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  • 08.05.2025 – Apotheken-News: Haftungsrisiken, Marktkrise und Versorgungsengpässe belasten Apotheken
    08.05.2025 – Apotheken-News: Haftungsrisiken, Marktkrise und Versorgungsengpässe belasten Apotheken
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Technik, Recht und Versorgung geraten im Apothekenwesen zunehmend in Konflikt. Automaten erhöhen die Haftung, DocMorris verliert Vertra...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Haftungsrisiken, Marktkrise und Versorgungsengpässe belasten Apotheken

 

Automatisierte Systeme, DocMorris' Kapitalnot und Ferrlecit-Ausfall verschärfen den Druck

Automatisierte Abholstationen gelten als Symbol moderner Apotheken, doch sie verschärfen die Haftungsrisiken erheblich: Die volle Verantwortung liegt weiterhin beim Inhaber – auch dann, wenn der Kunde anonym am Automaten abholt. Gleichzeitig kämpft DocMorris mit massiven Finanzproblemen und bittet erneut die Kapitalmärkte um Hilfe, was Zweifel an der Tragfähigkeit des digitalen Geschäftsmodells nährt. Hinzu kommt ein drohender Systembruch durch ein anstehendes Urteil des Bundesgerichtshofs zur Rx-Boni-Praxis, das die Preisbindung aushebeln könnte. Die Europäische Arzneimittelagentur setzt nach zwei Todesfällen die Anwendung des Chikungunya-Impfstoffs Ixchiq bei Senioren vorsorglich aus. Parallel fehlt mit Ferrlecit ein essentielles Eisenpräparat – ein weiterer Beleg für die Instabilität der Arzneimittelversorgung. Apotheken stehen im Zentrum eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen technologischer Beschleunigung, juristischer Verantwortung und realen Versorgungslücken – ohne Rückendeckung, aber mit wachsendem Erwartungsdruck.


Apotheken in Deutschland sehen sich derzeit einer Vielzahl struktureller, juristischer und praktischer Belastungen ausgesetzt, die sich wechselseitig verstärken und den betrieblichen Handlungsspielraum erheblich einschränken. Ein zentrales Beispiel für diese Entwicklung ist die Einführung automatisierter Abholstationen. Was als technische Modernisierung geplant war, um dem Wunsch der Bevölkerung nach kontaktarmer Versorgung und flexiblen Öffnungszeiten entgegenzukommen, entpuppt sich in der Praxis als juristische Stolperfalle. Denn nach geltendem Arzneimittelrecht trägt der Apothekenleiter die volle Verantwortung für jede einzelne Abgabe – unabhängig davon, ob diese am HV-Tresen oder über ein elektronisch gesteuertes Abholsystem erfolgt. Technologische Unterstützung ersetzt keine rechtliche Sorgfalt, sie verlagert sie lediglich auf neue Schnittstellen. Die Vorstellung, eine technische Anlage könne Teile der Abgabeverantwortung übernehmen, ist mit den bestehenden haftungsrechtlichen Grundlagen unvereinbar. Damit erzeugt jedes zusätzliche System nicht nur logistischen Aufwand, sondern auch eine neue Ebene möglicher Fehlerquellen, für die am Ende stets der Inhaber haftet – personell, organisatorisch und finanziell.

Gleichzeitig gerät das bislang als Zukunftsmodell gefeierte Geschäftsmodell der reinen Online-Apotheke ins Wanken. DocMorris, die prominenteste Akteurin in diesem Marktsegment, kündigte eine Kapitalerhöhung über 200 Millionen Schweizer Franken an, um ihre Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Die geplante Maßnahme reiht sich ein in eine Serie früherer Liquiditätsmaßnahmen, die zeigen, dass das Unternehmen operativ keinen stabilen Cashflow erzeugt. Analysten und Marktbeobachter stellen vermehrt die Frage, ob sich das auf Skalierung, Effizienz und Reichweite ausgelegte Modell ohne tragfähige Margen überhaupt langfristig im regulierten Arzneimittelmarkt behaupten kann. Die Sichtweise, dass technologische Plattformen automatisch zu wirtschaftlichem Erfolg führen, wird durch die Realität einer chronischen Unterdeckung in Frage gestellt. Gerade die massive Abhängigkeit von Kapitalzuflüssen signalisiert, dass die Marktposition von DocMorris trotz hoher Sichtbarkeit auf tönernen Füßen steht.

Während die digitale Umgestaltung der Versorgung ins Stocken gerät, zeichnet sich auf juristischer Ebene ein potenziell marktveränderndes Urteil ab. Der Bundesgerichtshof wird in Kürze über die Zulässigkeit von Boni auf rezeptpflichtige Arzneimittel entscheiden, die von Versandapotheken mit Sitz in anderen EU-Ländern gewährt werden. In dem Verfahren geht es um drei Euro Bonus je eingelöstem Rezept, den ein niederländischer Anbieter deutschen Kunden in Aussicht gestellt hatte. Sollte der BGH diese Praxis bestätigen, könnte das als faktische Aufweichung der in Deutschland geltenden Preisbindung gewertet werden. Die Folgen für Präsenzapotheken wären weitreichend. Der einheitliche Apothekenabgabepreis gilt bislang als Grundpfeiler einer gerechten, flächendeckenden Versorgung. Wird dieses Prinzip unterlaufen, entstehen massive Wettbewerbsverzerrungen, die vor allem kleinere Betriebe in strukturschwachen Regionen gefährden könnten.

Auch auf der Ebene der Arzneimittelsicherheit geraten Apotheken unter Druck. Die Europäische Arzneimittelagentur hat nach zwei Todesfällen bei älteren Patienten den Impfstoff Ixchiq gegen Chikungunya vorläufig für Personen über 65 Jahre ausgesetzt. Bei den betroffenen Fällen wurden schwere neurologische und pulmonale Komplikationen festgestellt, darunter eine Enzephalitis sowie eine mutmaßlich impfassoziierte Aspirationspneumonie. Auch wenn die Kausalität bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, reagiert die EMA mit einem vorsorglichen Markteingriff. Die Maßnahme unterstreicht die besondere Vulnerabilität bestimmter Patientengruppen und wirft erneut Fragen zur Zulassungspolitik, zur Risikokommunikation und zur Nachsorge in Impfkampagnen auf.

Schließlich sehen sich Apotheken mit einem akuten Versorgungsengpass konfrontiert. Ferrlecit, ein intravenöses Eisenpräparat, ist in den Dosierungen 40 und 62,5 Milligramm bundesweit bis mindestens zum 22. Dezember nicht verfügbar. Die Substanz wird insbesondere in der Schwangerschaft, bei chronischer Nierenerkrankung und in der Onkologie eingesetzt. Eine Substitution ist medizinisch nicht immer möglich oder rechtlich abgesichert. Der Ausfall betrifft nicht nur Apotheken, sondern auch Kliniken, Dialysepraxen und onkologische Zentren. Es handelt sich nicht um einen isolierten Einzelfall, sondern um ein wiederkehrendes Symptom struktureller Unterbrechungen in der Arzneimittelversorgungskette. Die Kombination aus globalisierten Produktionsabläufen, fehlender Lagerhaltung und begrenzten Alternativprodukten macht das System anfällig für Schockwellen, deren Ursprung oft außerhalb der unmittelbaren Kontrolle deutscher Akteure liegt.

In der Summe ergibt sich ein komplexes, systemisch aufgeladenes Bild. Apotheken sind zugleich Haftungsträger, wirtschaftlich unter Druck stehende Dienstleister, rechtlich herausgeforderte Marktteilnehmer und letzte Versorgungsinstanz in einer lückenhaften Lieferkette. Weder technische Innovationen noch digitale Geschäftsmodelle haben bislang zu einer tatsächlichen Entlastung geführt. Vielmehr geraten Apotheken in eine Lage, in der sie zunehmend für Risiken verantwortlich gemacht werden, die sie strukturell kaum steuern können.

 
Kommentar:

Die Vorstellung, dass Technologie Probleme im Gesundheitswesen automatisch löst, ist in Deutschland längst zum politischen Reflex geworden. Automatisierte Abholstationen, digitale Rezeptwege und Onlineapotheken sollen Effizienz, Modernität und Patientenorientierung vermitteln. Doch in der Realität erzeugen diese Elemente keine Entlastung, sondern verschieben Verantwortungsebenen und verstärken rechtliche Unsicherheiten. Die volle Haftung des Apothekenleiters auch für Automatenausgaben ist kein Nebeneffekt, sondern ein systemisches Paradoxon: Die Technik verspricht Fortschritt, das Recht besteht auf Kontrolle. So entsteht ein Betriebssystem, das formal digitalisiert, aber strukturell überfordert ist. Die Frage, wer im Ernstfall haftet, bleibt eindeutig – und trifft immer den Apothekeninhaber.

Auch wirtschaftlich wirkt der digitale Fortschritt ambivalent. Der Fall DocMorris zeigt, dass ein skaliertes Geschäftsmodell ohne tragfähige Erträge nur so lange überlebt, wie Investoren Hoffnung haben. Die geplante Kapitalerhöhung verdeutlicht nicht nur akute Liquiditätsnot, sondern wirft ein Schlaglicht auf die grundlegende Fragilität digitaler Plattformunternehmen im regulierten Arzneimittelmarkt. Wenn Umsatzwachstum nicht mit Wertschöpfung einhergeht, gerät das gesamte Konzept ins Wanken. Die Tatsache, dass DocMorris trotz langjähriger Marktpräsenz immer noch nicht wirtschaftlich autark operiert, sollte nicht als Randnotiz abgetan werden, sondern als strukturelles Warnsignal für die Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen gelesen werden.

Der Rechtsstreit um Rx-Boni ist mehr als ein juristisches Detail. Sollte der Bundesgerichtshof dem Bonusprinzip zustimmen, wäre das gleichbedeutend mit einer faktischen Deregulierung des Preisgefüges. Das Argument der Verbrauchernähe verkennt dabei die Funktion der Preisbindung als sozialpolitisches Steuerungsinstrument. Arzneimittelpreise sind keine freien Marktpreise, sondern regulatorisch gesetzte Beträge zur Sicherstellung einer gleichwertigen Versorgung. Wird diese Balance zugunsten einzelner Geschäftsinteressen verschoben, entstehen ökonomische Druckverhältnisse, die das Fundament des Apothekenwesens beschädigen können.

Hinzu kommt die Frage nach Arzneimittelsicherheit und Lieferfähigkeit. Die Impfstoffaussetzung bei Ixchiq zeigt exemplarisch, dass beschleunigte Zulassungsverfahren und reale Anwendung nicht immer deckungsgleich sind. Besonders bei vulnerablen Gruppen muss das Prinzip der Vorsicht gelten – nicht nur im medizinischen, sondern auch im regulatorischen Sinne. Die Reaktion der EMA ist nachvollziehbar, aber sie verweist auf ein grundsätzliches Problem: Der Innovationsdruck im Impfstoffmarkt darf nicht zur Relativierung medizinischer Sorgfaltspflichten führen.

Noch deutlicher wird die strukturelle Instabilität am Beispiel Ferrlecit. Der monatelange Ausfall eines zentralen Eisenpräparats zeigt, wie schnell die Versorgung an ihre Grenzen stößt. Dass Apotheken diese Lücke weder kompensieren noch kommunizieren können, ohne in Zielkonflikte zu geraten, unterstreicht ihre systemische Überlastung. Sie werden verantwortlich gemacht für Prozesse, die sie weder initiieren noch beeinflussen. Dieses Missverhältnis aus Verantwortung und Einfluss muss neu justiert werden – nicht nur im Interesse der Betriebe, sondern vor allem im Sinne einer verlässlichen, solidarischen Gesundheitsversorgung.

Was sich in diesen parallelen Entwicklungen abzeichnet, ist keine vorübergehende Krise, sondern eine strukturelle Disbalance zwischen Anspruch und Realität. Die Apotheke steht im Zentrum eines Systems, das sie zunehmend allein lässt: rechtlich exponiert, wirtschaftlich unter Druck, logistisch überfordert und politisch oft ignoriert. Wer in ihr lediglich einen Verteilpunkt für Medikamente sieht, verkennt ihre eigentliche Funktion – als letzte menschliche Instanz in einem zunehmend entpersonalisierten Gesundheitssystem. Genau hier muss die nächste Reform ansetzen: nicht mit weiteren Versprechen, sondern mit konkreten Entlastungen, klaren Haftungsregeln und einer nachhaltigen Stärkung der Versorgungsbasis. Andernfalls verliert das System seine stabilste Säule – und mit ihr ein entscheidendes Stück Gesundheitssicherheit.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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