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  • 06.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Marktdruck, Versorgungskrise und politische Lähmung
    06.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Marktdruck, Versorgungskrise und politische Lähmung
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Finanzinvestoren steuern DocMorris und Redcare, Apotheken kämpfen mit Medikamentenengpässen, die Kanzlerwahl scheitert im ersten Anlauf....

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Marktdruck, Versorgungskrise und politische Lähmung

 

DocMorris und Redcare unter Investorenkontrolle, Apotheken kämpfen mit Engpässen, Kanzlerwahl blockiert den Reformstart

Während DocMorris und Redcare zunehmend von Finanzinvestoren kontrolliert werden, verschärft sich in den Apotheken die Versorgungskrise durch anhaltende Lieferengpässe und fragwürdige Preisregelungen. Die ohnehin überlasteten Apothekenteams müssen medizinische Versorgung sichern, während gleichzeitig die Akzeptanz für pharmazeutische Leistungen wie Medikationsanalysen mangels Sichtbarkeit stockt. Parallel verzögert sich der politische Neustart durch die gescheiterte Kanzlerwahl, wodurch zentrale Reformen blockiert bleiben. Die Kombination aus unternehmerischem Einfluss, struktureller Überforderung und politischem Stillstand erzeugt eine Lage, in der Versorgungssicherheit, wirtschaftliche Steuerung und demokratische Legitimation gleichzeitig unter Druck geraten. Was ursprünglich als Marktdynamik begann, ist längst zur Systemfrage geworden.

 

Finanzinvestoren bestimmen die Richtung bei DocMorris und Redcare

Die börsennotierten Arzneimittelversender Redcare Pharmacy und DocMorris befinden sich zunehmend unter dem Einfluss großer Finanzinvestoren. Fonds, Banken und vermögende Einzelakteure halten erhebliche Anteile an beiden Unternehmen und gestalten über Aufsichtsratsmandate sowie gebündelte Stimmrechte die strategische Ausrichtung mit. Angesichts enttäuschender Kursverläufe geraten dabei nicht nur unternehmerische, sondern auch strukturelle Fragen in den Fokus.

Bei Redcare Pharmacy konzentriert sich rund ein Drittel des Aktienkapitals auf institutionelle Investoren. Neben dem Schweizer Gesundheitskonzern Galenica mit über zehn Prozent ist auch die niederländische Investmentgesellschaft MK Beleggingsmaatschappij mit über sieben Prozent beteiligt. Hinter dieser Beteiligung steht Michael Köhler, Mitgründer der Europa Apotheek und früherer Vorstandschef von Shop Apotheke. Gemeinsam mit Stephan Weber soll Köhler in den Aufsichtsrat von Redcare zurückkehren, während bisherige Mitglieder ausscheiden. Der Einfluss früherer Gründer und aktueller Investoren erfährt so eine formelle Verfestigung.

Weitere bedeutende Anteilseigner bei Redcare sind Finanzhäuser wie JP Morgan Chase, UBS, Capital Group, BlackRock, DWS und Allianz Global Investors. Allein JP Morgan hält über sechs Prozent der Anteile. Neben institutionellen Investoren treten auch Einzelpersonen mit beachtlichen Aktienpaketen auf, darunter Christoph Laubmann und Robert Hess, der ebenfalls zu den Gründern der Shop Apotheke zählt. Eine frühere Vereinbarung über einen Stimmrechtspool sicherte einer Gruppe von Aktionären fast 27 Prozent der Stimmen und zeigt, dass auch ohne absolute Mehrheiten faktische Kontrolle ausgeübt werden kann.

DocMorris verzeichnet noch stärkere Konzentrationen im Aktionariat. Die Schweizer Großbank UBS hält mehr als 27 Prozent der Anteile und sichert ihre Position durch zusätzliche Derivate. JP Morgan Chase besitzt rund 12,5 Prozent zuzüglich Verkaufsoptionen, was ihre Einflussmöglichkeiten deutlich ausweitet. Weitere namhafte Investoren sind BNP Paribas mit rund acht Prozent sowie britische und Schweizer Fonds mit Anteilen im Bereich zwischen drei und fünf Prozent. Auch der US-Hedgefonds-Manager David E. Shaw hat sich Anteile gesichert. Das Management selbst hält nur einen geringen Teil der Aktien.

Beide Unternehmen befinden sich damit in einem Spannungsfeld zwischen unternehmerischer Autonomie und finanzmarktgetriebener Steuerung. Während die operative Führung formell bei den Vorständen liegt, verdeutlicht die Machtstellung der Investoren den zunehmenden Einfluss kapitalmarktorientierter Interessen auf strategische Entscheidungen, etwa bei Fusionen, Expansionskursen oder Digitalisierungsprojekten. Die Aktienkurse geben dabei kein einheitliches Bild. Redcare pendelte zwischen 40 und 240 Euro, aktuell liegt der Kurs wieder auf dem Niveau von 2020. DocMorris fiel von knapp 500 auf rund 25 Franken. In beiden Fällen lässt die Kursentwicklung Zweifel an der Kapitalmarktstrategie erkennen.

Die Eigentümerstruktur beider Unternehmen ist Ausdruck eines generellen Trends im Gesundheitssektor: Die wachsende Bedeutung von Kapitalinteressen im Bereich öffentlicher Versorgung stellt klassische Wertvorstellungen in Frage und fordert neue Formen der Regulierung und Kontrolle.

Der wachsende Einfluss großer Finanzakteure auf die beiden führenden europäischen Arzneimittelversender wirft grundlegende Fragen zur Governance im Gesundheitswesen auf. Was vordergründig wie ein normaler Vorgang an den Kapitalmärkten wirkt, offenbart bei näherem Blick eine strukturelle Verschiebung der Machtverhältnisse, die das Gleichgewicht zwischen Versorgungspflicht und Gewinnerwartung ins Wanken bringt. Wenn Investmentgesellschaften, Großbanken und Hedgefonds zunehmend strategische Entscheidungen mitbestimmen, steht mehr auf dem Spiel als unternehmerischer Erfolg.

DocMorris und Redcare agieren in einem sensiblen Sektor, in dem es um Versorgungssicherheit, Verlässlichkeit und Vertrauen geht. Dass milliardenschwere Kapitalverwalter nun faktisch Kontrolle über solche Akteure gewinnen, verändert die Systemlogik. Strategische Partnerschaften, Stimmrechtsbündnisse und gezielte Aufsichtsratsbesetzungen zeigen, wie subtil sich Macht verschiebt, ohne dass dies in der Öffentlichkeit angemessen diskutiert wird. Die Aussicht, dass ehemalige Gründer wieder ins Gremium zurückkehren, wirkt auf den ersten Blick stabilisierend, ist aber auch Ausdruck eines Rückzugs von neutraler Kontrolle zugunsten interner Netzwerke.

Ernüchternd ist zudem, dass trotz massiver Kapitalbindung die Kursentwicklung beider Unternehmen enttäuschend bleibt. Das lässt nicht nur auf operative Schwächen schließen, sondern auch auf einen möglichen Zielkonflikt zwischen Investoreninteresse und tatsächlichem Markterfolg. Während Redcare mit Partnerschaften und Investorenbindung agiert, wird bei DocMorris die Dominanz großer Banken besonders sichtbar. Wer über Derivate, Optionen und stille Beteiligungen Einfluss nimmt, verfolgt meist kurzfristige Ziele – ein Widerspruch zu den langfristigen Anforderungen im Gesundheitswesen.

Die Politik hat bislang keine angemessene Antwort auf diese Entwicklung gefunden. Obwohl Arzneimittelversorgung zunehmend von Plattformstrategien und Logistikzentren geprägt ist, fehlt eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Akteure hier langfristig Verantwortung tragen dürfen. Die Diskussion über inhabergeführte Apotheken gegenüber Versandhändlern ist unzureichend, solange nicht auch die Kapitalmacht hinter diesen Plattformen in die Analyse einbezogen wird. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass milliardenschwere Fonds mit Sitz in London, Zürich oder New York nicht den Interessen öffentlicher Versorgung verpflichtet sind.

Der Fall Redcare und DocMorris ist exemplarisch für die stille Transformation eines öffentlichen Gutes in ein Anlageprodukt. Wer in dieser Struktur mitentscheiden darf, ist längst keine demokratische Frage mehr, sondern eine rechnerische. Und das könnte am Ende nicht nur den Kursen schaden, sondern auch dem Vertrauen in eine Gesundheitsversorgung, die sich nicht am Quartalsbericht, sondern am Gemeinwohl orientieren sollte.

 

Die Kanzlerwahl verzögert den Start der neuen Regierung

Die für den heutigen Tag vorgesehene Vereidigung des neuen Bundeskabinetts wird durch die gescheiterte Kanzlerwahl im Bundestag vorerst blockiert. Friedrich Merz konnte im ersten Wahlgang keine ausreichende Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln. Damit ist nicht nur die Regierungsbildung ins Stocken geraten, sondern auch der politische Zeitplan zur Einsetzung zentraler Regierungsfunktionen erheblich durcheinandergeraten. Die neue Regierung kann ihre Arbeit frühestens nach einer weiteren Abstimmungsrunde aufnehmen.

Ungeachtet der politischen Hängepartie bleibt der Handlungsdruck insbesondere im Gesundheitsbereich unverändert hoch. Schon vor dem Abstimmungstag hatte der GKV-Spitzenverband konkrete Forderungen an das künftige Kabinett gerichtet. Die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer warnte vor einer Zuspitzung der Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Situation verlange sofortige haushaltspolitische Eingriffe sowie langfristig tragfähige Strukturreformen. Die designierte Gesundheitsministerin Nina Warken stehe vor einer Mammutaufgabe, so Pfeiffer.

Im Zentrum der kurzfristigen Forderungen steht ein Ausgabenmoratorium, das Preis- und Honorarsteigerungen über die laufenden Einnahmen hinaus unterbindet. Dieses solle per Vorschaltgesetz noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Ziel sei es, bis zur Umsetzung struktureller Reformen eine Rückkehr zum finanziellen Gleichgewicht zu ermöglichen. Zusätzlich fordert der Kassenverband, die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden künftig vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren. Dies würde die Kassen um rund zehn Milliarden Euro jährlich entlasten und einen Beitrag zur Stabilisierung der Beitragssätze leisten.

Die langfristigen Herausforderungen reichen jedoch deutlich weiter. Pfeiffer verweist auf die strukturellen Versorgungsprobleme im Gesundheitssystem, die durch den demografischen Wandel und den Mangel an Fachkräften verschärft werden. Die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen müssten effizienter und gezielter eingesetzt werden, um eine dauerhafte Sicherung der Versorgung zu gewährleisten. Angesichts der schwindenden Rücklagen und steigenden Zusatzbeiträge warnt sie vor einer Eskalation der Beitragsspirale, sollte die Politik weiterhin auf Zeit spielen.

Besondere Kritik richtet sich gegen das im Koalitionsvertrag vereinbarte Vorhaben, eine Kommission einzusetzen, deren Ergebnisse erst 2027 vorliegen sollen. In Anbetracht der Dringlichkeit sei dies nicht akzeptabel. Die Techniker Krankenkasse schloss sich der Kritik an und forderte ebenso wie der GKV-Spitzenverband Sofortmaßnahmen und tiefgreifende Reformen. Vorstandsvorsitzender Jens Baas forderte die künftige Regierung auf, die Beitragsentwicklung zu stoppen und die Finanzierung des Gesundheitssystems langfristig zu sichern.

Auch wenn der Bundestag zunächst eine Lösung für die gescheiterte Kanzlerwahl finden muss, ist der Reformbedarf im Gesundheitswesen längst akut. Die Erwartungen an die neue Bundesregierung sind hoch. Die Mahnungen der Kassen verdeutlichen, dass die politische Blockade nicht zum Stillstand bei dringend nötigen Entscheidungen führen darf.

Der gescheiterte Anlauf zur Kanzlerwahl mag ein parlamentarischer Paukenschlag sein, doch im Schatten der blockierten Regierungsbildung eskaliert eine weitaus fundamentalere Krise. Das deutsche Gesundheitssystem steht unter massivem Druck. Die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung sind so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und die politische Antwort droht sich in parteitaktischen Verzögerungen zu verlieren. Der Ruf nach Reformen ist kein neues Phänomen, doch der strukturelle Handlungsstau hat eine neue Qualität erreicht.

Dass ausgerechnet in diesem Moment keine handlungsfähige Regierung im Amt ist, offenbart eine gefährliche Diskrepanz zwischen politischem Prozess und gesellschaftlicher Realität. Wenn Krankenkassen wie die TK oder der GKV-Spitzenverband ein sofortiges Ausgabenmoratorium fordern, ist das keine politische Meinung, sondern eine nüchterne Notwendigkeit. Die Belastung der Beitragszahler hat ihre Belastungsgrenze längst erreicht. Dass eine neue Regierung erst eine Kommission einsetzt, die frühestens 2027 Ergebnisse liefert, ist vor diesem Hintergrund ein Ausdruck politischer Entkopplung von der Realität.

Die Verantwortung liegt nicht allein bei der verzögerten Regierungsbildung. Auch in der abgelaufenen Legislatur wurde versäumt, strukturelle Fehlanreize zu beseitigen. Das Versprechen effizienter Versorgung ist im Dickicht politischer Rücksichtnahme und sektoraler Einzelinteressen stecken geblieben. Die politische Sprache bleibt unkonkret, wo messbare Zielgrößen erforderlich wären. Es fehlt nicht nur am Geld, sondern an Mut zur Strukturveränderung. Versorgungsgerechtigkeit lässt sich nicht länger mit Beitragserhöhungen finanzieren.

Besonders problematisch ist die Verlagerung versicherungsfremder Leistungen in das GKV-System, ohne deren Kosten durch Steuermittel zu decken. Diese systematische Fehlsteuerung verzerrt die Finanzierungslasten und verschärft soziale Ungleichgewichte. Dass der GKV-Spitzenverband nun fordert, Leistungen für Bürgergeldbeziehende steuerfinanziert zu organisieren, ist ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht. Es wäre ein Schritt hin zu mehr Transparenz und Stabilität.

Politik muss sich an der Fähigkeit messen lassen, Prioritäten zu setzen. Die Regierungsbildung darf kein Alibi für weiteres Abwarten sein. Die sozialen Sicherungssysteme stehen vor einer tiefgreifenden Transformation. Wer jetzt nicht handelt, wird später nicht mehr reformieren, sondern nur noch reagieren können. Der Gesundheitsbereich verlangt Führung, nicht Verwaltung. Wer sich dieser Verantwortung entzieht, gefährdet nicht nur den Zusammenhalt des Systems, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in seine politische Steuerbarkeit.

 

Friedrich Merz wird im zweiten Anlauf zum Kanzler gewählt

Friedrich Merz ist im zweiten Wahlgang vom Deutschen Bundestag zum Bundeskanzler gewählt worden. Nachdem er im ersten Versuch die notwendige absolute Mehrheit knapp verfehlte, kam es am Nachmittag desselben Tages zu einer weiteren Abstimmung. Diese wurde durch einen parteiübergreifenden Antrag auf Fristverkürzung ermöglicht, den der Bundestag zuvor mit breiter Mehrheit verabschiedet hatte. Die ungewöhnliche Dynamik des Tages markiert einen seltenen Ausnahmefall in der politischen Praxis der Bundesrepublik.

Im ersten Wahlgang stimmten lediglich 310 Abgeordnete für Merz. Damit verfehlte er die erforderlichen 316 Stimmen, obwohl die Große Koalition über eine ausreichende Mehrheit verfügt. 307 Stimmen entfielen auf Nein, eine Stimme war ungültig, drei Abgeordnete enthielten sich. Die Ursachen für diese Abweichung innerhalb der eigenen Reihen blieben zunächst ungeklärt. Beobachter gingen von einem innerparteilichen Warnsignal aus, das entweder gegen den Koalitionsvertrag oder gegen die Person Merz selbst gerichtet war. Noch vor dem zweiten Wahlgang fanden intensive Gespräche zwischen den Fraktionen statt.

Die Koalitionsspitzen von CDU, SPD, Grünen und Linken verständigten sich darauf, den zweiten Wahlgang noch am selben Tag durchzuführen. Mit einem erfolgreichen Antrag auf Fristverkürzung wurde dies formal ermöglicht. Auch die Oppositionsparteien unterstützten den Antrag, machten jedoch deutlich, dass ihre Zustimmung ausschließlich dem Verfahren galt. Die Notwendigkeit politischer Stabilität wurde parteiübergreifend betont. Bundestagsabgeordnete verwiesen auf die angespannte internationale Lage und die Erwartung der Bevölkerung, eine handlungsfähige Regierung zu erhalten.

Die zweite Abstimmung erfolgte um 15:15 Uhr und brachte schließlich das Ergebnis, das bereits am Vormittag erwartet worden war. Merz erhielt 325 Ja-Stimmen und wurde damit mit neun Stimmen über der absoluten Mehrheit zum neunten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Die erforderliche Stabilität wurde nach einem Tag politischer Unsicherheit hergestellt, doch die Ereignisse werfen ein Schlaglicht auf die fragilen Mechanismen innerhalb parlamentarischer Mehrheiten.

Die Kanzlerwahl unter diesen Vorzeichen bleibt ein bemerkenswerter Vorgang. Sie offenbart nicht nur strategische Risse innerhalb der Regierungsfraktionen, sondern auch die Fähigkeit des Bundestags, in einer zugespitzten Situation rasch zu reagieren. Merz tritt sein Amt nun unter dem Eindruck eines komplizierten Wahlverfahrens an und steht vor der Herausforderung, die demonstrierte Einigkeit dauerhaft zu festigen.

Der zweite Wahlgang zur Kanzlerwahl hat nicht nur eine Personalie entschieden, sondern ein institutionelles Warnsignal ausgelöst. Die gescheiterte erste Abstimmung für Friedrich Merz ist mehr als ein einmaliges Störgeräusch im parlamentarischen Ablauf. Sie offenbart strukturelle Unsicherheiten innerhalb einer Koalition, die sich selbst als stabilitätsorientiert versteht. Dass Merz dennoch am selben Tag mit knapper Mehrheit ins Amt kam, täuscht nicht über die politische Sprengkraft hinweg, die im Abstimmungsverhalten des Vormittags lag.

Die Regierungskoalition sah sich gezwungen, binnen Stunden die Kontrolle über den Prozess zurückzugewinnen. Die rasche Einigung auf eine Fristverkürzung war notwendig, aber nicht selbstverständlich. Sie zeigt einen gewissen Reflex zur Selbstkorrektur im parlamentarischen System. Dass auch Oppositionsparteien diese Entscheidung mittrugen, unterstreicht die übergeordnete Bedeutung institutioneller Handlungsfähigkeit. Es war ein Moment, in dem parteitaktische Grenzen hinter die Verantwortung für das Gemeinwesen zurücktraten.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie stabil ein Kanzler regieren kann, dessen erste Wahl an der eigenen Mehrheit scheitert. Die Erklärung einer momentanen Irritation greift zu kurz. Vielmehr offenbart sich darin ein Vertrauensdefizit, das Merz in seiner neuen Funktion wird adressieren müssen. Ein Kanzler, der in seiner ersten Bewährungsprobe auf die Nachsicht der eigenen Fraktion angewiesen ist, steht politisch auf Bewährung. Die beschworene Geschlossenheit muss sich erst im Alltag beweisen.

Zugleich zeigt der Tag, dass das parlamentarische System lernfähig bleibt. Das politische Verfahren hat nicht versagt, sondern sich unter Druck bewährt. Es war keine Sternstunde der Demokratie, aber ein funktionaler Beweis ihrer Resilienz. Die Öffentlichkeit hat genau beobachtet, ob das Parlament in der Lage ist, seine eigenen Versäumnisse zu korrigieren. Dass dies gelungen ist, gibt Anlass zur sachlichen Erleichterung, nicht zum Triumph.

Merz tritt das Kanzleramt nun mit einem Vertrauensvorschuss unter Vorbehalt an. Die strukturelle Herausforderung besteht nicht nur in der Durchsetzung politischer Inhalte, sondern in der Wiederherstellung verlässlicher Mehrheiten. Die Regierungsfraktionen haben gezeigt, wie schnell Selbstgewissheit in Selbstzweifel kippen kann. Wer politische Führung beansprucht, muss sie sich täglich neu erarbeiten.

 

Thomas Benkert wird erster Ehrenpräsident der Bundesapothekerkammer

Die Bundesapothekerkammer hat am Dienstag mit Thomas Benkert erstmals einen Ehrenpräsidenten ernannt. Die Entscheidung wurde im Rahmen der Mitgliederversammlung getroffen und markiert einen historischen Schritt in der Geschichte des Gremiums. Benkert war von 2013 bis 2020 Vizepräsident und von 2020 bis Anfang 2024 Präsident der Kammer. Mit der neuen Auszeichnung würdigt der Vorstand sein langjähriges Engagement für den Apothekerberuf und seine maßgebliche Mitwirkung an berufsrelevanten Reformprozessen.

Der amtierende Präsident der Bundesapothekerkammer, Armin Hoffmann, hob in seiner Ansprache die Vielschichtigkeit von Benkerts Wirken hervor. Besonders betont wurde dessen zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Berufsbilds der Apothekerinnen und Apotheker sowie bei der Ausarbeitung des Kompetenzorientierten Lernzielkatalogs Pharmazie. Beide Projekte gelten als Meilensteine für die inhaltliche und strukturelle Neujustierung der pharmazeutischen Ausbildung in Deutschland. Sie bildeten zudem die fachliche Grundlage für die spätere Diskussion über die Reform der Approbationsordnung für Apothekerinnen und Apotheker.

Ein besonderes Anliegen war Benkert die Moderation des sogenannten Runden Tisches zur Novellierung der Approbationsordnung. Dabei gelang es ihm, divergierende Positionen aus Wissenschaft, Berufspolitik und Praxis zusammenzuführen und den Reformprozess entscheidend voranzutreiben. Hoffmann betonte, dass diese Fähigkeit zur Vermittlung und strukturellen Integration innerhalb des Berufsstandes als ein prägender Teil von Benkerts Vermächtnis gelte.

Benkert, der weiterhin als Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer tätig ist, betreibt eine öffentliche Apotheke in Fürstenfeldbruck. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundesvorstand bleibt er dem Berufsstand somit in zentraler Funktion erhalten. Die Einführung des neuen Titels Ehrenpräsident markiert nicht nur die persönliche Würdigung einer langjährigen Führungspersönlichkeit, sondern auch einen kulturpolitischen Wandel in der Art und Weise, wie das berufspolitische Engagement innerhalb der Apothekerschaft bewertet wird.

Die Ernennung von Thomas Benkert zum ersten Ehrenpräsidenten der Bundesapothekerkammer ist mehr als eine symbolische Geste. Sie ist Ausdruck einer längst überfälligen Kultur der Anerkennung für langfristige Führungsarbeit in einem Berufsfeld, das häufig im Spannungsfeld zwischen Versorgungspflicht und politischer Vernachlässigung steht. In einer Zeit, in der Apothekerinnen und Apotheker mit strukturellen Umbrüchen, Nachwuchsmangel und wachsender Bürokratie konfrontiert sind, ist die Rückbesinnung auf verantwortungsvolle Gestaltungskraft innerhalb der eigenen Reihen ein wichtiges Signal.

Benkerts Verdienste gehen über einzelne Projekte hinaus. Sie liegen in der Fähigkeit, Systemfragen zu erkennen und lösungsorientiert zu bearbeiten. Seine Moderation des Runden Tisches zur Approbationsordnung war kein Verwaltungsakt, sondern ein politisch klug orchestrierter Prozess, der unterschiedlichen Interessen Raum ließ, aber auf ein Ziel ausgerichtet blieb. Dieses Maß an Vermittlungsfähigkeit ist in der heutigen Berufs- und Standespolitik keine Selbstverständlichkeit.

Gleichzeitig offenbart die Einführung des Titels Ehrenpräsident auch eine Leerstelle. Denn sie verdeutlicht, wie stark personelles Engagement kompensieren muss, was institutionell fehlt. Die BAK agiert innerhalb eines begrenzten Rahmens, der von föderaler Zuständigkeit und politischer Beharrung geprägt ist. Dass sie dennoch Akzente setzen konnte, verdankt sie Persönlichkeiten wie Benkert. Doch eine strukturelle Weiterentwicklung der pharmazeutischen Ausbildung oder der Versorgungsrolle von Apotheken darf nicht von Einzelpersonen abhängen.

Die Verantwortung liegt nun beim neuen Präsidenten, diese Impulse nicht nur fortzuführen, sondern institutionell zu verankern. Dazu gehört die konsequente Weiterentwicklung der Berufsbilder, die aktive Einbindung der jungen Generation sowie die Herstellung größerer politischer Sichtbarkeit. Die Berufspolitik muss mehr sein als das Verwalten des Status quo. Die Ernennung Benkerts zeigt, dass Veränderung möglich ist. Es liegt an der neuen Führung, daraus einen strukturellen Auftrag zu machen.

 

Wie Apotheken die medizinische Grundversorgung sichern wollen

Die Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorgung steht vor einer grundlegenden Neubewertung. Angesichts wachsender Belastungen in der ambulanten Medizin, stagnierender Honorierung und struktureller Veränderungen durch Digitalisierung und Fachkräftemangel rückt die Frage in den Vordergrund, welchen Beitrag Apotheken zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung künftig leisten können. Vor allem junge Pharmazeutinnen und Pharmazeuten wollen diesen Wandel aktiv mitgestalten und fordern einen realistischen Blick auf Aufgaben, Zuständigkeiten und politische Unterstützung.

Am 20. Mai 2025 lädt die Nachwuchsorganisation AByou der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände zum Zukunftskongress nach Berlin. Ziel der Veranstaltung ist es, konkrete Perspektiven für die Apothekenpraxis der kommenden Jahre zu entwickeln und im Dialog mit Vertretern aus Politik, Ärzteschaft, Krankenkassen und Industrie tragfähige Ansätze zu formulieren. Eine zentrale Diskussionsrunde trägt den programmatischen Titel „Pharmacy first Apotheke als 360 Grad Anlaufstelle für Arzneimittel und Gesundheitsfragen“. Mit dabei sind unter anderem Franziska Scharpf von der Bundesapothekerkammer, Dorothee Brakmann von Pharma Deutschland sowie Arzneimittelexperte Tim Steimle von der Techniker Krankenkasse. Welcher politische Gast teilnehmen wird, ist derzeit noch offen.

Das Programm des Kongresses greift neben der Rolle der Präsenzapotheken auch wirtschaftliche, digitale und interprofessionelle Herausforderungen auf. Apotheken sind vielerorts mehr als nur eine Ausgabestelle für Medikamente. Sie übernehmen bereits heute wichtige Aufgaben in der Beratung, bei pharmazeutischen Dienstleistungen sowie bei niedrigschwelligen Gesundheitsangeboten. Dennoch fehlt es oft an klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, finanzieller Ausstattung und digitaler Infrastruktur, um diese Leistungen flächendeckend und zukunftsfähig anzubieten.

Das Zukunftskonzept der ABDA enthält bereits zentrale Vorschläge zur Weiterentwicklung des Berufsbilds. Es betont die Notwendigkeit einer besseren digitalen Anbindung an andere Leistungserbringer, verweist auf Potenziale pharmazeutischer Dienstleistungen und fordert eine stärkere strukturelle Verankerung der Apotheken im Versorgungsnetz. Für junge Apothekerinnen und Apotheker ist dies nicht nur ein politisches, sondern auch ein berufsethisches Thema. Sie erwarten die Möglichkeit, ihre Kompetenz aktiv einzubringen, ohne durch veraltete Strukturen oder politische Blockaden ausgebremst zu werden.

Der Kongress richtet sich deshalb bewusst auch an Studierende und Berufsanfänger, für die ein Reisestipendium angeboten wird. Damit soll nicht nur die Beteiligung gefördert werden, sondern auch ein Zeichen gesetzt werden, dass die nächste Generation der Apothekerschaft nicht länger Zuschauerin, sondern Gestalterin sein will. In Zeiten eines zunehmend überlasteten Gesundheitssystems könnte gerade dieser Impuls ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Versorgung sein.

Die Debatte über die Zukunft der Apotheken ist längst überfällig. Zu lange wurde die Rolle der Präsenzapotheken auf die bloße Abgabe von Arzneimitteln reduziert, während gleichzeitig in Sonntagsreden ihre Systemrelevanz betont wurde. Zwischen politischer Rhetorik und struktureller Realität klafft eine wachsende Lücke, die vor allem die jüngere Generation im Berufsstand nicht länger hinzunehmen bereit ist. Der Zukunftskongress von AByou ist deshalb mehr als ein programmatisches Signal. Er ist ein Ausdruck einer neuen Selbstbehauptung innerhalb eines Systems, das Apotheken zunehmend als Randakteure behandelt.

Dabei geht es nicht um Symbolpolitik, sondern um konkrete Systemfragen. Die medizinische Versorgung in Deutschland droht in vielen Regionen zu erodieren. Apotheken könnten diese Lücken auffangen, doch ihnen fehlt die rechtliche und wirtschaftliche Grundlage, um diese Aufgabe auch dauerhaft zu schultern. Dass ausgerechnet die Nachwuchsorganisation der ABDA den Mut hat, diesen Strukturwandel offen zu diskutieren und politische Verantwortungsträger in die Pflicht zu nehmen, spricht für einen Generationswechsel in der Standespolitik.

Gleichzeitig zeigt sich, wie schwerfällig die politischen Entscheidungsprozesse in der Gesundheitspolitik sind. Während Krankenhäuser reformiert, Versorgungsverträge überarbeitet und neue Rollenbilder entworfen werden, werden Apotheken mit befristeten Zuschlägen und symbolischen Anerkennungen abgespeist. Dabei wäre es an der Zeit, die Apotheken nicht als Kostenfaktor, sondern als Strukturgeber anzuerkennen. Ihre Nähe zu den Menschen, ihre niedrigschwellige Erreichbarkeit und ihre fachliche Kompetenz machen sie zu einem unverzichtbaren Baustein jeder dezentralen Versorgung.

Die zentrale Frage lautet deshalb nicht mehr, ob Apotheken mehr Verantwortung übernehmen sollen, sondern wie ihnen diese Verantwortung dauerhaft ermöglicht wird. Die Antworten darauf müssen von der Politik kommen, nicht von den Apothekenteams allein. Wenn der Zukunftskongress in Berlin dazu beiträgt, diese Frage endlich ernsthaft zu stellen, hat er mehr erreicht als manch eine Fachkonferenz der vergangenen Jahre. Die Zeit des taktischen Zuwartens ist vorbei. Es braucht klare Positionen, verlässliche Strukturen und eine Politik, die den Wandel nicht nur verwaltet, sondern gestaltet.

 

Kommunikation wird zum Schlüssel bei Arzneimittelengpässen

Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind längst keine Ausnahme mehr, sondern Alltag in vielen Apotheken. Die Zahl betroffener Präparate bleibt hoch, darunter zahlreiche Antibiotika, Schmerzmittel und Mittel zur Behandlung chronischer Erkrankungen. Für die Versorgung bedeutet das einen spürbaren Kraftakt, der besonders in der Kommunikation mit Patienten sichtbar wird. Wer heute ein Rezept einlöst, muss mit Verzögerungen, Ausfällen oder Umstellungen rechnen. Die Apothekenteams stehen damit vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen medizinische Alternativen finden und gleichzeitig Unsicherheit abfedern.

Ein Lieferengpass liegt nach Definition vor, wenn ein Arzneimittel länger als zwei Wochen nicht in üblicher Menge verfügbar ist. Doch nicht jeder Engpass führt zwangsläufig zum Ausfall der gesamten Therapie. In vielen Fällen lassen sich Lösungen durch ärztliche Rücksprache oder die Anwendung rechtlicher Erleichterungen finden. Das Lieferengpassgesetz erlaubt Apotheken unter bestimmten Bedingungen, wirkstoffgleiche Präparate ohne Rücksprache mit dem Arzt abzugeben. Auch abweichende Packungsgrößen oder kombinierte Wirkstärken sind zulässig, solange die verordnete Gesamtmenge erhalten bleibt. Diese Regelungen schaffen operative Flexibilität, lösen jedoch nicht das Grundproblem.

Der organisatorische Mehraufwand ist enorm. Durchschnittlich verbringen Apotheken rund 24 Stunden pro Woche allein mit dem Management von Engpässen. Das reicht von Rückfragen bei Herstellern und Großhändlern bis zu Abstimmungen mit verordnenden Ärzten. Besonders anspruchsvoll ist jedoch der Umgang mit Patientinnen und Patienten, die auf ihre Medikamente angewiesen sind. Verständnis und Geduld sind nicht selbstverständlich. Gerade ältere Menschen oder chronisch Erkrankte reagieren mit Verunsicherung, wenn gewohnte Therapien nicht fortgeführt werden können. Apotheken versuchen, durch dokumentierte Nachverfolgung, Wartelisten und gezielte Rückmeldungen Vertrauen zu erhalten.

Dabei zeigen sich strukturelle Mängel. Die Verantwortung für die Versorgungslücken wird auf Apotheken abgewälzt, die weder Einfluss auf Produktionsketten noch auf internationale Marktverwerfungen haben. Zwar versuchen viele Teams, durch direkte Kommunikation mit Herstellern oder durch Anpassung der Lagerhaltung gegenzusteuern, doch die Maßnahmen bleiben punktuell. Auch das System der Neinverkäufe, mit dem nicht verfügbare Artikel im Warenwirtschaftssystem markiert werden, dient vor allem der internen Orientierung. Die Auswirkungen auf das Versorgungssystem insgesamt sind gering.

Der Engpass beim Parkinsonmittel Pramipexol zeigt beispielhaft, wie differenziert das Problem gelagert ist. Betroffen sind nicht alle Dosierungen, sondern gezielt die Einstiegsstärken. Hier kann unter bestimmten Voraussetzungen durch die Verordnung höherer teilbarer Dosen eine Lösung gefunden werden. Voraussetzung ist allerdings ein funktionierender Informationsfluss zwischen Apotheke und Arztpraxis. Diese Schnittstelle bleibt jedoch vielerorts lückenhaft.

Insgesamt ist der Umgang mit Lieferengpässen ein Stresstest für das Versorgungssystem. Ohne strukturelle Reformen und verlässliche Lieferketten bleiben Apotheken gezwungen, tagtäglich individuelle Notlösungen zu finden. Der Aufbau resilienter Prozesse, die Einbindung digitaler Informationssysteme und die klare politische Einordnung der Verantwortung sind überfällig.

Die anhaltenden Lieferengpässe in deutschen Apotheken offenbaren mehr als nur punktuelle Schwächen im Arzneimittelmarkt. Sie sind Ausdruck eines Systems, das über Jahre hinweg auf Effizienz statt auf Resilienz gesetzt hat. Globalisierte Lieferketten, die Verlagerung der Produktion ins Ausland und das Fehlen strategischer Vorratshaltung haben dazu geführt, dass die Arzneimittelversorgung heute auf tönernen Füßen steht. Die Apotheken, eigentlich Endpunkt einer langen Versorgungskette, sind in der Praxis längst zu deren Feuerwehr geworden.

Statt Planungssicherheit und Transparenz erleben Apothekenteams täglich operative Improvisation. Der politische Rahmen reagiert darauf mit punktuellen Gesetzesanpassungen, wie dem Lieferengpassgesetz, das zwar rechtliche Erleichterungen bietet, aber keine strukturelle Entlastung schafft. Die Verantwortung wird damit dezentralisiert, ohne dass die betroffenen Apotheken über die nötigen Ressourcen oder Steuerungsmöglichkeiten verfügen. Das System lebt davon, dass die einzelnen Teams über ihre Belastungsgrenzen hinausgehen.

Besonders gravierend ist der gesellschaftspolitische Aspekt. Wenn chronisch kranke oder ältere Menschen plötzlich ohne ihre Medikamente dastehen, entsteht nicht nur medizinische Unsicherheit, sondern auch ein Vertrauensverlust in die Gesundheitsversorgung. Kommunikation allein kann diesen Vertrauensverlust nicht kompensieren, wenn sie nicht eingebettet ist in verlässliche Strukturen. Die Apotheke wird zur letzten Instanz, die das System noch zusammenhält.

Ein weiteres Problem ist die strukturelle Intransparenz. Apotheken erhalten oft keine belastbaren Informationen zu Ursache und Dauer eines Engpasses. Die Kommunikation mit Ärzten wird dadurch erschwert, die Beratung der Patienten zur reinen Vertröstung. Statt klarer Steuerung erleben Betroffene bürokratische Hürden, während die Verantwortung zwischen Herstellern, Politik und Krankenkassen hin und her geschoben wird.

Eine langfristige Lösung kann nur in einem resilienten System liegen, das nationale Produktionskapazitäten stärkt, kritische Wirkstoffe strategisch lagert und die Apotheken in ihrer Rolle als letzte verlässliche Instanz nicht weiter alleinlässt. Bis dahin bleibt nur der Spagat zwischen fachlicher Kompetenz und kommunikativer Krisenbewältigung. Ein Spagat, der zunehmend an seine Grenzen kommt.

 

Die neue Preisregelung verändert den Umgang mit Kochsalzlösung

Seit dem 1. Mai gelten neue Abrechnungsregeln für die Abgabe von isotonischer Kochsalzlösung in Apotheken. Hintergrund ist eine Zusatzvereinbarung zum Rahmenvertrag zwischen Krankenkassen und Apotheken, die auf den seit Oktober vergangenen Jahres bestehenden Versorgungsmangel reagiert. Die Regelung betrifft insbesondere Fälle, in denen lediglich sogenannte Jumbopackungen verfügbar sind. Dabei handelt es sich um Packungsgrößen, die über die laut Packungsgrößenverordnung maximal zulässige Menge hinausgehen.

Apotheken ist es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, Teilmengen aus diesen Großpackungen abzugeben. Eine solche Ausnahme setzt voraus, dass kleinere Gebinde nicht lieferbar sind und die Abgabe der Teilmenge medizinisch erforderlich ist. Zugleich verpflichtet die Vereinbarung Apotheken zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots beim Einkauf solcher Packungen. Die Preisermittlung erfolgt auf Basis des Apothekeneinkaufspreises der Jumbopackung je Applikationseinheit. Die verordnete Menge wird mit dem errechneten Einzelpreis multipliziert und anschließend um den Zuschlag nach der Arzneimittelpreisverordnung ergänzt. Herstellerabschläge sind anteilig auf die abgegebene Menge anzuwenden.

Für die Abrechnung wurden in der Technischen Anlage 1 unterschiedliche Vorgaben für Papierrezepte und E-Rezepte definiert. Bei papiergebundenen Verordnungen muss das Sonderkennzeichen 02567053 verwendet werden. Es ist im Feld für das Arzneimittelkennzeichen einzutragen und mit Hashcode sowie Z-Daten zu ergänzen. Die Pharmazentralnummer der entnommenen Packung wird gesondert dokumentiert. Beim E-Rezept greifen die Vorgaben der Abschnitte 4.11.2 und 4.14.2. Wird eine Teilmenge aufgrund eines Engpasses abgegeben, ist das Zusatzattribut der Gruppe 16 zu verwenden.

Die neue Regelung gilt für alle Verordnungen, die ab dem 1. Mai eingelöst werden. Sie verliert ihre Gültigkeit mit der offiziellen Aufhebung des Versorgungsmangels. Bereits angebrochene Packungen dürfen über diesen Zeitpunkt hinaus verwendet werden, sofern Einzelmengen noch abgegeben werden können. Mit der Zusatzvereinbarung wird Apotheken ermöglicht, in Zeiten angespannter Lieferketten flexibel und rechtssicher zu handeln, ohne die Grenzen der Abrechnungssystematik zu verletzen.

Die Abrechnungsregelung für Kochsalzlösung aus Jumbopackungen ist mehr als eine technische Anpassung im Rahmenvertrag. Sie ist Ausdruck eines systemischen Problems, das weit über einzelne Wirkstoffe hinausreicht. Der fortdauernde Versorgungsmangel bei einem so basalen Arzneimittel wie isotonischer Natriumchloridlösung offenbart strukturelle Defizite in der Lieferkettensicherheit, der Marktregulierung und der Arzneimittelpreisbildung. Wenn Apotheken gezwungen sind, Großgebinde aufzuteilen, um die Grundversorgung aufrechtzuerhalten, dann ist dies ein Notbehelf, kein regulärer Betriebsmodus.

Die Politik reagiert mit formal präzisen, aber letztlich reaktiven Maßnahmen. Statt langfristiger Strategien zur Stärkung der Produktion im Inland oder europäischer Bevorratungskapazitäten werden kleinteilige Sonderregelungen geschaffen, deren Gültigkeit stets an das Ende eines definierten Mangels gekoppelt ist. Dies mag kurzfristig praktikabel sein, verhindert aber eine strukturelle Antwort auf ein systemisches Risiko. Dass Apotheken die Dokumentationslast und wirtschaftliche Verantwortung dabei alleine tragen, während sie zugleich unter Personalnot und gestiegenen Betriebskosten leiden, verstärkt die Asymmetrie zwischen Verantwortung und Einfluss.

Die neue Zusatzvereinbarung bringt zweifellos mehr Rechtssicherheit für Apotheken in der täglichen Praxis. Sie ist jedoch auch ein Symptom dafür, wie stark sich die Arzneimittelversorgung inzwischen an Ausnahmen und Sonderregelungen orientiert. Eine stabile Versorgung darf jedoch nicht vom Improvisationsvermögen der letzten Versorgungsinstanz abhängen. Sie muss planbar, resilient und politisch abgesichert sein. Eine echte Reform der Versorgungsarchitektur ist überfällig. Wer den Mangel verwaltet, statt ihn zu beseitigen, betreibt Politik am Limit der Verantwortung.

 

Anästhesist erkennt Atemstillstand zu spät

Im Berliner Landgericht muss sich ein 78 Jahre alter Anästhesist wegen des Todes einer Patientin nach einer ambulanten Narkose verantworten. Die Anklage lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge. Zusätzlich erwägt das Gericht die rechtliche Prüfung eines versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen. Der Arzt soll während eines Eingriffs gravierende Fehler gemacht und anschließend versucht haben, seine Versäumnisse zu verheimlichen. Zum Prozessauftakt macht der Angeklagte keine Angaben.

Die 59 Jahre alte Frau war am 27. Januar 2020 in einer orthopädischen Praxis in Berlin-Kreuzberg wegen starker Rückenschmerzen in Behandlung. Eine schmerzstillende Injektion im Bereich der Lendenwirbelsäule war vorgesehen. Der behandelnde Orthopäde hatte den Anästhesisten hinzugezogen, um die Patientin in Vollnarkose zu versetzen. Laut Anklage hatte der Mediziner sie jedoch weder hinreichend über die Risiken des Eingriffs noch über mögliche Alternativen informiert. Der Einwilligungsbogen wurde erst kurz vor dem Eingriff von der Tochter der Patientin unterzeichnet. Die Staatsanwaltschaft sieht darin ein rechtswidriges Vorgehen.

Während der Narkose soll es zum Atem- und Herzstillstand gekommen sein. Nach Darstellung der Anklage bemerkte der Arzt diesen kritischen Zustand nicht rechtzeitig. Die Patientin blieb sieben bis acht Minuten ohne Sauerstoffversorgung. Infolge des Vorfalls erlitt sie einen schweren Hirnschaden und fiel ins Wachkoma. Eine Reanimation in der Praxis war erfolglos. Erst danach setzte der Anästhesist einen Notruf ab. Er informierte die Notärztin jedoch nicht vollständig über den Ablauf der Behandlung. Auch das nachbehandelnde Krankenhauspersonal erhielt offenbar keine wahrheitsgemäßen Angaben. Die Patientin verstarb Ende April 2020 an einer Lungenentzündung, aus dem Koma erwachte sie nicht mehr.

Eine Ärztin der Klinik erstattete später Anzeige, nachdem intern bekannt wurde, dass in der Praxis bereits ein Reanimationsversuch stattgefunden hatte. Ein Kriminalbeamter berichtete vor Gericht, dass bei einer Durchsuchung keine Dokumente vorgelegt worden seien. Der Angeklagte erklärte demnach, üblicherweise nur ein kurzes Vorgespräch vor der Sedierung zu führen. Die Ermittlungen zeichnen ein Bild ärztlicher Nachlässigkeit, bei der grundlegende Standards der Aufklärung und Überwachung missachtet wurden. Der Prozess wird am 13. Mai fortgesetzt.

Der Fall der verstorbenen Patientin wirft ein grelles Licht auf strukturelle Defizite im ambulanten Gesundheitswesen. Dass ein Mensch in einer Arztpraxis unter Vollnarkose in einen Zustand ohne Sauerstoffversorgung gerät und erst Minuten später eine Reaktion erfolgt, ist nicht allein ein individuelles Versagen. Es ist Ausdruck eines Systems, das Verantwortung auf die kleinste Einheit delegiert, ohne ausreichende Kontrolle oder Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Die Entscheidung, einen Routineeingriff unter Vollnarkose vorzunehmen, hätte besser hinterfragt werden müssen. Dass keine wirksame Einwilligung vorlag und dennoch narkotisiert wurde, ist ein alarmierender Befund.

Die juristische Einordnung als Körperverletzung mit Todesfolge ist konsequent. Der ergänzende Vorwurf eines versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen wirft Fragen auf, die weit über das Einzelschicksal hinausreichen. Er betrifft das Verhältnis von ärztlicher Selbstkontrolle und externer Überprüfung. Wenn der Verdacht stimmt, dass der Anästhesist die Wahrheit gegenüber Notarzt und Klinikpersonal bewusst verschwiegen hat, dann geht es nicht mehr nur um Fahrlässigkeit, sondern um bewusste Täuschung mit möglicherweise lebensbedrohlichen Folgen.

Zugleich zeigt der Fall, wie lückenhaft manche Praxen in puncto Dokumentation und Aufklärung agieren. Dass keine Behandlungsunterlagen vorgelegt werden konnten, spricht für eine grobe Missachtung der Sorgfaltspflicht. Die staatliche Aufsicht und die ärztliche Selbstverwaltung stehen hier gleichermaßen in der Pflicht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Es braucht klare Standards, wie tiefgreifende Eingriffe in ambulanten Praxen vorbereitet, dokumentiert und überwacht werden müssen.

Der Tod dieser Frau ist nicht nur eine Tragödie für ihre Familie, sondern ein Warnsignal für das gesamte System. Die medizinische Autonomie darf nicht in Unverantwortlichkeit umschlagen. Patientensicherheit muss durch verbindliche Regeln, transparente Verfahren und konsequente Sanktionen geschützt werden. Wer schweigt, wenn Schweigen tötet, darf sich nicht auf ärztliche Autorität berufen.

 

Viele kennen sie nicht Medikationsanalyse bleibt unsichtbar

Die Bereitschaft zur Teilnahme an einer Medikationsanalyse ist bei vielen Apothekenkundinnen und -kunden vorhanden, das Wissen über Inhalt und Nutzen jedoch gering. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Befragung des Instituts für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie (IPMB) der Universität Heidelberg, das über 1.500 Personen in Apotheken zur Wahrnehmung pharmazeutischer Dienstleistungen interviewt hat. Die Studie zeigt, dass strukturelle und kommunikative Hürden der Grund dafür sind, warum das Angebot bisher kaum in Anspruch genommen wird. Trotz hoher Akzeptanz für eine Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit wissen viele Kundinnen und Kunden weder, dass es diese Leistung gibt, noch was sie konkret beinhaltet.

Besonders auffällig ist die Diskrepanz zwischen der positiven Grundhaltung gegenüber der Medikationsanalyse und der geringen tatsächlichen Nutzung. Viele Befragte sehen zwar die potenziellen Vorteile einer strukturierten Prüfung ihrer Gesamtmedikation, kennen aber keine Details zur Durchführung, zu möglichen Kosten oder zur Rolle der Apotheke. Gerade bei chronisch Erkrankten mit Mehrfachverordnungen ist diese Unsicherheit besonders problematisch. Die Analyse hätte gerade hier einen erheblichen medizinischen und wirtschaftlichen Nutzen, bleibt jedoch häufig ungenutzt. Ein weiteres Hindernis liegt in der Unsichtbarkeit des Angebots: Apothekerinnen und Apotheker sprechen die Dienstleistung selten aktiv an, was zu geringer Sichtbarkeit im Versorgungsalltag führt.

Aus den Ergebnissen leiten die Forschenden drei zentrale Empfehlungen ab. Erstens müsse die Medikationsanalyse im Beratungsgespräch stärker beworben und in den Versorgungsprozess sichtbar eingebunden werden. Zweitens sei eine standardisierte, niedrigschwellige und verständliche Kommunikation über Ablauf, Nutzen und Kosten erforderlich. Drittens sollte die Politik strukturelle Voraussetzungen schaffen, um die Vergütung langfristig zu sichern und die Integration in die Regelversorgung zu fördern. Nur so könne sich die Medikationsanalyse als fester Bestandteil der Versorgungsrealität etablieren und das vorhandene Vertrauen der Patientinnen und Patienten in Apotheken nachhaltig nutzen.

Die Medikationsanalyse bleibt ein Versprechen, das im Alltag der Patientinnen und Patienten kaum eingelöst wird. Die Gründe dafür sind weniger individueller Natur als strukturell bedingt. Was sich hier offenbart, ist ein zentrales Kommunikationsdefizit im deutschen Gesundheitswesen. Während die Medikationsanalyse seit Jahren als Schlüsselelement der pharmazeutischen Versorgung gilt, ist ihre praktische Umsetzung von Unsichtbarkeit, Missverständnissen und politischer Halbherzigkeit geprägt. Die Apotheken stehen zwischen Anspruch und Realität: Sie verfügen über das Wissen, aber nicht über die Mittel und die systemische Rückendeckung, um dieses Wissen flächendeckend nutzbar zu machen.

Es genügt nicht, Leistungen in Gesetzestexten zu verankern und ihre Bedeutung theoretisch zu betonen. Was fehlt, ist die konsequente politische und institutionelle Begleitung. Eine echte Medikationsanalyse setzt strukturelle Finanzierung, einheitliche Prozesse und öffentlich sichtbare Information voraus. Die Verantwortung dafür liegt nicht nur bei der Berufsgruppe, sondern auch bei den Krankenkassen, den Standesvertretungen und der Gesundheitspolitik. Wer die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern will, muss die dafür notwendigen Dienstleistungen dauerhaft sichtbar, verstehbar und nutzbar machen.

Zugleich braucht es ein Umdenken in der Apothekerschaft selbst. Die Rolle als reine Dispensierstation ist historisch überholt. Wer pharmazeutisch handeln will, muss auch pharmazeutisch kommunizieren. Das bedeutet, Patientinnen und Patienten aktiv anzusprechen, Aufklärung niedrigschwellig zu gestalten und eigene Kompetenzen offensiv, aber transparent in den Versorgungsprozess einzubringen. In der Medikationsanalyse liegt eine Chance zur Re-Professionalisierung des Berufsstandes. Doch diese Chance bleibt nur dann real, wenn sie nicht als Zusatzaufgabe, sondern als Kern der pharmazeutischen Versorgung verstanden wird.

 

Probiotika könnten resistente Krankenhauskeime zurückdrängen

Krankenhäuser gelten als Orte der Heilung, doch sie bergen auch ein mikrobiologisches Risiko, das lange unterschätzt wurde. Nicht nur Patienten und Personal tragen Mikroorganismen in sich, auch die Gebäude selbst entwickeln mit der Zeit ein eigenes Mikrobiom. Dieses entsteht durch die ständige Abgabe von Mikroorganismen in die Umgebung, etwa beim Atmen, Berühren oder durch Nutzung sanitärer Einrichtungen. Allein eine einzelne Person hinterlässt pro Stunde Millionen von Bakterien in ihrer Umgebung. In einem Krankenhaus, wo täglich viele Menschen ein- und ausgehen, bildet sich so eine komplexe mikrobielle Landschaft, die je nach Aufenthaltsdauer und Raumtyp sehr unterschiedlich ausfällt.

Besonders auffällig ist, wie schnell sich das Mikrobiom eines Raumes an neue Patienten anpasst. Studien zeigen, dass nach dem Einzug eines neuen Patienten dessen mikrobielles Profil bereits nach wenigen Stunden die Oberflächen eines Klinikzimmers dominiert. Die Spuren früherer Bewohner werden dadurch überlagert, jedoch nicht vollständig gelöscht. Selbst nach täglicher Reinigung und Desinfektion bleiben mikrobielle Rückstände zurück, vor allem in feuchten Bereichen wie Waschbecken und Abflüssen, wo sich stabile Biofilme ausbilden können. In diesen Rückständen finden sich immer wieder bakterielle Resistenzgene, die langfristig die Entstehung multiresistenter Erreger begünstigen können.

Ein wachsendes Problem dabei ist der routinemäßige Einsatz von Desinfektionsmitteln. Zwar sollen diese Keime beseitigen, doch der chemische Druck führt auch zur Selektion resistenter Mikroorganismen. Einige Forscher vermuten inzwischen, dass gerade die intensive Desinfektion zur Verarmung des Mikrobioms beiträgt und dadurch Platz für pathogene Keime schafft. Als Alternative wird der gezielte Aufbau eines gesunden Raum-Mikrobioms diskutiert. Dabei sollen sogenannte Raumprobiotika – etwa Bakterien der Gattung Bacillus – auf Oberflächen ausgebracht werden, um das mikrobielle Gleichgewicht zu stabilisieren und gefährliche Erreger zu verdrängen.

Erste klinische Untersuchungen bestätigen diese Hoffnung. In Studien, die verschiedene Reinigungsstrategien miteinander verglichen, zeigte sich, dass Räume, die mit Probiotika behandelt wurden, eine größere mikrobielle Vielfalt aufwiesen und gleichzeitig weniger antibiotikaresistente Gene enthielten. Besonders in Abflüssen konnten signifikante Unterschiede festgestellt werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht die Eliminierung aller Keime, sondern die Etablierung stabiler mikrobieller Ökosysteme ein wirkungsvoller Weg sein könnte, um Infektionen vorzubeugen.

Dennoch bleibt Skepsis. Die bisherigen Studien können nur eingeschränkt zwischen lebenden und toten Mikroorganismen unterscheiden. Zudem fehlen bislang große randomisierte Untersuchungen mit dem Endpunkt nosokomialer Infektionen. Ohne solche klinisch relevanten Nachweise wird sich die probiotische Reinigung kaum flächendeckend durchsetzen lassen. Gleichzeitig ist der Druck auf Kliniken hoch, angesichts der wachsenden Bedrohung durch multiresistente Erreger neue Wege zu beschreiten. Der gezielte Umgang mit dem Gebäudemikrobiom könnte dabei künftig eine Schlüsselrolle spielen.

Die Vorstellung, dass Krankenhäuser ein eigenes Mikrobiom besitzen, wirkt auf den ersten Blick überraschend. Tatsächlich ist es jedoch nur konsequent, dass auch Gebäude ihre mikrobiologischen Spuren tragen. In keinem anderen Gebäudetyp haben diese Spuren jedoch eine vergleichbare Relevanz wie in Kliniken. Denn hier treffen vulnerable Patienten auf eine mikrobiell aufgeladene Umgebung, in der sich antibiotikaresistente Erreger nachweislich leichter ausbreiten können. Die Verantwortung der Krankenhaushygiene endet deshalb nicht bei der Oberflächendesinfektion. Sie beginnt vielmehr mit einem grundlegenden Verständnis für die ökologischen Dynamiken mikrobieller Lebensgemeinschaften in Innenräumen.

Die Ergebnisse aktueller Studien sind ein Weckruf. Sie zeigen, dass das klassische Reinigen und Desinfizieren zwar kurzfristig Keime reduziert, langfristig aber möglicherweise jene Mikroorganismen begünstigt, die auf diese Stressreize mit Resistenzen reagieren. Der gute Wille, Keime zu bekämpfen, könnte paradoxerweise zur Stabilisierung resistenter Erreger beitragen. Wenn sich dieser Zusammenhang bestätigt, ist ein Strategiewechsel in der Krankenhausreinigung unausweichlich. Es wäre fahrlässig, weiterhin auf Reinigungsmethoden zu setzen, deren Langzeitfolgen strukturell nicht hinterfragt werden.

Die Idee, mit Probiotika ein mikrobielles Gleichgewicht herzustellen, mag auf den ersten Blick wie ein Konzept aus der Alternativmedizin wirken. Doch sie basiert auf fundierten mikrobiologischen Erkenntnissen. Wie in der menschlichen Darmflora gilt auch für Räume: Vielfalt stabilisiert. Ein artenreiches Mikrobiom bietet weniger Angriffsfläche für einzelne pathogene Keime. Die Erkenntnis, dass sich diese Prinzipien auf Innenräume übertragen lassen, eröffnet neue Perspektiven für eine präventive Infektionskontrolle.

Allerdings stehen auch die Probiotika-Strategien erst am Anfang. Solange die Langzeitwirkung auf Patienten nicht in kontrollierten Studien geprüft ist, bleibt die Anwendung ein wissenschaftliches Experiment. Politik und Klinikleitungen sind jetzt gefordert, mutige Entscheidungen auf Basis solider Daten zu ermöglichen, statt an überholten Hygieneparadigmen festzuhalten. Der mikrobielle Zustand unserer Krankenhäuser ist ein Spiegelbild unserer hygienepolitischen Konzepte. Ein nachhaltiger Wandel beginnt mit der Bereitschaft, Mikroorganismen nicht nur als Feinde zu betrachten, sondern als Teil eines komplexen, gestaltbaren Systems.

 

Luftschadstoffe erhöhen das Asthmarisiko bereits vor der Geburt

Die Zahl der an Asthma erkrankten Kinder nimmt weltweit weiter zu. Besonders in dicht besiedelten Städten mit hoher Industrie- und Verkehrsdichte mehren sich die Hinweise, dass Luftschadstoffe maßgeblich zum Anstieg beitragen. Doch nicht nur nach der Geburt, sondern bereits während der Schwangerschaft können Umweltfaktoren die spätere Krankheitsanfälligkeit des Kindes mitbestimmen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bereits pränatale Einflüsse wie Feinstaubbelastung, Stickstoffdioxid oder Tabakrauch das Immunsystem und die Lungenentwicklung entscheidend prägen.

Dabei scheint vor allem die Zeit im Mutterleib ein sensibles Fenster für die Entstehung chronischer Atemwegserkrankungen zu sein. Feinstaubpartikel gelangen über die mütterliche Blutbahn in die Plazenta und beeinflussen dort immunologische Prozesse. Kinder, die vor oder nach der Geburt dauerhaft schadstoffbelasteter Luft ausgesetzt sind, zeigen in Langzeitstudien ein signifikant erhöhtes Risiko für asthmatische Symptome und Lungenerkrankungen.

Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Kinder mit entsprechender familiärer Vorbelastung erkranken deutlich häufiger, wenn sie zugleich Umweltbelastungen ausgesetzt sind. Dieses Zusammenspiel aus erblichen Dispositionen und schädlichen Umweltbedingungen stellt ein zentrales Risiko dar, das in der öffentlichen Diskussion bislang kaum systematisch adressiert wird.

Besonders betroffen sind Bevölkerungsgruppen in sozial benachteiligten Wohngebieten, die häufig in der Nähe von Hauptverkehrsstraßen oder Industrieanlagen leben. Dort ist die Belastung durch Schadstoffe nicht nur höher, sondern die medizinische Vorsorge und frühzeitige Intervention oft eingeschränkt. Fachleute fordern daher gezielte Präventionsmaßnahmen in diesen Regionen, um gesundheitliche Chancengleichheit für Kinder sicherzustellen.

Der Anstieg von Asthmaerkrankungen bei Kindern ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein politisches Problem. Luftreinhaltung, Wohnraumpolitik und gesundheitliche Aufklärung müssen zusammengedacht werden, um das Risiko strukturell zu senken. Ohne tiefgreifende Veränderungen in Umwelt- und Sozialpolitik droht eine Verschärfung chronischer Krankheitsverläufe schon im Kindesalter.

Asthma bei Kindern ist längst kein individuelles Gesundheitsproblem mehr, sondern Ausdruck eines strukturellen Versagens. Wenn Kinder bereits vor der Geburt Schadstoffen ausgesetzt sind, weil Stadtplanung, Umweltpolitik und soziale Infrastruktur versagen, dann ist das nicht nur ein medizinischer Notstand, sondern ein gesellschaftspolitischer Skandal. Dass sich dieser Zusammenhang in vielen Studien klar zeigt und dennoch keine nachhaltige politische Wende erfolgt, ist Ausdruck einer gefährlichen Prioritätensetzung.

Während Gesundheitssysteme Milliarden für die Behandlung chronischer Erkrankungen aufwenden, wird die Prävention weiterhin vernachlässigt. Luftreinhaltung ist kein technisches Randthema, sondern eine soziale Verpflichtung. Dass insbesondere Kinder in ärmeren Vierteln einem höheren Risiko ausgesetzt sind, verweist auf eine strukturelle Ungleichheit, die sich bis ins Immunsystem fortschreibt. Wer dort geboren wird, hat schlechtere Startchancen – nicht nur im Leben, sondern schon beim Atmen.

Verantwortungsträger in Politik und Verwaltung verfehlen bislang die Umsetzung effektiver Schutzmaßnahmen. Stadtentwicklungen ohne Umweltzonen, fehlende Filteranlagen und mangelhafte Verkehrslenkung sind mehr als Planungslücken. Sie sind aktive Gesundheitsrisiken. Die Zeit, in der Umweltbelastung als technisches Nebenproblem behandelt werden konnte, ist vorbei. Die Erkenntnisse liegen auf dem Tisch. Was fehlt, ist der politische Wille zur entschlossenen Umsetzung.

Asthma bei Kindern beginnt oft schon im Bauch der Mutter. Wer das nicht zur Richtschnur politischen Handelns macht, riskiert nicht nur die Gesundheit einer Generation, sondern auch das Vertrauen in staatliche Fürsorge. Gesundheitsschutz beginnt nicht in der Notaufnahme, sondern in der Luft, die wir alle einatmen.

 

Impfung gegen Gürtelrose schützt auch Herz und Gehirn nachhaltig

Eine Impfung gegen Gürtelrose könnte deutlich mehr leisten als bislang angenommen. Neue bevölkerungsbasierte Studiendaten deuten darauf hin, dass die Herpes Zoster Lebendimpfung nicht nur das Risiko für die schmerzhafte Virusreaktivierung reduziert, sondern auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz schützen kann. Grundlage ist eine umfassende Analyse südkoreanischer Gesundheitsregister mit Daten von mehr als zwei Millionen Menschen über einen Zeitraum von fast zehn Jahren. Die Auswertung ergab eine relative Risikoreduktion kardiovaskulärer Ereignisse um 23 Prozent in der Gruppe der Geimpften. Besonders ausgeprägt war der Effekt bei schweren Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Schlaganfällen, koronarer Herzkrankheit und Herzrhythmusstörungen.

Im Fokus der Studie standen Erwachsene ab 50 Jahren ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen. Jeweils rund 635.000 geimpfte und ungeimpfte Personen wurden systematisch verglichen. Eine strenge Anpassung der Gruppen nach Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status und Gesundheitsverhalten sollte sicherstellen, dass externe Einflussfaktoren das Ergebnis nicht verzerren. Die Ergebnisse zeigten eine statistisch signifikante Reduktion sämtlicher untersuchter Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der geimpften Gruppe. Die stärkste Schutzwirkung wurde zwei bis drei Jahre nach der Impfung beobachtet und hielt bis zu acht Jahre an, bevor sie allmählich abnahm.

Als mögliche Erklärung nennen die Forschenden immunologische Mechanismen, die über die reine Vermeidung der Zoster-Erkrankung hinausgehen. Die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus kann entzündliche Prozesse im Gefäßsystem auslösen und damit Herzinfarkte oder Schlaganfälle begünstigen. Zudem ist bekannt, dass das Virus den Vagusnerv schädigen und so Herzrhythmusstörungen verursachen kann. Die Impfung könnte diese Prozesse durch eine gezielte Aktivierung des Immunsystems frühzeitig unterbrechen.

Bemerkenswert ist, dass der präventive Effekt besonders bei Bevölkerungsgruppen mit ohnehin erhöhtem Risiko deutlich ausfiel. Männer, Menschen mit niedrigem Einkommen, Bewohner ländlicher Regionen und Personen mit ungesundem Lebensstil profitierten überdurchschnittlich stark. Diese Erkenntnisse geben Hinweise auf mögliche gesundheitspolitische Zielgruppen für künftige Impfprogramme.

Neben den kardiovaskulären Vorteilen gibt es auch Hinweise auf eine geringere Demenzrate nach der Impfung. In mehreren internationalen Studien zeigte sich eine reduzierte Wahrscheinlichkeit einer Demenzdiagnose bei Geimpften. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt, könnten aber ebenfalls mit der Unterbindung chronisch entzündlicher Prozesse im Zentralnervensystem zusammenhängen. Damit eröffnet sich ein neuer Blick auf die Bedeutung präventiver Impfstrategien im höheren Lebensalter.

Die Ergebnisse legen nahe, dass die Impfung gegen Herpes Zoster künftig nicht nur als Schutz vor Gürtelrose, sondern auch als Maßnahme zur Prävention chronischer Herz- und Hirnerkrankungen bewertet werden sollte. Angesichts einer alternden Bevölkerung und steigender Fallzahlen bei Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz gewinnt diese Erkenntnis gesundheitspolitisch an Bedeutung.

Die Erkenntnisse zur erweiterten Schutzwirkung der Herpes Zoster Impfung markieren einen Wendepunkt in der Bewertung präventiver Impfstrategien für ältere Menschen. Was bislang primär als Schutz vor einer lokal schmerzhaften Virusinfektion galt, zeigt nun systemische Wirkung mit erheblichem gesundheitspolitischem Potenzial. Dass eine einzelne Impfung sowohl das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch für Demenz signifikant senken kann, stellt die herkömmliche Impfzieldefinition infrage. Nicht mehr nur der unmittelbare Infektionsschutz, sondern die langfristige Verhinderung chronischer Volkskrankheiten rückt in den Vordergrund.

Besonders relevant ist, dass gerade Risikogruppen mit schlechterem Zugang zu medizinischer Versorgung oder ungesünderem Lebensstil offenbar besonders profitieren. Das eröffnet neue Möglichkeiten für gezielte Präventionspolitik, setzt jedoch voraus, dass öffentliche Gesundheitsstrategien konsequent angepasst werden. Wer vulnerable Gruppen tatsächlich schützen will, muss Impfprogramme sozial differenziert gestalten und Barrieren abbauen. Impfen darf nicht länger als individueller Akt der Vorsorge verstanden werden, sondern muss als strukturelle Intervention gegen gesundheitliche Ungleichheit begriffen werden.

Gleichzeitig offenbaren die neuen Daten auch ein Versäumnis der bisherigen Forschung. Dass der präventive Effekt auf das Herz-Kreislauf-System erst jetzt sichtbar wird, verweist auf eine zu enge Fokussierung klinischer Studien. Prävention wird vielfach zu kurz gedacht, beschränkt auf die Vermeidung konkreter Symptome statt auf systemische Resilienz. Die medizinische und politische Verantwortung liegt nun darin, den Blick zu weiten und Impfungen als langfristige Investition in öffentliche Gesundheit zu begreifen.

Schließlich muss auch die Impfstoffentwicklung hinterfragt werden. Wenn ein Lebendimpfstoff in der Lage ist, vaskuläre und neurologische Langzeitschäden zu verhindern, stellt sich die Frage, ob diese Potenziale bei modernen Vakzinen systematisch mitgedacht werden. Die Pandemie hat gezeigt, wie schnell Impfstoffe entwickelt werden können. Der nächste Schritt ist, sie nicht nur gegen Viren zu richten, sondern auch gegen die Spätfolgen viraler Reaktivierungen, wie sie bei Herpes Zoster nun so deutlich zutage treten.

Diese Erkenntnisse müssen Konsequenzen haben. Für die Forschung, die Politik und nicht zuletzt für die Aufklärung der Bevölkerung. Denn Prävention beginnt nicht mit dem ersten Symptom, sondern mit der Entscheidung, Infektionen gar nicht erst zuzulassen. Wenn diese Entscheidung zugleich das Herz stärkt und das Gehirn schützt, dann ist es höchste Zeit, sie neu zu gewichten.

 

Gesundheit ist kein Zufall sondern Ergebnis sozialer Ordnung

Die Lebenserwartung eines Menschen hängt maßgeblich von seiner sozialen Herkunft ab. Wer in Armut aufwächst, schlechter wohnt, wenig Bildung erfährt und diskriminiert wird, lebt deutlich kürzer als Menschen in wohlhabenderen und besser integrierten Verhältnissen. Diese Zusammenhänge dokumentiert ein neuer Bericht, der auf eine klare Botschaft hinausläuft: Soziale Ungerechtigkeit tötet und zwar weltweit und mit systematischer Wucht. Die Unterschiede in der Lebenserwartung betragen zwischen den reichsten und ärmsten Ländern bis zu 33 Jahre. Auch innerhalb einzelner Staaten zeigen sich gravierende Abstände zwischen wohlhabenden und benachteiligten Bevölkerungsgruppen.

Maßgeblich für die gesundheitliche Entwicklung eines Menschen sind nicht in erster Linie genetische Faktoren oder die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems. Entscheidend sind die Bedingungen, unter denen Menschen aufwachsen, arbeiten und alt werden. Die Kombination aus niedrigem Einkommen, geringem Bildungsstand, prekärem Wohnraum, eingeschränkter Mobilität und mangelndem Zugang zu digitalen und gesellschaftlichen Ressourcen führt zu schlechteren Gesundheitswerten. Kinder in armen Ländern haben ein dreizehnfach höheres Risiko, vor ihrem fünften Geburtstag zu sterben. Auch in Industrienationen wachsen die Gesundheitsunterschiede zwischen Arm und Reich weiter an.

Zunehmend wird deutlich, dass gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen die gesundheitliche Lage der Bevölkerung prägen. Diskriminierung, Rassismus, Einsamkeit und fehlende soziale Absicherung wirken wie ein Brennglas auf ohnehin bestehende Nachteile. In vielen Ländern fehlt das Geld für Investitionen in eine gerechtere Sozial- und Gesundheitspolitik, weil hohe Schuldenlasten mehr Mittel für Zinszahlungen als für Bildung und Gesundheitsversorgung binden. Weltweit leben mehr als drei Milliarden Menschen in Staaten, die ihre gesellschaftlichen Grundlagen zugunsten der Schuldenbedienung vernachlässigen müssen.

Die Empfehlungen für politische Entscheidungsträger sind klar. Investitionen in Wohnraum, soziale Infrastruktur, Mobilität, Prävention und medizinische Versorgung zahlen sich nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch aus. Gesündere Menschen arbeiten länger, benötigen weniger ärztliche Leistungen und sind produktiver für die Gesellschaft. Der Preis für Untätigkeit ist hoch, denn soziale Ungleichheit kostet Lebensjahre, vermindert Lebensqualität und untergräbt das Vertrauen in gesellschaftliche Gerechtigkeit. Eine konsequente Bekämpfung der sozialen Determinanten schlechter Gesundheit ist deshalb kein Nebenschauplatz, sondern eine zentrale Aufgabe moderner Politik.

Der dramatische Einfluss sozialer Ungleichheit auf die Gesundheit von Menschen ist kein neues Phänomen, aber seine Ignoranz bleibt ein politischer Skandal. Dass in vielen Regionen dieser Welt die Herkunft über Gesundheit, Krankheit und letztlich über Leben und Tod entscheidet, offenbart nicht nur ein ethisches Versagen, sondern auch ein strukturelles Versäumnis der Politik. Gesundheit darf in keiner Gesellschaft das Ergebnis von Zufällen, Benachteiligungen oder systematischer Ausgrenzung sein.

Die Verantwortung liegt bei jenen, die politische Prioritäten setzen. Wer Sozialbudgets kürzt, Bildungswege verbaut und Investitionen in benachteiligte Regionen verweigert, trägt zur Reproduktion gesundheitlicher Ungleichheiten bei. Während sich viele Industriestaaten als medizinisch hochentwickelt inszenieren, vernachlässigen sie die sozialen Grundlagen der Gesundheit. Wohnverhältnisse, Arbeitsbedingungen und soziale Teilhabe bleiben häufig außerhalb des gesundheitspolitischen Fokus, obwohl sie zentrale Einflussgrößen darstellen.

Besonders brisant ist die Tatsache, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit nicht in Widerspruch zueinander stehen, sondern sich gegenseitig bedingen. Wer Menschen gesund hält, stärkt nicht nur deren Lebensqualität, sondern auch das gesellschaftliche Fundament. Investitionen in Prävention, Bildung, Wohnraum und Gesundheitsdienste sind nicht nur humanitär geboten, sondern auch ökonomisch vernünftig. Trotzdem bleibt vielerorts der politische Wille aus, bestehende Ungleichheiten konsequent zu bekämpfen.

Auch die internationale Gemeinschaft steht in der Pflicht. Staaten, die unter Schuldenlasten leiden, werden in eine dauerhafte Abhängigkeit gedrängt und verlieren den Spielraum für eine gerechte Sozialpolitik. Ein globales Wirtschaftssystem, das Zinszahlungen über das Recht auf Gesundheit stellt, ist Teil des Problems. Notwendig sind umfassende Entschuldungsinitiativen, eine faire Mittelverteilung und ein Paradigmenwechsel, der soziale Gesundheit nicht als Folge individueller Verantwortung, sondern als Ausdruck kollektiver Gerechtigkeit versteht.

Eine Gesellschaft, die zulässt, dass der Geburtsort über die Lebenszeit entscheidet, stellt ihre ethische Legitimität selbst infrage. Die politischen Entscheidungsträger sind gefordert, soziale Determinanten nicht länger zu ignorieren. Der Preis für Untätigkeit sind verlorene Jahre, vermeidbares Leid und ein gefährlich erodierendes Vertrauen in die Versprechen moderner Gesellschaften. Wer Gesundheit will, muss Gerechtigkeit schaffen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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