
Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Die Preisbindung galt einst als Garant für soziale Gerechtigkeit in der Arzneimittelversorgung – heute droht ihr Ende, leise und doch unumkehrbar. Das E-Rezept, politisch als Digitalisierungsschub gefeiert, wird zum Hebel für strukturellen Druck und ökonomische Machtverschiebung. Apotheken stehen an der Frontlinie dieser Entwicklung. Wer glaubt, die Aufhebung der Preisbindung betreffe nur ausländische Versandapotheken, verkennt die Sprengkraft dieser Entscheidung für das gesamte System. Gleichzeitig geraten pharmazeutische Dienstleistungen ins Leere, während pDL-Ausbau, Honorardebatten und Fachkräftemangel ungelöst bleiben. Der historische Blick zeigt, wie zentral Apotheker einst politisch funktionalisiert wurden – und wie groß der Verlust ist, wenn heute ihre fachliche Rolle erneut dem Systemversagen geopfert wird. Gleichzeitig wächst der Medikamentenverbrauch, etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und neue Impfansätze wie die Kombination von Grippe und COVID-19 gewinnen an Bedeutung. Doch während Pflegekräfte beim Einkommen aufholen, wird die Apothekenpraxis marginalisiert. Was entsteht, ist kein neuer Ordnungsrahmen – sondern ein Rückzug aus Verantwortung.
Glosse: Offline ist die neue Stabilität
Wie der Apobank-Ausfall die digitale Zahlungsillusion im Gesundheitswesen entlarvte
Es begann mit einem Piepen, wie es nur digitale Systeme von sich geben, wenn sie den Dienst quittieren wollen – schrill, beleidigt, final. Die Apobank, stilbewusst wie immer, entschied sich an diesem Morgen für den großen Abgang: Online-Banking? Offline. Mobile App? Tot. Schnittstellen? Offen wie ein Fenster im November. Was folgte, war ein panisch orchestriertes Ballett der Improvisation in Apotheken bundesweit, begleitet vom leisen Knistern durchgeglühter Thermodrucker.
Die Apotheken, jene nach Digitalisierung strebenden Frontbetriebe des Gesundheitssystems, standen nun im halbdigitalen Halbdunkel. Kundenkarten wurden gedreht, als könnten sie damit Strom erzeugen, Mitarbeiterinnen aktualisierten ihre Kenntnis von IBANs per Handzettel, und irgendwo versuchte jemand, eine Zahlung über eine Bluetooth-Verbindung zum Drucker zu schicken. Überall zitterten Kassensysteme, als wären sie sich ihrer eigenen Endlichkeit bewusst geworden.
Währenddessen herrschte bei der Apobank vor allem eines: Schweigen. Kein "Wir arbeiten daran". Kein "Sorry für den Kollaps". Nur die göttliche Ruhe einer Bank, die gelernt hat, dass ihre Kunden sowieso nicht wegkönnen. Die Illusion von Partnerschaft wurde mit jedem nicht funktionierenden Login-Feld ein Stück weiter dekonstruiert. Wer dachte, das Gesundheitswesen sei krisenresistent, hatte den falschen Zahlungsdienstleister.
Und doch offenbarte sich inmitten des digitalen Zerfalls ein fast anrührendes Bild: Menschen zahlten bar. Lieferanten ließen Rechnungen zurück, nicht weil sie wollten, sondern weil sie mussten. Und Apothekerinnen entdeckten die stille Kraft des Kassenbuchs neu. Der Totalausfall wurde zur Totenerweckung der analogen Souveränität. Vielleicht ist das die eigentliche Pointe dieses Zwischenfalls: Die Technik versagt, der Mensch lächelt müde – und schreibt einen Zettel.
Preisbindung vor dem Aus, E-Rezept als Hebel, Apotheken unter Druck
Die politische Deregulierung gefährdet Beratung, Verlässlichkeit und Systembalance
Die gesetzlich vorgeschriebene Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel in Deutschland steht offenbar vor dem politischen Abschuss. Was einst als Grundpfeiler einer solidarischen, wohnortnahen und beratungsorientierten Arzneimittelversorgung galt, droht im Schatten der Digitalisierung und Deregulierung zu kippen. Die Entwicklung verläuft schleichend, aber folgenschwer. Zunächst könnte die Aufhebung nur die ausländischen Versandapotheken betreffen – doch der Dammbruch wäre programmiert. Auf lange Sicht stellt sich nicht mehr die Frage, ob die einheitlichen Abgabepreise vollständig fallen, sondern nur noch, wann und wie tiefgreifend dieser Systemwechsel den Apothekenmarkt erschüttern wird.
Die Preisbindung ist mehr als ein administratives Relikt – sie war über Jahrzehnte hinweg der regulatorische Ausdruck eines politischen Versorgungsauftrags. Ihre Funktion bestand darin, gleiche Bedingungen für alle Apotheken zu schaffen, unabhängig von Standort, Größe oder Vertriebskanal. Sie garantierte damit nicht nur Preisgerechtigkeit für Patientinnen und Patienten, sondern auch eine kalkulierbare wirtschaftliche Grundlage für Apothekenbetriebe. Mit dem Wegfall dieser Preisbindung droht ein Wettlauf nach unten – angefeuert durch Rabattversprechen, Bonusmodelle und eine zunehmende Verschiebung des Arzneimittelgeschäfts in den digitalisierten Versandhandel.
Begünstigt wird dieser Trend durch das E-Rezept, das ohne regulatorische Leitplanken zur Brücke für den Onlinewettbewerb wird. Anstatt digitale Innovation und stationäre Versorgung zu verbinden, öffnet das E-Rezept die Tür für einen strukturellen Verdrängungswettbewerb. Große Versender könnten über Preisaktionen Marktanteile gewinnen, während wohnortnahe Apotheken durch sinkende Margen und steigende Fixkosten wirtschaftlich in Bedrängnis geraten. Die Folge wäre eine Ausdünnung der Versorgung – zunächst auf dem Land, später auch in urbanen Räumen. Beratung, Akuthilfe und pharmazeutische Kontrolle stünden auf dem Spiel.
Der politische Diskurs zu dieser Entwicklung ist auffällig leise. Während Marktliberalisierung und Verbrauchernutzen in den Vordergrund gestellt werden, fehlen überzeugende Antworten auf die Frage, wie Versorgungssicherheit, Medikationsberatung und Arzneimittelsicherheit gewährleistet werden sollen. Die Vorstellung, Arzneimittel könnten wie beliebige Konsumgüter behandelt und frei bepreist werden, verkennt das besondere Schutzgut, das mit ihnen verbunden ist. Arzneimittel sind keine Handelsware, sondern Bestandteil medizinischer Verantwortung und gesellschaftlicher Daseinsvorsorge.
Die Aufhebung der Preisbindung bedeutet nicht nur einen Eingriff in die Preisgestaltung, sondern einen Systembruch. Er betrifft die Apothekenstrukturen, die Rolle der Gesundheitsberufe, die Finanzierung des Gesamtsystems – und vor allem das Vertrauen der Bevölkerung. Die Marktlogik, die dabei Einzug hält, ist nicht nur ökonomisch fragwürdig, sondern gesundheitspolitisch riskant. Ohne einheitlichen Preis gibt es keine einheitliche Verantwortung. Und ohne verlässliche Strukturen droht der Weg in ein Zwei-Klassen-System, in dem sich Versorgung zunehmend an Zahlungsfähigkeit statt an Versorgungsbedarf orientiert.
Was derzeit als marktwirtschaftliche Öffnung gefeiert wird, ist in Wahrheit ein stiller Rückzug der Politik aus ihrer Verantwortung für eine stabile, gerechte und flächendeckende Arzneimittelversorgung. Der bevorstehende Fall der Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel ist kein technischer Vorgang, sondern ein politischer Offenbarungseid. Er zeigt, dass grundlegende Prinzipien öffentlicher Gesundheitsfürsorge zunehmend dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden – unter dem Deckmantel von Wettbewerb, Digitalisierung und Verbrauchernähe.
Die eigentliche Tragweite dieser Entscheidung liegt nicht im Preis selbst, sondern in seiner Funktion. Die einheitliche Preisbindung war ein Bollwerk gegen Preisdiskriminierung, eine Absicherung für kleinere Apotheken, ein Schutzmechanismus für Patienten. Ihre Abschaffung bedeutet die Einführung eines ruinösen Preiswettbewerbs – angetrieben von kapitalstarken Versandplattformen, unterstützt durch eine passive Gesetzgebung, beschleunigt durch ein unreguliertes E-Rezept-System. Die Folgen sind absehbar: Konzentration, Margendruck, Filialisierung und der Verlust dezentraler Gesundheitskompetenz.
Die Politik unterschätzt dabei die Komplexität des Arzneimittelmarkts. Es geht nicht um Angebot und Nachfrage allein, sondern um Vertrauen, Versorgungssicherheit und den Erhalt eines Systems, das gerade in Krisenzeiten seine Stärke gezeigt hat. Apotheken sind keine Einzelhändler im klassischen Sinne. Sie sind Teil einer Gesundheitsinfrastruktur, die Beratung, Kontrolle, Prävention und Notfallhilfe vereint. Ohne wirtschaftliche Sicherheit und faire Rahmenbedingungen geraten diese Funktionen ins Wanken.
Zudem droht ein folgenschwerer Systembruch in der Sozialversicherung. Wenn Arzneimittelpreise variieren, geraten auch die Erstattungssysteme unter Druck. Die Krankenkassen müssten mit neuen Abrechnungslogiken, Streitfällen und Missbrauchsmöglichkeiten umgehen. Gleichzeitig wächst die Gefahr, dass Versicherte unterschiedlich behandelt werden – je nachdem, wo und wie sie ihr Rezept einlösen. Das untergräbt nicht nur das Solidarprinzip, sondern spaltet das System in günstige Onlinewege und teure Vor-Ort-Optionen.
Die Liberalisierung des Markts bedeutet in diesem Fall nicht mehr Wahlfreiheit, sondern weniger Verlässlichkeit. Wer den Arzneimittelmarkt öffnet, ohne flankierende Schutzmechanismen zu etablieren, riskiert eine Versorgungskrise mit Ansage. Der Preis mag sinken – aber der gesellschaftliche Preis ist hoch. Denn mit der Preisbindung fällt nicht nur ein Paragraf, sondern ein ganzes Versorgungsmodell.
15 Jahre regulatorischer Stillstand, jetzt endlich ein Signal vom EuGH
Das Urteil stärkt pflanzliche Arzneimittel und stellt die Legitimationskrise der EU-Kommission bloß
Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem aktuellen Urteil zur Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen bei Botanicals einen jahrelangen regulatorischen Schwebezustand aufgelöst – zumindest teilweise. Die Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln, allen voran Dr. Willmar Schwabe und Bionorica, begrüßen diese Entscheidung als überfällige Klarstellung. In einem gemeinsamen Statement betonen sie die Bedeutung wissenschaftlich fundierter Bewertungskriterien und fordern zugleich eine konsequente Umsetzung auf EU-Ebene. Während Arzneimittelhersteller bereits strengen Prüfverfahren unterliegen, bleibt der Markt der Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Inhaltsstoffen ein weitgehend unreguliertes Terrain, in dem sich zweifelhafte Werbeaussagen seit Jahren behaupten.
Seit der Einführung der Health-Claims-Verordnung im Jahr 2006 ist die Situation angespannt. Die Verordnung sieht vor, dass nur jene gesundheitsbezogenen Aussagen verwendet werden dürfen, die wissenschaftlich überprüft und von der EU-Kommission genehmigt wurden. Zwar hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bereits rund 200 solcher Aussagen zugelassen, keine davon betrifft jedoch Produkte auf pflanzlicher Basis. Das hat eine Grauzone entstehen lassen, in der Hersteller sich auf eine Übergangsregelung berufen – solange ihr Antrag vor dem 19. Januar 2008 gestellt wurde. In dieser juristischen Nische operieren derzeit rund 200 weitere Aussagen zu Botanicals, deren wissenschaftliche Belastbarkeit nie bewiesen wurde.
Das EuGH-Urteil zieht nun eine klare Grenze: Solche Aussagen sind nur dann zulässig, wenn sie auf einer belastbaren wissenschaftlichen Grundlage beruhen und ein ordnungsgemäßes Bewertungsverfahren durchlaufen haben. Damit wird deutlich, dass der Missbrauch pflanzlicher Begriffe für marketinggetriebene Zwecke ein Ende finden muss. Besonders betroffen sind Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die weiterhin Aussagen wie „unterstützt das Immunsystem“ oder „fördert die Verdauung“ verwenden, ohne den strengen Zulassungsprozess eines Arzneimittels durchlaufen zu müssen.
Für Bionorica und Schwabe, die seit Jahren auf eine Neubewertung drängen, ist das Urteil eine Genugtuung – aber kein Grund zur Entwarnung. Beide Unternehmen weisen darauf hin, dass die eigentliche Ursache des Problems nicht die Hersteller selbst, sondern die regulatorische Untätigkeit der EU-Kommission ist. Seit nunmehr anderthalb Jahrzehnten verschleppt Brüssel die Bewertung der Health Claims zu Botanicals, was eine groteske Rechtsunsicherheit erzeugt hat. Frühere Untätigkeitsklagen der Hersteller, gemeinsam mit dem Dienstleister Diapharm, scheiterten vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) ebenso wie in der Folgeinstanz vor dem EuGH. Der Grund war nie inhaltlicher Natur, sondern stets formal – etwa, dass die Kläger nicht als unmittelbar Betroffene gelten, weil sie keine Lebensmittel, sondern Arzneimittel herstellen.
Die Folge: Während Hersteller pflanzlicher Arzneimittel in der regulatorischen Sackgasse stecken, profitieren Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln weiterhin von einer laxen Übergangsregelung. Für den Verbraucherschutz bedeutet das ein erhebliches Risiko, denn für viele Konsumenten sind pflanzliche Produkte per se mit Natürlichkeit und Wirksamkeit verbunden – ungeachtet ihrer regulatorischen Einordnung. Der aktuelle Richterspruch stellt klar, dass dies nicht ausreicht: Aussagen zu gesundheitlicher Wirkung müssen nach denselben Maßstäben geprüft werden wie bei anderen Wirkstoffen – unabhängig davon, ob sie synthetisch oder pflanzlich sind.
Dennoch bleibt das Urteil nur ein Zwischenschritt. Ohne eine politische Neuausrichtung und eine konsequente Neubewertung der offenen Botanicals-Claims durch die EU-Kommission wird sich an der regulatorischen Asymmetrie wenig ändern. Hersteller wie Schwabe und Bionorica sehen sich in ihrer Position bestärkt, fordern nun aber Transparenz, Tempo und ein Ende des institutionellen Stillstands. Die Glaubwürdigkeit pflanzlicher Arzneimittel hängt maßgeblich davon ab, dass der Unterschied zwischen geprüfter Wirksamkeit und bloßem Marketing wieder kenntlich wird – im Recht ebenso wie im Regal.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen bei Botanicals markiert einen juristischen Etappensieg für die Vernunft, aber auch ein politisches Armutszeugnis für den Zustand europäischer Regulierung. Was auf den ersten Blick wie ein Fortschritt für die Glaubwürdigkeit pflanzlicher Arzneimittel erscheint, entlarvt bei genauerem Hinsehen ein tiefer liegendes Problem: die systematische Untätigkeit der EU-Kommission, die über Jahre hinweg eine Entscheidung über hunderte von offenen Health Claims verweigert hat und damit einen Markt künstlich in der Schwebe hielt – mit fatalen Folgen für Rechtsklarheit, Verbraucherschutz und Wettbewerb.
Dass Unternehmen wie Bionorica oder Dr. Willmar Schwabe in der Vergangenheit mit ihren Untätigkeitsklagen an formalen Hürden scheiterten, unterstreicht das strukturelle Dilemma. Wer pflanzliche Arzneimittel herstellt und sich an wissenschaftliche Standards hält, wird von einer Kommission ignoriert, die es versäumt, den regulatorischen Rahmen für pflanzliche Produkte im Lebensmittelbereich zu präzisieren. Gleichzeitig agieren Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln unter dem Deckmantel der Übergangsregelung, obwohl ihre Aussagen weder wissenschaftlich belegt noch rechtlich abschließend bewertet sind. Hier entsteht ein asymmetrisches Spielfeld, das nicht nur Wettbewerbsverzerrung bedeutet, sondern auch eine nachhaltige Gefährdung des Verbrauchervertrauens darstellt.
Denn was dem Urteil fehlt, ist die politische Konsequenz. Die Richter haben zwar klargestellt, dass gesundheitsbezogene Aussagen ohne wissenschaftliche Fundierung unzulässig sind, gleichzeitig aber keine Verpflichtung der Kommission zur abschließenden Bewertung der offenen Anträge ausgesprochen. Damit bleibt der Kern des Problems unangetastet: Die EU-Institutionen schaffen es nicht, den normativen Anspruch der Health-Claims-Verordnung in ein verlässliches System zu überführen. Stattdessen wird das Vakuum von wirtschaftlichen Interessen gefüllt – zulasten jener, die sich an die Spielregeln halten.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie regulatorische Gleichgültigkeit politisch kaschiert und juristisch konserviert wird. Die Diskrepanz zwischen Arzneimittelrecht und Lebensmittelrecht im Umgang mit Botanicals hat sich zu einem Dauerproblem entwickelt, das längst nicht mehr nur juristische Feinheiten betrifft, sondern das öffentliche Verständnis von Wirksamkeit, Sicherheit und Legitimität pflanzlicher Produkte untergräbt. Der Unterschied zwischen einem wissenschaftlich belegten Phytopharmakon und einem hübsch verpackten Nahrungsergänzungsmittel mit leerem Versprechen ist für viele Verbraucher kaum mehr erkennbar – eine direkte Folge der regulatorischen Verwahrlosung.
Es sind nicht die Unternehmen, die hier versagen, sondern die Institutionen. Während Hersteller von Arzneimitteln hohe Hürden nehmen, Studien liefern und Zulassungsverfahren durchlaufen, dürfen andere weiterhin mit suggestiven Aussagen operieren, solange ihre Anträge alt genug sind. Es ist paradox, dass gerade die Einhaltung wissenschaftlicher Standards heute zum Wettbewerbsnachteil werden kann. Wer reguliert wird, muss kämpfen. Wer im regulatorischen Niemandsland agiert, darf weiterverkaufen. Dieses Prinzip ist nicht nur unvereinbar mit dem europäischen Verbraucherschutzgedanken, sondern letztlich auch ökonomisch selbstzerstörerisch.
Der politische Handlungsbedarf ist evident: Die EU-Kommission muss den offenen Bewertungsprozess zu Botanicals endlich abschließen, die Übergangsregelung beenden und wissenschaftlich nicht belegte Aussagen aus dem Verkehr ziehen. Dazu braucht es keinen neuen Rechtsrahmen, sondern lediglich die Bereitschaft zur Anwendung bestehenden Rechts. Wenn Brüssel weiterhin zögert, läuft es Gefahr, auch dort Glaubwürdigkeit zu verspielen, wo sie noch vorhanden ist – bei jenen, die seit Jahren für wissenschaftliche Redlichkeit kämpfen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in pflanzliche Arzneimittel aufrechterhalten.
Die Entscheidung des EuGH ist daher weniger ein Meilenstein als ein mahnendes Signal. Sie erinnert daran, dass auch regulatorische Neutralität eine Form des politischen Versagens sein kann. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Worte, sondern durch Verfahren – und die Pflicht, sie anzuwenden.
Wenn Apotheken kollabieren, bricht die Versorgung
In Großröhrsdorf wird die Systemkrise im Kleinen sichtbar
In Sachsen zeichnen sich die politischen Risse der Gesundheitspolitik inzwischen direkt vor Ort ab: Apotheken geraten immer stärker an ihre Belastungsgrenze. Um dieser Entwicklung nicht länger nur aus der Distanz zuzusehen, hat sich Tom Unger, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag, in der Stadt-Apotheke Großröhrsdorf ein eigenes Bild gemacht. Bei seinem Besuch hospitierte er einen Tag lang an der Seite von Thomas Dittrich, Vorsitzender des Sächsischen Apothekerverbandes und Bundesvorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. Inmitten des Apothekenalltags wurden strukturelle Versorgungsprobleme sichtbar, die sich bislang zu oft hinter politischen Debatten und Kennzahlen verbergen.
Lieferengpässe, Personalknappheit, stagnierende Honorare, überbordende Verwaltung und wirtschaftlicher Druck prägen inzwischen den Alltag in den Vor-Ort-Apotheken. Dittrich zeigte dem Politiker eindrücklich, wie die wohnortnahe Versorgung trotz struktureller Nachteile aufrechterhalten wird – durch Mehrarbeit, Improvisation und das unermüdliche Engagement der Apothekenteams. Gleichzeitig wurde deutlich: Diese Einsatzbereitschaft stößt an Grenzen, die ohne politische Kurskorrektur zur Gefahr für die Versorgungssicherheit werden.
Unger zeigte sich betroffen vom realen Betriebsgeschehen. Im Gespräch mit dem Team und beim Rundgang durch die Räumlichkeiten wurde klar, dass die Herausforderungen kein Einzelfall sind. Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken sei inzwischen kritisch, betonte Dittrich. Seit mehr als zehn Jahren wurde das Festhonorar nicht mehr dynamisiert, während gleichzeitig alle Betriebs- und Personalkosten deutlich steigen. Gerade in strukturschwachen Regionen führt das zu einer schleichenden Erosion der Apothekenstruktur.
Besonders problematisch sei, so Dittrich, dass Apotheken zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen – wie pharmazeutische Dienstleistungen, Medikationsanalysen oder Versorgung im Rahmen von Lieferengpässen – ohne dass die dafür nötigen Ressourcen und Honorare mitwachsen. Das System verlange immer mehr, gebe aber immer weniger zurück. Diese Dysbalance lasse sich nicht länger durch Loyalität oder Idealismus kompensieren.
Unger sprach sich nach seinem Besuch für eine wohnortnahe und stabile Apothekenstruktur aus und versprach, die Anliegen in die CDU-Fraktion einzubringen. Ob daraus konkrete politische Initiativen entstehen, bleibt vorerst offen. Klar ist jedoch: Der direkte Kontakt mit dem Berufsalltag der Apotheken hat den gesundheitspolitischen Blick des CDU-Politikers spürbar geschärft. Und das ist mehr als Symbolpolitik.
Die Hospitation von CDU-Politiker Tom Unger in einer sächsischen Vor-Ort-Apotheke kommt spät, aber nicht zu spät. Sie ist kein politischer PR-Gag, sondern ein Signal dafür, dass zumindest einzelne Entscheidungsträger beginnen, den Ernst der Lage zu erkennen. Denn was sich in Großröhrsdorf zeigt, ist kein Einzelfall. Es ist der Normalzustand eines dysfunktionalen Systems, das seine tragenden Säulen sehenden Auges ins Wanken bringt.
Seit Jahren ist bekannt, dass das Apothekenhonorar nicht mit der Kostenentwicklung Schritt hält. Seit Jahren kämpfen Apothekerinnen und Apotheker gegen eine immer dichtere Bürokratielast, gegen Lieferengpässe, gegen eine auszehrende Personalnot. Dass sich nun ein CDU-Gesundheitsexperte vor Ort selbst konfrontieren lässt, ist nicht der Lösung letzter Schluss, aber ein notwendiger Anfang. Politik, die Versorgung sichern will, muss sich der Versorgungsrealität aussetzen.
Besonders aufschlussreich ist, wie klar die Apotheken ihren Zustand formulieren. Sie jammern nicht, sie dokumentieren. Dittrich hat keinen Apothekenromantismus verkauft, sondern Fakten. Und die sind ernüchternd: Ohne eine Dynamisierung des Honorars, ohne Entlastung von administrativem Ballast, ohne gezielte Nachwuchsförderung wird der Standort Apotheke auf Dauer nicht zu halten sein.
Was fehlt, ist politischer Mut. Mut, einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen, der wohnortnahe Versorgung nicht nur rhetorisch will, sondern strukturell ermöglicht. Das Festhalten an veralteten Finanzierungsmodellen hat ausgerechnet jenen Berufsstand in die Enge getrieben, der die Versorgung durch die Pandemie trug. Wer jetzt nicht handelt, verliert nicht nur Apotheken, sondern Vertrauen.
Pflegeberufe holen beim Lohn stark auf
Gesundheitsfachkräfte erzielen 2024 deutlich höhere Einkommen als zehn Jahre zuvor
Pflege- und Gesundheitsberufe zählen im Jahr 2024 zu den Gewinnern der Einkommensentwicklung. Vollzeitbeschäftigte im Gesundheitssektor erzielen im Median ein Bruttogehalt, das das Niveau von vor zehn Jahren deutlich übersteigt. Die Dynamik dieser Entwicklung liegt spürbar über dem Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Sie betrifft dabei nicht nur spezialisierte Positionen, sondern zieht sich durch nahezu alle Qualifikationsstufen. Insbesondere Fachkräfte in der Altenpflege können sich über einen überdurchschnittlichen Lohnanstieg freuen. Das neue Einkommensniveau liegt deutlich über früheren Branchenstandards und übertrifft in vielen Fällen sogar den Median der Gesamtwirtschaft.
Auffällig ist der hohe Anteil weiblicher Beschäftigter im Gesundheitssektor, der sich in der Vollzeitarbeit mit mehr als zwei Dritteln niederschlägt. Der Lohnzuwachs wirkt sich damit auch auf die geschlechtsspezifische Einkommensverteilung aus. Neben wirtschaftlichen Aspekten spielt hierbei auch die zunehmende öffentliche und politische Aufmerksamkeit für Pflegeberufe eine Rolle. Der Sektor ist seit Jahren durch Personalmangel und Überlastung geprägt, was zu einer verstärkten Debatte über faire Entlohnung geführt hat. Die Entwicklungen im Jahr 2024 zeigen nun messbare Fortschritte.
Während in der Gesamtwirtschaft das durchschnittliche Einkommen ebenfalls gestiegen ist, bleibt der Anstieg in Gesundheits- und Pflegeberufen davon abgehoben. In technischen oder luftfahrtspezifischen Berufen wurden vergleichbare Entwicklungen beobachtet, doch bleibt die Symbolik im Gesundheitsbereich besonders stark: Die Löhne steigen nicht nur wegen ökonomischer Faktoren, sondern spiegeln eine gesellschaftliche Neubewertung wider. Die Pflege erhält damit erstmals eine Position, die sich auch im Gehalt ausdrückt.
Die deutlichen Lohnzuwächse im Gesundheits- und Pflegesektor markieren einen Bruch mit der lange geübten Praxis der strukturellen Unterbewertung systemrelevanter Berufe. Jahrzehntelang wurde die Bedeutung pflegerischer Arbeit rhetorisch hervorgehoben, ohne dass dies in der Bezahlung seinen Niederschlag fand. Die Entwicklung im Jahr 2024 steht deshalb nicht nur für eine ökonomische Angleichung, sondern für einen kulturellen Paradigmenwechsel. Pflege wird endlich nicht nur gebraucht, sondern auch anerkannt.
Dass ausgerechnet die Altenpflege beim Einkommenswachstum vorn liegt, verweist auf eine lange vernachlässigte Baustelle in der Arbeitswelt. Kaum ein Berufsfeld war stärker von schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Entlohnung geprägt – bei gleichzeitig enormer gesellschaftlicher Verantwortung. Die jetzige Aufwertung ist damit nicht nur statistisch, sondern auch moralisch bedeutsam. Die Frage bleibt allerdings, ob dieser Trend dauerhaft trägt oder ein Einmaleffekt politischer und gesetzlicher Maßnahmen bleibt.
Gleichzeitig offenbart die Entwicklung eine größere sozialpolitische Verschiebung. Da der Pflegebereich besonders viele weibliche Beschäftigte umfasst, wirkt sich der Gehaltsanstieg auch auf die Geschlechtergerechtigkeit aus. Einkommen und Berufsprestige klaffen im Pflegesektor traditionell auseinander – nun beginnt sich dieses Ungleichgewicht zu nivellieren. Was zunächst wie ein rein wirtschaftliches Thema erscheint, besitzt damit eine hohe gesellschaftspolitische Sprengkraft.
Dennoch ist Vorsicht geboten: Höhere Löhne allein beheben nicht die strukturellen Probleme in der Pflege. Die Arbeitsbelastung, die geringe Planbarkeit von Schichten, die psychische und physische Beanspruchung – all dies bleibt bestehen. Eine nachhaltige Reform muss daher über das Gehalt hinausgehen. Was heute als Fortschritt gefeiert wird, darf morgen nicht zur Ausrede werden, um Reformdruck zu dämpfen. Der Gehaltsanstieg ist ein überfälliger Schritt, aber nicht das Ziel.
Kombinierter Impfschutz in einer Spritze zeigt Wirkung
Grippe und Corona vereint: Moderna legt Phase-III-Ergebnisse für mRNA-1083 vor
Moderna hat mit dem Kombinationsimpfstoff mRNA-1083 einen vielversprechenden Kandidaten gegen die saisonale Doppelbelastung durch Grippe und COVID-19 in einer Phase-III-Studie erprobt. In einer groß angelegten Untersuchung mit über 8.000 Probanden ab 50 Jahren wurden Wirksamkeit, Immunantwort und Verträglichkeit der Kombivakzine untersucht. Die Ergebnisse deuten auf eine vergleichbare, teilweise überlegene Immunreaktion im Vergleich zu den derzeit separat verabreichten Impfstoffen hin. Das Präparat besteht aus fünf mRNA-Sequenzen: Vier adressieren die für 2023/24 empfohlenen Grippe-Stämme, eine weitere das Spike-Protein der SARS-CoV-2-Variante Omicron XBB.1.5. Damit verfolgt Moderna einen technologiegestützten Integrationsansatz, der auf Effizienz und Alltagstauglichkeit abzielt.
Die Studienarchitektur war auf Vergleichbarkeit ausgelegt: Während die Kontrollgruppe getrennte Grippe- und COVID-Impfungen erhielt, wurde der Verumgruppe eine Dosis des Kombinationspräparats plus Placebo verabreicht. Je nach Altersgruppe kamen in der Vergleichsgruppe Fluarix oder Fluzone sowie Spikevax zum Einsatz. Die Antikörpertiter wurden jeweils an Tag 1 und Tag 29 bestimmt. Bei Influenza-A-Viren zeigte mRNA-1083 eine stärkere Immunantwort als die bisherigen Impfstoffe. Für Influenza B war die Reaktion äquivalent. Gegen das Coronavirus wurde die gleiche Schutzwirkung wie bei Spikevax erreicht, was die primäre Nichtunterlegenheit der neuen Vakzine bestätigt. Der Nachweis dieser immunologischen Qualität ist ein zentraler Schritt für die Zulassungsfähigkeit eines solchen Kombiprodukts.
Nebenwirkungen traten erwartungsgemäß etwas häufiger auf als bei den Einzelvakzinen, insbesondere bei Jüngeren. Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen waren die häufigsten Reaktionen – in der Regel mild und vorübergehend. Eine Langzeitanalyse der Daten nach 180 Tagen steht noch aus, sie soll separat publiziert werden. Der Nutzen einer kombinierten Impfung liegt aus Sicht vieler Immunologen nicht nur in der möglichen Überlegenheit einzelner Titerwerte, sondern in der logistischen und psychologischen Vereinfachung des Impfgeschehens. Eine Dosis bedeutet weniger Terminaufwand, geringere Impfhürde und potenziell bessere Impfquote.
Diese Hoffnung teilt auch Prof. Dr. Carsten Watzl, der im Zusammenhang mit der Studie auf die Relevanz eines einfacheren Impfverfahrens verweist. Zwar sei eine Zulassung durch die bisherigen Daten plausibel geworden, jedoch müsse eine STIKO-Empfehlung vor dem breiten Einsatz erfolgen. Für eine Einführung im Winter 2025/26 sei daher der frühestmögliche realistische Zeitpunkt erreicht. Die Ergebnisse der Studie lassen indes erkennen, dass Kombinationsimpfstoffe auf mRNA-Basis nicht mehr bloß hypothetische Innovationsprojekte sind, sondern bald Teil der Standardversorgung werden könnten – vorausgesetzt, gesundheitspolitische Prozesse halten mit der wissenschaftlichen Entwicklung Schritt.
Der medizinisch-technologische Fortschritt im Impfstoffbereich trifft auf ein gesellschaftliches Klima der Skepsis und ein gesundheitspolitisches System, das träge auf Innovationen reagiert. Die Phase-III-Daten von mRNA-1083 zeigen, dass ein kombiniertes Impfschema gegen Influenza und COVID-19 nicht nur machbar, sondern möglicherweise auch überlegen ist. Die mRNA-Technologie erlaubt es, saisonal variierende Pathogene in einem einzigen Präparat gezielt zu adressieren. Dennoch wird diese Entwicklung nicht automatisch zu einer besseren Gesundheitsversorgung führen, solange strukturelle Bremsen wie impfpolitische Untätigkeit, Informationsdefizite und eine STIKO mit langem Vorlauf den Einsatz verzögern.
Ein zentrales Problem bleibt die Impfquote. Sie ist Ausdruck nicht nur mangelnder Überzeugung, sondern eines komplexen Zusammenspiels aus Erschöpfung, Impfmüdigkeit und organisatorischen Hürden. Gerade hier könnte ein Kombinationsimpfstoff ansetzen: Wer mit einer Injektion zwei Erkrankungen begegnen kann, könnte die Schwelle zur Impfung leichter überschreiten. Die Kombination vermeidet Doppeleinladungen, reduziert Nebenwirkungsängste durch Bündelung und schont personelle Ressourcen im Gesundheitswesen. Doch ob diese potenziellen Vorteile genutzt werden, hängt nicht vom medizinischen Fortschritt allein ab, sondern vom politischen Willen, ihn umzusetzen.
Die Gesundheitspolitik steht hier vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss Innovationen schneller bewerten, zulassen und empfehlen, ohne die Qualitätssicherung aufzugeben. Zugleich muss sie kommunikativ begleiten, um Vertrauen zurückzugewinnen. Der Erfolg eines Produkts wie mRNA-1083 wird damit zur Nagelprobe für ein lernfähiges, adaptives Gesundheitssystem. Die vorliegenden Daten sind stark – doch sie nützen wenig, wenn sie in Ausschüssen verharren, während Grippe und Corona weiter zirkulieren. Eine proaktive STIKO, ein zeitnaher politischer Entscheidungsrahmen und eine breite Informationsoffensive wären notwendig, um die technische Machbarkeit in eine reale Wirkung zu übersetzen.
Luforbec-Auslöser für Atemwegsreizungen
Patienten berichten über Husten nach Umstellung von Foster auf das Generikum
Seit der Markteinführung des Foster-Generikums Luforbec im Sommer 2023 haben Apotheken vermehrt unerwünschte Wirkungen bei Patienten festgestellt. Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) erhielt insgesamt 27 Meldungen, in denen insbesondere Reizungen der Atemwege und starker Husten nach Anwendung von Luforbec beschrieben wurden. In 15 Fällen wurde konkret über einen (starken) Hustenreiz berichtet, während in fünf weiteren Fällen andere Nebenwirkungen wie Brechreiz, Übelkeit und geschwollene Lymphknoten auftraten.
Besonders auffällig ist, dass in 20 dieser Fälle Patienten zuvor das Originalpräparat Foster angewendet hatten und im Rahmen von Rabattverträgen auf Luforbec umgestellt wurden. Nach Rückumstellung auf Foster traten die Beschwerden in 19 Fällen nicht mehr auf.
Luforbec und Foster enthalten beide die Wirkstoffkombination Beclometason und Formoterol, unterscheiden sich jedoch im verwendeten pH-Stabilisator: Luforbec nutzt Maleinsäure, während Foster Salzsäure verwendet. Der Hersteller von Luforbec, Hormosan Pharma GmbH, schließt eine reizende Wirkung der Maleinsäure aufgrund der geringen Menge pro Sprühstoß aus und verweist auf die Bioäquivalenz beider Präparate hinsichtlich Partikelgrößenverteilung und Sprühmuster.
Dennoch könnten patientenseitige Faktoren eine Rolle spielen. Die geringe Vertrautheit mit dem neuen Inhalator könnte Anwendungsfehler begünstigen, und psychologische oder psychogene Effekte im Zusammenhang mit der Arzneimittelsubstitution könnten die Therapietreue beeinträchtigen. Die Nationale Versorgungsleitlinie Asthma betont mögliche Schwierigkeiten bei einer Umstellung auf ein anderes Präparat ohne begleitende Information.
Die AMK empfiehlt daher, betroffene Patienten im Zuge einer Substitution zur Inhalationstechnik und Pflege des neuen Geräts zu schulen. Zudem sollte vor einem Austausch des Inhalationsgeräts geprüft werden, ob Hinweise auf eine unzureichende Asthmakontrolle vorliegen. Ein Spacer kann helfen, Kältereiz und Nebenwirkungen im Rachenraum zu verringern. Bleiben die unerwünschten Wirkungen trotz Spacer bestehen, kann ein Herstellerwechsel erwogen werden. Dann können pharmazeutische Bedenken mit einer Begründung angegeben werden.
Die jüngsten Meldungen über Atemwegsreizungen und starken Husten nach der Anwendung des Foster-Generikums Luforbec werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen bei der Substitution von Arzneimitteln im Rahmen von Rabattverträgen. Obwohl Luforbec bioäquivalent zu Foster ist, zeigen die Berichte, dass selbst geringe Unterschiede in den Hilfsstoffen, wie der Einsatz von Maleinsäure statt Salzsäure als pH-Stabilisator, klinisch relevante Auswirkungen haben können.
Die Tatsache, dass in 19 von 20 Fällen die Beschwerden nach Rückumstellung auf Foster verschwanden, legt nahe, dass die Unterschiede zwischen den Präparaten nicht nur theoretischer Natur sind. Es stellt sich die Frage, ob die derzeitigen Kriterien für die Bioäquivalenz ausreichend sind, um die klinische Gleichwertigkeit von Generika sicherzustellen, insbesondere bei inhalativen Arzneimitteln, bei denen die Applikationstechnik eine entscheidende Rolle spielt.
Zudem zeigt der Fall, wie wichtig die Schulung von Patienten bei der Umstellung auf ein neues Inhalationsgerät ist. Anwendungsfehler können nicht nur die Wirksamkeit der Therapie beeinträchtigen, sondern auch das Risiko für Nebenwirkungen erhöhen. Die AMK empfiehlt daher zu Recht, Patienten im Zuge einer Substitution umfassend zu beraten und zu schulen.
Letztlich verdeutlicht der Fall Luforbec, dass bei der Auswahl von Generika nicht nur wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt werden sollten. Die individuelle Verträglichkeit und die Handhabung durch den Patienten müssen ebenso in die Entscheidung einfließen, um die bestmögliche Versorgung sicherzustellen.
Wenn das Herz leidet, steigt der Arzneimittelverbrauch
Kardiovaskuläre Medikamente machen die Hälfte aller Verordnungen bei Männern aus
Der Verbrauch von Herz-Kreislauf-Medikamenten hat im Jahr 2024 ein historisches Hoch erreicht. Das geht aus einer aktuellen Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, die sich auf deren versicherte Erwerbstätige bezieht. Besonders auffällig ist dabei die Entwicklung in Rheinland-Pfalz: Dort erhielten TK-Versicherte durchschnittlich 125 Tagesdosen kardiovaskulärer Medikamente – mehr als doppelt so viele wie noch im Jahr 2000, als der Durchschnitt bei 51 Tagesdosen lag. Dieser Anstieg ist ein deutliches Signal für die wachsende Krankheitslast im Zuge des demografischen Wandels, wie die Krankenkasse betont.
Die Medikamente umfassen insbesondere Blutdrucksenker, Cholesterinsenker und weitere Präparate zur Behandlung kardiovaskulärer Erkrankungen. Besonders deutlich zeigt sich der Anstieg bei männlichen Versicherten: Sie erhielten 2024 im Durchschnitt 161 Tagesdosen, während Frauen mit 82 Tagesdosen deutlich darunter lagen. Damit liegt der Anstieg bei Männern bei 160 Prozent seit dem Jahr 2000, bei Frauen bei 115 Prozent. Die Zahlen verdeutlichen nicht nur eine geschlechterspezifische Verteilung der Verordnungen, sondern werfen auch Fragen zur Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsaufklärung auf.
Auch auf Bundesebene zeigt sich ein ähnlicher Trend: Im Schnitt erhielten TK-versicherte Erwerbspersonen 108 Tagesdosen – ein Anstieg um 120 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000. Bei männlichen Versicherten betrug das Volumen im Jahr 2024 im Durchschnitt 138 Tagesdosen, was knapp die Hälfte aller verordneten Medikamente ausmacht. Bei Frauen waren es 74 Tagesdosen, was einem Anteil von gut 25 Prozent entspricht. Diese Differenz legt nahe, dass die medizinische Versorgung nach Geschlecht unterschiedlich greift oder unterschiedliche Krankheitsverläufe und -risiken abbildet.
Die Auswertung unterstreicht einen besorgniserregenden Trend: Die Alterung der Gesellschaft führt zu einer steigenden Zahl an Menschen mit chronischen Erkrankungen, die langfristige medikamentöse Behandlungen erfordern. Die TK verweist darauf, dass die demografische Verschiebung zentrale Ursache für den Anstieg sei. Doch es stellt sich die Frage, ob die gesundheitspolitischen Antworten auf diese Entwicklung genügen. Immerhin steigt nicht nur die Anzahl der verordneten Medikamente, sondern auch deren Anteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Herz-Kreislauf-Medikamente avancieren damit zu einem Indikator für die Versorgungsrealität in einer älter werdenden Gesellschaft.
Die aktuellen Zahlen der Techniker Krankenkasse werfen ein Schlaglicht auf eine schleichende Epidemie im deutschen Gesundheitswesen: die zunehmende Medikalisierung des Alters. Während die Politik noch um Pflegestrukturen und Krankenhausfinanzierung ringt, zeigen die Verordnungszahlen für Herz-Kreislauf-Medikamente, dass die Grundversorgung bereits jetzt an ihre systemischen Grenzen gelangt. Es sind nicht nur mehr alte Menschen, sondern auch immer mehr chronisch Kranke, die durch medikamentöse Standardtherapien versorgt werden – offenbar oft mangels Alternativen.
Besonders auffällig ist die ungleiche Verteilung der Tagesdosen zwischen Männern und Frauen. Sie mag medizinisch begründet sein, legt aber auch strukturelle Fragen offen: Wie sehr sind männliche Lebensstile, spätere Arztbesuche oder eine höhere Risikobelastung für Herzerkrankungen Teil des Problems? Und wie nachhaltig ist eine Versorgung, die auf immer mehr Pillen statt auf wirksame Prävention setzt? Die doppelte Tagesdosis für Männer gegenüber Frauen ist keine Nebensache, sondern ein Hinweis auf Versorgungsunterschiede, die auch sozialpolitisch relevant sind.
Der bundesweite Anstieg um mehr als 120 Prozent zeigt: Die alternde Gesellschaft ist längst kein abstraktes Zukunftsszenario mehr. Sie ist Realität, mit spürbaren Folgen für das Arzneimittelbudget, für Arztpraxen und für die Apotheken vor Ort. Letztere geraten zunehmend in die Rolle von Ausgabestellen chronischer Dauermedikation, ohne strukturell eingebunden zu sein in Präventionsnetzwerke oder sektorenübergreifende Versorgungskonzepte. Die Debatte um eine Reform des Gesundheitswesens muss diese Zahlen ernster nehmen als bisher. Wer über die Zukunft der Versorgung spricht, darf die Realität der Verordnung nicht ausblenden.
Die TK-Zahlen sind damit nicht nur Statistik, sondern Warnsignal. Eine Gesellschaft, die sich nur noch pharmakologisch gegen ihre Alterung absichert, riskiert mehr als steigende Beiträge: Sie verpasst die Chance, Gesundheit anders zu denken. Statt mehr Pillen braucht es mehr Prävention, mehr Strukturänderung, mehr Mut zur Umsteuerung. Die Stunde der Entscheidung rückt näher.
Apotheker im Dienst des Regimes und der Bevölkerung
Zwischen nationalsozialistischer Gleichschaltung, Heilpflanzensammlungen und Notfallversorgung
Die Arzneimittelversorgung im nationalsozialistischen Deutschland war geprägt von ideologischer Kontrolle, Ressourcenknappheit und dem Bemühen um Selbstversorgung. Mit der Gründung der Reichsapothekerkammer 1937 wurde das Apothekenwesen gleichgeschaltet und unter das Führerprinzip gestellt. Apotheker wurden zu Betriebsführern ernannt und hatten die Aufgabe, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen, wobei politische Loyalität oft über fachliche Qualifikation gestellt wurde.
Die Gleichschaltung führte zur Verdrängung jüdischer Apotheker und zur Zentralisierung der Kontrolle über die Apotheken. Gleichzeitig sah sich das Regime mit zunehmenden Schwierigkeiten in der Arzneimittelversorgung konfrontiert. Importbeschränkungen und Kriegsbedingungen führten zu Engpässen, die durch die Förderung heimischer Heilpflanzen kompensiert werden sollten. Die Reichsarbeitsgemeinschaft für Heilpflanzenkunde und Heilpflanzenbeschaffung organisierte groß angelegte Sammelaktionen, an denen auch Schulkinder und Mitglieder der Hitlerjugend beteiligt waren.
Diese Maßnahmen dienten nicht nur der Versorgung, sondern auch der ideologischen Indoktrination. Die Betonung auf "deutsche" Heilpflanzen spiegelte die nationalsozialistische Ideologie wider, die Autarkie und Reinheit propagierte. Apotheker wurden in diesem Kontext zu Erfüllungsgehilfen des Regimes, indem sie die Nutzung heimischer Ressourcen förderten und die Bevölkerung entsprechend instruieren sollten.
Die Dissertation von Caroline Schlick am Institut für Geschichte der Pharmazie in Marburg beleuchtet diese Entwicklungen detailliert. Sie zeigt, wie die Apothekerschaft zwischen berufsethischen Verpflichtungen und politischem Druck agierte. Die Gleichschaltung des Apothekenwesens und die Instrumentalisierung der Pharmazie für ideologische Zwecke hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Berufsidentität der Apotheker und die Versorgung der Bevölkerung.
Die Notfall- und Katastrophenpharmazie entwickelte sich in dieser Zeit als Reaktion auf die kriegsbedingten Herausforderungen. Apotheken wurden in Kellerräume und Bunker verlegt, um die Versorgung auch während Luftangriffen sicherzustellen. Diese Erfahrungen prägten die Entwicklung der Notfallversorgung in der Nachkriegszeit und führten zu strukturellen Veränderungen im Apothekenwesen.
Die Analyse der NS-Pharmazie zeigt, wie ein Berufsstand unter politischem Druck seine Rolle neu definieren musste. Die Erfahrungen aus dieser Zeit bieten wichtige Lehren für die heutige Gesundheitsversorgung, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung ethischer Standards und die Gefahren politischer Instrumentalisierung.
Die Gleichschaltung des Apothekenwesens im Dritten Reich stellt ein eindrückliches Beispiel dafür dar, wie ein Berufsstand unter autoritärer Herrschaft funktionalisiert und ideologisch vereinnahmt werden kann. Die Apotheker wurden nicht nur zu Erfüllungsgehilfen der nationalsozialistischen Gesundheits- und Rassenpolitik, sondern auch zu Akteuren in einem System, das ethische Grundsätze zugunsten politischer Loyalität suspendierte.
Die Förderung heimischer Heilpflanzen und die Organisation von Sammelaktionen dienten nicht nur der Kompensation von Versorgungsengpässen, sondern auch der ideologischen Indoktrination der Bevölkerung. Die Betonung auf "deutsche" Pflanzen und die Einbindung von Jugendorganisationen in die Sammelaktionen verdeutlichen, wie tief die nationalsozialistische Ideologie in alle Lebensbereiche eindrang.
Die Dissertation von Caroline Schlick bietet eine fundierte Analyse dieser Entwicklungen und zeigt auf, wie die Apothekerschaft zwischen berufsethischen Verpflichtungen und politischem Druck agierte. Die Gleichschaltung des Apothekenwesens und die Instrumentalisierung der Pharmazie für ideologische Zwecke hatten tiefgreifende Auswirkungen auf die Berufsidentität der Apotheker und die Versorgung der Bevölkerung.
Die Erfahrungen aus dieser Zeit mahnen zur Wachsamkeit gegenüber politischen Eingriffen in das Gesundheitswesen und unterstreichen die Bedeutung ethischer Standards in der Pharmazie. Sie erinnern daran, dass die Unabhängigkeit und Integrität des Apothekerberufs keine Selbstverständlichkeiten sind, sondern stets verteidigt werden müssen.
Politisches Versagen gefährdet Apothekenlandschaft
pDL-Ausbau, Honorarfrage und Reformunwillen gefährden systemrelevante Versorgung
Die öffentlichen Apotheken in Deutschland befinden sich inmitten eines tiefgreifenden Wandels, der sowohl ihre Rolle im Gesundheitssystem als auch die politische und wirtschaftliche Grundlage ihrer Arbeit infrage stellt. Mit der Wahl von Thomas Preis an die Spitze der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hat ein Vertreter des praxisnahen Reformkurses das Wort ergriffen, der pharmazeutische Dienstleistungen, eine leistungsgerechte Honorierung und eine zukunftsgerichtete Nachwuchsgewinnung als zentrale Eckpfeiler eines neuen Apothekenverständnisses formuliert. Im Zentrum dieser Bewegung steht die Überzeugung, dass Apotheken mehr leisten können und müssen, sofern ihnen dafür der notwendige Handlungsspielraum gewährt wird.
Die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL), zu denen unter anderem Medikationsanalysen und Blutdruckmessungen zählen, gelten inzwischen als tragfähiges Zukunftskonzept. Sie verzeichnen eine zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung und einen positiven Rückhalt in der Politik, auch wenn ihre Umsetzung in der Fläche bislang durch strukturelle Hindernisse erschwert wird. Fehlende Vergütungsmodelle, Personalengpässe und die Dominanz der klassischen Arzneimittelversorgung im Alltag der Apotheken verhindern eine breitere Entfaltung dieses Leistungsbereichs. Preis verweist dennoch auf den positiven Trend und sieht in der wachsenden Inanspruchnahme der pDL ein klares Signal für deren strategische Bedeutung im künftigen Gesundheitswesen.
Zugleich aber wird das Ausbaufeld pharmazeutischer Dienstleistungen konterkariert durch eine nach wie vor ungelöste Honorardebatte. Die Apothekerinnen und Apotheker fordern seit Jahren eine Anpassung ihrer Vergütung, die der wachsenden Verantwortung, den gestiegenen Kosten und dem zunehmenden Versorgungsdruck gerecht wird. Dass nun sogar diskutiert wird, Mittel aus dem ohnehin unterfinanzierten Topf der pharmazeutischen Dienstleistungen zur allgemeinen Honorarerhöhung umzuleiten, offenbart eine fatale Schieflage der politischen Prioritäten. Preis spricht in diesem Zusammenhang von einer lediglich temporären Maßnahme, die langfristig durch eine strukturelle Reform ersetzt werden müsse.
Das Positionspapier der Abda unter dem Titel "In eine gesunde Zukunft mit der Apotheke" bildet den aktuellen programmatischen Rahmen dieser Entwicklung. Es enthält konkrete Vorschläge, wie Apotheken ihre Kompetenzen erweitern, ihre Sichtbarkeit erhöhen und ihre Rolle als niedrigschwellige Versorgungsanbieter ausbauen können. Doch die praktische Umsetzung dieser Konzepte hängt untrennbar mit der Entlastung im Kerngeschäft zusammen. Ohne den Abbau bürokratischer Lasten und die Beseitigung struktureller Defizite wird keine Apotheke zusätzliche Aufgaben übernehmen können. Preis fordert deshalb mit Nachdruck eine leistungsgerechte Honorierung der Arzneimittelversorgung, als Grundlage jeglicher Weiterentwicklung.
Ein weiteres zentrales Thema in der Diskussion um die Zukunftsfähigkeit der Apotheken ist der Nachwuchs. Der Fachkräftemangel trifft die Apotheken hart und verschärft sich in einem Klima wirtschaftlicher Unsicherheit und beruflicher Demotivation. Preis sieht hier in den pDL eine Chance, das Berufsbild attraktiver zu gestalten und insbesondere junge Apothekerinnen und Apotheker wieder stärker für die Offizin zu begeistern. Mehr patientennahe Verantwortung, mehr Entscheidungsspielraum und eine stärkere Einbindung in die Primärversorgung könnten den Arbeitsplatz Apotheke aufwerten. Allerdings mahnt er auch zur Ehrlichkeit: Der demografische Wandel werde die Personalprobleme nicht kurzfristig lösen. Umso wichtiger sei es, den Beruf inhaltlich aufzuwerten und zugleich administrativ zu entlasten.
Das Apothekensterben, das Preis als gesellschaftlich inakzeptabel bezeichnet, ist nicht nur Ausdruck wirtschaftlicher Not, sondern ein Symptom politischer Vernachlässigung. Die Standespolitik sucht zwar das Gespräch mit der Ärzteschaft und anderen Akteuren im Gesundheitswesen, doch entscheidend bleibt der politische Wille, aus gut gemeinten Konzepten verbindliche Regelversorgung zu machen. Projekte wie ARMIN, das eine enge Kooperation zwischen Apotheken und Ärzten vorsieht, sind exemplarisch für die Möglichkeiten interprofessioneller Versorgung – und zugleich für das Versäumnis, erfolgreiche Modelle in den Regelbetrieb zu überführen.
Die Kritik an der Gesundheitspolitik der letzten Jahre fällt entsprechend deutlich aus. Preis fordert einen politischen Neustart und einen grundlegend anderen Kommunikationsstil mit dem Berufsstand. Gesundheit sei kein Kostenfaktor, sondern ein gesellschaftlicher Resilienzfaktor. Wer an der Finanzierung der Versorgung spare, gefährde die Zukunftsfähigkeit des gesamten Systems. Die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen aus Steuermitteln, die Entkopplung der Honorierung von der Kassenlage und die grundsätzliche Neupositionierung der Apotheken im System seien keine politischen Luxusforderungen, sondern systemische Notwendigkeiten.
Angesichts der Entwicklungen bleibt die Frage, ob der Koalitionsvertrag und das Zukunftspapier der Abda tatsächlich den Einstieg in eine strukturelle Neuausrichtung markieren – oder lediglich das Ergebnis politischer Minimalpositionen sind. Preis bleibt vorsichtig optimistisch. Die einstimmige Zustimmung des Abda-Gesamtvorstands zum Konzept sei ein starkes Signal der Einigkeit. Entscheidend werde jedoch sein, wie entschlossen die Politik diesen Ball aufnimmt. Der Gesundheitssektor sei zu wichtig, um weiter auf Zeit zu spielen.
Die politische Diskussion um die Zukunft der öffentlichen Apotheken in Deutschland ist kein Nebenschauplatz, sondern ein zentrales Indiz für den Reformwillen eines Staates, der unter dem Druck des demografischen Wandels und wachsender Versorgungslücken seine Strukturen neu ordnen muss. Wer Apotheken lediglich als Vertriebsstellen von Medikamenten betrachtet, ignoriert nicht nur ihren heilberuflichen Charakter, sondern auch ihr bislang ungenutztes Potenzial zur Stabilisierung des Gesundheitswesens. Die Äußerungen von Thomas Preis markieren hier einen Bruch mit der passiven Verteidigungshaltung vergangener Jahre. Statt sich auf Forderungen nach Bestandsschutz zu beschränken, artikuliert die neue Führung der ABDA konkrete Leistungsangebote – und macht ihre Ausweitung abhängig von strukturellen Verbesserungen.
Der Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen ist dabei mehr als ein fachpolitisches Anliegen. Er steht sinnbildlich für ein modernes Gesundheitswesen, das auf niedrigschwellige, interprofessionelle und regional verankerte Versorgung setzt. In Ländern wie Kanada oder Großbritannien sind Apotheken längst Teil der primären Gesundheitsversorgung, während Deutschland noch um die Vergütung von Blutdruckmessungen streitet. Dass pDL als Erfolgskonzept gelten, obwohl sie bislang nur in begrenztem Umfang erbracht werden, verweist auf ein systemisches Paradoxon: Die politische Rhetorik preist Innovation, scheitert aber an der Umsetzung. Preis benennt dies nüchtern, ohne larmoyante Rhetorik – und genau darin liegt die strategische Stärke seiner Argumentation.
Ebenso zentral ist der Zusammenhang zwischen Honorierung und struktureller Handlungsfähigkeit. Die Debatte über den Zugriff auf pDL-Mittel zur allgemeinen Honorarerhöhung illustriert den finanziellen Druck ebenso wie die konzeptionelle Ratlosigkeit der Politik. Wer an einem Topf zwei Ziele bedienen will, verfehlt beide. Die Apothekerschaft hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie in der Lage ist, zusätzliche Leistungen zu erbringen – ob in der Pandemiebekämpfung, bei Impfungen oder in der Medikationsberatung. Doch ohne wirtschaftliche Basis bleibt jeder Reformimpuls ein Papiertiger. Preis bringt dies auf den Punkt: Die Entlohnung heilberuflicher Leistung darf nicht länger von der Kassenlage abhängen.
Auch die Nachwuchsthematik ist kein isoliertes Problem, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden berufspolitischen Entkopplung. Ein Beruf, der über Jahrzehnte hinweg auf Präzision, Verantwortung und Patientenbindung gegründet war, droht durch wirtschaftlichen Druck und bürokratische Entwertung seine Attraktivität zu verlieren. Wenn die Standespolitik dem nicht entschlossen entgegentritt, wird die flächendeckende Versorgung perspektivisch unmöglich. Die Strategie, junge Apothekerinnen und Apotheker durch neue Rollenbilder und patientennahe Angebote wieder für die Offizin zu gewinnen, ist folgerichtig – doch sie wird nur aufgehen, wenn auch die Arbeitsrealität diese Versprechen einlöst. Wer in der öffentlichen Wahrnehmung als kompetente Schnittstelle im Gesundheitswesen auftreten will, muss auch die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen.
Nicht minder gravierend ist die fehlende politische Ehrlichkeit in der Frage der Systemkosten. Die demografische Entwicklung ist kein Zukunftsszenario, sondern längst Gegenwart. Trotzdem wird an der Illusion gespart, man könne das Gesundheitswesen mit punktuellen Einschnitten oder symbolischen Maßnahmen stabilisieren. Preis benennt einen der größten blinden Flecke: Die versicherungsfremden Leistungen, die das GKV-System belasten und von der Solidargemeinschaft mitgetragen werden, obwohl sie eigentlich in staatliche Verantwortung gehören. Wer über Gerechtigkeit im Gesundheitswesen spricht, muss auch über die gerechte Lastenverteilung sprechen.
Die Bedeutung des Abda-Zukunftspapiers liegt daher nicht allein in seinen inhaltlichen Vorschlägen, sondern in seinem Anspruch auf Systemgestaltung. Dass es zu internen Diskussionen kommt, ist kein Zeichen der Schwäche, sondern Ausdruck demokratischer Standespolitik. Entscheidend ist, dass es eine geschlossene Außendarstellung gibt – und eine entschlossene Umsetzung gegenüber der Politik. Die nächsten Monate werden zeigen, ob diese Konsolidierung gelingt. Klar ist: Eine weitere Legislaturperiode mit symbolpolitischen Kompromissen und technokratischen Verschiebungen kann sich das Gesundheitswesen nicht leisten. Die Zeit der Reformaufschübe ist vorbei. Wer jetzt nicht handelt, wird die Folgekosten einer unterfinanzierten, personell ausgedünnten und strategisch orientierungslosen Versorgung bald nicht mehr kontrollieren können.
Pharmazie unter Druck und Führung
Das Apothekenwesen im Zweiten Weltkrieg zwischen Versorgungspflicht und Gleichschaltung
Acht Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rückt eine oft übersehene Frontlinie des totalen Krieges in den Fokus: die Arzneimittelversorgung unter dem Nationalsozialismus. Das Apothekenwesen wurde in wenigen Jahren von einem freien Heilberuf in ein zentralistisch gelenktes Versorgungssystem transformiert, dessen Hauptziele nicht allein der Schutz der Bevölkerung, sondern die politische Kontrolle und die Durchsetzung ideologischer Ordnungsvorstellungen waren. Die Apotheker rückten ins Zentrum eines Regimes, das ihre berufliche Autonomie systematisch auflöste und sie in ein Netzwerk aus Befehl und Gehorsam einband.
Mit der Einrichtung einer zentralen Führungsstruktur nach dem Vorbild des NS-Staates wurde die Reichsapothekerkammer geschaffen, die fortan als zentrales Steuerungsinstrument für Berufsfragen, Personalpolitik und Betriebsführung diente. Die Apotheker wurden zu sogenannten „Betriebsführern“ ernannt und unterlagen dem Führerprinzip – ein Begriff, der im Apothekenalltag zunehmend zum Instrument ideologischer Disziplinierung wurde. Die Kontrolle ging weit über organisatorische Vorgaben hinaus: Berufsethos und wissenschaftliche Unabhängigkeit wurden zugunsten politischer Linientreue untergeordnet. Jüdische Apotheker wurden systematisch ausgeschlossen, nicht nur aus der Berufsausübung, sondern aus dem öffentlichen Leben.
Parallel zur politischen Repression verschärfte sich die Versorgungslage dramatisch. Importabhängige Arzneimittel waren durch Embargos und Kriegswirtschaft kaum noch erhältlich, industrielle Produktionsketten brachen unter Luftangriffen zusammen. In dieser Mangellage forderte das Regime eine Rückbesinnung auf die „deutsche Natur“. Heimische Heilpflanzen wurden zum Hoffnungsträger einer nationalen Selbstversorgung erklärt. Apotheker wurden verpflichtet, Sammelaktionen zu organisieren, oft mit Unterstützung von Schulkindern, Landwirten oder paramilitärischen Jugendgruppen.
Was nach pragmatischer Notlösung klang, war in Wahrheit Teil einer tiefgreifenden ideologischen Konstruktion. Die Idee der arzneilichen Autarkie verband den Mythos der naturreinen Volksgesundheit mit der nationalsozialistischen Vorstellung vom „gesunden Volkskörper“. Heilpflanzenkunde wurde zur Staatsdoktrin, Apotheken zu Stationen ideologischer Erziehung. Der Bezug auf das Natürliche, auf das „Echte“, sollte nicht nur die Menschen versorgen, sondern sie zugleich politisch formen.
Gleichzeitig mussten Apotheken unter Kriegsbedingungen improvisieren. Zahlreiche Betriebe wurden zerstört, Medikamente in Kellern gelagert, provisorische Ausgabestellen eingerichtet. Notfallsets wurden entwickelt, die unter Luftschutzbedingungen funktionierten. Die Versorgung Schwerverletzter, das Management von Epidemien und die Herstellung einfacher Mittel mit improvisierten Mitteln prägten den Alltag. Die Erfahrung dieser Ausnahmesituation beeinflusste auch die Entwicklung der Katastrophenpharmazie nach 1945, etwa in der DDR und der Bundesrepublik.
Im Rückblick auf diese Phase wird deutlich, wie eng Pharmazie, Versorgung und Machtpolitik verflochten waren. Die Rolle der Apotheker war keine neutrale, sondern eingebunden in ein Regime, das Wissenschaft, Berufsethos und Notfalllogik zu Werkzeugen politischer Herrschaft machte. Die Erinnerung daran bleibt ein mahnendes Beispiel für die Verantwortung heilberuflicher Institutionen gegenüber demokratischer Ordnung und ethischer Integrität.
Die Geschichte der Pharmazie im Nationalsozialismus ist ein Kapitel beruflicher Ambivalenz, das mehr als nur historische Fußnote ist. Sie zeigt exemplarisch, wie schnell sich ein freier Heilberuf in ein System der Verfügungsgewalt und ideologischen Steuerung überführen lässt – wenn die politischen Rahmenbedingungen es erzwingen und die innerberuflichen Widerstände ausbleiben. Die Apotheker jener Zeit wurden nicht nur zu Versorgern in schwieriger Lage, sondern auch zu Funktionsträgern eines Regimes, das Wissenschaft, Ethik und Wahrheit seiner eigenen Machtlogik unterordnete.
Die Gleichschaltung des Apothekenwesens war kein organisatorischer Verwaltungsakt, sondern eine systematische Zerschlagung beruflicher Unabhängigkeit. Wer als Apotheker tätig sein wollte, musste nicht mehr allein fachlich qualifiziert sein, sondern politisch zuverlässig, regimetreu und diszipliniert. Der Verlust pluraler Berufskammern und die Etablierung zentralistischer Führungsstrukturen veränderten nicht nur die Berufspolitik, sondern auch das Selbstverständnis einer ganzen Berufsgruppe.
Der Rückgriff auf Heilpflanzen erscheint aus heutiger Sicht fast romantisch – war aber Teil eines politisch aufgeladenen Selbstversorgungsdogmas, das Autarkie und Rassenideologie verband. Der „deutsche Arzneigarten“ war nie nur biologisch gedacht, sondern stets auch nationalistisch, ausgrenzend und autoritär. Die Apotheker, die dieses System unterstützten, sei es aus Überzeugung oder Opportunismus, leisteten dabei mehr als bloße Versorgung: Sie legitimierten das System durch Mitwirkung.
Zugleich darf nicht übersehen werden, dass sich viele Apotheker in einer objektiv ausweglosen Lage befanden. Wer Versorgung sichern wollte, musste mitspielen – oder riskierte Existenz, Freiheit oder Leben. Doch der Einzelfall darf nicht den Blick auf das Systemische verstellen. Die strukturelle Bereitschaft der Pharmazie, sich in das ideologische Korsett des Nationalsozialismus einzufügen, war größer als später oft dargestellt.
Diese Vergangenheit ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern ein Prüfstein heutiger Berufsethik. Sie mahnt, wie verletzlich wissenschaftliche Integrität, wie gefährdet ethische Standards und wie verführbar ganze Berufsgruppen sein können – wenn politischer Druck und staatliche Autorität sich über fachliche Unabhängigkeit hinwegsetzen. Gerade in Zeiten wachsender staatlicher Regulierung im Gesundheitswesen ist diese Lehre aktueller denn je.
Von Engin Günder, Fachjournalist
Sie haben einen Beruf gewählt, der weit mehr als reine Erwerbstätigkeit ist. Sie verfolgen im Dienste der Bevölkerung hohe ethische Ziele mit Energie, fachlicher Kompetenz und einem hohen Maß an Verantwortung. Um sich voll auf Ihre Aufgabe konzentrieren zu können, erwarten Sie die optimale Absicherung für die Risiken Ihrer Berufsgruppe.
Sie suchen nach Möglichkeiten, Ihre hohen Investitionen zu schützen und streben für sich und Ihre Angehörigen nach einem angemessenen Lebensstandard, auch für die Zukunft.
Unter der kostenfreien Telefonnummer 0800. 919 0000 oder Sie faxen uns unter 0800. 919 6666, besonders dann, wenn Sie weitere Informationen zu alternativen Versicherern wünschen.
Mit der ApoRisk® FirmenGruppe steht Ihnen ein Partner zur Seite, der bereits viele Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland zu seinen Kunden zählen darf. Vergleichen Sie unser Angebot und Sie werden sehen, es lohnt sich, Ihr Vertrauen dem Versicherungsspezialisten für Ihren Berufsstand zu schenken.