

Wie der G-BA die Raucherentwöhnung neu strukturiert und was Patient:innen jetzt wissen müssen

Ein historischer Schritt in der Tabakprävention: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die Rahmenbedingungen für die erstmalige Erstattungsfähigkeit von Medikamenten zur Raucherentwöhnung durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) verabschiedet. Damit können Patientinnen und Patienten mit einer diagnostizierten schweren Tabakabhängigkeit künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine medikamentöse Behandlung auf Kassenrezept erhalten. Die Entscheidung fusst auf dem Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz, das dem G-BA den gesetzlichen Auftrag zur Ausgestaltung dieses neuen Leistungsanspruchs erteilt hatte.

Im Zentrum steht die Definition des Begriffs „schwere Tabakabhängigkeit“. Zwei Kriterien gelten nun als richtungsweisend: Entweder ein Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) mit mindestens 6 Punkten oder das anhaltende Scheitern eines Rauchstopps trotz klinisch manifester Risikokonstellationen wie COPD, Asthma oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zudem ist die Verordnungsfähigkeit strikt an die Teilnahme an einem evidenzbasierten Entwöhnungsprogramm gebunden. Dieses kann als Online-Kurs, Präsenzseminar oder über eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) erfolgen. Die Apps „NichtraucherHelden“ und „Smoke Free“ sind derzeit als verordnungsfähige DiGA gelistet.

Aktuell umfasst die Liste der potenziell erstattungsfähigen Wirkstoffe ausschließlich Nikotinersatzpräparate und das Vareniclin. Für Letzteres bestehen Generikaalternativen zum Handelspräparat Champix®. Arzneien mit Bupropion oder Cytisin bleiben hingegen außen vor. Laut G-BA fehlen bislang stichhaltige Nachweise für deren Wirksamkeit bei schwerer Tabakabhängigkeit.

Die medikamentöse Therapie ist zeitlich limitiert. Spätestens nach drei Monaten soll der verordnende Arzt evaluieren, ob die medikamentöse Unterstützung fortgesetzt wird. Ein Wiederholungsanspruch entsteht erst nach einer dreijährigen Abstinenzphase bei erneutem Rückfall.

Der G-BA-Beschluss vom 15. Mai muss noch vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geprüft werden. Erst danach tritt er in Kraft. Ein konkretes Inkrafttretensdatum wurde bislang nicht genannt.

Die Entscheidung des G-BA ist ein paradigmatischer Wechsel: Zum ersten Mal anerkennt die gesetzliche Krankenversicherung die medikamentöse Tabakentwöhnung als versorgungsrelevante Leistung. Die Jahrzehnte alte Lücke zwischen Präventionsrhetorik und therapeutischer Unterstützung schließt sich damit zumindest für eine klar definierte Risikogruppe. Doch der vermeintliche Durchbruch bleibt fragmentarisch.

Denn was als Fortschritt gefeiert wird, bleibt an strenge Indikationshürden, digitale Pflichtformate und eine enge Positivliste geknüpft. Gerade in der Versorgungsrealität von Hausarztpraxen, psychotherapeutischen Einrichtungen und Suchtambulanzen könnte diese Bürokratie zur neuen Barriere werden.

Nicht die Krankheit, sondern der Nachweis ihrer „schweren“ Ausprägung entscheidet nun über die Therapiezugänglichkeit. Damit droht eine Ungleichbehandlung von Patientinnen und Patienten, die an ihrer Abhängigkeit scheitern, aber den Schwellenwert eines Tests nicht erreichen. Auch die Ablehnung von Bupropion und Cytisin wirft Fragen auf, denn außerhalb der IQWiG-Grenzen gibt es zahlreiche internationale Belege für deren Wirksamkeit.

Kurzum: Der G-BA-Beschluss ist ein richtiger, aber kein vollständiger Schritt. Wer das Rauchen wirklich zur Krankheit erklärt, muss auch bereit sein, therapeutische Vielfalt und niedrigschwellige Zugänge zu ermöglichen.

 

Therapie ist kein Befehl

Adhärenz ersetzt Compliance – und macht Apotheken zu Verbündeten auf Augenhöhe

Therapietreue ist mehr als das bloße Befolgen ärztlicher Anweisungen. Sie ist ein Spiegel der Beziehung zwischen Patient, Arzt und Apotheker – und ein zentrales Kriterium für Therapieerfolg. Doch der Begriff selbst ist im Wandel: Während „Compliance“ jahrzehntelang für das artige Befolgen ärztlicher Vorgaben stand, rückt „Adhärenz“ den Patienten heute in den Mittelpunkt einer kooperativen Versorgung. Der Unterschied ist mehr als semantisch – er ist strukturell.

Compliance gilt als einseitiges Modell. Wer Anweisungen nicht wie vorgeschrieben umsetzt, gilt als non-compliant. Patientinnen und Patienten werden dabei auf eine passive Rolle reduziert. Die Gründe für das Verhalten – etwa Nebenwirkungen, persönliche Zweifel oder soziale Hürden – bleiben unberücksichtigt. Dieses Modell ignoriert den Alltag der Betroffenen und erschwert die nachhaltige Integration der Therapie in das Leben der Menschen.

Adhärenz setzt dem ein partnerschaftliches Konzept entgegen. Patient und Therapeut treffen Therapieentscheidungen gemeinsam. Das Verhalten wird nicht beurteilt, sondern verstanden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von der Übereinstimmung mit gemeinsam entwickelten Empfehlungen – und betrachtet Therapietreue als multifaktorielles Phänomen. Sie benennt fünf Dimensionen: patientenbezogene, krankheitsbezogene, sozioökonomische, therapiebezogene sowie systembedingte Faktoren. Die Botschaft: Es reicht nicht, den Patienten zu mahnen – das gesamte Versorgungssystem muss therapietreu sein.

Ein Praxisbeispiel aus der Apotheke zeigt den Unterschied: Eine Patientin holt regelmäßig ihr Blutdruckmedikament, obwohl sie unter Nebenwirkungen leidet. Ohne Nachfrage ändert sie später eigenständig die Einnahme – ein klassischer „Fall“ mangelnder Compliance. Anders der Patient mit Diabetes, der wegen Schichtarbeit seinen Einnahmezeitpunkt anpassen will und aktiv nach Beratung fragt: Hier entsteht ein dialogisches Modell, das auf Adhärenz zielt.

Diese neue Perspektive verändert auch die Rolle der Apotheken. Sie sind niedrigschwellige Gesundheitsakteure mit Vertrauenspotenzial. Regelmäßiger Kontakt mit denselben Fachpersonen, persönliche Beratung, Wissen um individuelle Lebensumstände – all das fördert nicht nur Sicherheit, sondern Adhärenz. Besonders deutlich wurde das beim ersten Weltadhärenztag am 27. März 2025, als Apotheken in Kampagnen, Gesprächen und Schulungen zentrale Botschaften vermittelten: Therapie ist keine Einbahnstraße – und Versorgung beginnt mit Vertrauen.

Die Umstellung von Compliance auf Adhärenz ist mehr als nur ein sprachlicher Fortschritt – sie ist ein Perspektivwechsel mit systemischer Wirkung. Jahrzehntelang galt es als selbstverständlich, dass Patientinnen und Patienten ärztliche Vorgaben einfach umzusetzen hätten. Wer das nicht tat, wurde etikettiert: als „non-compliant“. Diese Perspektive war nicht nur bevormundend, sondern realitätsfern.

Denn wer eine Therapie abbricht oder verändert, tut das selten aus Gleichgültigkeit, sondern aus nachvollziehbaren Gründen – Nebenwirkungen, Alltagskonflikte, Unsicherheit oder fehlendes Verständnis. Das klassische Compliance-Modell hat diese Dimensionen ignoriert und dadurch Vertrauen untergraben.

Adhärenz setzt hier an. Sie begreift Therapie als dialogischen Prozess, bei dem Patientinnen und Patienten aktiv mitgestalten. Statt mit erhobenem Zeigefinger wird mit offener Hand beraten. Diese Haltung ist nicht nur ethisch angemessener, sondern medizinisch erfolgreicher.

Für Apotheken bedeutet das eine neue Verantwortung – und eine enorme Chance. Sie sind nicht verlängerte Ausgabeschalter ärztlicher Rezepte, sondern reale Ankerpunkte im Gesundheitsalltag. Gerade in der kontinuierlichen Versorgung schaffen sie eine Vertrauensebene, wie sie in der ärztlichen Praxis oft zeitlich gar nicht möglich ist.

Wer regelmäßig die gleiche Apothekerin oder denselben Apotheker aufsucht, öffnet sich eher. Fragen entstehen, Gespräche folgen, Therapie wird verstehbar. Adhärenz lebt genau von dieser Nähe: niedrigschwellig, persönlich, langfristig.

Wenn Apothekerinnen und Apotheker diese Rolle bewusst annehmen, verändert sich die Versorgung grundlegend. Dann wird Therapietreue nicht mehr gemessen, sondern gestaltet – im gemeinsamen Interesse von Patient, System und Profession.

 

Migräne, Mikrobiom, Vitaminwirkung

Wie Probiotika und Vitamin D neue Wege der Kopfschmerzprophylaxe eröffnen

Eine klinische Studie aus dem Iran liefert neue Hinweise darauf, dass eine Nahrungsergänzung mit Probiotika und hoch dosiertem Vitamin D die Häufigkeit und den Schweregrad von Migräneattacken deutlich senken kann. Die Untersuchung, die von einem Team um Shahnaz Amani Tirani an der Isfahan University of Medical Sciences durchgeführt und im Fachjournal "BMC Medicine" publiziert wurde, beleuchtet die Rolle der Darm-Hirn-Achse bei Migräne und legt nahe, dass die Modulation des Mikrobioms therapeutisches Potenzial besitzt.

Migräne zählt zu den komplexesten und am weitesten verbreiteten neurologischen Erkrankungen weltweit. Sie ist charakterisiert durch halbseitige, pulsierende Kopfschmerzen, häufig begleitet von Übelkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit. Immer mehr Studien deuten darauf hin, dass der Darm und insbesondere die Zusammensetzung der dort lebenden Mikroorganismen über immunologische und neuroinflammatorische Prozesse Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf von Migräne nehmen.

In der aktuellen randomisierten, dreifach verblindeten und placebokontrollierten Studie wurden 72 Migränepatientinnen und -patienten im Alter von 18 bis 55 Jahren über einen Zeitraum von zwölf Wochen entweder mit einer Kombination aus Vitamin D und Probiotika oder mit einem Placebo behandelt. Das Vitamin D wurde in Form von 50.000 IE alle zwei Wochen verabreicht, das Probiotikum enthielt diverse Milchsäure- und Bifidobakterien in einer täglichen Dosis von 4,5 x 10^11 koloniebildenden Einheiten.

Die Ergebnisse: In der Interventionsgruppe sank die durchschnittliche Zahl der monatlichen Migräneattacken um 3,2, in der Placebogruppe nur um 1,3. Auch der Schweregrad der Attacken – gemessen mit dem etablierten HIT-6-Fragebogen – nahm signifikant ab (–1,6 Punkte), während er in der Kontrollgruppe leicht anstieg (+0,7 Punkte). Bei Anfallsdauer, Alltagseinschränkungen und CRP-Serumspiegeln ergaben sich hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede.

Die Forschenden vermuten, dass die Kombination aus Vitamin D und Probiotika inflammatorische Prozesse und Dysbiosen im Darm reduziert, was wiederum über die Darm-Hirn-Achse eine lindernde Wirkung auf Migränekopfschmerzen entfalten könnte. Allerdings bleibt unklar, ob die Wirkung auf beide Substanzen gemeinsam oder auf eine der beiden Komponenten zurückzuführen ist. Zudem zeigte sich keine messbare Veränderung beim Entzündungsmarker CRP, was die Hypothese einer systemischen Entzündungshemmung relativiert.

Obgleich es sich um eine kleine Pilotstudie handelt, bieten die Resultate wichtige Impulse für zukünftige Forschungen. Bislang konzentrieren sich die Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften im Bereich der Migräneprophylaxe auf etablierte Mikronährstoffe wie Magnesium, Coenzym Q10, Riboflavin und Pestwurz. Für Probiotika und Vitamin D fehlt bislang eine belastbare Datenlage, weshalb größere, vergleichende Studien notwendig sind, um Wirksamkeit, Dosis-Wirkungs-Beziehung und Langzeiteffekte zu klären.

Migräne bleibt ein medizinisches Rätsel – mit individuellen Ursachen und kaum vorhersehbarem Verlauf. Jede ernst zu nehmende Spur, die zur Linderung führen könnte, ist deshalb bedeutsam. Die vorliegende Studie hebt die oft unterschätzte Rolle des Darmmikrobioms hervor und stellt einen überfälligen Zusammenhang her: zwischen Ernährung, Immunsystem und neurologischer Symptomatik. Dass Vitamin D und Probiotika als kostengünstige, risikoarme Intervention den Leidensdruck von Migränepatienten mindern könnten, hat medizinische wie gesellschaftliche Relevanz.

Aber Euphorie ist fehl am Platz. Der Studienumfang ist klein, die Beobachtungszeit begrenzt, die Messgrößen begrenzt aussagekräftig. Besonders irritiert die Wirkungslosigkeit in Bezug auf CRP – ein zentraler Marker für Entzündungsaktivität. Wenn hier kein Effekt nachweisbar ist, darf man an der behaupteten entzündungshemmenden Wirkung zumindest zweifeln. Auch bleibt offen, ob Vitamin D allein, die Probiotika oder nur das Zusammenspiel beider Komponenten wirksam ist.

Trotz dieser Unschärfen markiert die Studie einen Paradigmenwechsel: Sie rückt das Mikrobiom ins Zentrum einer neurologischen Störung – und fordert dazu auf, Kopfschmerz nicht nur medikamentös, sondern systemisch zu denken. Die Zukunft der Migränebehandlung könnte im Bauch beginnen. Entscheidend wird sein, ob weitere Studien den Anfangsverdacht bestätigen – oder widerlegen.

 

Glosse: HV-Tresen mit Klangschale

Wenn Apotheken zur spirituellen Widerstandsbewegung werden

Apotheken als Sehnsuchtsorte der Sinnsuche? Willkommen im Jahr 2025, wo der letzte Tropfen Codein gegen kollektive Überforderung nicht mehr vom Großhandel kommt, sondern aus dem Herzen. Apothekerin Silke Trübsal aus dem Sauerland hat kürzlich ihr Rezepturzimmer in einen Meditationsraum umgebaut. Der Grund: Ihre PTA hört auf keinen Chef mehr, nur noch auf ihren Achtsamkeitscoach. "Wir können die Rabattverträge nicht ändern, aber wir können unsere Haltung dazu ändern", sagt Trübsal – und meint das ernst. Statt BMG-Akten studiert sie jetzt fernöstliche Philosophie. Ihre neue Leitlinie: Zwischen Lieferengpass und Lebenssinn passt immer noch eine Runde bewusstes Atmen.

Während der HV-Bereich zur Wohlfühlzone mutiert, ziehen auch andere mit. In Mecklenburg wurde jüngst ein Filialleiter suspendiert, weil er seine Belegschaft zur Mantra-Rezitation zwang – mit Verweis auf „betriebliches Gesundheitsmanagement“. Der Bundesverband schweigt höflich. Und das Versorgungswerk? Hat seinen Anlageausschuss in „Kreis für energetische Zukunftssicherung“ umbenannt. Der Millionenverlust bleibt, aber der Energiefluss stimmt jetzt angeblich.

Wer sich fragt, was aus Professionalität und Pharmazie geworden ist: Sie meditiert noch, sie hat nur das Telefon auf lautlos. So verabschiedet sich die Branche in die sanfte Rebellion – mit Klangschale statt Klagebrief.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

 

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